Protocol of the Session on September 18, 2019

Fast alle Maßnahmen, die angetragen werden, haben die Erneuerung kommunaler Infrastruktur zum Gegenstand. Fast alle Maßnahmen haben energiepolitische Maßnahmen, klimapolitische Maßnahmen, umweltpolitische Maßnahmen zum Gegenstand.

All das fördern Bund, Land und Europäische Union im Rahmen der Städtebauförderung genauso wie im Rahmen der Dorferneuerung. Daran merken Sie, dass die Städte und Gemeinden verstanden haben, worauf es ankommt, und wir das verlässlich miteinander begleiten.

Allerdings darf ich für Ehrlichkeit in der Debatte werben: Es wird uns nicht gelingen, eine Infrastruktur, die in 396 Städten und Gemeinden zeitgleich in die Jahre kommt, 50 Jahre alt ist, zeitgleich zu erneuern. Das gelingt nicht.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Bund und Land stellen hier eine verlässliche Investition zur Verfügung. Wir stehen nicht nur an der Seite unserer Kommunen, sondern wir stärken ihnen den Rücken, auch mit diesem Entwurf des Gemeindefinanzierungsgesetzes 2020. Das ist Verlässlichkeit pur gegenüber der kommunalen Familie und der kommunalen Selbstverwaltung. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Frau Ministerin Scharrenbach. – Für die Fraktion der SPD hat nun Herr Abgeordneter Dahm das Wort. Bitte sehr, Herr Kollege.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was ich mitgenommen habe, Frau Ministerin, aus Ihrer Rede, ist das Wort „Verlässlichkeit“.

Da sage ich an dieser Stelle schon sehr deutlich: Es hat mich irritiert. Verlässlich – darauf komme ich noch im Zuge meiner Rede – ist dieses Gemeindefinanzierungsgesetz 2020 für die Kommunen in NordrheinWestfalen wahrlich nicht; das will ich gleich zu Beginn feststellen.

Um es vorwegzunehmen: Der vorliegende Entwurf zum Gemeindefinanzierungsgesetz 2020 ist nicht der große Wurf. Es zeigen sich nach wie vor Schieflagen, und es zeigen sich nach wie vor Verwerfungen.

Ihnen fehlt es an Kraft, Ihnen fehlt es an Mut, Ihnen fehlt es an Innovation, etwas in diesem Gemeindefinanzierungsgesetz umzusetzen. Stattdessen halten Sie überwiegend an den Parametern der Vorjahre fest.

Einige Dinge haben Sie genannt; das muss man schon sagen. Sie benennen hier „Gute Schule 2020“, Einheitslasten haben Sie auch genannt. Ich glaube, das ist an dieser Stelle nicht Ihr Verdienst.

Ich will weitere Beispiele nennen. Sie selbst befürworten – jetzt wird es ein bisschen technisch – die Notwendigkeit einer Einwohnergewichtung für die Hauptansatzbildung im Finanzausgleich. Dieses Instrument haben Sie im Koalitionsvertrag zwischen CDU und FDP festgelegt und daraufhin ein Gutachten in Auftrag gegeben.

Doch statt einer Aktualisierung der Grunddaten, die Sie politisch einfordern, erfolgt nichts. Ihnen ist es nicht gelungen, den Dissens – die Spitzenverbände beurteilen Ihr Gutachten ja durchaus unterschiedlich – mit den kommunalen Spitzenverbänden zu klären.

Dabei sind die Probleme nach meinen Informationen nicht unlösbar und die Verbände durchaus verhandlungsbereit. Diese Verhandlungen und diese Problemlösungen sind Sie bisher nicht angegangen.

Stattdessen werden weitere Untersuchungen gefordert mit dem Ergebnis: Es bleibt alles so wie in diesem Jahr – aus meiner Sicht ein Widerspruch zu Ihren politischen Forderungen und auch zu den Ansprüchen.

Dann haben Sie die fiktiven Hebesätze angesprochen. Bei den fiktiven Hebesätzen haben Sie auch für das kommende Jahr die künstlichen Abschlagsregelungen vorgenommen. Wir halten diese Maßnahme für verfehlt – ich sage das ganz deutlich – wie im Übrigen alle kommunalen Spitzenverbände ebenso. Dies trägt nämlich nicht zur Entspannung bei den Hebesätzen bei.

Dann haben Sie die Aufwands- und Unterhaltungspauschale genannt. Das ist eine neue Position, die es seit diesem Jahr gibt. Sie ist und sie bleibt in diesem Gesamtsystem der Gemeindefinanzierung systemwidrig.

(Beifall von der SPD)

Interessanterweise heben Sie diese Pauschale mit 8 % überproportional an – im Gegensatz zum übrigen Gemeindefinanzierungsgesetz.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE] – Gegenruf von Dr. Ralf Nolten [CDU])

Herr Dr. Nolten, sprechen Sie doch mit mir, bevor Sie mit den Kollegen sprechen. Fragen Sie mich doch; Sie kriegen vielleicht von mir auch eine Antwort, aber vielleicht hören Sie mir erst zu.

(Zuruf von Dr. Ralf Nolten [CDU])

Das wäre im Übrigen eine Möglichkeit, die Aufwands- und Unterhaltungspauschale, die Straßenausbaubeiträge für die Kommunen zu finanzieren.

(Beifall von der SPD)

Jetzt müssten wir nur noch mit Ihnen gemeinsam den umstrittenen § 8 im Kommunalabgabengesetz streichen. Das würde die Situation in Nordrhein-Westfalen enorm befrieden, aber auch dafür fehlen Ihnen die Kraft und der Mut.

Ich möchte Ihnen noch einen weiteren Punkt nennen, der Ihre Handlungsunfähigkeit und Ihr Zaudern belegt – Stichwort: Altschuldenfonds.

In der letzten Woche wurden vom Statistischen Bundesamt die Zahlen zu den Kassenkrediten der kommunalen Kernhaushalte in Jahr 2018 bekannt gegeben. Die Höhe der kommunalen Kassenkredite gegenüber Kreditinstituten beläuft sich bundesweit auf über 35 Milliarden Euro.

Davon entfallen allein auf die Kommunen in Nordrhein-Westfalen über 22 Milliarden Euro. Das sind fast zwei Drittel der gesamten kommunalen Kassenkredite in ganz Deutschland.

(Zuruf von Ina Scharrenbach, Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstel- lung)

Die Gemeinden und Gemeindeverbände in Nordrhein-Westfalen sind damit am höchsten mit Kassenkrediten verschuldet. Diese Schulden oder Liquiditätskredite legen unseren Kommunen in NordrheinWestfalen die Fesseln an.

(Zuruf von der CDU: Ihre Politik auch!)

Ich will an dieser Stelle den Vorsitzenden des NRWStädtetages, den Oberbürgermeister von Hamm, Herrn Thomas Hunsteger-Petermann, der übrigens Ihrer Partei angehört, zitieren:

„Das Altschuldenproblem der NRW-Städte muss in NRW gelöst werden, unabhängig davon, ob und wie der Bund das Land und die Kommunen unterstützt.“

(Beifall von der SPD)

Doch was passiert hier in Nordrhein-Westfalen? – Nichts. Schweigen.

Dass das Abwarten gegenüber dem Bund nicht gerade förderlich ist, haben wir hier schon mehrfach gehört. Auch in Berlin erwartet man ein Signal aus Nordrhein-Westfalen. Das hat Ihnen die Co-Vorsitzende der zuständigen Arbeitsgruppe der Regierungskommission „Gleichwertige Lebensverhält

nisse“ vor der Sommerpause auch sehr eindrücklich ins Stammbuch geschrieben.

Dabei sind handlungsfähige Kommunen eine unabdingbare Voraussetzung für einen funktionierenden Staat, der seinen Bürgerinnen und Bürgern eine lebens- und liebenswerte Heimat bietet. Es braucht jetzt eine zügige Lösung hier in NRW.

Dass es auch anders geht, zeigt der Blick nach Hessen. Dort ist die Hessenkasse eingerichtet worden. Die Kommunen haben so ein Stück Handlungsfreiheit zurückbekommen. Das begrüßen wir ausdrücklich. Das wäre auch sicherlich ein Vorbild für NRW.

Als SPD-Fraktion fordern wir eine gemeinsame Initiative zur Lösung der Altschulden. Unsere Idee für einen Altschuldenfonds liegt auf dem Tisch.

Ich sage es hier noch einmal sehr deutlich: Wir bieten Ihnen erneut unsere Unterstützung in dieser Sache an. Das ist, wie wir finden, eine Generationenaufgabe, die wir gemeinsam lösen sollten – sowohl hier auf der Landesebene als auch auf der Bundesebene.

(Beifall von der SPD und Mehrdad Mostofiza- deh [GRÜNE])

Die Rahmenbedingungen für einen Befreiungsschlag der Kommunen sind denkbar günstig. Nicht nur die niedrigen Zinsen spielen dabei eine Rolle; auch die Regierungskommission auf Bundesebene „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ hat in ihrem Abschlussbericht diese Notwendigkeit gesehen.

Wenn der Bund grundsätzlich bereit ist, Kommunen mit hohen Schulden zu helfen, ist das ein hervorragendes Zeichen für die Städte in Nordrhein-Westfalen. Es wäre ein Paukenschlag – aber wo bleiben die Signale dieser Landesregierung hierzu?

Nach wie vor kämpfen die meisten Städte in Nordrhein-Westfalen mit erheblichen Finanzproblemen und sind von einem Haushaltsausgleich weit entfernt.

Ursächlich hierfür sind die stetig steigenden Aufwendungen für Sozialausgaben, die gerade in NordrheinWestfalen ein hohes Niveau haben.

Ursächlich ist aber auch die fehlende Unterstützung der Kommunen durch diese Landesregierung, beispielsweise bei den Flüchtlingskosten. Diese Regierung hatte zugesagt, die tatsächlichen Kosten anzuerkennen und rückwirkend zu erstatten, aber auch hier brechen Sie Ihr Wort.

Unterstützung für unsere Kommunen in NordrheinWestfalen? – Fehlanzeige, meine Damen und Herren. Damit entziehen Sie den Kommunen seit 2018 mindestens 300 Millionen Euro.

Darüber hinaus fordern wir, den Personenkreis, für den eine Erstattung gezahlt wird, auf die Geduldeten auszuweiten. Das sind mindestens weitere 300 Millionen Euro, die die kommunalen Haushalte in Nordrhein-Westfalen zurzeit belasten.

Unterm Strich – das haben wir letzte Woche in der Anhörung noch einmal sehr deutlich von allen Experten zu hören bekommen – ist eine Reform des FlüAG dringend geboten, doch auch hier hören wir von Ihnen nichts – Fehlanzeige an dieser Stelle.