Aber – diesen Vorwurf müssen Sie sich leider auch dieses Jahr gefallen lassen, Frau Ministerin – die Bedarfsanalyse liegt weiterhin nicht vor. Ich verstehe Sie aber so, dass die Bedarfsanalyse das Konzept vorbereiten soll, mit dem dann die Mittel eingesetzt werden. Ich sage noch einmal, wie ich auch schon im Ausschuss gesagt habe: Es darf nicht passieren, dass das aufgrund der noch nicht vorliegenden Bedarfsanalyse und deshalb eines mangelnden Konzeptes zu einer Spardose wird. Das können und dürfen wir uns nicht leisten.
Ein abschließender Satz an Sie, Frau Troles, weil Sie hier so sehr betont haben, wie engagiert sich die Landesregierung – eigentlich wie immer – für die Frauenhilfe eingesetzt hat: Uns alle in diesem Haus eint das Engagement für Gewaltschutz und gegen Gewalt gegen Frauen und Mädchen,
und das über die Legislaturperioden hinweg. Ich denke, es würde Ihnen gut zu Gesicht stehen, wenn Sie hier nicht versuchen würden, das als alleinige CDU-Herrschaft zu verkaufen.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Frau Kollegin Paul, als Gesundheitspolitikerin habe ich mir wirklich Sorgen gemacht, weil Sie sich bei Ihrem Auftritt so sehr über die Rede der CDU-Kollegin aufregen mussten.
(Sarah Philipp [SPD]: Fand ich eigentlich sehr entspannt! – Arndt Klocke [GRÜNE]: Das war doch nicht aufgeregt!)
Fakt ist doch, dass die Frauenhilfeinfrastruktur so gut ausgestattet wurde wie noch nie zuvor, und zwar mit kontinuierlichen Zuwächsen seit 2017.
Werte Kolleginnen von Grünen und SPD, ich dachte eigentlich, dass wir hier über den Haushalt zum Thema „Gleichstellung“ sprechen. Aber ich habe jetzt nur von Frauen, Mädchen und Gewalt, die generell von Männern ausgeht, gehört. Zum Thema „Jungs und Männer“ habe ich überhaupt nichts gehört. Das gehört für mich aber auch zur Gleichstellung dazu.
(Beifall von der FDP und der CDU – Arndt Klo- cke [GRÜNE]: Stimmt gar nicht! Frau Butschkau hat auch etwas zum Thema „Jungs“ gesagt!)
Das macht den Unterschied. Die NRW-Koalition setzt ihre Linie hier konsequent fort, beim Thema „Gleichstellung“ nicht nur ein Geschlecht im Fokus zu haben,
(Josefine Paul [GRÜNE]: Das können Sie ja einmal den ganzen gewaltbetroffenen Frauen und Mädchen erzählen!)
Wir sprechen offen über die Erfordernisse, um auch bedürftigen Männern und Jungen zu helfen, und nehmen dabei sogar eine Vorreiterrolle ein. So bietet NRW gemeinsam mit Bayern nun erstmals ein Männerhilfetelefon an.
Knapp 20 % – so das Hellfeld – der von häuslicher und sexualisierter Gewalt Betroffenen sind Männer. Unter der Telefonnummer 0800-1239900 können sie nun Hilfe erhalten. Sechs Anrufe pro Tag bestätigen den eindeutigen Bedarf dieses Hilfsangebots für Jungen und Männer.
Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen, seit Juni 2020 gibt es zudem die ersten Plätze in Männerschutzwohnungen. Insgesamt werden acht Plätze an zwei Standorten in Nordrhein-Westfalen für Männer, die Opfer von häuslicher Gewalt geworden sind oder sich in einer akuten Bedrohungssituation befinden, als sichere Wohnmöglichkeit bereitstehen. Die Erfahrungen, die nun in Düsseldorf und Köln gemacht werden, helfen uns, solche Angebote und damit das Hilfe- und Schutzsystem für Männer und Jungen weiterzuentwickeln.
Dazu trägt auch der Landesaktionsplan Gewalt gegen Jungen und Männer bei, der in ganz Deutschland für Aufmerksamkeit gesorgt hat. Dies hat auch andere dazu animiert, sich dieses Themas anzunehmen. So hat sich eine Dynamik entwickelt, die von der Themenfelderforschung bis hin zu konkreten Hilfemaßnahmen reicht.
Dabei bleiben Angebote der Akuthilfe für uns wichtig. Im kommenden Jahr werden wir daher den Etat zum Schutz und zur Hilfe für Jungen und Männer um eine halbe Million Euro auf dann 700.000 Euro aufstocken. NRW soll damit auch in Zukunft seine Spitzenposition gegenüber den anderen Ländern verteidigen. Auch das ist ein guter Ansatz im Kampf gegen Gewalt.
Bei der Hilfestruktur setzen wir vor allem auf niedrigschwellige, unkomplizierte und einfach zugängliche Angebote. Das gilt genauso auch für die Hilfestruktur für Frauen und Mädchen in Not in ganz Nordrhein-Westfalen.
Eine besondere Herausforderung ist und bleibt die Coronapandemie. Die damit verbundenen Beschränkungen hatten und haben natürlich auch Folgen für das Hilfe- und Schutzsystem in Nordrhein-Westfalen. Die Landesregierung hat daher in diesem Jahr ausgefallene Spendeneinnahmen mit einer Unterstützung in Höhe von 2,5 Millionen Euro aufgefangen.
Nicht nur aufgrund dieser Situation müssen wir Angebote auch modernisieren. Rechtzeitig hat die Landesregierung dafür Sorge getragen, dass die Schutz- und Hilfeeinrichtungen ausreichend Mittel an die Hand bekommen haben, um digital aufrüsten zu können. Das hat sich jetzt ausgezahlt. Die Vertreterinnen des Dachverbandes der Frauenberatungsstellen haben uns geschildert, dass sie auf dem digitalen Wege die Erreichbarkeit während des ersten Lockdowns und auch jetzt beim zweiten sogenannten Lockdown light gewährleisten konnten bzw. gewährleisten können.
Lassen Sie mich abschließend noch kurz das Thema „Täterarbeit“ anreißen. Die Gewaltprävention ist für mich genauso wichtig und erforderlich wie der Schutz und die Hilfe nach einer Gewalttat. Beide Aspekte gehören zusammen. Nur wenn beides praktiziert wird, werden wir weiterhin gute Ergebnisse erzielen.
Bereits im Ausschuss haben wir uns intensiv mit der Bedeutung der Tätergewalt auseinandergesetzt. Die Landesregierung hat die richtigen Maßnahmen ergriffen, wie auch die Expertinnen und Experten attestiert haben. Vor allem die Gewaltvermeidung durch Verhaltensänderung der Täter muss weiterhin konsequent gefördert werden. Die Akteure der Täterarbeit müssen bei der Fortentwicklung aktiv mit eingebunden werden.
Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen, für die NRW-Koalition aus Union und FDP bedeutet Gleichstellung eben nicht nur, Frauen und Mädchen im Blick zu haben. Wir haben die Frauen und Mädchen im Blick, gucken aber auf alle Geschlechter. – Ich danke Ihnen.
(Ralf Witzel [FDP]: Sehr gut! Es war schön, mal etwas Modernes dazu zu hören! – Josefine Paul [GRÜNE]: Wenn Herr Witzel zu dem Thema lobt, würde ich mir Gedanken machen! – Angela Freimuth [FDP]: Unterschätze den Kollegen Witzel nicht! – Josefine Paul [GRÜNE]: Ich kann mich noch an eine Rede zum Thema „Quote“ erinnern! Das war nicht so modern! – Zuruf von Regina Kopp-Herr [SPD])
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Das zentrale Thema dieses Haushalts und auch der Ausschussarbeit im Bereich „Gleichstellung und Frauen“ ist der Kampf gegen Gewalt gegen Frauen und auch Männer, wie wir gerade richtigerweise vernommen haben.
Was wird getan? Die Frauenhilfeinfrastruktur wird gefördert. Frauenhäuser wurden ausgebaut und ihre Finanzierung abgesichert. Darüber hinaus geht es mit der anonymen Spurensicherung im Land Nordrhein-Westfalen weiter. Erfreulicherweise werden auch die Gelder für von Gewalt betroffene Männer deutlich erhöht. Das findet unsere Zustimmung.
Interessant ist allerdings, dass die Landesregierung künftig zum Beispiel auch die Öffentlichkeit mehr für das Thema „Zwangsheirat“ sensibilisieren möchte. Seit mindestens zehn Jahren berichten die Medien – „SPIEGEL TV“, „Sat.1-Frühstücksfernsehen“, „FOCUS TV“, WDR, SWR, ARTE-Themenabende usw. – über die tragischen Schicksale von jungen Frauen, die meist noch halbe Kinder sind und häufig aus muslimischen Kulturkreisen kommen; aber nicht nur, wie beispielsweise die Überschrift der ARTE
Anscheinend ist die Zwangsehe nach Meinung der Gleichstellungsministerin ein Kavaliersdelikt – andere Länder, andere Sitten. Bevor man das gleiche Schicksal wie Frauenrechtlerin Alice Schwarzer erleidet und als Rassistin oder gar als islamophob gelten könnte, werden zutiefst frauenfeindliche Bräuche nicht geahndet. Man möchte dafür lediglich sensibilisieren. Ich glaube, die Öffentlichkeit ist schon sensibilisiert. Es fehlen die entsprechenden Konsequenzen.
Das Gleiche gilt für die Bekämpfung der Genitalverstümmelung. Natürlich haben wir erfreut zur Kenntnis genommen, dass ein neues Pilotprojekt für betroffene und bedrohte Mädchen und Frauen ins Leben gerufen wurde. Es gibt auch ein Erklärvideo und eine Broschüre.
Wenn ich als Mutter meinem Kind den Arm abschneide und das im Krankenhaus festgestellt wird, kann ich mir sehr sicher sein, dass es strafrechtliche Konsequenzen hätte und mein Kind von der Jugendhilfe betreut würde.
Was passiert denn mit den Frauen und Mädchen, die sich jetzt bei YUNA melden? Wird endlich auch eine Strafanzeige gegen die Täterinnen und Täter erstattet?
In Nordrhein-Westfalen sind nach Angaben von TERRE DES FEMMES über 4.000 Mädchen unter 18 Jahren und über 15.000 Mädchen und Frauen, die älter als 18 Jahre sind, entweder direkt von Genitalverstümmelung betroffen oder davon bedroht. Und diesen Opfern begegnen Sie jetzt mit einem Pilotprojekt und einer Broschüre.
Nehmen Sie Ihren Feminismus doch einmal ernst. Anstatt sich immer wieder in WolkenkuckucksheimIdeologien zu verstricken, sollte man den Frauen und Mädchen helfen, die wirklich Hilfe brauchen, weil sie nicht nur irgendwie diffus benachteiligt werden, sondern ganz konkret für ihr restliches Leben durch ein archaisches und verbrecherisches Ritual zu leiden haben.
Wenn wir schon die Zuwanderung aus Kulturkreisen, in denen Zwangsheirat oder Genitalverstümmelung üblich ist, zulassen, ist es doch auch unsere Pflicht, dafür zu sorgen, dass diese Mädchen und Frauen genau wie wir einheimischen Frauen auch in Freiheit und unversehrt leben können. Kultursensibilität ist hier völlig fehl am Platz.
Dort, wo Frauenhilfe einen echten Beitrag leisten müsste, bleibt sie leider in den üblichen Vorhaben, Broschüren, Videos, Projekten etc. stecken. Die Mädchen und Jungen hingegen, denen es in diesem Land ganz gut geht, möchten Sie mit Ihrer gleichstellungspolitischen Umerziehung beglücken.
Die Girls’ and Boys’ Academies zielen darauf ab, das Ausbildungswahlverhalten von Mädchen und Jungen mit einem neuen Ansatz zu beeinflussen.
Was für ein Unsinn! Was für eine Verschwendung von Ressourcen! Wieso denn junge Menschen beeinflussen, statt sie in ihren ureigenen Talenten und Interessen zu fördern?
Zu guter Letzt möchte ich noch ein Wort über Ihr Vorhaben zu einem landesweiten Konzept zur Prostituiertenberatung verlieren. Das Prostituiertenschutzgesetz wurde von den meisten Fachleuten vermutlich zu Recht als Rohrkrepierer bezeichnet.
Sie von der Landesregierung teilen sicherlich den Kurs der regierungstragenden Fraktionen und sagen Nein zum Sexkaufverbot. Aber für kaum eine Berufsgruppe sind die Folgen des Lockdowns so verheerend. Die Verdrängung in die Illegalität und somit weg von den Leistungen des Gesundheitsamts, weg von der Sicherheit eines Bordells, weg von der Sozialarbeit hin zu heimlicher Tätigkeit unter großer finanzieller Not wirft sicher zahlreiche Prostituierte zurück in eine Arbeitsweise, die sie selber in Gefahr bringt und die im Sinne des Infektionsschutzes ebenfalls sehr bedenklich ist. Ihre landesweite Beratung wird somit in Zukunft sicher viel zu tun haben.