Protocol of the Session on July 13, 2018

Danke schön, Herr Abgeordneter Bell. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht der Kollege Bolte-Richter.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sind uns im Ziel absolut einig. Wir Grüne wollen Gründerinnen und Gründern Freiräume an den Hochschulen verschaffen, damit sie ihre Innovationen im eigenen Unternehmen umsetzen können. Es ist auch richtig, anzuerkennen, dass Studierende dafür andere Maßnahmen brauchen als wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oder Professorinnen und Professoren.

In diesem Antrag und in dem, was dahintersteckt, zeigt sich wieder eine gewisse Janusköpfigkeit der Landesregierung. Die eine Kopfseite – um im Bild zu bleiben – steht für die Innovationspolitik. Man kann sicher zugestehen, dass einige Ihrer Projekte auch für uns in Ordnung gehen; die werden Ihre Innovationspolitiker auch umgesetzt bekommen. Die andere Kopfseite steht für die Kulturministerin mit Nebentätigkeit in der Wissenschaftspolitik, die gerade ein Hochschulgesetz verantwortet, das zu einem absolut konservativen Rollback führen wird. Das passt nicht zusammen.

(Beifall von den GRÜNEN und Marcus Pretzell [fraktionslos])

Der Kollege Bell hat gerade auf erfolgreiche Beispiele hingewiesen, bei denen die Hochschulen in Nordrhein-Westfalen eine gute Gründungsförderung organisieren. Wir kennen viele erfolgreiche Ausgründungen von den Hochschulen, die zeigen, dass es bereits gute Rahmenbedingungen gibt. Es ist aber auch vernünftig, zu prüfen, an welchen Stellen wir diese Rahmenbedingungen verbessern können.

Ein Urlaubssemester zur Umsetzung einer Gründungsidee ist an sich ein guter Vorschlag. Die Anerkennung von akademischen Gründerseminaren auf das Studium ist ebenfalls richtig und sollte auch dort möglich sein, wo das bisher nicht der Fall ist.

Ich wäre froh, wenn ich hier aufhören könnte,

(Helmut Seifen [AfD]: Wir auch!)

aber da gibt es noch das Hochschulgesetz, mit dem Sie die Freiheit der Studierenden und damit auch der Gründerinnen und Gründer an den Hochschulen drastisch einschränken werden. Das passt nicht zu dem, was Sie in Ihrem Antrag fordern. Es ist etwas schizophren, auf der einen Seite die Freiheit der Studierenden einzuschränken und sie auf der anderen Seite einzufordern.

Hören Sie auf, die Studierenden zu bevormunden! Mit der Anwesenheitspflicht oder mit den Studienverlaufsvereinbarungen wird das Studium dermaßen

verschult, dass den Studierenden die Freiheit genommen wird, nebenbei kreativ und innovativ zu sein. Schon gar nicht können sie so ein Unternehmen hochziehen.

Eine Unternehmensgründung ist nicht möglich, wenn jemand die ganze Woche von früh bis spät in Veranstaltungen präsent sein muss. Eine Ausgründung ist nicht möglich, wenn sich Studierende nicht aussuchen können, auf welche Semester sie ihre Veranstaltungen und Prüfungen legen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wer ein Unternehmen gründet, ist später seine eigene Chefin oder sein eigener Chef. Da interessiert es nicht, ob der Abschluss ein oder zwei Semester nach der Regelstudienzeit erfolgt. Es ist ohnehin falsch, wenn CDU und FDP sich immer wieder hier hinstellen und den jungen Leuten einzureden versuchen, sie müssten unbedingt in der Regelstudienzeit den Abschluss schaffen.

Kluge Köpfe und junge Talente haben kein Problem, einen Arbeitsplatz zu bekommen, selbst wenn sie ein oder zwei Semester länger studiert haben. Wir brauchen an unseren Hochschulen Querdenker und keine reinen Klausurenschreiber.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich sagte es eingangs: Die Forderungen in Ihrem Antrag sind grundsätzlich in Ordnung. Wenn SchwarzGelb aber wirklich Freiraum für junge Menschen und attraktivste Rahmenbedingungen an den Hochschulen schaffen möchte, damit die Studierenden ihre Ideen in Geschäftsmodellen entwickeln und ausprobieren können, dann müssen Sie die Reform des Hochschulgesetzes stoppen. Das wäre effektiver und unbürokratischer. Alle Studierenden sollten frei sein, auch mal ein Semester über etwas nachdenken zu können, nicht nur Gründerinnen und Gründer.

(Beifall von den GRÜNEN)

Sie haben unsere Unterstützung für das Urlaubssemester; für den Antrag gibt es jedoch eine Enthaltung von uns. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Bolte-Richter. Für die AfD-Fraktion spricht Herr Abgeordneter Seifen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist doch immer wieder merkwürdig, dass zwei Vertreter von Parteien, die so weit auseinander sind wie die AfD und die Grünen, bei der Bewertung des Regierungshandelns durchaus übereinstimmen. Ich stimme Ihnen nämlich zu, Herr Bolte-Richter, dass das Re

gierungshandeln an dieser Stelle vollkommen inkonsequent ist. Ich ziehe nur andere Schlussfolgerungen daraus; das können Sie sich vorstellen.

Inkonsequenz ist wohl das Grundmerkmal des politischen Handelns, anders etwa als in anderen Bereichen des täglichen Lebens, in denen Autoritäten und Entscheidungsträger dann für verlässlich und glaubwürdig gelten, wenn sie Konsequenz in ihrem Handeln zeigen. Dies ist im politischen Raum offensichtlich vollkommen anders. Gerade Sie von den Altparteien vermitteln den Eindruck, dass Entscheidungen willkürlich getroffen werden, ohne logische Stringenz, offensichtlich darauf bedacht, den jeweiligen Moden zu folgen, auch wenn sich da manches widerspricht.

So haben Sie durch das neue Hochschulgesetz mit der Möglichkeit, die Anwesenheitspflicht festzusetzen – Herr Bolte-Richter hat das gerade schon beklagt –, eine höhere Verlässlichkeit in der Beteiligung an Seminarveranstaltungen sichergestellt, was wir sehr begrüßt haben. Nun kommen Sie mit einem Antrag um die Ecke, der diese Verlässlichkeit wieder unterläuft, wenn auch auf andere Art und Weise – und das ist inkonsequent.

(Zuruf von Moritz Körner [FDP])

Doch Herr Körner, warten Sie; ich erkläre Ihnen das gleich.

Urlaubssemester sind eine sinnvolle Regelung, wenn das Studium aus wichtigem Grund unterbrochen wird – das ist doch keine Frage –: Krankheit, Geburt eines Kindes; früher war es auch die Bundeswehr. Statt weiterhin Leistungen zu beziehen, wird hier wirklich unterbrochen und nicht einfach ausgesetzt oder freigenommen, was für beide Seiten von Vorteil ist, solange die Lebenshaltungskosten für das Urlaubssemester gesichert sind.

Die Frage ist allerdings: Wann ist ein Grund wirklich wichtig, eine Unterbrechung wirklich sinnvoll? Da kommen Sie einfach nur mit Modebegriffen.

(Zuruf von Moritz Körner [FDP])

Das müssen Sie schon abwägen, Herr Körner. Im Idealfall ist das Studium so aufgebaut – ich weiß nicht, wie es bei Ihnen war –, dass sich eine innere Lernprogression ergibt, dass man die Semester nicht einfach wie Perlen einer Perlenkette aneinanderreiht, sondern dass das eine logische Stringenz hat, was über die Semester hinweg zu vertieften Erkenntnissen führt. So erhofft man sich das zumindest.

(Zuruf von Florian Braun [CDU])

Warten Sie mal, Herr Braun. – Je weiter man im Studium vorangeschritten ist, desto tiefer ist man in diesem Erkenntnisprozess verankert. Das weiß jeder, der ordentlich und intensiv studiert hat. Umso fataler ist eine Unterbrechung des Studiums gerade in

dieser Spätphase. Der Gründer wird ja wahrscheinlich nicht nach dem ersten Semester unterbrechen, sondern wenn, dann wird er das später machen, wenn er im siebten oder achten Semester ist. Gerade in dieser Spätphase des Studiums ist die Unterbrechung sehr ungünstig.

Sie schreiben selbst in Ihrem Antrag, dass die Gründung eines neuen, innovativen Unternehmens zeitlich und finanziell sehr aufwendig ist. Ja, das ist richtig. Das darf man sich nicht so einfach vorstellen. Damit deuten Sie doch selbst darauf hin, dass die Gründung eines Unternehmens in einer so kurzen Zeit wie ein oder zwei Semestern nicht zu bewältigen ist.

Wie denken Sie sich das eigentlich? Das ist unglaublich. Eine zunächst veranschlagte Gründungsdauer wird bei der Selbstständigkeit doch häufig überschritten, weil geschäftlich unerfahrene Unternehmer sich verschätzen oder überschätzen. Ist das Projekt erfolgreich, dann wird der Gründer nicht ins Studium zurückkehren. Das glauben Sie doch wohl selbst nicht.

(Zuruf von Moritz Körner [FDP])

Er wird sein Studium nicht abschließen. Wenn das Projekt dann erfolgreich bleibt, ist es ja auch gut. Aber scheitert dieses Projekt nach einigen Jahren, Herr Körner, dann steht er irgendwann nach vier Jahren da, ist ohne Projekt und hat keinen Abschluss. Deshalb ist es unüberlegt, die jungen Leute dazu zu verleiten, einer Augenblicksidee nachzugeben. Letztlich ist Ihr Antrag ein Förderprogramm für Studienabbrecher.

Wenn also ein Urlaubssemester nötig ist, dann sollte man es nur erlauben, wenn wichtige persönliche Gründe vorliegen. Die Gründung eines Unternehmens ist unserer Meinung nach nicht solch ein Fall. Sie kann vielmehr auch noch zwei oder drei Jahre später erfolgen.

(Zuruf von der FDP: Ach!)

Das ist so! Glauben Sie doch nicht, dass da jede Woche irgendeiner mit einer neuen Idee kommt, die brillant ist. – Eine wirklich gute Unternehmensidee funktioniert später auch noch.

Urlaubssemester für Gründungen müssten deshalb an hohe Auflagen geknüpft sein. Der Gesamterfolg der Unternehmung wäre einzuschätzen, was aber äußerst schwierig ist.

Deshalb ist der Vorschlag von CDU und FDP unserer Ansicht nach unüberlegt. Er ist getragen von dem Ansinnen, sich modern zu geben, unkonventionell zu sein. Ich kann Sie nur davor warnen, an der falschen Stelle Unkonventionalität zu zeigen.

Bringen Sie etwas mehr Konsequenz in Ihre politischen Entscheidungen hinein; dann werden Sie bei den Bürgern verlorenes Vertrauen wieder zurückgewinnen. Das sage ich hier von der AfD für Sie, um

Ihrer selbst willen. So aber geben Sie wieder nur ein Zeichen, dass Sie der Büttel des Zeitgeistes sind. „Gründer“ hört sich eben gut an – fortschrittlich, smart, modern, halt wie Macron und wie Lindner. Gerade Letzterer sollte Ihnen doch gerade ein warnendes Beispiel sein. Der ist doch mehrfach gescheitert. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Danke schön, Herr Abgeordneter Seifen. Für die Landesregierung hat jetzt Frau Ministerin Pfeiffer-Poensgen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Die Landesregierung begrüßt den vorliegenden Antrag, der mit dem Ziel übereinstimmt, Nordrhein-Westfalen zum starken Gründerland zu machen.

Gründerinnen und Gründer entwickeln oftmals umfassende Konzepte – dies tun sie übrigens auch schon während der Semester und nicht erst in dem Freisemester, über das wir gerade sprechen –, setzen sie um und gestalten sie weiter. Dazu brauchen sie neben dem notwendigen Geld auch Zeit. Wer erfolgreich gründen will, tut dies in der Regel nicht zwischen Seminar und Vorlesung. Das gilt insbesondere da, wo junge und kreative Start-ups mit der starken technologischen Basis Nordrhein-Westfalens und seiner großen Dichte an Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen zusammenwirken.

Urlaubssemester für Gründerinnen und Gründer können daher einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, das große Potenzial für Gründungen zu erschließen und damit zur Schaffung von Arbeitsplätzen sowie zur Erneuerung von Arbeitsplätzen beizutragen.

Dass diese Urlaubssemester, wie im Antrag gefordert, unbürokratisch und ohne zu hohe Hürden gewährt werden sollen, passt sehr genau zum Geist der Hochschulfreiheit, der für die Novellierung des Hochschulgesetzes leitend ist. Insofern begrüße ich diesen Antrag. – Vielen Dank.