Doch ich will einen Punkt Ihrer Politik in dem Bereich loben, Herr Stamp. Es gibt auch gute Nachrichten für Familien in Nordrhein-Westfalen. CDU und FDP lenken ein und geben ihren Widerstand gegen eine Entlastung bei den Kitagebühren auf. Hier haben wir uns zumindest teilweise durchgesetzt.
Ab dem Jahr 2021 wird auch in Nordrhein-Westfalen ein weiteres Kitajahr beitragsfrei sein. Das ist ein großer Erfolg, darauf kann man durchaus stolz sein. Aber das reicht bei Weitem nicht aus, meine Damen und Herren. Ich hoffe, wir kommen irgendwann mal gemeinsam in diesem Hause zu der Erkenntnis, dass Kita nicht nur irgendeine Verwahr- oder einfache Betreuungseinrichtung ist, sondern der erste wichtige Baustein in der frühkindlichen Bildung. Deswegen gehören Kitagebühren komplett abgeschafft.
Mit den gleichen Argumenten – Sie werden gleich in der Debatte die vollständige Gebührenfreiheit für Kitas ablehnen – müsste man konsequenterweise auch wieder Schuldgeld einführen, wenn Sie das so konsequent durchziehen möchten.
Das macht aber niemand mehr, weil Zugang zur Bildung etwas mit Aufstiegschancen zu tun hat und für niemandem in diesem Lande mit Gebühren belegt sein darf. Deswegen gibt es keine guten Argumente mehr für Kitagebühren. Sie sind ungerecht, sie sind unnötig, sie gehören abgeschafft.
Aber Sie werden das Thema genauso wenig abräumen wie die Straßenausbaubeiträge. NordrheinWestfalen ist neben Bremen und Sachsen-Anhalt das einzige Bundesland in Deutschland, das die Erhebung dieser Beiträge von ihren Kommunen noch erzwingt, die jedes Jahr Tausende Bürgerinnen und Bürger treffen. Ich habe in den letzten Monaten mit sehr vielen betroffenen Menschen gesprochen. Sie fühlen sich in ihrer Existenz bedroht, weil es um Zehntausende von Euro geht.
Wir treffen Rentnerinnen und Rentner, die froh sind, dass mit dem letzten Gehalt die letzte Rate des Hauses bezahlt ist, und man hatte sich die Hoffnung gemacht, mit der Rente könne man weiter in seinem Haus wohnen. Es trifft junge Familien, die noch die laufenden Hypotheken, Grundschulden bedienen müssen und für die ein fünfstelliger Betrag tatsächlich wie ein Schlag kommt. Es geht um Menschen mit Durchschnittseinkommen, die diese Summen nie wieder aufbringen können.
Da helfen auch Ihre 65 Millionen Euro nicht, die Sie gerade so gelobt haben, Herr Lienenkämper. Was nützt es einer Rentnerin, wenn die von ihr geforderte
Es ist doch völlig gleichgültig, ob ein Gewässer 100 m oder nur 10 m tief ist – wenn man nicht schwimmen kann, ertrinkt man trotzdem, meine Damen und Herren.
Deswegen steht für die Sozialdemokratie in diesem Land ganz klar fest: Die bisherigen Straßenausbaubeiträge müssen vollständig aus dem Landeshaushalt finanziert werden. Ich bin sehr optimistisch, dass das schon bald der Fall sein wird.
Ja, Herr Löttgen, Sie gucken jetzt staunend, warum ich da so optimistisch bin. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Sie, Herr Löttgen, und Ihre Kolleginnen und Kollegen dem Druck nicht länger standhalten können. Ihre Verweigerungshaltung wird bald ein Ende haben.
Eine halbe Million Menschen in diesem Lande haben sich schon offiziell gegen Straßenausbaubeiträge ausgesprochen. Wir merken es doch. In den Kommunen wird mit Stimmen der CDU in den Ratsfraktionen gemeinsam eine Resolution für die Abschaffung von Straßenausbaubeiträgen gefasst. Sie werden einknicken, da bin ich mir ziemlich sicher.
Aber wissen Sie auch, was dann passieren wird, Herr Löttgen? Dann werden Sie sich hier ans Rednerpult stellen und allen weismachen wollen, dass die komplette Abschaffung der Straßenausbaubeiträge schon immer das Ziel Ihrer Fraktion gewesen ist. Das wird eine herrliche Vorstellung. Darauf freue ich mich. Ich verspreche Ihnen: Im nächsten Jahr werden wir das erleben.
Weit weniger optimistisch als bei den Straßenausbaubeiträgen bin ich allerdings bei dem Thema „Lehrermangel und Lehrerversorgung“. Ich habe ernste Zweifel, ob die Landesregierung noch in der Lage ist, ein wirksames Mittel gegen den Lehrermangel und den Unterrichtsausfall zu finden. Ganz im Gegenteil! Einmal mehr scheitert die Regierung an ihren eigenen Ansprüchen.
Was ist uns denn noch vor der Wahl versprochen worden, auch von der FDP-Bildungsministerin? Sie ist für mich gerade nicht sichtbar, zumindest hier im Saal nicht. Das weltbeste Bildungssystem wurde uns versprochen; darunter macht es die FDP ja nicht.
nicht vorbereitet waren. Es gab offensichtlich reichlich Phrasen und Floskeln, aber weder Pläne noch Konzepte. Seitdem Sie im Amt sind, müssen wir Ihnen dabei zusehen, wie Sie verzweifelt versuchen, zu improvisieren, und manchmal auch dilettieren.
Derweil wird der Mangel an Lehrerinnen und Lehrern immer größer. Es ist ja schön, wenn Sie im Haushalt darstellen, dass es zusätzliche Lehrerstellen gibt, aber Stellen unterrichten noch nicht meine Kinder.
Sie waren ja noch nicht mal in der Lage, mehr als 58 % der ausgeschriebenen Stellen zu besetzen. Das ist ein historischer Negativrekord in unserem Lande, meine Damen und Herren.
Jetzt versuchen Sie, die größten Löcher mit Seiteneinsteigern und Pensionären zu stopfen. Aber das ist nicht mehr als planloser Aktionismus. Wissen Sie, was mich dabei besonders ärgert? Wenn Sie sich mal mit Schulvertretern unterhalten, dann stellen Sie fest,
dass die Seiteneinsteiger viel zu oft völlig unvorbereitet an die schwierigsten Schulen in unserem Land kommen, während die Gymnasien in wohlhabenden Stadtvierteln den Begriff „Lehrermangel“ nur aus der Zeitung kennen.
Genau das ist das Problem. Wo ist denn der Masterplan Grundschule, der seit zwei Jahren angekündigt worden ist? Wo ist der Masterplan Berufsschule, der genauso notwendig wäre? Diese Regierung hat nicht die Kraft, um den Lehrermangel an den Wurzeln zu bekämpfen. Auch das ist die Wahrheit.
Der größte Lehrermangel herrscht an den Grundschulen, und das Problem kann man relativ einfach und auch schnell lösen. Es bedarf nämlich einer grundlegenden Reform der Lehrerbesoldung in unserem Lande.
Die ungleiche Bezahlung von gleichwertiger Arbeit ist nach wie vor eine der Hauptursachen für den Lehrermangel an Grundschulen. Es darf aus unserer Sicht keine Lehrerinnen, keine Lehrer erster und zweiter Klasse mehr geben. Grundschullehrerinnen dürfen nicht schlechter bezahlt werden als ihre Kollegen am Gymnasium. Ihre Arbeit ist genauso wichtig, ist genauso anspruchsvoll, wenn nicht sogar anspruchsvoller als in höheren Klassen. Das heißt, A13 für alle im Eingangsamt. Auch das hätten Sie mit diesem Haushalt endlich mal nach vorne bringen können.
Ich habe ja Verständnis dafür, wenn man in solchen Situationen auch auf Seiteneinsteiger zurückgreift. Ja, das kann man machen. Aber es bedarf einer verbindlichen Vorqualifizierung, und wir dürfen sie nicht an die Schulen schicken, die mit vielen sozialen Problemen zu kämpfen haben. Das ist nun wirklich eine Aufgabe für Profis. Da müssen die besten Lehrerinnen und Lehrer hin.
Bei 6.000 Schulen in Nordrhein-Westfalen muss ich noch nicht mal auf einer Talentschule gewesen sein, um Ihnen relativ leicht ausrechnen zu können: Das trifft 1 % unserer Schulen in Nordrhein-Westfalen.
Was ist mit den 99 % der anderen Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer? Sind da keine Talente zu fördern? Nein, wir müssen dort in Personal investieren, wo viele Kinder aus armen Familien kommen, wo es soziale Spannungen gibt, ja, wo viele Kinder auch Sprachprobleme haben. Bringen Sie endlich den Mut auf, und behandeln Sie Ungleiches auch ungleich. „Löschen, wo es brennt“ muss die Devise in der Schulpolitik sein, meine Damen und Herren.
Deswegen sage ich an dieser Stelle noch mal ganz deutlich: Wir brauchen endlich einen schulscharfen Sozialindex. Daran führt kein Weg mehr vorbei, wenn Sie dieses Problem endlich vernünftig lösen wollen.