Protocol of the Session on April 11, 2019

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Rock. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der SPD Herr Kollege Müller das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Rock, in einem Punkt mögen Sie recht haben: Tatsächlich liegt das, was Sie gerade beschrieben haben, unterhalb der Wahrnehmungsschwelle. Ich verrate Ihnen eines: An der Opposition liegt es nicht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Schulsozialarbeit wirkt. Ich denke, das wird heute niemand mehr bestreiten. Es handelt sich nicht um überflüssigen Schnickschnack, um den man sich erst dann kümmert, wenn alle anderen drängenden Fragen und Probleme an unseren Schulen gelöst sind.

Unstrittig ist aber auch, dass der Druck im System groß ist; denn mittlerweile stößt die Art und Weise, wie Schulsozialarbeit organisiert wird, an strukturelle und finanzielle Grenzen. Während es nach dem Ausstieg des Bundes aus der Finanzierung genau darum

ging, das Wegbrechen von Strukturen zu verhindern, so muss es nun darum gehen, die Schulsozialarbeit über den Status quo hinaus weiterzuentwickeln.

(Beifall von der SPD)

Dabei müssen aus unserer Sicht die folgenden Punkte vordringlich angegangen werden.

Erstens. Es ist dringend notwendig, das komplexe Finanzierungssystem zu beenden und zu einer verlässlichen und auskömmlichen Finanzierung zu kommen,

(Beifall von der SPD und Sigrid Beer [GRÜNE])

klare Verantwortlichkeiten zu regeln und somit auch für verlässliche Arbeitsverhältnisse zu sorgen.

Zweitens. Es braucht einheitliche Qualitätsstandards.

Drittens. Ein verbindlicher Personalschlüssel muss her, der in Verbindung mit einem Sozialindex die Hilfe zielgenau dorthin bringt, wo sie benötigt wird; denn bislang ist das System oft zu reaktiv – so die Kritik der Expertinnen und Experten.

(Beifall von der SPD)

Viertens. Die Fach- und Dienstaufsicht muss geklärt werden. Schulsozialarbeit muss gesetzlich verankert und die Zuständigkeit und Koordination der Schulsozialarbeit geregelt werden. Sie darf eben nicht nur ausschließlich im System „Schule“ verankert werden und alleine dort wirken, sondern sie muss auch immer sozialraumbezogen sein, und es bedarf einer Brücke zu den Angeboten der Jugendhilfe. Sie braucht vor allem die gleiche Augenhöhe aller Professionen, die in Schule wirken. All das, Herr Rock, haben wir von Ihnen heute nicht gehört.

(Beifall von der SPD und Sigrid Beer [GRÜNE])

In der Anhörung zu unserem Antrag hat die Bezirksregierung Köln mit dem Modell der institutionellen Kooperation auf Augenhöhe eine Blaupause geliefert, wie das aussehen könnte. Ich frage mich, warum Sie das eigentlich nicht nutzen.

Das System speist sich derzeit aus drei unterschiedlichen Quellen. Daraus resultieren unterschiedliche Anstellungsverhältnisse und auch unterschiedliche Verantwortlichkeiten. Streng genommen kann man eigentlich von gar keinem System sprechen. Eine Neuordnung tut also Not, insbesondere mit Blick auf die Stellen aus der Bund-Folge-Finanzierung. Denn auch wenn diese Stellen bis 2022 gesichert sind, ändert das nichts an der Lage der Fachkräfte, die sich von Befristung zu Befristung hangeln. Das führt zu einer hohen personellen Fluktuation, und das wiederum trägt ganz sicher nicht zur Qualität bei.

(Beifall von der SPD und Sigrid Beer [GRÜNE])

Hinzu kommt, dass die letzten Stellenausschreibungen des MSB am Ende dazu geführt haben, dass

zahlreiche Fachkräfte die befristeten Stellen aus der Bund-Folge-Finanzierung gekündigt haben und auf unbefristete Stellen im Landesdienst gewechselt sind. Das ist, wenn Sie so wollen, ein Linke-Tascherechte-Tasche-Spiel; denn an der Gesamtzahl der Kräfte ändert sich faktisch nichts.

Wir verlieren damit eine bedeutende Perspektive und darüber hinaus eine wichtige Brücke in das System der Jugendhilfe, wenn sich immer mehr Träger aus der Kofinanzierung zurückziehen. Das betrifft besonders Grundschulen und Berufskollegs.

Die angesprochenen Punkte machen eines deutlich: Wir brauchen eine Verständigung über die künftige Ausgestaltung der Schulsozialarbeit, und zwar mit Blick auf die Verantwortungsgemeinschaft von Schule und Jugendhilfe einerseits sowie von Bund, Ländern und Kommunen andererseits. Das ist keine einfache Aufgabe, aber sie muss angepackt und nun zügig gelöst werden.

(Beifall von der SPD)

Dass wir mit unserer Sicht der Dinge nicht alleine dastehen, hat die Anhörung zu unserem Antrag eindrucksvoll bestätigt.

(Vereinzelt Beifall von der SPD – Jochen Ott [SPD]: Eindrucksvoll!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Druck ist hoch, die Zeit drängt. Das ist nicht nur in der Anhörung deutlich geworden, das ist auch eine Erkenntnis, die uns allen vor Ort regelmäßig bei unseren Besuchen gespiegelt wird.

Mit unserem Antrag wollten wir eine Debatte darüber anstoßen und vor allem unsere Hand reichen. Zumindest ich habe nicht wahrgenommen, dass wir mit der anderen Hand zugeschlagen haben. Das war vielleicht eine sehr selektive Wahrnehmung Ihrerseits. Wir wollten die Hand dazu reichen, ein dauerhaftes Zukunftsmodell für die Schulsozialarbeit zu entwickeln – und zwar abseits der Frage „regierungstragend oder Opposition“. Schließlich brauchen wir ein Konzept, das Regierungswechsel überdauern kann.

Sozialarbeit braucht neben der Auskömmlichkeit vor allem eins: Verlässlichkeit.

(Beifall von der SPD und Sigrid Beer [GRÜNE])

Genau deshalb haben wir unseren Antrag so formuliert, dass sich dahinter alle versammeln können. Menschen wollen Lösungen und keine Geschichtsstunden. Wenn nicht bei diesem Thema, wo denn dann sonst? Im Prinzip sind wir uns doch einig, wie bedeutend die Schulsozialarbeit ist. Streiten können wir uns im Bereich „Schule“ über viele andere Themen. Dafür gibt es wohl genug Stoff.

Lassen Sie uns also gemeinsam daran arbeiten, die Schulsozialarbeit zukunftsfest zu machen! Wir sind

bereit. Ich glaube allerdings – das bestätigen auch Ihre Ausführungen –, dass Sie es nicht sind. Am Ende reden Sie nämlich doch lieber über die Vergangenheit als über die Zukunft – und schon gar nicht über die Gegenwart.

Schade eigentlich; denn die Schülerinnen und Schüler und alle Menschen, die in Schule, Schulsozialarbeit und Jugendhilfe arbeiten, hätten wesentlich mehr verdient als das, was Sie abgeliefert haben. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Müller. – Für die Fraktion der FDP hat nun Frau Abgeordnete Hannen das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gefühlt vergeht keine Sitzungswoche, in der wir nicht über einen Antrag der SPD zum Thema „Schulsozialarbeit“ sprechen.

Ich möchte diesen Antrag gerne nutzen, um bei dieser Gelegenheit erneut den multiprofessionellen Teams, den Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern, Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen und allen anderen Akteuren in diesem wichtigen Bereich für die tägliche Arbeit zu danken und zu versichern, dass wir um die Notwendigkeit und Wichtigkeit ihrer Leistungen wissen.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Diese Gelegenheit kann man bei solchen Anträgen hervorragend nutzen. Herzlichen Dank dafür.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, Ihnen scheint das Thema wichtig zu sein. An dieser Stelle sind wir uns tatsächlich einig: Das Thema ist wichtig. Wir sind uns völlig einig, dass multiprofessionelle Teams an Schulen einen sehr hohen Stellenwert haben und die geleistete Arbeit für die Schülerinnen und Schüler, für die Schulen an sich ein wichtiges Element ist und sich dadurch Schullaufbahnen entscheidend zum Positiven entwickeln können.

(Beifall von der FDP)

Wir als NRW-Koalition haben uns diesbezüglich klare Ziele gesetzt, und diese sind auch im Koalitionsvertrag verankert. Ich zitiere mit Einverständnis der Präsidentin:

„Der notwendige Ausbau der multiprofessionellen Unterstützung ist nicht nur eine wichtige Entlastung der Lehrkräfte, sondern stellt auch eine nachhaltige und intensive soziale Begleitung der Schülerinnen und Schüler sicher. Daher wollen wir eine Stärkung und verlässliche Fortführung

der Schulsozialarbeit erreichen und den Ausbau der Schulpsychologie vorantreiben.“

Meine sehr geehrtem Damen und Herren, so steht es im Koalitionsvertrag von CDU und FDP. Es ist uns wichtig; wir sehen die Schulsozialarbeit als wichtiges Element in den Schulen und als wichtigen Beitrag für gerechte Bildungschancen.

Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter helfen jungen Menschen, Steine aus dem Weg zu räumen. Wir alle wissen, dass es heute keine glatt laufende Kindheit mehr in dem Sinne gibt, wie wir uns das vielleicht im Ideal vorstellen. Gerade da brauchen wir multiprofessionelle Teams.

Wir haben heute junge Menschen an Schulen, die schon einen vollen Rucksack haben. Es ist wichtig, dass dieser Rucksack leichter gemacht wird und die Herausforderungen, die der Alltag für viele Kinder und Familien mit sich bringt, von Schulsozialarbeitern in der Schule abgefangen werden.

Es ist unstrittig, dass in einer immer komplexeren Welt, in einer heterogener werdenden Gesellschaft eine zusätzliche Struktur in den Schulen etabliert werden muss, die Kollegen entlastet werden und zusätzliche Ansprechpartner für junge Menschen da sein müssen.

Gerade weil uns dieses Thema so wichtig ist, handeln wir schon längst. Das ist der entscheidende Punkt. Sehr geehrte Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen von der SPD, das sollten Sie eigentlich wissen.

Ich darf die Zahlen bewusst noch einmal wiederholen. Seit 2018 hat die Landesregierung 1.157 zusätzliche Stellen für sozialpädagogische Fachkräfte in der flexiblen Schuleingangsphase geschaffen und jährlich bis 2021 rund 48 Millionen Euro für die Fortführung der Schulsozialarbeit in den Haushalt eingestellt.