Protocol of the Session on March 21, 2019

Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich heiße Sie herzlich willkommen zu unserer heutigen 54. Sitzung des Landtags von Nordrhein-Westfalen. Mein Gruß gilt auch den Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Für die heutige Sitzung haben sich neun Abgeordnete entschuldigt; Ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.

Geburtstag feiern heute die Kollegen Dr. Günther Bergmann von der Fraktion der CDU und Dr. Werner Pfeil von der Fraktion der FDP. Herzliche Glückwünsche und alles Gute im Namen der Kolleginnen und Kollegen.

(Allgemeiner Beifall)

Damit treten wir in die heutige Tagesordnung ein.

Ich rufe auf:

1 Arbeitnehmerrechte für Paketbotinnen und

Paketboten sichern!

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 17/5372

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die antragstellende SPD-Fraktion dem Abgeordneten Dudas das Wort. Bitte schön.

Guten Morgen, Herr Präsident. – Verehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Wir alle kennen das: Man bestellt sich etwas im Internet, und irgendwie muss das Paket mit der Ware dann zu uns kommen.

(Unruhe – Glocke)

Aber der Paketbote kommt natürlich immer dann, wenn man gerade nicht zu Hause ist. In anderen Fällen ist die Straße blockiert, weil die Paketboten in zweiter Reihe parken; das kennen wir alle.

Vermutlich hat sich deswegen jeder von uns schon einmal über den „blöden“ Paketboten geärgert. Weniger denken wir dabei aber an den Menschen, der in dieser Uniform steckt.

Was wir uns oft aber selbst nicht klarmachen, ist, unter welchen Bedingungen diese Menschen arbeiten, ja sogar arbeiten müssen.

Von mafiösen Strukturen in der Branche ist da zuletzt die Rede gewesen, von der Umgehung des Mindestlohns bis zu faktischen Löhnen von 4,50 Euro bis 6 Euro die Stunde, von ausufernden Schichten bis zu 15 Stunden, von teilweise Beschäftigten aus Nicht

EU-Staaten, die sich kaum gegen die Ausbeutung wehren können.

Daher haben es diese Menschen verdient, dass genau wir uns ihre Arbeitsbedingungen anschauen, nicht wegsehen und uns für ihre Belange einsetzen.

(Beifall von der SPD)

Rund 500.000 Menschen arbeiten in Deutschland bei Post- und Zustelldiensten. Hinzu kommen zusätzliche Kräfte etwa für das Weihnachtsgeschäft.

Gerade einmal 30 % von ihnen haben eine Ausbildung, 70 % hingegen sind Hilfskräfte, die meist in Teilzeit oder als Minijobber arbeiten. Entsprechend liegen mehr als die Hälfte der Aushilfen unter der Niedriglohnschwelle und erhalten weniger als 10,50 Euro.

Das sind nur die Zahlen zu den offiziellen Beschäftigten. Die sogenannten selbstständigen Fahrer, oder besser gesagt: scheinselbständigen, werden hier erst gar nicht erfasst.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Arbeit als Paketbote ist kein Zuckerschlecken. Es ist körperliche Arbeit unter ständigem Zeitdruck.

Ich erzähle heute einmal von Alexander. Alexander, der auch Dimitri, Francesco oder Anna heißen könnte, kommt aus Deutschland, einem EU-Land oder anderswoher. Alexander ist Paketbote.

Wenn ich ihm zuhöre, wenn er von seinem Arbeitstag erzählt, wird mir ganz anders: Sind es an normalen Tagen vielleicht 100 Pakete, die er ausliefert, steigert sich die Zahl ab November täglich auf 200 Mitte November und auf 300 Pakete täglich in der Woche vor Weihnachten – 300 Pakete.

Nicht jedes Paket besteht aus einem Paar Schuhen, es kann auch schon einmal recht schwer werden.

Gesetzlich vorgeschriebene Erholungspausen, geregelte Arbeitszeiten? – Pustekuchen, für Alexander und seine Kolleginnen und Kollegen ist das nicht Realität – und das bei einem Monatslohn von 1.300 Euro.

Ein hoher Krankenstand ist die logische Folge: 25 Tage pro Jahr gegenüber dem Durchschnitt von 15 Tagen auf alle Berufsgruppen bezogen. Auch bei Fehltagen aufgrund psychischer Belastung sticht diese Berufsgruppe mit 3,7 Tagen im negativen Sinne hervor.

Der staatliche Arbeitsschutz hier in Nordrhein-Westfalen hat kürzlich, in der Vorweihnachtszeit, Kontrollen durchgeführt. Das Ergebnis war verheerend: Verstöße bei der Arbeitszeitaufzeichnung, Mängel bei Arbeitsschutzausrüstung oder auch Sicherheitsmängel in den Verteilerzentren wurden festgestellt.

Völlig zu Recht wird daher vonseiten der Gewerkschaften eingefordert, dass die Politik endlich handeln soll, um diese Auswüchse einzudämmen.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil plant daher einen Gesetzentwurf gegen die schlechten Arbeitsbedingungen in der Branche. Es wird höchste Zeit, dass sich NRW als größtes Bundesland um Paketboten wie Alexander kümmert.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Preuß?

Nein, jetzt nicht.

Im Zentrum müssen dabei die Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge und die Dokumentationspflicht zur Erfassung der täglichen Arbeitszeit stehen.

Niedersachsen ist vorangegangen und hat eine Bundesratsinitiative gestartet, um Voraussetzungen für die sogenannte Nachunternehmerhaftung zu starten. Dadurch ist dann das erste Logistikunternehmen in der Kette für die Erfüllung der Zahlungspflicht der Sozialversicherungsbeiträge verantwortlich.

Bislang haben sich die Paketdienste gerne darauf zurückgezogen, dass sie die Einhaltung der Vorschriften verlangen. Faktisch aber findet keine Kontrolle statt, ob sich der Subunternehmer oder der Sub-Subunternehmer tatsächlich auch daran hält.

Daher geht es bei der Initiative Niedersachsens um eine Erweiterung der Dokumentationspflicht. Es soll endlich eine gesetzliche Verpflichtung geben, die Arbeitsaufnahme, das Arbeitsende und die Dauer der täglichen Arbeitszeit aufzuzeichnen.

Wir müssen daher die uns zur Verfügung stehenden Instrumente endlich nutzen. Angemessene Arbeitsbedingungen müssen an dieser Stelle geschaffen werden. Die Zeit des tatenlosen Danebenstehens und des Nichthandelns muss an dieser Stelle endgültig vorbei sein.

(Beifall von der SPD)

Die halbe Million Menschen – viele schlecht oder gar nicht qualifiziert – müssen durch uns geschützt werden, denn sie selbst sind der Branche hilflos ausgeliefert.

Dagegen müssen wir gemeinsam vorgehen, denn es geht nicht allein um den ausufernden Arbeitstag mit bis zu 15 Arbeitsstunden, es geht nicht allein um den Lohnraub durch gesetzeswidriges Absenken des Stundenlohns, es geht nicht allein um die fehlende Selbstbestimmung der Kolleginnen und Kollegen,

und es geht auch nicht allein um die schreiende Ungerechtigkeit, sondern es geht im Ganzen um die Würde der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, daher hoffe ich auf eine breite Unterstützung des Antrags durch alle demokratischen Fraktionen im Hause. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Damit rufe ich für die Fraktion der CDU den Abgeordneten Schmitz auf.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch von mir einen wunderschönen guten Morgen!

Die Paketbranche hat in den letzten Jahren einen grundlegenden Wandel durchlaufen – das ist richtig –, und die Anzahl der Stellen für Paketboten ist signifikant angestiegen, übrigens auch eine sehr positive Arbeitsmarktentwicklung aufgrund der Digitalisierung.

Hier entstehen nämlich auch Jobs für Ungelernte und Hilfskräfte – ein Bereich, von dem wir immer gesagt haben: Er wird durch die Digitalisierung wegfallen. – Der Wandel ist größtenteils dem Anstieg des Onlinehandels in den vergangenen Jahren zu verdanken.

Auch resultieren aus dem gewachsenen Onlinehandel neue Herausforderungen für die Paketboten, besonders in Bezug auf die Schnelligkeit, denn wir sind es gewohnt, heute Sachen zu bestellen und sie binnen 24 Stunden, teilweise noch am selben Tag, zu erhalten.