Protocol of the Session on January 17, 2018

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Die Wahrheit über die Bosbach-Baum-Kommission ist indes banal: Sie war ein Wahlkampf-Gag. Jetzt, nach der Wahl, ist sie nur noch lästig. Sie hängt Ihnen zwischen den Zähnen wie ein sehniges Schnitzel.

(Vereinzelt Heiterkeit von der SPD)

Deshalb wurde sie mit derart vielen Themen und Aufgaben überfrachtet, dass sie im Regierungsalltag nicht mehr stören kann. Die Bosbach-Kommission ist eine „Man-müsste-mal“-Kommission ohne praktische Relevanz.

Gerhart Baum hat das schnell erkannt. Dafür war ihm seine Zeit zu schade. Ich kann das gut verstehen, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD – Marc Herter [SPD]: Sein guter Ruf auch!)

Nach sechs Monaten im Amt deutet sich also einmal mehr an, dass diese Koalition auch in der inneren Sicherheit mehr versprochen hat, als sie halten kann.

Die Wirtschafts- und Industriepolitik ist ein weiteres Feld, auf dem sich die vollmundigen Versprechungen dieser Regierung so schnell auflösen wie Frühnebel in der Morgensonne.

So erklärte der Ministerpräsident in den „Westfälischen Nachrichten“:

„Wir brauchen eine Wirtschaftspolitik, die auch den energieintensiven Industriesparten Stahl, Aluminium, Chemie, Glas und Papier einen zukunftssicheren Standort in Deutschland, nicht zuletzt in Nordrhein-Westfalen, bietet.“

So weit ist das richtig, Herr Ministerpräsident. Allerdings brauchen wir dafür auch eine Landesregierung, die mit vollem Einsatz für einen zukunftssicheren Industriestandort arbeitet. Aber die haben wir seit Juni nicht mehr.

Was wir haben, das ist eine Landesregierung, die mit vollem Einsatz in politische PR-Ballons pustet – mit vollem Einsatz! Diese Regierung schafft es ja noch nicht einmal – das ist doch peinlich –, einen Stahlgipfel zuwege zu bringen. In einer Zeit, in der Tausende Beschäftigte in Duisburg, in Mülheim, in Mönchengladbach und in vielen anderen Städten Angst um ihre Arbeitsplätze haben müssen, laden Sie zu einem Gipfel ein, um über allgemeine Leitlinien der Industriepolitik zu diskutieren.

Gleichzeitig verweigern Sie den eingeladenen Vertretern der IG Metall und den Betriebsräten ein Gespräch über einen Beitrag der Landesregierung zur Rettung bedrohter Industriearbeitsplätze in Nordrhein-Westfalen. Sie wollten mit den Gewerkschaften und den Betriebsräten noch nicht einmal reden.

(Ministerpräsident Armin Laschet: Wir haben mit denen geredet!)

Diese Landesregierung wollte noch nicht einmal zuhören. Als Komparsen für einen PR-Gipfel waren Ihnen die Arbeitnehmervertreter willkommen, aber nicht als Gesprächspartner, die Sorgen vortragen und kritische Fragen stellen,

(Ministerpräsident Armin Laschet: Das ist doch Quatsch!)

und das in Nordrhein-Westfalen, dem Mutterland der Sozialpartnerschaft. Was würde wohl Karl Arnold darüber denken? Er würde sich für seine Partei schämen, meine Damen und Herren. Schämen würde er sich!

(Beifall von der SPD)

Niemand kann doch den Gewerkschaften verdenken, dass sie sich nicht als Staffage für eine PRVeranstaltung benutzen lassen wollen.

Der Ministerpräsident hatte in seiner Regierungserklärung versprochen, unter seiner Führung werde Nordrhein-Westfalen einen nie gekannten Einfluss auf die Bundespolitik ausüben.

Wie groß sein Einfluss tatsächlich ist, war dann im Vorfeld des ersten Dieselgipfels zu beobachten. Nach dem Motto „fordern, was ohnehin kommen wird“ gab er bereits von anderen ausgehandelte Ergebnisse des Gipfels als knallharte NRW-Forder

ungen aus. In Berlin – das haben wir ja alle gemeinsam erlebt – hat man darüber gelacht, weil jeder wusste, welchen Anteil der NRW-Ministerpräsident an dem ausgehandelten Maßnahmenpaket hatte – nämlich gar keinen.

Für unser Land hat der Ministerpräsident nichts erreicht – bis heute nicht. Dabei hat der Dieselskandal kein Bundesland härter getroffen als NordrheinWestfalen. Das gilt sowohl für die Gesundheitsgefahren durch überhöhte Stickstoffemissionen als auch für die Anzahl der Städte, in denen nun Fahrverbote drohen. Und noch immer hat diese Landesregierung keine Maßnahmen durchsetzen können, die die Gesundheit der Menschen schützen und Fahrverbote abwenden würden.

Schlimmer noch: Sie haben noch nicht einmal einen Plan dafür. Ihre einzige Hoffnung ist das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig, das in letzter Sekunde die Fahrverbote stoppen könnte. Das ist der Strohhalm, an den sich die Regierung klammert. Wenn dieser Strohhalm aber umknickt, dann, verehrte Kollegen Laschet und Wüst, werden die unausweichlichen Fahrverbote auch Ihre Fahrverbote sein. Denn Sie haben nichts dagegen getan, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN )

Die Jamaika-Sondierungen waren dann die nächste große Bewährungsprobe für den bundespolitischen Einfluss des Ministerpräsidenten. Und tatsächlich hatte er für sich eine Hauptrolle vorgesehen: Für die Interessen Nordrhein-Westfalens und seiner Industrie werde er in Berlin einen Krach anfangen, wenn es sein müsse. Schließlich gehe es um Zehntausende Arbeitsplätze in Nordrhein-Westfalen, je nachdem, wie real oder irreal man glaubt, die Energiepolitik ordnen zu müssen, so Armin Laschet im Vorfeld der Jamaika-Verhandlungen.

Schon als Oppositionsführer – das haben wir noch gut in Erinnerung – sparte er beim Thema „Energie und Braunkohle“ nicht mit Pathos. Wäre er Ministerpräsident, so Armin Laschet in der Debatte zum Haushalt 2015, dann würde er – Zitat – „für den letzten, den allerletzten und für jeden einzelnen Arbeitsplatz im Bereich der Braunkohle kämpfen.“ Denn das diene unserem Land.

Doch dann konnte man am 27. November in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ nachlesen, was es konkret bedeutet, wenn Armin Laschet für die Interessen Nordrhein-Westfalens einen Krach anfängt, um für den letzten, den allerletzten und für jeden einzelnen Arbeitsplatz zu kämpfen. Da kann man das nachlesen.

An einem späten Mittwochabend diskutierte er bei einem Glas Wein mit der Bundeskanzlerin und ihrem Kanzleramtschef über die deutschen Klimaschutz

ziele und die Zukunft der Braunkohle. Die Bundeskanzlerin wollte den Grünen anbieten, die Leistung der Kohlekraftwerke um 7 GW zu reduzieren. Das hätte in der Folge nicht nur zu höheren Stromkosten geführt und die Versorgungssicherheit gefährdet, sondern das hätte auch Tausende Arbeitsplätze in Nordrhein-Westfalen bedroht – nicht nur im Energiesektor. – Das war allen klar, auch Ihnen, Herr Laschet.

(Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])

Für den NRW-Ministerpräsidenten wäre das ja der Zeitpunkt gewesen, um einen Krach anzufangen, um endlich Einfluss zu nehmen. Doch was tat der Ministerpräsident? Er sagte: Okay, dann bieten wir eben 7 GW an. – Das war alles. Das war sein Kampf für die Interessen unseres Landes.

Herr Ministerpräsident, wie lange hat denn dieser Kampf gedauert? Ein Glas Wein oder zwei Gläser? Ein halbes Stündchen oder ein ganzes? Ganz gleich, wie lange: Der Ministerpräsident war doch bereit.

Ich zitiere:

Den Industriestandort Nordrhein-Westfalen vorsätzlich zu schwächen, das ist das bittere Fazit, das Christian Lindner nach den Jamaika-Sondierungen ziehen musste.

Und er fügte hinzu:

„Ganz NRW wäre von dieser Jamaika-Politik betroffen gewesen. Bei sieben Gigawatt weniger Kohlestrom wäre es im rheinischen Braunkohlenrevier zu ‚echten Strukturbrüchen‘ und sozialen Verwerfungen gekommen.“

Wohlgemerkt, die Rede ist von einem Ministerpräsidenten, der einst beteuert hatte, für jeden Industriearbeitsplatz kämpfen zu wollen. Das war das Ergebnis des Abends bei einem Glas Wein mit der Bundeskanzlerin.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN )

„Die Wahrheit ist, dass Armin Laschet NRWIndustriearbeitsplätze auf dem schwarz-grünen Koalitionsaltar geopfert hätte.“

Auch das sind nicht meine Worte. Das ist das vernichtende Urteil von Johannes Vogel, dem Generalsekretär der NRW-FDP. Es ist das vernichtende Urteil, Herr Ministerpräsident, Ihres eigenen Koalitionspartners in Nordrhein-Westfalen. So viel zu Ihrem Durchsetzungsvermögen im Bund, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD)

Nach gut sechs Monaten im Amt steht fest: Für Nordrhein-Westfalen kämpft der Ministerpräsident nur in Interviews. Er ist ein Held des Wortes, aber schwach in der Tat.

Ja, Herr Ministerpräsident Laschet, ich muss Ihnen das sagen: Sie sind ein schwacher Ministerpräsident.

(Beifall von der SPD – Lachen und Zurufe von der CDU: Oh!)

Ihre Aufbruchsrhetorik wirkt gekünstelt, Ihr Optimismus aufgesetzt, Ihr sozialpolitisches Mitgefühl bloß ausgestellt. Sie wollten ein Ministerpräsident sein, der das Selbstbewusstsein eines stolzen NordrheinWestfalens verkörpert.

(Dr. Günther Bergmann [CDU]: Wir können ja so viel von Ihnen lernen!)

Nun sind Sie ein Ministerpräsident, der Fehlentscheidungen, Misserfolge und Blamagen zu verantworten hat – politische und personelle im Bund und im Land. So viel als Fazit zu Ihrer ersten Zeit.

Und jetzt rufen Sie die Sozialdemokratie zur Hilfe. „In der Industriepolitik setze ich auf die SPD“, haben Sie gesagt. Jetzt sollen wir Ihnen aus der Patsche helfen.

(Lachen und Zurufe von der CDU: Oh! – Mi- chael Hübner [SPD]: Da müsst ihr selber la- chen!)

Jetzt sollen wir über die Bundespolitik für Weichenstellungen und Investitionen sorgen, die Sie selbst nicht zustande gebracht haben – in der Industrie- und Energiepolitik, beim Wohnungsbau oder bei Investitionen in ein besseres und gerechteres Bildungssystem. Tatsächlich – ja, ich gebe es zu – hat die SPD in den fünf Tagen der Sondierungen in Berlin mehr für Nordrhein-Westfalen erreicht als der Ministerpräsident in den wochenlangen und schließlich gescheiterten Jamaika-Verhandlungen. Ja, das ist so.