Protocol of the Session on December 16, 2020

so viel, wie an oder mit Corona sterben, nur jedes Jahr. Aber da geschieht nichts.

Daher hat laut einer Befragung mittlerweile mehr als jeder vierte Deutsche Angst davor, sich ins Krankenhaus zu begeben. Das muss man sich einmal vorstellen. Das Krankenhaus ist eigentlich der Ort, an den man sich wenden sollte, wenn man Hilfe braucht. Jeder vierte Deutsche hat Angst davor, dort hinzugehen. Auch hier fehlt jedes Konzept.

Dazu passt der Brief von Professor Dr. Reinhart, dem Präsidenten der Global Sepsis Alliance. Er ist Professor an der Charité. Den Brief schrieb er an Herrn Dr. Schäuble im Deutschen Bundestag. Er hat in diesem Brief recht empört darauf hingewiesen, dass die AfDFraktion im nordrhein-westfälischen Landtag bundesweit die einzige Fraktion sei, die sich überhaupt des Themas „Sepsis“ parlamentarisch angenommen habe. Auch da schläft die heilige Vierfaltigkeit weiter, meine Damen und Herren.

(Beifall von der AfD)

Die nächste verwaiste Großbaustelle schließt sich gleich an. Die Zahl der resistenten und multiresistenten bakteriellen Erreger von Infektionen nimmt stetig weiter zu. An den Folgen versterben hierzulande 2.000 Personen pro Jahr. Auch hier ist keine Abhilfe in Sicht.

Wie geht es den Helfern? Wer hilft eigentlich den Helfern selbst? Laut einer Befragung leiden mittlerweile rund 55 % der befragten deutschen Ärzte unter depressiven Verstimmungen, Burn-out-Syndromen oder beidem. Das sind noch einmal 10 % mehr als in einer ähnlichen Umfrage im Jahr 2018. Als Ursache ihrer psychischen Belastungen gab dabei die Mehrheit der Ärzte, die unter depressiven Symptomen litten, direkt die Arbeitssituation an. Eine Hilfestellung dazu aus der Politik? – Auch in diesem Jahr wieder Fehlanzeige!

Fehlanzeige auch, wenn es um Volksabstimmungen geht! Eine solche hätte sich zum Beispiel bei Nordrhein-Westfalens Olympiabewerbung mehr als angeboten. Im Hinblick auf die Olympiabewerbung für 2032 muss doch erst einmal festgestellt werden, wie viele Sportanlagen in Nordrhein-Westfalen existieren und in welchem Zustand sie sich befinden. Erst das würde zumindest als Grundlage seriöse, transparente und realistische Planungen ermöglichen. Die Sportverbände fordern es, wir fordern es, und Sie ignorieren es.

Ich weiß nicht, ob Sie die Ergebnisse einer solchen Studie fürchten oder ob Sie die Meinung der Bürger fürchten, die solche Großereignisse letztlich finanzieren müssen. Sie behaupten doch, das Interesse an der Olympiabewerbung käme aus der Mitte der Gesellschaft. Wann haben Sie denn vor, die Mitte der Gesellschaft, also die Bürger Nordrhein-Westfalens, zu fragen?

Herr Laschet, wir haben in unserem Entschließungsantrag gefordert, die rechtlichen Grundlagen für eine solche Befragung zu schaffen; denn die Gesellschaft besteht nicht nur aus Oberbürgermeistern, Vertretern der Politik, der Wirtschaft und Eventmanagern. Nicht erst seit den gescheiterten Olympiabewerbungen von München und Hamburg und der ausufernden Korruption rund um die Spiele in Rio de Janeiro wissen wir, dass fast niemand mehr Vertrauen in das Internationale Olympische Komitee hat. Nein, die Bürger in Hamburg und München haben sich nicht gegen den Sport entschieden, sondern gegen die horrenden Kosten, gegen die intransparenten Vergabekriterien und gegen die Profitgier des IOC.

Schaffen wir endlich die rechtlichen Möglichkeiten für eine Volksbefragung, damit die Bewerbung wirklich von allen Menschen, wirklich von der Mitte der Gesellschaft in unserem Land getragen werden kann. Trauen Sie dem Volk endlich etwas zu. Die Schweiz macht es vor und fährt damit ziemlich gut. Wagen wir mehr Demokratie.

Aber nun ist Weihnachten, und selbst wir als Opposition geben da dem Frieden die Chance. Was für ein Jahr, das sich nun dem Ende neigt! Es endet mit einem – Herr Laschet, Sie kennen das – nicht kanzlertauglichen Haushalt durch die Regierung Laschet. Aber der nimmt sich ja fast schon wie eine Petitesse aus. Wir steuern auf eine Weihnacht unter Lockdown-Bedingungen, auf einen Jahreswechsel ohne Feier und Feuerwerk zu. Das hätte nicht notgetan. Trotzen wir daher alle so gut es geht den Widrigkeiten von Corona, Lockdown und angeblich alternativlos schlechter Politik.

Ich wünsche daher jedem eine gesegnete Weihnacht, ein frohes und gesundes neues Jahr. Es wird schon irgendwann wieder besser werden. Dessen bin ich mir sicher. Hoffnung sollte uns daher begleiten und nicht die immer wiederkehrende Perspektivlosigkeit der Lauterbachs und Söders dieser Republik. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der AfD)

Danke schön, Herr Wagner. – Jetzt spricht für die Landesregierung der Ministerpräsident, Herr Laschet.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Hinter uns liegt ein in vielfacher Hinsicht forderndes Jahr, auch und gerade in finanzieller Hinsicht. Wir müssen nicht nur die Coronapandemie bekämpfen, sondern auch ihre Folgen auffangen. Diese Herausforderungen haben wir konsequent und schnell gemeistert, im Frühjahr auch noch mit Unterstützung des gesamten Hauses. Zu dieser Zeit gab es hier einen großen Konsens darüber, dass wir viel gemeinsam machen.

Wir haben im April den NRW-Rettungsschirm mit 25 Milliarden Euro zur Bekämpfung der Pandemie, zur Stärkung des Gesundheitssystems gespannt, größer als in jedem anderen Bundesland. Er beinhaltet Sofort- und Überbrückungshilfen für die, die besondere Lasten zu tragen hatten, und für die Kommunen, um deren Handlungsfähigkeit zu sichern.

Ganz konkret denke ich hier zum Beispiel an die Wirtschaftshilfen, die wir im März sehr schnell und unbürokratisch über ein Wochenende bewilligt haben. Man muss sich nur einmal daran erinnern – das fällt ja manchmal schwer –, wie die Situation im März war. Im März hofften alle auf diese Hilfe. An einem einzigen Wochenende, 27. und 28. März, sind in den ersten 44 Stunden 150.000 Anträge auf Soforthilfe gestellt worden. Davon wurden 100.000 bewilligt. Der erste Auszahlungstermin war der 2. April. Zu dem Zeitpunkt waren 327.000 Anträge gestellt und 292.000 bearbeitet. Es ging um ein Volumen von 2,33 Milliarden Euro für alle die, die damals unmittelbar Lasten zu erleiden hatten.

Das war eine riesige Leistung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über das Wochenende.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Es war technologisch innovativ. Während in anderen Ländern mit PDF-Formularen oder anders Anträge gestellt werden konnten, ist es hier digital erfolgt. Das Digitale in Nordrhein-Westfalen hat sich bewährt. Auch daran muss man hier einmal erinnern.

(Beifall von der CDU und der FDP)

700 Freiwillige bei den Bezirksregierungen zeigen auch, wie viel Engagement es in dieser Zeit gab. Das Gesamtvolumen der Soforthilfe beläuft sich mittlerweile auf 430.000 Anträge und 4,5 Milliarden Euro.

Die Dynamik der Pandemie hat sich in diesem Jahr in immensen Mehrausgaben und deutlichen Mindereinnahmen ausgedrückt. Es handelt sich um Mehrausgaben in einer Dimension, die noch vor einem Jahr unvorstellbar war.

Als Landtagspolitiker, als Haushaltspolitiker hat jeder von uns schon einmal an Haushaltssitzungen teilgenommen und weiß, wie man um kleine Summen feilschen muss, kämpfen muss, um ein besonderes Anliegen in den Haushalt hineinzubekommen. Es macht manchmal traurig, wenn man sieht, wie viele Milliarden jetzt mal eben Monat für Monat bereitgestellt werden. Aber es geht nicht anders. Das macht noch einmal sensibel und zeigt auf, was es heißt, Monat für Monat 10, 15 oder gar 20 Milliarden Euro einfach so bereitzustellen, um denen zu helfen, die jetzt unter der Krise leiden.

Diese Mehrausgaben konnten wir uns leisten, weil wir in den vergangenen drei Jahren unsere Finanzen solide aufgestellt und unseren Haushalt konsolidiert haben. Im vergangenen Jahr haben wir den dritten

Haushalt in Folge ohne Neuverschuldung verabschiedet, mit Investitionen in Bildung und Familie, in die Stärkung der inneren Sicherheit sowie für Innovationen, Digitalisierungs- und Infrastrukturprojekte.

Was hilft uns heute am meisten? Wir haben vorausschauend Vorsorge für schwierige Zeiten getroffen. Mit den letzten Haushalten hat Finanzminister Lienenkämper es ermöglicht, eine Rücklage von rund 2 Milliarden Euro anzusparen. Heute, ein Jahr später, zeigt sich, wie richtig dieser Kurswechsel hin zu einer soliden Haushaltspolitik war. Das zahlt sich in der Krise aus.

Wir haben alle Möglichkeiten zur Stärkung unseres Gesundheitsschutzes und zur Sicherung der wirtschaftlichen Stärke. Unmittelbar nach der Pandemie werden wir ansetzen, um wieder zu dieser soliden Politik zurückzukehren und so schnell wie möglich mit der Rückzahlung der Schulden zu beginnen, die wir jetzt aufgenommen haben. Das ist unser Ziel.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Die Coronakrise hat das Leben aller Menschen auf der ganzen Welt – auch in Deutschland, auch in Nordrhein-Westfalen – von einem auf den anderen Tag verändert. Die Krise wirkt wir ein Katalysator – im Guten wie im Schlechten.

Ich will diese Rede zum Haushalt 2021 auch den Themen widmen, die immer noch brennend sind, über die heute wenig berichtet wird, die aber trotzdem noch da sind: Wir bewältigen den Kohleausstieg. Der Klimawandel ist immer noch da. Die Digitalisierung von Verwaltung und Schulen geht immer noch nicht so voran, wie wir uns das wünschen.

All diese Herausforderungen haben mit dem Beginn der Pandemie nicht haltgemacht; ganz im Gegenteil: Sie fordern uns immer noch heraus. Die Landesregierung wird weiter an diesen Aufgaben arbeiten. In manchem hat die Pandemie uns gezeigt, dass unser Tempo bisher zu langsam war und wir da noch zulegen müssen.

Die Bundeskanzlerin und die Ministerpräsidenten der Länder haben am vergangenen Sonntag den mit dem heutigen Tag beginnenden Lockdown über Weihnachten und Silvester beschlossen, um die Infektionszahlen massiv zu senken. Das ist die einzig richtige Maßnahme, die wir angesichts des dynamischen Infektionsgeschehens und der heute wieder mit einem Höchststand zu verzeichnenden Todeszahlen treffen konnten und treffen mussten.

Der Stillstand bedeutet aber auch, dass Geschäfte und Restaurants schließen müssen, wo immer möglich Betriebsferien und Homeoffice ermöglicht werden sollen und zahlreiche weitere Einschränkungen das Wirtschaftsleben schwächen. Das erfordert von der Politik besondere Maßnahmen.

Das hat zuletzt die Finanzkrise 2008/2009 gezeigt. Erst gab es die Finanzkrise mit der Gefahr, in eine Krise wie 1929 zu rutschen. Darauf folgte die europäische Schuldenkrise mit der Gefahr eines Zusammenbruchs unserer Währung. Darauf wiederum folgte die Flüchtlingskrise. Jetzt aber befinden wir uns einer Krise, die anders als die drei der vergangenen Jahre jeden Einzelnen in seinem persönlichen Leben trifft.

Es gibt viele Schicksalsentscheidungen in dieser Republik; immer wieder geht es um Pro und Kontra. Aber es gab nie einen Moment, in dem 18 Millionen Nordrhein-Westfalen, 82 Millionen Deutsche von dem, was passiert, persönlich betroffen sind. Ob reich oder arm, ob arbeitend oder nicht arbeitend, ob jung oder alt – für jeden ändert sich das Leben fundamental.

Deshalb ist es gut, in einem Moment, in dem alle Entscheidungen, die wir so oder so treffen, direkte Auswirkungen für Millionen Menschen haben, nach dem Grundsatz von Maß und Mitte zu verfahren. Alle Oppositionsfraktionen dieses Hauses haben bemängelt, dass man in unterschiedlichen Monaten unterschiedlich entschieden hat.

Die AfD, die Grünen, die Linken – Linke haben wir nicht –, die Sozialdemokraten

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE] – Zurufe von der CDU)

haben angemerkt: Im März haben Sie das gesagt, im April das und im Mai das. – Ja, so ist das,

(Verena Schäffer [GRÜNE]: Ja, aber ohne Plan!)

weil die Lage im März eine andere …

(Zurufe von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE] und Arndt Klocke [GRÜNE])

Ich referiere gerade, was AfD, SPD und Grüne heute in ihren Redebeiträgen an ähnlichen Mustern hatten: Im März haben Sie so geredet, im April haben Sie so geredet, im Mai haben Sie so geredet. – Ich sage Ihnen dazu: …

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Zeigen Sie doch mal die Linie!)

Brüllen ist kein Argument, Herr Mostofizadeh.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Das stimmt aber nicht!)

Hören Sie den Satz doch einfach mal zu Ende an; ich weiß, dass das schwerfällt.

… In einer Krise muss man situationsangemessen handeln.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Ich bleibe dabei: Wenn die Zahlen sinken, werden wir wieder öffnen und Schule und Bildung anders möglich machen als jetzt.