Protocol of the Session on December 16, 2020

Die NRW-Koalition hat diese Rolle bereits frühzeitig angenommen. Sie wird die Menschen im Land auch im weiteren Verlauf der Pandemie unterstützen. Die vom Landtag auf den Weg gebrachten finanziellen Hilfspakete aus dem Hause von Minister Lienenkämper untermauern dies klar und deutlich.

Wo wir gerade bei den Zahlen sind: Sie haben schon Zahlen genannt und das Institut der deutschen Wirtschaft zitiert. Ich möchte neben dem Ifo-Institut noch das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung hinzunehmen, das in dieser Woche eine dpa-Meldung veröffentlicht hat. Dessen Zahlen passen sehr gut zu Ihrem vorliegenden Antrag. Denn sie entkräften ihn; sie zeigen einfach, dass er obsolet ist.

Die Ergebnisse der Forscherinnen und Forscher belegen nämlich, dass sich die Coronapandemie zum jetzigen Zeitpunkt – das muss ich dazusagen; man kann es ja immer nur rückwirkend sehen – nicht als Treiber der Einkommensungleichheit auswirkt. Die teilweise erheblichen Einkommensverluste seien zudem weitgehend ausgeglichen worden. Außerdem sei es der Politik gelungen, die mittleren und unteren Einkommen zu stabilisieren.

Um es kurz und knapp zu sagen: Die NRW-Koalition hat ihre Hausaufgaben in diesem Bereich bereits gemacht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, natürlich machen sich die Menschen in diesen schwierigen Zeiten momentan Sorgen. Ich glaube, auch jeder von uns macht sich Sorgen. Das ist auch vollkommen normal. Alles andere wäre eine große Überraschung.

Aber Sie sollten es in Ihrer Rolle als Sprachrohr des DGB und des Deutschen Mieterbundes nicht übertreiben. Das Bild des Haifisch-Vermieters, der jetzt seine Mieterinnen und Mieter bei jeder sich bietenden Gelegenheit vor die Tür setzt, existiert nicht. Von den Vermietern kommen doch viele aus dem Privatbereich. Diese Menschen, die eine Wohnung oder zwei Wohnungen haben, haben ein Interesse daran, ihre Mieter zu halten und sie nicht rauszuwerfen. Noch viel weniger haben diejenigen, die Gewerbeimmobilien vermieten, ein Interesse daran, ihre Mieter rauszuwerfen. Sie bekommen ja gar keinen neuen Mieter. Es ist doch nicht so, dass momentan jeder einfach vor die Tür gesetzt würde.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte es noch einmal ganz deutlich sagen: Die NRW-Koalition steht an der Seite der Bürgerinnen und Bürger. Wir werden niemanden, der von Wohnungsverlust betroffen ist, alleine lassen. Wir werden uns auch darum kümmern, dass die finanzielle Schieflage für alle Bürgerinnen und Bürger in dieser Coronapandemie abgefedert wird.

Daher hat die Landesregierung stets schnell und unbürokratisch dort geholfen, wo es dringend erforderlich war. Und wenn sich herausstellt, dass es doch noch Nachbesserungsbedarf gibt – wir haben in dieser pandemischen Lage ja erlebt, dass wir ständig nachbessern müssen –, wird die NRW-Koalition auch hier schnell und konsequent handeln.

Wir werden auch weiterhin alles daransetzen, dass die Menschen in Nordrhein-Westfalen gerade in Krisenzeiten wie in diesen weiterhin ihre Miete bezahlen können und sich auf die NRW-Koalition verlassen können. – Danke sehr.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Fraktion der FDP spricht der Abgeordnete Paul.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die nordrhein-westfälischen Sozialdemokraten schlagen also ernsthaft diesem Landtag vor, sich dafür auszusprechen, die Vermieter mal wieder zur Bad Bank der Politik zu machen und sie gesetzlich zu zwingen, ausbleibende Mietzahlungen zu stunden – ohne jede weitere staatliche

Hilfe, ohne jeden Ausgleich. Sie verlangen von uns hier einen Beschluss, der Hunderttausende Mitbürgerinnen und Mitbürger, die Wohnraum zur Verfügung stellen, existenziell treffen kann.

Wem wollen Sie damit eigentlich etwas Gutes tun? Wirklich den einkommensschwachen Mietern? Im ersten Lockdown gab es bereits ein solches bundesweites Mietenmoratorium. Es ist von den Privatmietern kaum genutzt worden. Davon profitiert haben ein paar gewerbliche Mieter, beispielsweise H&M, Deichmann und adidas, die sich auf die von Ihnen geforderte Regelung beriefen und ihre Mieten nicht gezahlt haben. Dafür wurden diese Unternehmen öffentlich beschimpft.

Wie aber sah es im Frühjahr bei den privaten Vermietern aus? Vonovia meldete, 1 % der Mieter hätten Zahlungsschwierigkeiten gehabt. Bis Juni waren es dann wohl 4 %. Haus & Grund teilte mit, auf der Vermieterseite sei es bei 13 % zu coronabedingten Mietausfällen gekommen.

Staatliche Hilfe wirkt also und unterstützt finanziell überforderte Mieterinnen und Mieter.

Der Bund hat das Kurzarbeitergeld verbessert. Wir in Nordrhein-Westfalen haben als Erste den Zugang zum Wohngeld in unserem Land erleichtert. Das dürfte mit ein Grund für die steigenden Wohngeldzahlungen sein, Herr Kollege Becker, anders als im SPD-Antrag vermutet wird. Der Zugang zur Grundsicherung wurde vereinfacht, eine Vermögensprüfung findet weitgehend gar nicht mehr statt.

Ich wiederhole noch einmal die Frage: Wem wollen die nordrhein-westfälischen Sozialdemokraten mit ihrem Vorschlag etwas Gutes tun?

Vielleicht hilft uns auf der gemeinsamen Suche nach Ihren Zielen eine Einschätzung von empirica – ich zitiere –:

Wohngeld und Kosten der Unterkunft sind jetzt schnell und unproblematisch zu beantragen. Damit sind 95 % der Probleme gelöst. Es bleibt der Gutverdiener mit teurer Wohnung, der im Zuge von Kurzarbeit nicht mehr sein volles Nettogehalt bekommt.

Das nenne ich mal sozial treffsicher. Die BundesSPD verfolgt daher bereits einen ganz anderen Kurs als Sie hier. Sie hat die Forderung nach einem Kündigungsmoratorium schon aufgegeben.

(Beifall von der FDP und Roger Beckamp [AfD])

Der Fokus der SPD-Justizministerin Lambrecht liegt jetzt auf Ausnahmeregeln für Gewerbetreibende. Es geht gar nicht mehr um die privaten Vermieter.

Bei uns in Nordrhein-Westfalen haben Vermieter und Mieter den Gesetzgeber gar nicht gebraucht und sich in den allermeisten Fällen einfach zwischenmensch

lich abgesprochen und Lösungen gefunden, wenn die Miete zum Problem wurde.

Ich möchte allen Vermietern herzlich danken, die dazu in den vergangenen Monaten bereit waren und in vielen Fällen von sich aus auf ihre Mieter zugegangen sind.

Das von Ihnen geforderte Moratorium birgt Gefahren für Hunderttausende private Vermieter. Das sind oft Rentner, die auf ihre Mietzahlungen angewiesen sind, oder Handwerker oder Gastwirte, die besonders von der Coronakrise getroffen sind.

Mich wundert, dass Sie die eigentlich praktikable Lösung hier nicht vertreten, nämlich für zuverlässige Zahlungsflüsse zwischen Mietern und Vermietern zu sorgen. Schon am 17. April – noch in der ersten Coronaphase – gab es den gemeinsamen Appell von Mieterbund und Haus & Grund, durch einen „SicherWohnen-Fonds“ Mietverhältnisse von absehbaren Belastungen zu befreien. Der Fonds soll bei pandemiebedingten Zahlungsrückständen des Mieters diesem ein zinsloses Darlehen gewähren, um die laufende Mietzahlung sicherzustellen und Kündigungstatbestände erst gar nicht entstehen zu lassen. Sollte der Mieter zur Rückzahlung bis Juni 2022 außerstande sein, würde nach der Fondsidee die Umwandlung des verbliebenen Darlehensanteils in einen Zuschuss erfolgen.

Bis heute hat die Bundesregierung, an der Sie als Sozialdemokraten ja beteiligt sind, eine solche echte Sicherheit am Wohnungsmarkt nicht schaffen wollen. Stattdessen schlagen Sie uns heute einen Beschluss vor, der mal wieder einseitig die privaten Vermieter ausnutzt. Sie denken wahrscheinlich ganz nach Ihrem Motto „für die vielen, nicht die wenigen“.

Täuschen Sie sich nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD. Es sind Hunderttausende Mitbürgerinnen und Mitbürger, die Wohnraum, der ihnen gehört, anderen anbieten. Einmal mehr machen Sie deutlich: Diese Menschen können von den Sozialdemokraten kein Verständnis erwarten. Wenn sie durch ausbleibende Mieteinnahmen zuhauf gezwungen sein sollten, ihre Immobilien zu verkaufen, fürchten wir Freie Demokraten um die Sozialstruktur von Quartieren, um die kleinen Läden dort, die bezahlbaren Wohnungen, für die gerade private Kleinvermieter stehen.

Und was passiert dann? Wer kauft in solchen unsicheren Zeiten? – Vor allem größere Investoren. Die zu erzielenden Preise dürften Kleinvermietern dann auch noch zu schaffen machen. Die Mieter in den Wohnungen verlieren ihre zumeist ortsansässigen vertrauten und verständnisvollen Vermieter.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe wohl aufzeigen können, wie negativ sich Ihre Forderungen nach einem erneuten Kündigungsmoratorium auf unser Land und die hier herrschenden Wohn- und

Eigentumsverhältnisse auswirken können. Wir lehnen Ihren Antrag besser ab.

(Beifall von der FDP, der CDU und Roger Beckamp [AfD])

Vielen Dank. – Für die Fraktion der Grünen spricht der Kollege Klocke.

Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich mache es relativ knapp: Grundsätzlich ist der Antrag der SPD-Fraktion zu begrüßen.

Ich meine, es würde durchaus Sinn machen, in dieser zweiten Lockdown-Phase, solange sie noch anhält und auch anhalten muss, erneut ein Kündigungsmoratorium auszusprechen. Unabhängig von der konkreten einzelnen Situation muss man sagen, dass das im Frühjahr geltende Moratorium nicht so wahnsinnig oft in Anspruch genommen worden ist. Trotzdem bietet es den Mieterinnen und Mietern eine Sicherheit, jedenfalls denen, die Existenzsorgen haben. Es ist ein Signal, dass ihnen in dieser besonders schwierigen Zeit soziale Stabilität und Wohnraumsicherheit gegeben werden.

Ich meine, dass man ein solches Moratorium durchaus für die Zeit bis Ende März – jetzt haben wir einen harten Lockdown, möglicherweise gleiten wir nachher in einen etwas weicheren Lockdown hinüber – noch einmal aussprechen könnte.

Gleichwohl gilt, was die Kollegen von CDU und FDP gesagt haben: Es gibt natürlich andere Möglichkeiten. Es gibt die Möglichkeit der Wohngeldbeantragung und -nutzung. Die grüne Fraktion begrüßt durchaus, dass das Wohngeld entsprechend angehoben worden ist. Und es gibt die Möglichkeit – das hat der Kollege Paul eben angesprochen – des Fonds, der extra eingerichtet und entsprechend genutzt worden ist. Auch das ist eine Chance für Mieterinnen und Mieter in sozialen Problemlagen, aktiv zu werden und so einen Schutz oder eine Absicherung einzuziehen.

Die Frage ist: Sind Menschen in sozialen Problemlagen immer über all diese Möglichkeiten informiert, auch über die Formalitäten einer Beantragung, die notwendigen Wege, die in Kauf genommen werden müssen, oder die Schritte, die im Netz umgesetzt werden müssen? Da habe ich so meine Bedenken.

Ein solches Moratorium, wenn es jetzt noch einmal ausgesprochen würde, ist doch ein sehr klares politisches Signal. Alle Mieterinnen und Mieter in einer solchen Problemlage sollten wissen, dass es diesen staatlichen Schutz gibt – befristet, begrenzt, nicht für lange Zeit, natürlich nicht als Signal für die nächsten Monate und Jahre, aber eben doch für die Zeit eines solchen Lockdowns. Deswegen sind wir von grüner

Seite dafür und unterstützen die entsprechenden Überlegungen der SPD.

Ich muss an der Stelle aber auch sagen: Wir sind hier im Landtag von Nordrhein-Westfalen, und die SPD – die Kollegen von CDU und FDP haben es eben angesprochen – ist Teil der Bundesregierung. Der Vorsitzende der SPD-Bundespartei ist der durchaus von mir geschätzte frühere SPD-Landesfinanzminister Walter-Borjans. Der Fraktionsvorsitzende der SPDBundestagsfraktion ist mein Wahlkreisabgeordneter im Kölner Norden, Rolf Mützenich. Ein wichtiges Kabinettsmitglied ist die frühere Wissenschaftsministerin des Landes Nordrhein-Westfalen, jetzt in vielen Zeitungsartikeln als neue Hoffnungsträgerin für die nächste Landtagswahl auserkorene Svenja Schulze.

Ich frage mich schon, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD und insbesondere Herr Kollege Andreas Becker: Was hättet ihr getan, wenn wir Grüne in einer solchen Konstellation – die Grünen wären Mitglied der Bundesregierung, sowohl der Bundesvorsitzende als auch der Fraktionsvorsitzende kämen aus NRW und wären ehemalige Landespolitiker – einen solchen Antrag vorgelegt hätten? Dann hättet ihr uns, glaube ich, einen Vogel gezeigt. Da bin ich ziemlich sicher.

(Beifall von den GRÜNEN und Marco Schmitz [CDU])

Wenn es nicht ein so ernstes Thema wäre und wenn es nicht wirklich um Problemlagen von Menschen ginge, die wir uns alle vorstellen können – aber in der Lage sind wir alle zum Glück nicht –, dann würde ich mit diesem Antrag ein Stück weit anders umgehen.

Das ist ein Armutszeugnis, das Ihr hier formuliert habt, was die Kollegen in Berlin angeht. Da muss man doch fragen: Was ist mit der SPD

Landesgruppe? Achim Post, Sprecher der Landesgruppe, gilt als neuer Shootingstar der NRW-SPD. Warum machen die denn nicht, was ihr wollt? Das würde mich ernsthaft interessieren.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU und der FDP)

Habt ihr als Landtagsfraktion, als Landesverband da überhaupt keinen Einfluss? Liebe Leute!

(Christian Dahm [SPD]: Wir machen das doch!)