Protocol of the Session on November 25, 2020

Wir fordern, dass das Hilfe- und Schutzsystem langfristig auf stabile Füße gestellt wird. Die Träger der Frauenhilfeinfrastruktur brauchen finanzielle Klarheit und Sicherheit, um sich auf ihre eigentliche und wichtige Aufgabe konzentrieren zu können, nämlich Beratung und Begleitung, statt den ständigen Kampf um Fördermittel und Spenden führen zu müssen. Gemeinsam mit dem Bund können wir Gewalt gegen Frauen und Mädchen entschieden bekämpfen. Also:

Lassen Sie es uns gemeinsam anpacken. – Herzlichen Dank und Glück auf.

(Beifall von der SPD und Josefine Paul [GRÜNE])

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Für die CDU-Fraktion spricht die Abgeordnete Frau Troles.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es könnte passender nicht sein, dass wir heute am Tag gegen Gewalt an Frauen über den Gleichstellungshaushalt debattieren. Denn Gewalt hat verschiedene Gesichter, und wer Gewalt erfährt, dem ist ein freies und selbstbestimmtes Leben nicht möglich.

Tatsache dabei ist, dass insbesondere Frauen immer noch unter Gewalt leiden. Tatsache ist aber auch, dass sich die Landesregierung gemeinsam mit der NRW-Koalition seit 2017 auf den Weg gemacht hat, sich dieser Aufgabe zu stellen – und das, meine Damen und Herren, so konsequent wie keine andere Landesregierung zuvor.

(Josefine Paul [GRÜNE]: Na ja!)

Deswegen werden auch im Haushaltsjahr 2021 wieder deutlich mehr Mittel für den Gewaltschutz aufgebracht.

Dies zeigt sich gerade beim Schutz und bei der Hilfe für gewaltbetroffene Frauen. Hier wurden die Mittel seit Regierungsübernahme stetig aufgestockt. Dieser Weg wird auch im kommenden Haushaltsjahr konsequent fortgesetzt. Mit einer Erhöhung um 5,75 Millionen Euro auf dann rund 30,2 Millionen Euro geht die Ministerin den Weg an der Seite gewaltbetroffener Frauen mit starker Schulter weiter.

(Beifall von Dr. Patricia Peill [CDU])

Für diese richtige Schwerpunktsetzung möchte ich unserer Ministerin Ina Scharrenbach an dieser Stelle ausdrücklich danken.

(Beifall von Claudia Schlottmann [CDU])

Gleichstellung hat aber viele Dimensionen. Genau deswegen versteht die Ministerin den Gewaltschutz auch geschlechterübergreifend. Es ist also nur richtig, dass die Mittel für den Schutz von gewaltbetroffenen Männern auch noch einmal um 200.000 Euro erhöht werden.

Sehr geehrte Damen und Herren, dieser Haushalt hat einen absoluten Mehrwert. Denn gerade bei der Frauenhilfeinfrastruktur kann ein Mehrwert nur dann entstehen, wenn solide Finanzierungswege gesichert sind.

Der vorliegende Haushalt sichert die Zukunft der 64 landesseitig geförderten Frauenhäuser und stellt

eine solide und tragfähige Finanzierung auf. Auch hier möchte ich den Unterschied zur Vorgängerregierung noch einmal ganz konkret machen: Seit 2017 gibt es nicht nur zwei Frauenhäuser mehr. Nein, es wurden auch 53 Plätze mehr in Frauenhäusern geschaffen. Weitere Plätze sind geplant.

(Zuruf von Josefine Paul [GRÜNE])

Gleiches gilt auch für die landesseitig geförderten 61 allgemeinen Frauenberatungsstellen, 52 Fachberatungsstellen gegen sexualisierte Gewalt an Mädchen und Frauen, acht spezialisierten Beratungsstellen für Opfer von Menschenhandel und zwei Fachberatungen gegen Zwangsheirat.

Seit 2019 sorgen wir für eine kontinuierliche Anhebung der Förderpauschalen für die Personalausgaben von jährlich 1,5 %. Auch das hat keine andere Landesregierung zuvor für notwendig gehalten.

(Beifall von Kirstin Korte [CDU])

Deshalb an dieser Stelle noch einmal ein ausdrückliches Lob an unsere Ministerin!

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Auch der Aktionsplan zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen wird 2021 fortgeführt und -entwickelt.

Mit dem Haushalt 2021 sichert die NRW-Koalition einmal mehr die Hilfeinfrastruktur in Nordrhein-Westfalen dauerhaft in der Quantität sowie in der Qualität ab.

Hinweisen möchte ich zum Schluss noch auf zwei Dinge, die wir ebenfalls für sehr wichtig halten.

(Sarah Philipp [SPD]: Bitte noch einmal der Ministerin danken!)

Zum einen ist das die Täterarbeit, die wir in Nordrhein-Westfalen stärken. Denn hier gibt es eine Möglichkeit, um wichtige Präventionsarbeit zu leisten und Gewalttaten schon im Vorfeld zu verhindern. Deswegen investiert die Landesregierung auch hier richtigerweise wieder über 900.000 Euro, um ein möglichst flächendeckendes Angebot zu erarbeiten.

Zum anderen ist das die Förderung der 16 regionalen Kompetenzzentren Frau und Beruf. Ihr Ziel ist es, gemeinsam mit den Akteurinnen und Akteuren vor Ort Initiativen und Projekte für die Region zu entwickeln und zu begleiten. Damit wird der Weg der NRWKoalition seit Regierungsantritt 2017 weiter fortgeführt, Beruf und Familie für Frauen gut miteinander zu vereinbaren.

(Sarah Philipp [SPD]: Die neue Landesregie- rung!)

Meine Damen und Herren, der Gleichstellungshaushalt für das Jahr 2021 schafft also definitiv einen Mehrwert: einen Mehrwert für Frauen und für Männer

oder, anders gesagt, einen Mehrwert für die Gleichstellung in unserem Land. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Für die Fraktion der Grünen spricht die Fraktionsvorsitzende Frau Paul.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Jede dritte Frau in Deutschland wird im Laufe ihres Lebens mindestens einmal Opfer physischer und/oder sexualisierter Gewalt. Jede vierte Frau erleidet Gewalt durch einen Partner oder Ex-Partner. Jeden dritten Tag wird eine Frau durch ihren Partner oder Ex-Partner sogar getötet. 80 % der Opfer von Partnerschaftsgewalt sind Frauen.

Allein die Gewalt, die in der Polizeilichen Kriminalstatistik abgebildet wird, also im Hellfeld sichtbar wird, ist auf einem erschreckend hohen Niveau.

Häusliche Gewalt – das will ich hier noch einmal sehr deutlich sagen – ist kein Kavaliersdelikt. Es ist auch keine Privatsache. Wir müssen auch damit aufhören, dass das immer irgendwie beschönigend formuliert wird, indem da von „Beziehungsdrama“ die Rede ist. Wenn ein Mann seine Partnerin oder Ex-Partnerin tötet, dann handelt es sich um Mord, um ein Tötungsdelikt, und nicht etwa um irgendein Beziehungsdrama.

(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und Mar- kus Wagner [AfD])

Ich finde auch, dass sich das in der Polizeilichen Kriminalstatistik eindrücklicher niederschlagen muss, dass also Partnerschaftsgewalt, Femizide und Taten aus Frauenhass hier auch eindeutiger benannt werden müssen.

Doch erschreckend ist vor allem, dass neben diesem Hellfeld ein sehr viel größeres Dunkelfeld besteht. Viele Frauen zeigen Gewalt aus Scham und aus Angst, mit dem, was ihnen widerfahren ist, nicht ernst genommen zu werden, nicht an. Vielleicht bewerten sie es sogar – und das finde ich persönlich sehr bedrückend – als nicht so schlimm, als normal oder als „Er hat es nicht so gemeint“. Das finde ich sehr schlimm. Denn Frauen haben das Recht, ihre Grenzen zu kennen und klar zu benennen, und sie haben das Recht, dass sie in ihren Grenzen auch ernst genommen und geschützt werden.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Ver- einzelt Beifall von der CDU)

Gewaltbetroffene Frauen müssen sich auch jederzeit sicher sein können, dass sie Schutz und Unterstützung finden. Sie müssen sich auch jederzeit sicher sein können, dass sie ernst genommen werden.

Ich finde es gut, Frau Ministerin – das habe ich auch schon im Ausschuss gesagt –, dass es jetzt eine Dunkelfeldstudie gibt. Wir haben das lange fraktionsübergreifend gefordert. Sie haben diese Dunkelfeldstudie beauftragt und nun vorgelegt, und das ist gut.

Aus den Erkenntnissen der Dunkelfeldstudie müssen jetzt aber auch weitere Konsequenzen folgen. Es braucht noch mehr Sensibilisierung auch bei den Strafverfolgungsbehörden, damit jede Frau sicher sein kann, dass sie mit dem, was ihr widerfahren ist, und der Gewalt, die ihr angetan wurde, auch ernst genommen wird.

Wir brauchen auch weiterhin mehr Informationskampagnen und mehr Informationsmaterial, das Frauen ermutigt, ihre Grenzen und ihre Rechte auch tatsächlich geltend zu machen. Und natürlich – das ist eine ganze zentrale Forderung – brauchen wir eine bedarfsgedachte Frauenhilfeinfrastruktur.

Die Coronakrise hat die Lage für viele Frauen und Mädchen weltweit verschärft. „Wir bleiben zu Hause“ ist für viele Frauen keine gute Nachricht, wenn das eigene Zuhause nun einmal kein sicherer Ort ist.

Das Europäische Institut für Gleichstellungsfragen hat festgestellt, dass die bestehende Unterfinanzierung – das bezieht sich auf ganz Europa – von Krisentelefonen und Unterkünften zu lückenhaftem Schutz geführt hat. Leider ist es aber auch in Nordrhein-Westfalen so, dass wir immer noch eine Unterfinanzierung haben und damit immer noch keinen lückenlosen Schutz gewährleisten können.

Ich will sehr deutlich sagen: Gewaltschutz – das sage ich nicht nur heute, auch wenn es uns heute ganz bewusst sein muss; Gewaltschutz muss an jedem Tag eine ganz klare Forderung der Politik und eine ganz klare Aufgabe für die Politik sein – ist kein „Nice to have“ und kein Add-on. Vielmehr ist Gewaltschutz eine staatliche Aufgabe. Jede Frau muss Schutz und Unterstützung finden, wenn sie von Gewalt betroffen oder bedroht ist.

In Nordrhein-Westfalen können wir zur konsequenten Umsetzung der Istanbul-Konvention zwar auf eine gewachsene und hoch engagierte Frauenhilfe aufsetzen. Hier möchte ich mich dem Dank von Kollegin Butschkau anschließen. Denn auch in dieser sehr schwierigen Situation waren die hoch engagierten Mitarbeiterinnen der Frauenhilfeinfrastruktur für alle Frauen so sehr da, wie sie es nur konnten.

Trotzdem bleiben weiter Lücken, und trotzdem bleibt ein weiterer Aufgabenzettel. Nach wie vor haben wir zu wenige Plätze. Nach wie vor ist die Barrierefreiheit in unserer gesamten Frauenhilfeinfrastruktur mangelhaft. Wir müssen auch die Kinder von gewaltbetroffenen Frauen noch mehr und konsequenter in den Blick nehmen.

Die Landesregierung – das ist bereits erwähnt worden – hat zusätzliche Mittel in den Haushalt eingestellt.

Aber – diesen Vorwurf müssen Sie sich leider auch dieses Jahr gefallen lassen, Frau Ministerin – die Bedarfsanalyse liegt weiterhin nicht vor. Ich verstehe Sie aber so, dass die Bedarfsanalyse das Konzept vorbereiten soll, mit dem dann die Mittel eingesetzt werden. Ich sage noch einmal, wie ich auch schon im Ausschuss gesagt habe: Es darf nicht passieren, dass das aufgrund der noch nicht vorliegenden Bedarfsanalyse und deshalb eines mangelnden Konzeptes zu einer Spardose wird. Das können und dürfen wir uns nicht leisten.