Protocol of the Session on November 27, 2019

Mit diesem Stiftungsgesetz stellen wir jetzt die Weichen für ein Haus, in dem die Menschen in unserem Land die Geschichte Nordrhein-Westfalens unter den Aspekten Demokratie, Vielfalt und Wandel erleben können. Denn dieses Land hat in seiner nunmehr 73-jährigen Geschichte vieles zu erzählen, aus dem wir heute und morgen noch lernen können und auch lernen müssen.

Was beinhaltet nun dieser Gesetzentwurf? Zunächst einmal eine Besonderheit: Mit diesem Stiftungsgesetz wird das Land – in diesem Fall Landtag und Landesregierung gemeinsam – eine rechtsfähige Stiftung des öffentlichen Rechts errichten.

Organe sind das Kuratorium, das Präsidium oder die Präsidentin/der Präsident, der Wissenschaftliche Beirat und der Arbeitskreis gesellschaftlicher Gruppen.

Im 16-köpfigen Kuratorium sind für das Land die Gründungsstifter, also Landesregierung und Landtag, gemeinsam vertreten. Der Landtag stellt hierbei mit seinem Präsidium und den Abgeordneten je Fraktion insgesamt neun Mitglieder in dieser Legislatur. Die Landesregierung wird mit fünf Mitgliedern vertreten sein. Darüber hinaus wird im Kuratorium je ein Mitglied der Landschaftsverbände vertreten sein. Diese sind ja auch für regionale Landesgeschichte zuständig.

Gerade in der Zusammenarbeit mit den eben schon genannten Gremien sehen wir fraktionsübergreifend die notwendige Verankerung des zukünftigen Hauses in der Breite unserer Gesellschaft.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, mit dem geplanten Standort für das „Haus der Geschichte Nordrhein-Westfalen“ im Behrensbau werden wir einen guten Verbund zum Landtag und zum Regierungsviertel haben. Die Nähe zum Herz der Demokratie und die Kombination werden das Verständnis für unsere Demokratie stärken. Es wird den Menschen das Land näherbringen und dadurch auch unser Zusammenleben stärken.

Gerade in der heutigen Zeit sind solche Institutionen wichtiger denn je. Sie sollen keine Meistererzählung

bieten und keine Leistungsschau sein, sondern Menschen partizipativ zum selbstständigen Reflektieren ermuntern, um aktive und mündige Nordrhein-Westfalen zu sein.

Wir waren hier im Landtag – wenn Sie mir dieses Bild zum Abschluss erlauben – die „Geburtshelfer“ dieses Projektes. Ich freue mich auf eine Fortsetzung der Arbeit in der neuen Stiftung und danke Ihnen allen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kuper. – Nun hat für die SPD-Fraktion Herr Professor Dr. Bovermann das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als wir am 18. Januar 2018 hier den Antrag „Geschichte des Landes Nordrhein-Westfalen für die Menschen greifbar und erlebbar machen“ diskutierten, habe ich auf drei Punkte im Zusammenhang mit der Schaffung eines „Hauses der Geschichte Nordrhein-Westfalen“ hingewiesen:

erstens, dass man dafür viel Zeit braucht; zweitens, dass nicht die Haupt- und Staatsaktionen, sondern die Menschen im Mittelpunkt stehen müssen, und drittens, dass es sich nicht um ein Vorhaben der Regierung oder einer einzelnen Partei handeln dürfe.

(Beifall von der SPD und der FDP)

Meine Damen und Herren, alle drei Bedingungen sind bisher erfüllt worden. Sie bleiben aber aktuell.

Fast zwei Jahre später stehen die Fundamente für das „Haus der Geschichte Nordrhein-Westfalen“. Planungsgruppe und Kuratorium – wir haben es gerade gehört – haben in vielen Sitzungen Ausstellungs-, Sammlungs-, Veröffentlichungs- und Veranstaltungsplanungen diskutiert und auf den Weg gebracht.

Auch ich möchte die Gelegenheit nutzen, um mich bei den Mitgliedern des Kuratoriums für die kollegiale und vertrauensvolle Zusammenarbeit zu bedanken. Ebenso danke ich der Planungsgruppe unter Leitung von Dr. Hitze und Professor Goch für die konzeptionelle Arbeit.

Mit der Einbringung des Entwurfs für ein Stiftungsgesetz wird nun eine neue Bauphase eingeleitet. Uns war von vornherein klar, dass eine Verankerung der Planungsgruppe in der Landtagsverwaltung keine Dauerlösung sein könnte. Daher hat sich das Kuratorium frühzeitig um eine geeignete Organisationsform für das „Haus der Geschichte Nordrhein-Westfalen“ bemüht.

Auf Vorschlag eines Gutachtens von Professor Andrick sind wir zu dem Ergebnis gekommen, dass dies nur eine Stiftung öffentlichen Rechts sein kann. Sie bietet die Vorteile der Eigenständigkeit, der Dauerhaftigkeit und der Rechtssicherheit.

Das Stiftungsgesetz geht jedoch über die Festlegung der Organisationsform hinaus und regelt die Organe der Stiftung und ihr Verhältnis zueinander.

Das bisher mit vier Mitgliedern des Landtagspräsidiums und sechs weiteren Landtagsabgeordneten besetzte Kuratorium wird nun größer. Auch die Gewichte der beteiligten Akteure verschieben sich. Neu hinzu kommen die fünf Mitglieder der Landesregierung und die Vorsitzenden der Landschaftsversammlungen. Neben dem Landtagspräsidium gehören dem Kuratorium zukünftig je eine Abgeordnete bzw. ein Abgeordneter der im Landtag vertretenen Fraktion an.

Angesichts des Geschichtsverständnisses der AfD wird es umso wichtiger sein, den bisherigen Konsens der demokratischen Fraktionen im Kuratorium fortzusetzen.

(Beifall von der SPD und der FDP)

Ich sage das hier sehr bewusst – auch vor dem Hintergrund der geschichtspolitischen Debatte, die wir kürzlich erst zum 9. November 1938 geführt haben.

(Beifall von der SPD)

Ohne nun auf die anderen Organe im Einzelnen einzugehen, möchte ich noch einmal einen Punkt hervorheben. In § 2 des Gesetzentwurfes heißt es – ich zitiere –:

„Der Stiftungszweck wird insbesondere durch die Leitgedanken ,Demokratie, Vielfalt, Wandel‘ verwirklicht.“

Meine Damen und Herren, das Alleinstellungsmerkmal des „Hauses der Geschichte Nordrhein-Westfalen“ soll nach unserem Willen die Demokratiegeschichte sein – nicht als Meistererzählung einer Staatsform, die von oben verordnet wurde, sondern als von unten gewachsene bestmögliche Staats- und Lebensform.

(Beifall von der SPD)

Demokratie, Vielfalt, Wandel – das ist die DNA unseres Landes. Wenn es uns gemeinsam gelänge, diese Leitgedanken eines Geschichts- und Landesbewusstseins zu vermitteln und zu fördern, wäre viel erreicht.

In diesem Sinne unterstützt die SPD-Fraktion auch weiterhin den Weg zu einem „Haus der Geschichte Nordrhein-Westfalen“. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD, der CDU, der FDP und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Professor Dr. Bovermann. – Jetzt spricht für die FDPFraktion Herr Kollege Deutsch.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich über das wunderbare Bild, bei genau diesem Tagesordnungspunkt ein volles Plenum zu fortgeschrittener Zeit zu sehen. Das ist schon ein äußeres Zeichen dafür, dass dies kein normaler Tagesordnungspunkt ist, sondern ein besonderer Moment für dieses Parlament.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU und der SPD)

Es ist ein besonderer Moment, gerade auch für das Parlament, weil das, was wir heute beschließen, nämlich dieses Gesetz zur Gründung einer Stiftung, auf einer zweijährigen Vorbereitung beruht, die aus der Mitte dieses Parlaments heraus geleistet wurde – in einer sehr kollegialen Zusammenarbeit über die Fraktionsgrenzen hinweg. Die Kollegen haben sich dafür schon beim Kuratorium bedankt. Ich möchte mich dem ausdrücklich anschließen.

Das war eine sehr konstruktive Phase, die, obwohl sie zwei Jahre in Anspruch genommen hat, trotzdem als eine sehr kurze Zeit bewertet werden muss, in der sehr viel auf den Weg gebracht wurde. Aber es ist jetzt auch Zeit, den nächsten Schritt zu machen: den Schritt in die Selbstständigkeit dieser Initiative.

Die Initiative kam – auch das muss hier einmal erwähnt werden – nicht nur aus der Mitte des Parlaments, sondern wird bis jetzt auch von der Landtagsverwaltung getragen. Auch dahin möchte ich einen Dank adressieren. Es war keine Selbstverständlichkeit, dass es auch von dieser Seite so professionell und konstruktiv begleitet worden ist – vom Präsidenten, aber auch von den Mitarbeitern der Landtagsverwaltung. Die Planungsgruppe wurde größer. Das ist gut so. Denn auch die Aufgaben wurden größer. Es gab Wettbewerbe zur Gestaltung. Alles das ist prima begleitet worden. Das hat uns an den Punkt gebracht, an dem wir jetzt sind.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU, der SPD und den GRÜNEN)

Dass diese gemeinsamen Anstrengungen so konstruktiv verlaufen sind, ist einem gemeinsamen Fluchtpunkt zu verdanken, glaube ich. Es geht im „Haus der Geschichte Nordrhein-Westfalen“ nämlich nicht einfach – das könnte man vordergründig sagen; es ist auch nicht falsch – um eine Identitätsstiftung für unser sogenanntes Bindestrich-Land. Ich glaube, darüber sind wir als Land schon hinweg. Da müssen wir uns gar nicht so klein machen. Es gibt diese nordrhein-westfälische Identität bereits. Aber sie braucht auch noch einmal einen Ort.

Der Fluchtpunkt hat eine bestimmte Zuspitzung – da sind wir uns in diesem Kuratorium sehr schnell einig gewesen –, nämlich die Fokussierung unserer Demokratie als Lebensform in diesem Land.

Das ist nicht nur eine politische Organisationsform, bei der beispielsweise Wahlen organisiert werden, sondern hat eine Werteorientierung. Es geht um eine plurale, liberale, offene Gesellschaft, die wir gemeinsam leben und stärken wollen. Für sie soll es genau diesen Fluchtpunkt geben. Das ist dann mehr als ein Museum oder eine Forschungseinrichtung. Das kann, wenn es gelingt, wirklich ein Orientierungspunkt für die Bürgerinnen und Bürger NordrheinWestfalens sein. Dahin sollte die Anstrengung gehen.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU, der SPD und den GRÜNEN)

Es ist deswegen auch ein Glücksfall, dass wir in Sachen Bau ein so attraktives Angebot machen können. Mit dem Behrensbau direkt am Rheinufer ist, glaube ich, ein Ort gefunden, der diesen Orientierungspunkt auch äußerlich geben kann.

Allerdings darf uns dann nicht der Fehler unterlaufen, dass man es in diesem Bau irgendwie einkastelt. Vielmehr muss das Ganze offen bleiben. Wir denken auch über dezentrale Dinge nach. Der Anfangspunkt soll eine Wanderausstellung sein, die das ganze Land bereist, das Thema zu den Bürgerinnen und Bürgern trägt und vielleicht Objekte einsammelt, die man dann wieder ausstellt, damit sie von dort ausstrahlen können. Diese Dynamik muss das Projekt unbedingt annehmen.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU und der SPD)

Wenn all dies gelingt und wir einmal zu einer Dauerausstellung kommen, muss sie State of the Art sein. Dann muss alles, was museologische Forschung und Praxis zeigen, dort realisiert werden. Es muss ein lebendiger Ort werden, der nicht erstarrt, sondern sich immer weiter wandelt, sich anpasst und die Fragestellungen in unserer Gesellschaft aufgreift – wie schon gesagt, nicht als Meistererzählung oder als Erfolgsgeschichten. Vielmehr sollen die Kontroversen, die wir in dieser Demokratie austragen, und die vielen Bewegungen, die auch jenseits des politischen Betriebes eine Rolle spielen – deswegen ist auch der Beirat der gesellschaftlichen Gruppen so wichtig –, eingebracht werden.

Es soll nicht etwas Politisches sein. Das war vielleicht noch unsere Villa Horion. Dieses Haus muss ganz anders aufgestellt werden, Themen viel breiter aufnehmen und in das ganze Land ausstrahlen.

Wenn wir auf diesem Weg so vorankommen, wie wir das in den letzten zwei Jahren getan haben, ist mir nicht bange um dieses Projekt. Das ist ein toller Tag. Dafür vielen Dank!

(Beifall von der FDP, der CDU, der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Deutsch. – Jetzt spricht für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Kollegin Paul.