Protocol of the Session on May 24, 2016

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Preuß. – Für die FDP-Fraktion spricht Frau Kollegin Schneider.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! „Schluckimpfung ist süß, Kinderlähmung ist grausam“ – einige von Ihnen erinnern sich sicher noch an diesen Slogan aus den 60er-Jahren. Inzwischen hat sich einiges geändert. Es wurde weiter geforscht. Impfstoffe wurden weiterentwickelt. Von einer oralen Impfgabe ist man inzwischen abgekommen. Aber diese beispiellose Kampagne eröffnete den Kampf gegen die Poliomyelitis. Deutschland war damals trauriger Spitzenreiter in Europa bei den Infektionen. Seit 2002 gilt Polio bei uns und in Europa als ausgerottet.

Heute kann in diversen sozialen Netzwerken regelmäßig die Diskussion „Impfung oder Masernpartys“ verfolgt werden. Letztere sind brandgefährlich und absolut verantwortungslos. Denn dabei wird häufig vergessen, dass einer von 1.000 Masernfällen noch immer tödlich verläuft. Deshalb müssen die Verbesserungen des Impfschutzes sowie eine Erhöhung der Impfraten ein vorrangiges Ziel der Gesundheitspolitik sein.

(Beifall von der FDP)

Wenn Sie meine politische Arbeit im Landtag verfolgen, dann wissen Sie, dass ich mich schon in der letzten Legislaturperiode mehrmals mit meiner FDPFraktion für einen besseren Impfschutz eingesetzt habe. Leider ist Nordrhein-Westfalen unter Rot-Grün aber hinter seinen Möglichkeiten zurückgeblieben. Die NRW-Koalition hat sich hingegen bereits im Koalitionsvertrag die Verbesserung der Impfquoten zum Ziel gesetzt.

Ich persönlich bin ein großer Fan des Impfens. Meine drei Kinder und ich haben alle sinnvollen Impfungen erhalten. Was sinnvoll ist, entscheidet die STIKO, die Ständige Impfkommission des Robert Koch-Instituts.

Deren Experten mussten leider wieder feststellen, dass im vergangenen Jahr in Deutschland 929 Menschen an Masern erkrankt sind, 520 davon hier bei uns in NRW.

Diese Experten mahnen auch immer wieder, dass wir eine Impfquote von über 95 % benötigen, um die

Übertragungswege zu unterbrechen und alle Menschen vor dieser gefährlichen Infektionskrankheit zu schützen.

Bei den Einschulungsuntersuchungen zeigte sich aber wieder, dass diese Quote verfehlt wird, und dabei ist noch gar nicht berücksichtigt, dass für rund 9 % der Kinder gar kein Impfbuch vorgelegt wurde. Ich vermute, dass in diesen Fällen der Impfpass nicht einfach nur vergessen wurde, sondern dass genau diese Kinder wahrscheinlich gar nicht oder nicht ausreichend geimpft sind.

Christdemokraten und FDP haben bereits im Haushalt zusätzliche Mittel für 2018 eingestellt. Wir werden jetzt mit der Landesregierung und mit Unterstützung von Experten aus Wissenschaft und Gesundheitswesen eine landesweite Impfkampagne entwickeln. Wir wollen an Impfungen erinnern, um die Eigenverantwortung der Menschen zu fördern. Wir werden informieren, um Wissenslücken zu schließen und das Misstrauen gegenüber Impfungen zu reduzieren, und so hoffentlich die Motivation zum Impfen steigern.

(Beifall von der FDP)

Wer Impfungen ablehnt, weil er sehr seltene mögliche Impfschäden befürchtet, verkennt, dass die Vorteile einer Impfung deutlich überwiegen. Das sollten auch die „Impfschmarotzer“ akzeptieren. Das sind diejenigen, die aus ideologischen Gründen Impfungen ablehnen und darauf setzen, dass ihren Kindern schon nichts passieren wird, wenn alle anderen geimpft sind.

Gerade wir als verantwortliche Gesundheitspolitiker dürfen hier keine Zweifel aufkommen lassen und sollten vielmehr Vorbild für einen umfassenden Impfschutz sein. Wir Freien Demokraten haben letztes Jahr sogar auf unserem Bundesparteitag eine allgemeine Impfpflicht beschlossen, auch wenn wir sonst vorrangig auf Eigenverantwortung und Freiheit setzen. Denn die persönliche Freiheit endet dort, wo die Gesundheit anderer gefährdet wird.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, seit einigen Jahren beschäftigen wir uns hier im Haus mit dem Thema Inklusion. Eltern aber, deren Kinder zum Beispiel immunsupprimiert sind, werden ihre Kinder sicherlich nicht in eine Kita oder in eine Schule geben, wenn sie sich nicht sicher sein können, dass dort alle Kinder ausreichend geimpft sind. So werden diese Kinder mit einem unterdrückten Immunsystem vom Besuch einer Kita oder einer Schule ausgeschlossen, wenn sie dort auf andere Kinder ohne Impfschutz treffen könnten. Das aber widerspricht dem Gedanken der Inklusion.

Mehr Aufklärung stärkt das Bewusstsein der Menschen für die Bedeutung von Impfmaßnahmen für die

eigene Gesundheit und die der Mitmenschen. Höhere Impfquoten retten schließlich Menschenleben.

Ich würde mich sehr freuen, werte Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie diesem Antrag zustimmten. Ersparen Sie mir auch bitte das Argument, dass eine Diskussion im Ausschuss nötig sei. In der letzten Legislaturperiode fanden zwei Expertenanhörungen statt mit dem Ergebnis, dass dringender Handlungsbedarf besteht.

Die Redezeit.

Deshalb handelt die NRW-Koalition jetzt. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Schneider. – Für die SPD-Fraktion hat Frau Kollegin Lück das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Regierungsfraktionen haben in ihrem Antrag bereits richtig erkannt: Die Impfquoten in NordrheinWestfalen sind erschreckend niedrig. Infektionskrankheiten, die wir als hochentwickeltes Land längst ausgerottet haben sollten, sind wieder auf dem Vormarsch.

Noch vor ein oder zwei Generationen spukten Schreckgespenster nachts durch die Baby- und Kinderbetten. Sie hießen Keuchhusten, Diphtherie oder Kinderlähmung. Die Sterblichkeit allein im ersten Lebensjahr war immens: Scharlach, Masern, Keuchhusten, Tuberkulose, Diphtherie rissen viele Säuglinge und Kleinkinder ins Grab. Es ist noch keine hundert Jahre her, da starben in Deutschland jedes Jahr rund 10.000 Säuglinge allein an Keuchhusten.

Welch ein Segen und welch eine Erleichterung bedeutete es für die Menschheit, als der erste MedizinNobelpreisträger Emil von Behring – bekannt als „Retter der Kinder“ – den ersten Impfstoff gegen Diphtherie und Tetanus entwickelte. Auch danach haben viele seiner Kolleginnen und Kollegen die Immunisierung gegen tödliche Krankheiten vorangebracht und damit Millionen von Menschen das Leben gerettet.

Vor diesem Hintergrund erscheint es nahezu unerklärlich, dass heutzutage vermehrt Eltern bei ihren Kindern und Erwachsene bei sich selbst auf die empfohlenen Schutzimpfungen verzichten. Die tödlichen Krankheiten von einst haben augenscheinlich ihren Schrecken verloren. Das ist fatal. So kommt es, dass beispielsweise die potenziell tödliche Diphtherie in Europa wieder umgehen kann.

Um die Zirkulation des Erregers zu unterbrechen, empfiehlt die WHO Impfraten von mindestens 90 % bei Kindern und 75 % bei Erwachsenen. Diese Raten werden aber in Deutschland nicht erfüllt. Zwar gab es 2014 bei Erstklässlern eine hohe Impfquote von über 95 %. Aber nur 81 % der Erwachsenen gaben laut einem Bericht der „Ärzte Zeitung“ an, mindestens einmal im Leben gegen Diphtherie geimpft zu sein. Nur 57 % von ihnen haben einen sicheren Schutz, weil sie in den letzten zehn Jahren geimpft worden sind.

Auch Keuchhusten ist wieder auf dem Vormarsch. Im Jahre 2016 registrierte das Robert Koch-Institut insgesamt 22.119 Fälle – mit Abstand die meisten seit dem Beginn der bundesweiten Meldepflicht im Jahr 2013. Damals waren es nur 12.000 Fälle.

Den Medizinern, die sagen, dass der Erfolg der Impfungen die Impfung selbst überflüssig mache, kann man nicht folgen. Wir haben bereits mehrmals erlebt, dass ausgestorben geglaubte Krankheiten zurückkehren. Ein Grund dafür ist neben der hohen Mobilität der Menschen die Impfmüdigkeit, die sich insbesondere in Deutschland eingeschlichen hat. Die Erklärungen hierfür sind sicherlich so vielfältig wie die Maßnahmen, die die Politik dagegen ergreifen kann.

Gut zu erreichen mit einer Aufklärungskampagne sind sicherlich diejenigen Menschen, die einfach im Trubel des Lebens aus Bequemlichkeit und vermeintlich fern der Gefahr nicht mehr an einen Impfschutz denken. Sie können durch groß angelegte Aufklärung und niederschwellige Angebote auf die Bedeutung des Immunschutzes hingewiesen werden. Deshalb ist es eine wichtige und richtige Maßnahme.

Schwieriger ist es aber mit denjenigen, die sich bereits intensiv mit der Frage nach einer Impfung auseinandergesetzt und sich dagegen entschieden haben. Die Psychologin Dr. Cornelia Betsch von der Universität Erfurt hat die Gründe für die Impfmüdigkeit erforscht und dabei herausgefunden, dass sich oftmals hochgebildete Menschen einer Impfung verweigern. Sie halten sich für kompetent genug, selbst zu beurteilen, wie gefährlich ein Impfstoff ist.

Wer aber den Nutzen der Immunisierung leugnet und vielleicht obendrein Anhänger einer Big-PharmaVerschwörungstheorie ist, der ist durch bloße Aufklärungskampagnen sicherlich nur schwer zu überzeugen. Ich denke daher, dass mehr Maßnahmen erforderlich sind, um die Menschen wieder zum Impfen zu bewegen. Allerdings vermute ich, dass man mit bloßer Aufklärungsarbeit nur einen Teil der ungeimpften Bevölkerung erreicht.

Wir stimmen dem Antrag zwar zu, halten es aber für notwendig, dieses Thema in Zukunft noch intensiver zu betrachten.

Die Redezeit.

Wir müssen über Maßnahmen reden, die jenseits von Aufklärungskampagnen geeignet sind, die Bevölkerung vor der Rückkehr längst vergessener Krankheiten zu schützen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Lück. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Mostofizadeh.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vorweg, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP: Wir stimmen Ihrem Antrag selbstverständlich zu. Was kann man schon dagegen haben, dass die Landesregierung beauftragt wird, eine Kampagne für den Impfschutz durchzuführen?

Ich möchte jedoch an das anknüpfen, was die Kollegin Lück gerade ausgeführt hat: Es wäre durchaus sinnvoll gewesen, diesen Antrag in die Ausschüsse zu verweisen, um dort über die konkreten Maßnahmen zu diskutieren und sich vom Minister ein Konzept vorlegen zu lassen, worum es genau geht.

Lassen Sie mich die Kategorien aufgreifen, die Frau Lück vorhin angesprochen hat. Sie haben zu Recht eine große Kategorie genannt, nämlich Menschen, durchaus in meinem Alter oder ein paar Jahre jünger, die beim Arzt daran erinnert werden, ihren TetanusImpfschutz aufzufrischen – oder andere Impfungen, die in fortgeschrittenem Alter immer wieder aufgefrischt werden müssen.

Der Arzt fragt auch, wenn beispielsweise eine PolioImpfung für Kinder ansteht: „Haben auch Sie den Polio-Schutz?“, damit nicht aufgrund der Impfung der Kinder die Gefahr besteht, dass sich die Eltern infizieren. Ärztinnen und Ärzte weisen immer wieder auf so etwas hin. – Diese Kategorie von Menschen könnte man durch solche Maßnahmen sehr gut erreichen.

Ich habe mir einmal die Debatte zu diesem Thema aus dem Jahr 2016 angeschaut. Diese Debatte ist sehr spannend. Die FDP hat damals einen sehr ausführlichen Maßnahmenkatalog vorgelegt und dabei auf § 20i des SGB V als Grundlage für Impfschutzkampagnen seitens der Landesregierung hingewiesen. Seinerzeit wurde die Landesregierung ausdrücklich aufgefordert, eine Rahmenvereinbarung mit den Krankenkassen abzuschließen.

Ich wundere mich ein wenig darüber, dass dieser Punkt in Ihrem heutigen Antrag nicht mehr vorkommt. Sind Sie inzwischen anderer Meinung, oder konnten Sie die CDU nicht überzeugen?

Sie haben in Ihrem damaligen Antrag weitere konkrete Maßnahmen angeregt. Ich möchte zwei, drei dieser Punkte nennen, die ich für richtig halte und die wir heute beschließen bzw. die wir im Ausschuss beraten könnten.

Es gibt zahlreiche Gesundheitsberufe, mit denen wir immer wieder in Kontakt kommen; ich nenne nur Hebammen oder Kinderärztinnen und -ärzte. In den Kitas wird für Vorsorgemaßnahmen geworben, und auch in den Schulen wird immer wieder darauf hingewiesen.

Eines finde ich falsch, Frau Kollegin Schneider.

Herr Kollege Mostofizadeh, Entschuldigung, dass ich Sie an dieser Stelle unterbreche. Da Sie Frau Kollegin Schneider gerade ansprechen: Sie würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.

Ach. Bitte.

Bitte schön.