Protocol of the Session on November 27, 2019

(Beifall von der FDP)

Herr Kollege Brockmeier, entschuldigen Sie, wenn ich Sie unterbreche. Der Abgeordnete Jörg möchten Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen, wenn Sie die zulassen.

Bitte sehr.

Vielen Dank, Herr Brockmeier. Um die Nachhaltigkeitsdebatte und die Perspektive junger Menschen noch mal zu beleuchten: Wie erklären Sie sich, dass die FDP Motor für eine Steuersenkung von Hoteliers war, die kreditfinanziert war? Wie erklären Sie das? Die FDP auf Bundesebene hat sich dafür sehr starkgemacht, dass die Hoteliers nur noch die Hälfte an Steuern bezahlen.

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

Das Ganze wurde kreditfinanziert. Nordrhein-Westfalen zahlt dafür 400 Millionen Euro jährlich. Wie stehen Sie dazu?

Es ist schon ganz spannend, dass die SPD gerade das hier vorbringt, denn als gefordert wurde, dass die Steuer abgesenkt wird, haben aus jeder Partei und Fraktion bestimmte Teile genau das gefordert. Da gab es auch Sozialdemokraten, die genau das gefordert haben. Deswegen ist es schon ein schiefes Beispiel, das Sie hier vorbringen. Ich glaube, dass wir uns gerade von Ihnen auf Bundesebene nichts in Sachen Finanzpolitik erklären lassen müssen.

(Beifall von der FDP – Zuruf von Dr. Dennis Maelzer [SPD])

Gucken wir uns doch einmal das an, was die Bundesfamilienministerin sagt. Das passt auch gut zu dem Haushalt, den wir gerade hier betrachten. Ob es das Gute-KiTa-Gesetz ist, das nicht ausfinanziert ist, bei dem bis 2022 die Mittel zur Verfügung gestellt werden und dann gilt: Mal schauen, wie das finanziert wird. Das wird schon irgendjemand bezahlen.

(Zuruf von Regina Kopp-Herr [SPD])

Oder schauen wir uns den OGS-Rechtsanspruch an. Da werden 2 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt, investiv einmal bis 2021. Ab 2025 soll es einen Rechtsanspruch geben.

Die KMK hat sich mit dem Bundesministerium darauf verständigt, dass das ca. 12 Milliarden Euro kosten wird. Der Bund stellt 2 Milliarden Euro zur Verfügung. Es ist überhaupt nicht geklärt, wie es ab 2025 mit den Betriebskosten weitergehen soll. Das hat nichts mit solider Haushaltspolitik zu tun.

(Beifall von der FDP)

Da versucht die SPD, Schlagzeilen und schöne Titel zu gewinnen auf Kosten anderer, nämlich auf Kosten der Länder, aber vor allem auf Kosten der Kommunen. Das ist wirklich nicht solide. Deswegen glaube ich, dass die Frage von Ihrer Seite aus nicht berechtigt ist.

Kommen wir noch einmal zu dem Lob. Wir haben vorhin auch von Herrn Maelzer gehört, dass Frau Giffey jetzt vorangeht, dass das jetzt alles so toll wäre, was vom Bund kommt. – Ja, es ist unbestritten, dass wir die KiBiz-Reform hier anstrengen, auch mit den Bundesmitteln. Frau Giffey sagt auch, dass wir die Mittel sehr gut einsetzen.

Ich wiederhole es noch einmal: Wenn es die SPD und auch Herr Scholz nicht schaffen, dass das Ganze auf Bundesebene ausfinanziert und entfristet wird, ist es eher ein kontraproduktives Gesetz. Es sorgt nämlich nicht dafür, dass wir beste Chancen

bekommen, sondern es sorgt für immer mehr Probleme. Sie müssen solide Haushaltspolitik auf Bundesebene betreiben.

(Regina Kopp-Herr [SPD]: Starker Tobak für eine Partei, die im Bund nicht mitregieren wollte!)

Das gilt übrigens auch für den OGS-Rechtsanspruch, der über das SGB VIII geregelt werden soll.

Deswegen kann man am Ende sagen, dass man gut sieht, dass wir hier auf Qualität setzen, auf nachhaltige und verlässliche Politik und keine Wolkenkuckucksheime aufbauen, sondern ganz konkret Schrift für Schritt die Dinge angehen. Ich würde mich freuen, wenn Sie sich diesem Weg anschließen würden. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Brockmeier. – Als nächste Rednerin hat für die Fraktion der AfD Frau Dworeck-Danielowski das Wort. Bitte sehr, Frau Abgeordnete.

Sehr geehrte Frau Präsidenten! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister Dr. Stamp! Der Haushaltsentwurf für den Bereich Familie, Kinder und Jugend bildet Ihre familienpolitische Agenda sehr deutlich ab.

Während der familienpolitische Sprecher der CDUFraktion sich die Verteilung der Mittel mit den Worten „christlich-liberal“ schönredet, freuen sich FDP und Grüne zu Recht über die Kontinuität im Haushalt zur Vorgängerregierung.

Familienpolitik à la Stamp erstreckt sich über die Finanzierung von Abtreibungen, Zuschüsse für künstliche Befruchtung, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Unterhaltsvorschusszahlungen und ein Herz für die queere Community. Das ist der traurige Zeitgeist, dem Sie anscheinend gerecht werden müssen oder auch gerecht werden wollen.

Was wir kläglich vermissen, ist ein Zusammenspiel von Ideen und Leistungen, die Eltern und Familien tatsächlich entlasten und stärken. Wir vermissen den Willen, die Familie als Keimzelle der Gesellschaft, als das zuverlässigste soziale Netz, wie Sie es selbst in Ihrem Koalitionsvertrag beschreiben, besonders zu fördern.

Die Familie steht unter besonderem Schutz der staatlichen Ordnung; so steht es in Artikel 6 des Grundgesetzes. Sie genießt diesen besonderen Status aus gutem Grund. Das Leben im Familienverbund ist auch heute noch die beste Daseinsvorsorge.

Familie ist da, wo Kinder sind. Wir wünschen uns eine ermutigende Familienpolitik, eine Politik, die die jungen Menschen da draußen in Nordrhein-Westfalen spüren lässt: Kinder sind etwas Wunderbares. Wenn ihr euch für Kinder entscheidet, genießt ihr diesen besonderen Schutz der staatlichen Ordnung.

Die Politik muss Rahmenbedingungen schaffen, bei denen sich Schwangere tatsächlich in guter Hoffnung sehen. Die Realität sieht anders aus: Jedes Jahr sehen über 20.000 werdende Mütter keine Perspektive für sich und ihr Kind.

Das Erschreckendste ist: Das Land Nordrhein-Westfalen übernimmt nicht nur die hohen Kosten der unzähligen Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen, nein, es bezahlt jeden einzelnen Schwangerschaftsabbruch, der in Nordrhein-Westfalen vorgenommen wird, zumindest rein statistisch.

Und warum? – Weil die werdenden Mütter in prekären finanziellen Verhältnissen leben. Vermutlich trägt die finanzielle Not auch zur gesamten Konfliktsituation bei. Die bisherigen Leistungen und Angebote greifen nicht. Die Anzahl der Frauen, die sich in ihrer Lebenssituation nicht zutrauen, sich für das Kind zu entscheiden, ist gleichbleibend hoch.

Während die einen ungewollt schwanger sind, bleiben zahlreiche Paare ungewollt kinderlos. Die neue Bezuschussung der Kinderwunschbehandlung ist so etwas wie Ihr persönliches Leuchtturmprojekt. In der Tat wurde es Zeit, dass diese Regelung eingeführt wurde.

Aber auch hier bildet sich Ihre Konzeptlosigkeit ab: Der Zuschuss zu einer Kinderwunschbehandlung kann beantragt werden, wenn die Diagnose „Unfruchtbarkeit“ gestellt wurde. „Unfruchtbar“ gilt man nach dieser Definition, wenn Versuche, schwanger zu werden, mindestens zwei Jahre lang erfolglos blieben.

Die Paare haben bei Antragstellung schon ihren ganz persönlichen Leidensweg hinter sich. Deshalb ist es gut, dass an dieser Schwelle zur möglichen Erfüllung des sehnlichsten Wunsches, nämlich endlich ein Kind zu bekommen, finanzielle Entlastung möglich ist – mehr allerdings auch nicht.

Die Kinderwunschbehandlung ist kein Garant für das lang ersehnte Kind. Die Bezuschussung der Kinderwunschbehandlung kann also nur eine Seite der Medaille sein.

Wir vermissen Aufklärung über das Risiko ungewollter Kinderlosigkeit, wenn man die Familienplanung auf später vertagt.

Wir vermissen auch ein Maßnahmenpaket, das es insbesondere jüngeren Paaren leichter macht, sich für die Elternschaft zu entscheiden, also bevor man seine sprichwörtlichen Schäfchen im Trockenen hat.

Was macht das Elternsein leichter? Je nach Lebenssituation spielt die Vereinbarkeit von Familie und Beruf heute die größte Rolle. Für viele ist das zwingend, weil ein Einkommen nicht ausreicht, um die Familie über Wasser zu halten.

Ja, es gibt zahlreiche gut qualifizierte Frauen und Männer, die ihren Job gerne machen und nicht zurückstecken möchten. Aber es gibt noch viel mehr Menschen, die in durchschnittlichen Arbeitsverhältnissen beschäftigt sind und die sich liebend gerne Zeit für ihre kleinen Kinder nehmen würden.

Sie haben mit Ihrer sogenannten KiBiz-Reform die Möglichkeit verschenkt, an dieser Stelle nachzubessern. Wer heute in Sachen Kinderbetreuung Unterstützung vom Staat erhofft, geht leer aus – es sei denn, er wählt Kita oder Tagesmutter.

Mit der herkömmlichen Familie haben Sie es anscheinend ohnehin nicht so. Selbst die familienpolitische Sprecherin der Grünen zeigte sich in der Haushaltsberatung im Ausschuss regelrecht überrascht, wie sehr Ihnen die Interessen der LSBTIQ-Community am Herzen liegen.

Erwähnt sei hier auch die sogenannte „Allianz für Vielfalt“, ein Projekt, das in Zeiten des Fachkräftemangels kleinen und mittleren Unternehmen Diversitätsmanagement näherbringen soll. Egal mit welchem Unternehmer wir ins Gespräch kommen, ob Freiberufler, ob Einzelhändler, ob Gastronomiebetrieb, überall sucht man händeringend nach gutem Personal. Die Frage nach der sexuellen Orientierung der Bewerber war selten so irrelevant wie heute. Dass Ihnen als ehemalige Liberale bzw. als sogenannte Freie Demokraten in dieser Gemengelage nichts Besseres einfällt, als Mittelständler mit Diversitätsmanagement zu beglücken, erstaunt uns in der Tat.

Natürlich gibt es immer noch Diskriminierung, Beleidigung, Spott und Ausgrenzung. Selbst in Köln – ohne Zweifel eine der offensten Städte für die Szene – hat sich die Stimmung auf der Straße deutlich verändert.

Von den letzten sieben Aufnahmegesprächen, die ich in Köln für meine Partei geführt habe, waren fünf mit homosexuellen Männern. Das ist kein Zufall, sondern das Ergebnis zunehmend unangenehmer Erfahrungen in der Straßenbahn und in der Innenstadt mit Migranten, die für eine offene schwul-lesbische Lebensweise nichts außer Verachtung übrig haben.

Während unsere Gesellschaft immer offener und toleranter wird, strömen zahlreiche junge Männer aus Kulturkreisen zu uns, die zutiefst homophob sind. Der Verein Rosa Strippe hat diese Problematik in einem Fachgespräch im letzten Jahr selber eingebracht: Was tun, wenn Flüchtlinge aufgrund ihrer Homosexualität Schutz suchen und in der Unterkunft

auf ihre Landsleute treffen, vor denen sie vorher quasi geflüchtet sind?

Dass die Mitbewohner in ihrer Unterkunft natürlich nicht nur für ihn, sondern für jeden Homosexuellen im Land ein Problem darstellen können, ist immer noch ein Tabu. Vor allem vor dieser Problematik halten wir die Prävention von Gewalt für absolut notwendig. Darüber hinaus ist die Entfaltungsmöglichkeit der eigenen sexuellen Orientierung in unserer Gesellschaft mittlerweile erfreulicherweise vorbildlich.

Weniger vorbildlich sieht es beim Kinderschutz aus. Die erschütternden Ereignisse des letzten Jahres haben die Schwächsten unserer Gesellschaft in den Fokus gerückt. Auch hier im Landtag haben wir darauf reagiert. Erst vor zwei Wochen haben wir hier im Parlament eine Kinderschutzkommission beschlossen.

Kinder brauchen unseren Schutz. Wir müssen alles dafür tun, dass Gewalt gegen Kinder, sexueller Missbrauch und Ausbeutung von Kindern, aber auch ihre Vernachlässigung und Missachtung deutlich weniger werden. Wenn die Situation so miserabel ist, dass die öffentliche Hand schützend intervenieren muss, dann muss sichergestellt sein, dass das Personal gut qualifiziert und vor allen Dingen nicht überlastet ist.

Die Zahl der Inobhutnahmen steigt kontinuierlich an. Die Qualität der Jugendämter in Nordrhein-Westfalen gerät immer häufiger ins Visier.