Protocol of the Session on July 13, 2018

(Zurufe von der SPD: Handeln! – Was machen Sie denn?)

Er hat auch versucht, ein Bewusstsein für die Dringlichkeit dieser speziellen Angebote, die wir benötigen, zu schaffen.

Deshalb verwundert es schon ein wenig, dass die Sozialdemokraten dieses Thema jetzt auch für sich entdecken.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich berichte Ihnen aber gerne, wie wir dieses Problem sehen und wie wir es angehen möchten.

Die Zahl der wohnungslosen Menschen steigt in Nordrhein-Westfalen seit Jahren stetig. Seit 2011 hat sich die Zahl der gemeldeten Wohnungslosen um 60 % auf über 25.000 erhöht.

Dabei ist die Situation der Frauen besonders problematisch. Daher möchte ich Ihnen einmal aufzeigen, warum gerade bei Frauen eine solche Wohnungsnot entstehen kann.

Zum einen gibt es die strukturell vorhandenen spezifisch weiblichen Armutsrisiken wie Lohndiskriminierung, alleinerziehend, Erwerbsunterbrechungen oder unbezahlte Haus- und Familienarbeit.

Zum anderen ist die Wohnungslosigkeit oft eine Folge von Gewaltbedrohungen und -erfahrungen in Beziehungen.

Die Hilfsangebote, die für Wohnungslose existieren, erreichen die Frauen kaum, weil Frauen die männlich dominierten Notunterkünfte scheuen.

Daher richten sich in Nordrhein-Westfalen mittlerweile 70 von 180 Diensten ausschließlich an Frauen. Dieses Angebot reicht allerdings bei Weitem nicht aus.

(Sarah Philipp [SPD]: Was machen Sie dann?)

Zuständig für die Betreuung von wohnungslosen Menschen sind die Kommunen. Hier ist es wichtig, dass die verschiedenen kommunalen Einrichtungen wie Ordnungsamt, Sozialamt, Schuldner- und Suchtberatungen sowie kommunale Fachstellen für Wohnungsnothilfe und die vielen freien Träger eng zusammenarbeiten.

Das Land unterstützt die Kommunen durch das Aktionsprogramm „Hilfen in Wohnungsnotfällen“ mit jährlich rund 1 Million €. In den vergangenen Jahren wurden mit dieser Unterstützung unter anderem Projekte für alleinerziehende Frauen, Frauen in ländlichen Gebieten und Seniorinnen gefördert.

Ein weiteres nennenswertes Programm ist das Projekt „Second Stage – Meine Zukunft im Blick“. Es richtet sich an Frauen speziell nach ihrem Auszug aus dem Frauenhaus. Die Frauen sollen nach einer häufig unerträglichen Stresssituation zu Hause durch eine geschulte Nachbetreuung gestärkt werden, die ihnen helfen soll, selbstbewusst zu werden und eigenständig leben zu können. Auch dieses Projekt wird maßgeblich durch das MHKBG gefördert und unterstützt.

Darüber hinaus werfen Sie uns vor, bei der sozialen Wohnraumförderung gekürzt zu haben. Das ist schlichtweg falsch.

(Sarah Philipp [SPD]: Aha!)

Die Landesregierung stellt in den Jahren 2018 bis 2022 jährlich 800 Millionen €, also insgesamt 4 Milliarden €, für den geförderten Wohnraum zur Verfügung.

(Lisa-Kristin Kapteinat [SPD]: Trotzdem weni- ger!)

Damit knüpfen wir an das Programmvolumen an, das auch die Vorgängerregierung für die Jahre 2014 bis 2017 vorgesehen hatte.

(Lisa-Kristin Kapteinat [SPD]: Nein, es ist deut- lich weniger! – Stefan Kämmerling [SPD]: Wer hat Ihnen denn das aufgeschrieben? Das ist ja furchtbar!)

Lediglich die befristete Ausweitung der Bundesmittel im Kontext von Flucht und Zuwanderung ermöglichte der vorherigen Landesregierung eine nachträgliche Aufstockung auf 1,1 Milliarden € – und das auch nur in den Jahren 2016 und 2017.

(Beifall von der CDU und der FDP – Rainer Schmeltzer [SPD]: Das ist falsch!)

Das war übrigens auch schon vier Mal Thema in diesem Plenum,

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Dadurch wird das, was Sie erzählen, nicht wahrer!)

und das ständige Wiederholen dieser Behauptungen durch Sie macht sie auch nicht wahrer.

(Beifall von der CDU und der FDP – Rainer Schmeltzer [SPD]: Schauen Sie einmal in den Spiegel!)

Daneben haben wir Ihnen ständig und immer wieder gesagt, dass wir Bundesmittel, wenn es welche geben sollte, selbstverständlich im Verhältnis eins zu eins weiterleiten werden. Und zu dieser Aussage stehen wir.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Tun Sie aber nicht!)

Daher halte ich es für ausgesprochen fragwürdig, dass die SPD uns in ihrer teilweise sehr polemischen Pressearbeit immer wieder soziale Kälte vorwirft,

(Sarah Philipp [SPD]: Weil es stimmt! – Jo- chen Ott [SPD]: Was wahr ist, muss wahr blei- ben!)

wenn sich unsere Wohnungsbauförderung auf demselben Niveau bewegt wie Ihre.

Abschließend möchte ich Ihnen versichern, dass wir die Wohnungslosigkeit von Frauen …

(Zurufe von der SPD)

Ich finde, meine Damen und Herren, das Thema ist viel zu wichtig und viel zu ernst,

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Als dass Sie hier Quatsch erzählen!)

als dass wir uns hier in polemischen Auseinandersetzungen ergehen, auch wenn Sie permanent dazwischenrufen.

(Beifall von der CDU und der FDP – Rainer Schmeltzer [SPD]: Weil es unwahr ist, was Sie sagen!)

Wir werden alles tun, um die Frauen zurück in eine Wohnung zu bringen und ihnen einen durch sie selbst zu gestaltenden Weg und vor allen Dingen einen eigenständigen Weg in der Gesellschaft zu zeigen.

Unter dem TOP 27 werden wir uns heute im Plenum ja noch einmal mit diesem Thema beschäftigen. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erteile ich der Kollegin Paul das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ein Dach über dem Kopf zu haben, ist nicht nur ein Grundbedürfnis, sondern auch eine Grundvoraussetzung für eine menschenwürdige Existenz und für soziale Teilhabe. Somit ist die Frage nach Wohnen zu einer zentralen sozialen Frage unserer Zeit geworden.

Die Zahlen der Wohnungslosen steigen leider in den letzten Jahren kontinuierlich an. Bundesweit beruhen diese Zahlen auf Schätzungen, weil es immer noch keine Wohnungslosenstatistik auf Bundesebene gibt. Erfreulicherweise sind wir da in Nordrhein-Westfalen schon lange weiter. Bereits seit 1965 existiert hier eine Obdachlosenstatistik, die seit 2011 als integrierte Wohnungsnotfallberichterstattung NRW wichtige Hinweise für zielgenaues – und das ist das Entscheidende – sozialpolitisches Planen geben soll.

Denn notwendig sind in diesem Zusammenhang integrierte Handlungskonzepte zur Unterstützung bei Wohnungslosigkeit und vor allem im Bereich der Prävention von Wohnungsverlust. Dazu gehören insbesondere zielgruppenspezifische Angebote – beispielsweise für junge Menschen, für Menschen mit einer Suchterkrankung und für ältere Menschen, aber eben auch für die besonderen Lagen von Frauen und Männern, die diese besonderen Lagen auch besonders in den Blick nehmen.

Die Zahlen – sie sind schon genannt worden – sind in der Tat alarmierend. Allein im Vergleich zum Jahr 2015 stieg die Zahl der Wohnungslosen von gut 20.000 zum Stichtag 30. Juni 2016 auf gut 25.000 Personen an. Darunter sind allein 6.400 Frauen. Im Vergleich zu 2011 – auch das ist bereits angesprochen worden und macht die alarmierende Situation

noch einmal deutlich – entspricht das sogar einer Steigerung um 60 %.

Allerdings – das ist im Zusammenhang mit der Frage der Obdachlosigkeit von Frauen ein wichtiger Punkt – bildet diese Wohnungslosenstatistik nur diejenigen ab, die entweder kommunal oder ordnungsrechtlich untergebracht sind oder durch einen freien Träger der Wohnungslosenhilfe betreut werden.

Warum ist das mit Blick auf die Situation von Frauen von besonderer Wichtigkeit? Auch das ist bereits angedeutet worden: Es ist nicht nur anzunehmen, sondern es ist sicher, dass es bei der Obdachlosigkeit und Wohnungslosigkeit von Frauen eine hohe Dunkelziffer gibt.

Minister Laumann hat anlässlich der Tagung „Frauen und Wohnungslosigkeit: Bedarfe erkennen – Wege aufzeigen – kommunale Lösungen entwickeln“ richtigerweise festgestellt, dass die Obdachlosigkeit von Frauen oftmals unsichtbar ist.

Warum ist das so? Weil Frauen oftmals sehr lange versuchen, ihre Wohnungslosigkeit zu verbergen. Sie versuchen, nicht als wohnungslos identifiziert zu werden, und sie versuchen, lange Zeit ohne institutionelle Hilfe auszukommen.

Das heißt: Wir haben hier einen sehr großen Bereich sogenannter verdeckter Wohnungslosigkeit. Viele Frauen versuchen, ihre Wohnungslosigkeit damit zu überdecken, dass sie bei Verwandten oder Bekannten unterkommen. Sie versuchen, wieder bei den Eltern unterzukommen. Oftmals gehen sie auch sogenannte „Zweckpartnerschaften“ ein – ganz häufig mit dem großen Risiko, dass sie dann wiederum Begleiterscheinungen bis hin zu sexueller Gewalt ausgesetzt sind.