Protocol of the Session on July 10, 2019

Das wäre natürlich toll. Wenn wir das alles alleine regeln könnten, wären wir sehr wahrscheinlich schon mit einer Vorlage gekommen. Aber wir sind nicht alleine; wir müssen mit dem Bund gemeinsam in unserem föderalen Gemeinwesen – der Bund ist zentral für die Energiepolitik – zusehen, wie wir den klugen WSB-Bericht umgesetzt bekommen.

Sie alle wissen, dass das eine ganz komplexe Herausforderung ist. Wir stehen in engen Abstimmungen mit dem Bund, was ich als sehr angenehm empfinde. Ich bin dankbar, dass wir diese enge Abstimmung haben. Wir wissen aber auch, vor welchen Herausforderungen die Kollegen in Berlin stehen, das Ganze in der Kürze der Zeit mit allen Beteiligten unter Dach und Fach zu bringen.

Ich hatte Ihnen gesagt – das ist genau das, woran wir arbeiten, weil wir wirklich schnell vorankommen wol

len –, dass wir mit dem Bund unterstützend daran arbeiten, das Kohleausstiegsgesetz, das Strukturstärkungsgesetz in den nächsten Wochen und Monaten auf den Weg zu bringen und im Bundestag und Bundesrat zu verabschieden. Damit schaffen wir die Grundvoraussetzungen für die Anpassung der Leitentscheidung. Hieran muss mit einem unglaublich kühlen Kopf sehr konzentriert gearbeitet werden. Wir können nur hoffen, dass sich alle an die getroffenen Zusagen halten.

Darüber hinaus brauchen wir viele gesetzliche Anpassungsmaßnahmen. Wir haben auch versucht, das zu beschreiben. Das ist nicht einfach. Denn unser gesamtes Energiewirtschaftsrecht hat sich in den letzten Jahren sehr komplex entwickelt – um es einmal sehr vorsichtig auszudrücken. Wir müssen es nun dringend entschlacken, weil wir sonst keine Anreize für die Sektorenkopplung schaffen können. Es lohnt sich heute nicht, aus dem Strom- in den Wärme- und Mobilitätssektor einzusteigen. Daher müssen wir diesen Bereich neu ordnen.

Hierzu liegen unterschiedliche Vorschläge vor. Die Landesregierung tauscht sich über die CO2Bepreisung – wir werden das Thema morgen diskutieren – aus. Wir haben es aber mit einer Bundesregierung zu tun, in der gleich mehrere Minister verschiedene Institute mit völlig unterschiedlichen Gutachten beauftragen, um sich auf dieser Grundlage eine Meinung zu bilden. Offensichtlich ist es also auch für andere nicht so einfach, sich auf etwas zu verständigen. Wir versuchen, das durchaus nachzuvollziehen und uns unsere eigene Meinung zu bilden. Aber Sie können nicht behaupten, das sei alles so einfach.

Im Übrigen müssen wir die Industrie mitnehmen. Siemens und thyssenkrupp sind angesprochen worden. Wir sind ja nicht nur das Energieumwandlungsland Nummer eins, sondern auch das Energieforschungsland – das ist gut – und das Energietechnologieherstellungsland Nummer eins. Diese Branche befindet sich ebenfalls in einem tiefgreifenden Wandlungsprozess.

In diesem Themenfeld müssen bei den Großunternehmen gegenwärtig strategische Weichen neu gestellt werden, weil sich der Weltenergiemarkt ändert. Das betrifft nicht nur Deutschland. Weltweit ändern sich die Rahmenbedingungen für die Energietechnologie bzw. die Energieumwandlung. Das berührt auch unsere Industrie und unsere Arbeitsplätze.

Sie wissen, dass wir sehr frühzeitig tätig geworden sind und das erste Bundesland waren – andere haben noch Klage darüber geführt, dass etwas umgebaut wird –, das den Unternehmen ein Angebot vorgelegt hat, wie mithilfe von Innovationen neue Arbeitsplätze und neue Geschäftsfelder erarbeitet werden können. Wir bauen dazu gemeinsam mit den beteiligten Unternehmen auch ein Cluster auf. Diese

Landesregierung ist bereit, im Rahmen ihrer Möglichkeiten dafür zusätzliche Mittel bereitzustellen.

Das Gleiche gilt für IN4climate. Dort versuchen wir, auch die energieintensive Industrie dabei zu unterstützen, dass sie diese Anpassung vornehmen kann.

Mit Blick auf unseren geschätzten Landesfinanzminister und mit Blick auf den Haushalt sage ich: Wir als Landesregierung arbeiten mit hoher Konzentration daran, die Haushaltskonsolidierung mit einer schwarzen Null im Blick zu haben

(Beifall von der CDU und der FDP)

und gleichzeitig die Investitionen für die Zukunft zu organisieren, die wir brauchen, damit wir die Energiewende verantwortungsvoll gestalten, die Industrie mitnehmen und unsere Potenziale ausschöpfen können.

Ich bin Herrn Untrieser sehr dankbar dafür, dass er nicht nur im engeren Sinne die Energiewirtschaft, sondern auch das Thema „emissionsarmes Fliegen“ angesprochen hat. Für die Luft- und Raumfahrtindustrie ist Nordrhein-Westfalen der drittwichtigste Standort in Deutschland. Wir wollen unsere Technologien noch stärker zum Einsatz bringen, um bei der Organisation des emissionsarmen Fliegens in der Zukunft mithelfen zu können. Damit wollen wir auch hier unseren Beitrag leisten.

Wir versuchen, alles das zu beschreiben und Wege aufzuzeigen. Dabei geht es darum, was wir mit dem Bund unter welchen Bedingungen tun müssen und wer welchen Beitrag leisten muss – auch auf europäischer Ebene, weil wir das natürlich nicht alleine in Deutschland tun können.

Wir wollen Leitplanken schaffen und den Raum dazwischen ausfüllen. Wir haben uns in NordrheinWestfalen ehrgeizige Ziele für den Ausbau der erneuerbaren Energien gesetzt, die wir mit Ihnen gemeinsam erreichen wollen.

Dass das nicht einfach ist, möchte ich Ihnen, Herr Sundermann, noch einmal anhand Ihrer eigenen empirischen Daten vor Augen führen.

(Frank Sundermann [SPD]: Meiner persönlichen?)

Nein, ich meine die Daten zu dem Thema. So kann es manchmal gehen: Sie haben gesagt, die damalige schwarz-gelbe-Regierung habe für das Thema „Photovoltaik“ nichts getan.

(Frank Sundermann [SPD]: Zu wenig! – La- chen von Dietmar Brockes [FDP])

2010 – den Erfolg dieses Jahres werden Sie wohl nicht komplett der rot-grünen Minderheitsregierung zuschreiben wollen – ist bei PV mit 922 Megawatt der höchste Zubau überhaupt in der Geschichte des Landes erfolgt. Dieser Aufbau von 2010 ist unter RotGrün eingedampft worden.

(Marc Herter [SPD]: Ja, weil eine schwarz- gelbe Bundesregierung 2011 einen Stopp ver- anlasst hat! – Frank Sundermann [SPD]: Da müssen Sie einmal Herrn Rösler fragen! Das wissen Sie doch auch!)

Lieber Herr Sundermann, ich komme doch noch dazu. Ich will es nur für uns alle hier erklären, damit wir uns nicht immer etwas zurufen, was dann wieder infrage gestellt werden sollte.

Dieser Ausbau ist bis 2015 auf 79 Megawatt eingedampft worden. Das bedeutet für Nordrhein-Westfalen einen Einbruch in Höhe von 91,4 %.

(Dietmar Brockes [FDP]: Hört, hört! – Marc Her- ter [SPD]: Das ist doch wirklich unglaublich!)

Herr Sundermann, ich weiß, dass Sie als Landesregierung das damals nicht verursacht haben, sondern dass Ihre Politik bundesgesetzlichen Fördervorgaben gefolgt ist.

(Marc Herter [SPD]: Sie als Landesregierung haben doch den Ausbau nicht angestoßen!)

Jetzt bin ich aber beim Windkraftausbau. Sie werfen uns vor, er gehe nun deutlich zurück. Worauf ist das denn zurückzuführen? Es war Ihr Energieminister Gabriel, der die Auktionsverfahren im Bund neu geregelt hat.

(Zuruf von Hannelore Kraft [SPD])

Wir als neue Landesregierung haben dazu eine Bundesratsinitiative eingebracht, um den Verwerfungen, die dadurch ausgelöst worden sind, noch rechtzeitig begegnen zu können. Dadurch ist aber der Ausbau der Windkraft halbiert worden.

Noch einmal: In Nordrhein-Westfalen haben wir unter Ihnen einen Rückgang um 91,4 % erlebt, weil der Bund seine Förderregeln geändert hat.

Damit möchte ich nur Folgendes sagen: Wir in Nordrhein-Westfalen können uns viel vornehmen; aber wenn der Bund und andere nicht mitspielen und nicht die Rahmenbedingungen so setzen, dass wir unsere Strategie auch ausführen können, wird uns die Umsetzung nur begrenzt gelingen.

Deswegen müssen wir versuchen, uns bei der Energiepolitik möglichst langfristig aufzustellen und nach Möglichkeit mit den anderen Ländern und dem Bund zusammenzuwirken, um es mit kühlem Kopf bundesweit und länderweit organisiert zu bekommen. Sonst wird uns das nicht gelingen.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Die Energiewende mit dem Vorhaben, nach dem Kernenergieausstieg auch aus der Kohle auszusteigen – das wurde in dem WSB-Bericht beschrieben –, ist die große Jahrhundertaufgabe für Deutschland. Das lässt sich nicht mal eben beschließen und tritt

nicht einfach in Kraft, sondern wird uns in den nächsten Jahren und Jahrzehnten auf allen Ebenen beschäftigen.

Alle, die diesen Bericht gutgeheißen haben – egal, aus welcher Partei sie kommen –, müssen daran arbeiten, dass die Voraussetzungen auch beim Netzausbau, über den sich die Länder nun abstimmen, geschaffen werden.

Wir haben seit Bestehen der Energiewende erstmalig ein Controllingsystem mit einer Ampel – Rot, Grün, Gelb – eingeführt: Wo stehen die Projekte? Wir tauschen uns aus – 16 Energieminister und der Bundesenergieminister. Wir treffen uns; wir halten nach. Alles das hat es vorher nicht gegeben; das muss man auch einmal sehen.

Politik kann sich ehrgeizige Ziele setzen. Diese werden aber nur erreicht werden können, wenn wir sie nachhalten. Das können wir im föderalen Aufbau nur gemeinsam. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten. Alle, die dem Klimawandel etwas Sinnvolles entgegensetzen wollen, stehen in der Verantwortung. – Herzlichen Dank für die freundliche Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Minister. – Für die SPD-Fraktion hat Herr Kollege Herter das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Minister Pinkwart, wer würde sich mit einer Vorlage einer Energieversorgungsstrategie nicht konstruktiv auseinandersetzen? Wir haben sie lange genug eingefordert. Jetzt liegt sie in Beschlussfassung des Landeskabinetts vor. Leider ist sie ebenso wortreich wie das, was Sie gerade in zwei Reden deutlich gemacht haben, und in vielen Punkten ebenso unkonkret wie das, was Sie zumindest in Ihrer ersten Rede hier ausgeführt haben.

Wer würde denn der Beschreibung von theoretischen Potenzialen nicht zustimmen? Wer würde der Beschreibung von technischen Möglichkeiten, die wir haben, nicht zustimmen? Doch nur ganz wenige in diesem Saal.

Entscheidend ist aber, dass wir – ich bin froh, dass Sie in Ihrem zweiten Beitrag näher darauf eingegangen sind – intensiv miteinander ringen, um die Frage zu beantworten, wie wir sie in eine gemeinsame Strategie bringen können, die vor allem eines sicherstellt, nämlich gleichzeitig die Energiewende zu schaffen und unseren Lebensstandard nicht nur zu halten, sondern unsere Lebensqualität in diesem Land zu verbessern. Mit der Energiewende verfolgen wir ja das Ziel – das wollen wir doch erreichen –, am Ende

für die Menschen den Lebensstandard zu verbessern.

(Beifall von der SPD)

Selbstverständlich kann man dabei das energiepolitische Zieldreieck beschwören. Vielleicht muss man das auch. Aber das ist doch 30 Jahre unser energiepolitisches Zieldreieck. Das ist auch das energiepolitische Zieldreieck der Karbon-, der Kohleperiode gewesen. Auch damals wollte man möglichst energieschonend, möglichst klimaschonend vorgehen.

(Zuruf von Armin Laschet, Ministerpräsident)

Herr Laschet, die Stadtwerke Aachen sind mit ihrer Trianel-Gründung ein guter Beleg dafür. Es war 1990, als man sich entsprechend auf den Weg gemacht hat.

(Zuruf von Armin Laschet, Ministerpräsident)