Protocol of the Session on November 13, 2019

Daran wird deutlich – und damit komme ich zu meiner eigentlichen Rede –: Wir arbeiten konkret daran, die Chancen für die Menschen in unserem Land zu verbessern, während die AfD mit ihrem Antrag zur angeblichen Generation Antifa nur Themen vorlegt, die aus fachlicher Sicht überflüssig sind, die wieder einmal nur stigmatisieren und die Konflikte an unsere Hochschulen tragen, die gar nicht da sind.

(Beifall von der FDP und CDU – Markus Wag- ner [AfD]: Die Konflikte sind schon da!)

Zu echten Hochschulthemen hören wir von Ihnen aber nichts. Darüber habe ich heute noch keinen Ton von Ihnen gehört; gar nichts.

(Markus Wagner [AfD]: Es ist unglaublich, was Sie hier von sich geben! – Zuruf: Die Mutter aller Konflikte sind Sie! – Unruhe – Glocke)

Schauen wir uns die Forderungen aus Ihrem Antrag einmal genau an. Sie fordern die Landesregierung auf, die nordrhein-westfälischen Hochschulen auf ihre politische Neutralitätspflicht hinzuweisen.

Das ist aber nicht die Aufgabe einer Landesregierung. Wie wir als NRW-Koalition die Aufgabenverteilung und das Verhältnis zwischen Land und Hochschulen einschätzen, haben wir mit der Novellierung des Hochschulgesetzes deutlich gemacht.

So haben wir beispielsweise überflüssige Rahmenvorgaben abgeschafft, das Optionenmodell beim Hochschulbau geschaffen und den Landeshochschulentwicklungsplan zurückgenommen. Damit haben wir deutlich gemacht: Unsere Hochschulen sind für uns Partner auf Augenhöhe, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Das heißt auch, dass unsere Hochschulen in ihren Räumlichkeiten selbstverständlich das Hausrecht genießen. Sie organisieren eigenverantwortlich die Raumvergabe und die Vermietung, und sie sind in der Lage, Herausforderungen und Konflikte mit Studierenden und Lehrenden selbstständig zu lösen.

Ergänzend dazu fordern Sie, das Land solle die Hochschulen dabei unterstützen, den neu geschaffenen Art. 51a entschieden anzuwenden. – Auch diese Forderung ist obsolet. Die Schaffung des Artikels unterstützt die Hochschulen bereits, und Sie verkennen, dass das Ordnungsrecht nicht dazu dient, unliebsamen Protest, Demonstrationen oder andere Formen der Meinungsäußerungen zu unterdrücken oder sogar ein Drohpotenzial gegen Studierende zu schaffen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Dieser Paragraf wurde geschaffen, um den Hochschulen ein effektives Instrument gegen Gewaltstraftaten wie beispielsweise sexualisierte Gewalt oder Mobbing und Stalking an die Hand zu geben.

Dabei gilt wie im gesamten Ordnungsrecht das verfassungsrechtliche Verhältnismäßigkeitsprinzip. Der Paragraf trägt diesem Prinzip Rechnung, indem er eine differenzierte und flexible Abstufung sowohl auf der Tatbestandsseite als auch auf der Seite der Rechtsfolge schafft.

Wir lassen deshalb garantiert nicht zu, dass diese sinnvolle neu geschaffene Regelung in irgendeiner Form von Ihnen instrumentalisiert wird, nur weil Ihnen die Meinungen anderer nicht passen.

(Beifall von der FDP und Daniel Sieveke [CDU])

Abschließend fordern Sie, die Hochschulen darin zu bestärken, Hochschullehrer in jeglicher gebotenen

Weise zu unterstützen, wenn sie von Studenten innerhalb wie außerhalb der Universität angefeindet werden.

Diese Forderung ist doppelt obsolet.

Erstens. Es liegt nicht im Aufgabenbereich der Hochschule, sich auch außerhalb des Hochschulsystems um seine Mitglieder zu kümmern.

Zweitens. Unsere Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer werden bereits genügend durch unsere Gesetze und Verordnungen geschützt.

Ich möchte betonen, dass wir Freie Demokraten die Meinungs- und Redefreiheit als essenzielles Gut unserer gesellschaftlichen Grundordnung begreifen, auch wenn sie uns nicht gefällt oder nicht unseren Vorstellungen entspricht. Ein offener, argumentativer Meinungsaustausch an den Hochschulen ist ein wichtiger Bestandteil der Wissenschaftsfreiheit.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Dafür hat auch Christian Lindner geworben. Sie sollten sich in erster Linie aber genau anschauen, inwiefern sich die Fälle Lindner und Lucke unterscheiden und um was es eigentlich genau geht. Christian Lindner hat in NRW an zig Universitäten gesprochen, mit Studierenden diskutiert und diesen Widerspruch auch ausgehalten.

Es wird deshalb schnell klar, was Sie hier versuchen, nämlich ein Problem, das es an unserer Hochschullandschaft nicht gibt, zu importieren. Auch, wenn man über unsere Landesgrenzen hinausschaut: Ich kann kein strukturelles Problem sehen, sondern Einzelfälle, die auch so behandelt werden müssen.

Darf also ein Politiker oder eine Politikerin an einer Hochschule nicht sprechen, muss man sich diesen Vorgang genau ansehen und darf nicht mit der Keule eine allumfassende Verletzung der Meinungsfreiheit bemängeln.

Abschließend möchte ich die Gelegenheit nutzen und mich noch einmal zur offenkundigen Strategie dieses Antrags äußern. Wir alle wissen, dass Ihr Ausspruch „Das wird man doch noch sagen dürfen“ quasi zum Leitsatz der AfD geworden ist.

(Zuruf)

Einher geht das mit einem Feldzug gegen die sogenannte Political Correctness; dies wird in diesem Antrag wieder deutlich. Für mich bedeutet Political Correctness den Versuch, im Rahmen der Meinungsfreiheit eine diskriminierungsfreie Sprache zu verwenden. Man könnte es auch Anstand, Respekt oder Benehmen nennen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Natürlich darf Political Correctness aber nicht zum Diskriminierungs- und Diskreditierungsinstrument verkommen. Es muss offene Debatten, den Austausch von Argumenten und Streit geben, aber – und das möchte hier noch einmal deutlich betonen – es muss auch Regeln geben.

Die AfD gibt gerne vor – so auch in diesem Antrag –, gegen ein angebliches Sprachverbot zu kämpfen. Sie tun so, als wären Sie die einzigen wahren Verteidiger der Meinungsfreiheit.

(Zuruf von Helmut Seifen [AfD])

Gleichzeitig überschreiten Sie Mal um Mal die Grenzen dessen, was im Rahmen der Meinungsfreiheit erlaubt und redlich ist. Sie geben in Ihrem Antrag wieder einmal vor, sich um Meinungsfreiheit und demokratische Grundsätze zu bemühen und benutzen gerade diese Errungenschaften unserer Gesellschaft, um sie auszuhöhlen, zu reizen, zu schwächen und Ihren rückwärtsgewandten Positionen Raum zu geben. Gleichzeitig stilisieren Sie sich auch Mal um Mal zum Opfer.

Wir entlarven aber Ihre Strategie, und wir entzaubern Ihre Argumentation. Wir stellen Sie inhaltlich in der Sache, und das werden wir so lange machen, wie es Sie gibt.

(Beifall von der FDP und der CDU – Zuruf von Markus Wagner [AfD])

Lassen Sie mich zum Schluss noch eine Bemerkung machen: Es ist schon fast amüsant, dass Sie die Vorfälle in Bezug auf die Vorlesung Ihres Parteigründers Bernd Lucke heranziehen. Ob er wohl auch manchmal an den Goethe-Vers „Die ich rief, die Geister, werd' ich nun nicht los“ gedacht hat?

Wir werden den Antrag ablehnen. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Für die Fraktion der Grünen hat nun der Abgeordnete Bolte-Richter das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Grundgesetz feiert in diesem Jahr seinen 70. Geburtstag. Es garantiert uns allen Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und unveräußerliche Grundrechte gegenüber dem Staat.

Dieses Grundgesetz ist die beste Verfassung, die die Deutschen jemals hatten. Es garantiert, dass niemand in unserem Land Repressalien zu befürchten hat, nur weil er oder sie seine oder ihre Meinung vertritt.

Es ist ein Treppenwitz, dass wir ausgerechnet in diesem Jubiläumsjahr über Meinungsfreiheit sprechen

müssen, denn Meinungsfreiheit ist und bleibt gegeben. Aber – und das scheinen einige in diesem Haus gerne ausblenden zu wollen – Meinungsfreiheit bedeutet nicht Widerspruchsfreiheit.

(Beifall von den GRÜNEN und Michael Hüb- ner [SPD])

Wer eine Meinung hat, muss damit leben, dass andere eine andere Meinung haben. Das nennt man Demokratie,

(Zuruf von Helmut Seifen [AfD])

und das ist der Wert, für den alle demokratischen Kräfte in unserem Land gemeinsam streiten müssen.

(Helmut Seifen [AfD]: Sagen Sie das mal den Antifaleuten!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Anlass der heutigen Debatte sind Vorfälle bei den ersten beiden Vorlesungen von Bernd Lucke an der Universität Hamburg in diesem Wintersemester.

Zum Diskurs an einer Universität gehört es, Meinungen zu debattieren und Meinungen und Positionen auszuhalten. Das Niederbrüllen von Meinungen gehört nicht dazu. Wer brüllt, hat unrecht.

Das Aushalten politischer Positionen bedeutet jedoch nicht, dass man ausblenden kann und sollte, welches die Geister waren, die Bernd Lucke rief, die er schließlich nicht mehr loswurde und denen er sich nicht entgegengestellt hat, sondern vor denen er weggerannt ist.