Protocol of the Session on October 30, 2018

Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich heiße Sie zu unserer heutigen, 44. Sitzung des Landtags NordrheinWestfalen herzlich willkommen. Mein Gruß gilt auch den Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Für die heutige Sitzung haben sich acht Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.

Geburtstag feiert heute Kollege Daniel Sieveke von der CDU-Fraktion. Herzlichen Glückwunsch und alles Gute im Namen der Kolleginnen und Kollegen!

(Allgemeiner Beifall)

Damit treten wir in die heutige Tagesordnung ein.

Ich rufe auf:

1 Gewalt gegen Frauen und Mädchen – Ein un

tragbares Leid in unserer vermeintlich modernen und aufgeklärten Gesellschaft

Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP Drucksache 17/4340

Die Fraktionen der CDU und der FDP haben mit Schreiben vom 26. November 2018 gemäß § 95 der Geschäftsordnung zu der oben genannten aktuellen Frage der Landespolitik eine Aussprache beantragt.

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Rednerin für die CDU-Fraktion Kollegin Troles das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am 30. Oktober 2018, also auf den Tag genau vor einem Monat, wurde eine Frau, Mutter von zwei Kindern, in Jüchen im RheinKreis Neuss von ihrem Ehemann mit einem Messer niedergestochen – dreimal: in Brust, Bauch und Rücken. Die Frau ist lebensgefährlich verletzt. Die Mordkommission ermittelt. Der Täter, ihr Ehemann und Vater der beiden gemeinsamen Kinder, flüchtet und wird am 23. November festgenommen.

Darüber berichtete gestern der „Kölner Stadt-Anzeiger“. Solche Berichte sind leider fast täglich in der Presse zu finden. Sie sind erschreckend, machen uns betroffen und nachdenklich.

Am 25. November dieses Jahres fand zum 18. Mal der Internationale Tag gegen Gewalt an Frauen statt. Auch 18 Jahre nach seiner Einführung hat dieser Tag nicht an Bedeutung verloren. Leider machen weiterhin überall auf der ganzen Welt Frauen und Mädchen täglich Erfahrungen mit Gewalt – auch in Deutschland, in allen Schichten der Gesellschaft. Jede vierte

Frau in Deutschland war mindestens einmal im Leben Opfer einer Drohung, eines sexuellen Übergriffs oder einer anderen Form von Gewalt. Das dürfen wir nicht akzeptieren.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Gewalt gegen Frauen ist keine Privatsache.

Die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen muss auch weiterhin ganz oben auf der Tagesordnung bleiben. Jede einzelne Frau, die Opfer von Gewalt wird, ist eine zu viel. Das gilt selbstverständlich in gleichem Maße für jede Gewalt gegen Menschen insgesamt.

Misshandlung, Nötigung, Vergewaltigung – fast 114.000 Frauen in Deutschland waren laut polizeilicher Statistik im vergangenen Jahr Opfer von häuslicher Gewalt. 141 Frauen sind dabei ums Leben gekommen. Im Klartext bedeutet das, dass häufiger als jeden dritten Tag eine Frau von ihrem Partner oder Ex-Partner getötet wird. Die Dunkelziffer dürfte noch deutlich höher liegen.

Gewalt gegen Frauen findet oft im privaten Umfeld statt. Die Zahlen sind erschreckend. Sie zeigen, dass hier dringender Handlungsbedarf besteht. Konsequente Bestrafung der Täter und Hilfe für die Opfer sind dabei zwei Seiten einer Medaille.

82 % aller Opfer von vollendeten und versuchten Delikten der Partnerschaftsgewalt – wie Mord, Totschlag, Körperverletzung, Vergewaltigung, sexuelle Nötigung, Bedrohung, Stalking, Zuhälterei und Zwangsprostitution – im Jahr 2017 waren Frauen. Dieser prozentuale Anteil bleibt seit Jahren stabil.

Leider schweigen viele aus Scham und Angst oder auch, um ihren Partner vor einer Strafverfolgung zu schützen. Wir müssen alle Kräfte aufbieten, um dieses Muster zu durchbrechen.

An dieser Stelle setzt unter anderem die Hilfe der Frauenhäuser und Frauenberatungsstellen an. Die gute Arbeit der Frauenhäuser, Beratungs- und Interventionsstellen und die Anstrengungen der Landesregierung sind hier ausdrücklich zu loben.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Gleichzeitig sind die hohen Opferzahlen aber auch ein Beleg dafür, dass die Bemühungen nicht nur dringend notwendig sind, sondern noch intensiviert werden müssen.

Im Frauenhaus finden die Frauen in der akuten und teilweise lebensbedrohlichen Notlage einen sicheren Schutzraum. Er bewahrt sie vor weiterer Gewalt. Der Weg in ein Frauenhaus bedeutet aber auch das Verlassen der eigenen Wohnung, des Freundeskreises und eine Isolierung vom gewohnten Umfeld – das alles, damit der oder die Täter die Frauen nicht mehr erreichen können.

30.11.2018

Neben dem Schutzraum der Frauenhäuser brauchen wir weitere Konzepte, die mehr Perspektiven für Frauen als Opfer bieten. Die Lösung für die von Gewalt betroffenen Frauen kann nicht in erster Linie das Verlassen des gewohnten Umfeldes, der eigenen Wohnung sein. Das Frauenhaus muss die letzte und nicht die erste Anlaufstelle werden.

Dazu müssen den Frauen alle rechtlichen Möglichkeiten zur Verfügung stehen. Es muss selbstverständlich werden, dass die Frauen im gewohnten Umfeld bleiben und die Täter wirksam und dauerhaft der Wohnung verwiesen werden.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Dazu müssen die Möglichkeiten des Gewaltschutzgesetzes erschöpfend genutzt werden. Die geplante Novelle des Polizeigesetzes bietet in § 38 Abs. 2 Ziffer 3 die Möglichkeit der Ingewahrsamnahme der Täter für zehn Tage, was den Frauen ausreichend Möglichkeit geben würde, sich rechtliche Hilfe zu holen.

(Zuruf von der CDU: Sehr gut!)

Der neu geplante § 34b würde der Polizei zudem ermöglichen, ein Aufenthalts- und Kontaktverbot für bis zu drei Monate zu verhängen. Der Verbleib in der eigenen Wohnung erleichtert den Frauen, ein selbstbestimmtes neues Leben anzufangen.

Nicht alle Frauen, die Gewaltsituationen im häuslichen Umfeld erlebt haben, wollen ihr gewohntes Wohnumfeld verlassen. Eine fremde räumliche Umgebung und die Loslösung aus dem gewohnten Lebensumfeld, wie der Schule, dem Kindergarten, den sozialen Netzwerken, von Freundinnen und Freunden, sind daher zusätzliche Belastungen, die nur einen letzten Ausweg darstellen können.

Auch wenn es Aufgabe der örtlichen Sozial- und Wohnungspolitik ist, dafür Sorge zu tragen, in enger Abstimmung mit den Frauenhäusern entsprechende Wohnungsangebote nach dem Frauenhausaufenthalt zu sichern, sind Frauen und Mädchen, die aus Frauenhäusern kommen, vordringlich Wohnungssuchende. Dabei stehen sie selbstverständlich in Konkurrenz zu anderen Wohnungsuchenden.

Die Frauen haben bei der Wohnungssuche mit Vermittlungshemmnissen zu kämpfen. Viele Wohnungen und die Wohnraumumgebung sind unter Sicherheitsaspekten nicht geeignet, dem Schutzbedürfnis der von Gewalt betroffenen Frauen zu entsprechen.

Frauen brauchen nach dem Erleben einer oftmals langjährigen Gewaltsituation für die Rückkehr in ein selbstbestimmtes Leben umfangreiche Strategien und Maßnahmen, die geeignet sind, die Selbstbestimmung und Autonomie zu erhöhen. Die Betroffenen müssen fähig sein, ihre Belange wieder eigenmächtig, selbstverantwortlich und selbstbestimmt zu vertreten und zu gestalten.

Die Redezeit, bitte.

Ich komme gleich zum Ende. Wir holen das bei der anschließenden Rednerin wieder ein. – Man kann es nicht oft genug wiederholen; es ist makaber: Gewalt gegen Frauen findet oft im privaten Umfeld statt, genau dort, wo zurzeit – und das ist absurd – der Täter Schutz findet. Den Schutz dieser Privatheit zur Ausübung von sanktionsfreier Gewalt müssen wir den Tätern wegnehmen. Dagegen werden wir massiv vorgehen.

Liebe Kollegin, wir müssen uns an die im Ältestenrat vereinbarten Redezeiten halten. Daher bitte ich, wirklich zum Schluss zu kommen.

Okay, Entschuldigung. Ich komme zum Schluss. – Fazit ist also: Wir müssen alle Hebel in Bewegung setzen. Wir müssen Aufklärungsarbeit leisten. Wir müssen die niedrigschwellige Hilfe für betroffene Frauen weiter ausbauen und öffentlich zeigen, dass sich die Gesellschaft klar gegen jede Art der Gewalt positioniert.

(Beifall von der CDU)

Gewalt gegen Frauen ist zu keiner Zeit und in keiner Form akzeptabel. – Danke schön.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Für die FDP erteile ich nun der Kollegin Schneider das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! „Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich.“ So steht es in Art. 2 unseres Grundgesetzes.

Dieses Grundrecht zu schützen, liegt in der Verantwortung jedes und jeder Einzelnen von uns; denn eine offene und demokratische Gesellschaft darf bei körperlicher Gewalt nicht wegsehen – auch nicht in privaten Beziehungen. Deshalb bin ich sehr dankbar für diese Aktuelle Stunde, in der wir über das schwierige Thema „Gewalt gegen Frauen und Mädchen“ diskutieren.

Seit knapp 30 Jahren ist der 25. November – der Todestag der drei dominikanischen Schwestern Mirabal – offizieller UN-Gedenktag „NEIN zu Gewalt gegen Frauen und Mädchen“. Aus diesem Anlass hat der Landtag in diesem Jahr Teile des Gebäudes in Orange erleuchten lassen. Darüber hinaus hissten die Mitglieder der demokratischen Fraktionen des