Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf zunächst den Grünen für das Stellen der Großen Anfrage und natürlich der Landesregierung für die Beantwortung derselben danken.
Das ist eine wichtige Anfrage. Aber es gibt leider kein schönes Ergebnis, sondern vielmehr eine Antwort, die das ganze Ausmaß und die Gefahr des Rechtsextremismus in NRW darstellt – leider auch, dass die
Ich will nicht über die exorbitanten Straftaten reden. Wir kennen sie alle. Ich möchte auch nicht über die Begrifflichkeit von Extremismus sprechen. Das kennen wir ebenfalls. Wir brauchen auch keine Bekenntnisse abzugeben, inwieweit die Extremen nicht auf dem Grundgesetz fußen. Auch das ist uns eigen.
Aber ich möchte darüber reden, wie Grundkriterien des Rechtsextremismus, nämlich zum Beispiel die Grundannahme der Ungleichwertigkeit von Menschen, wie ein schleichendes Gift in unsere Gesellschaft sickern – ein Gift, an welchem sich manche gar genüsslich laben.
Ich möchte über ein Gift sprechen, welches meist noch keine Straftat ist, nicht als herausgehobenes, verabscheuungswürdiges Verbrechen daherkommt und nicht als besonderes Vorkommnis einige Tage die Medienlandschaft bespielt, sondern als scheinbar ganz normaler Begleiter unseres Alltagslebens vorhanden ist.
Ich rede von einem Gift, welches sich Alltagsrassismus, Frauenfeindlichkeit und Sexismus nennt, sich in den verschiedensten Phobien zeigt, in übersteigertem Nationalismus und völkischer Verkleidung, in Antisemitismus und Antiziganismus daherkommt. Man kann die Liste weiter fortführen.
Es beginnt in Bemerkungen, in Distanzierungen, in Liedtexten, in Reden, in Berichterstattungen, in Witzen, in Denkhaltungen und in Zugangsbeschränkungen bei der Teilhabe für spezifische Personen.
Dieses Gift ist so alltäglich, so normal, dass es kaum als toxisch oder auch nur als bedenklich wahrgenommen wird. Wenn man darauf hinweist und darüber zu reden beginnt, wird man oftmals als Kleinkarierter, als Sensibelchen oder als Spaßbefreiter belächelt, und es wird eher auf ein Gefühl, das man dann halt hat, reduziert.
Aber dieses Gift wirkt als strukturelle Diskriminierung. Kollege Panske hat gerade die Richtung hin zum Terrorismus und auch zum Populismus aufgemacht. Wenn man schaut, was vor dem Extremismus kommt, ist man genau in diesem Bereich, den ich gerade zu skizzieren versuche.
Denn es breitet sich dann als Referenzpunkt von Betrachtungen aus. Es wirkt sich als eine Verschiebung grundlegender Denkhaltungen aus, bildet mit das Grundrauschen der Kommunikation und hat Einfluss darauf, durch welche Brille geschaut wird. Es verschiebt sich etwas.
Daher möchte ich an dieser Stelle für eine Achtsamkeit plädieren: hingucken, hinhören, erkennen als das, was es ist.
bei Frauenfeindlichkeit hinhören. Er muss zuhören, wenn Menschenrechte und Menschenwürde abgewertet werden, wenn Minderheitenschutz infrage gestellt wird, wenn Pluralismus und Diversität verächtlich gemacht werden oder auch, wenn unser Staat und seine Einrichtungen, auch seine parlamentarischen Arme, diffamiert und lächerlich gemacht werden – übrigens dann auch die Presse. Auch hier gibt es eine lange Liste, die man fortführen könnte.
Zusätzlich: Wer rechtsextremistisches Denken aufspüren möchte, muss auch darauf achten, dass es oft genug Opfer gibt, die nie berücksichtigt werden – nicht nur Tote, sondern vielfach anderweitig Verletzte, Gemobbte, Diskriminierte, Beleidigte, Zurückgestoßene, Ausgeschlossene und lächerlich Gemachte. Es bräuchte auch einen Bericht über die zahlreichen Opfer.
Und: Wir müssen uns noch viel mehr überlegen, dass wir und wie wir diese Menschen nicht alleinlassen.
Rechtsextremismus lässt sich nicht bekämpfen, wenn man nicht die Erscheinungsformen erkennen möchte oder über sie hinwegsieht. Rechtsextremismus lässt sich auch nicht bekämpfen, wenn man nicht zuallererst immer wieder aufspürt, wo und wie er sich zeigt und was er bei Betroffenen anrichtet.
Die Große Anfrage und die Antworten geben keine Hoffnung auf baldige Heilung. Aber sie sind Grundlage – Grundlage für Tätigwerden, Grundlage für Erkenntnisse, aus denen sich Tätigwerden dann auch speisen kann, aber eben auch Grundlage, im Kampf gegen Rechtsextremismus nie nachzulassen. – Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erst einmal möchte ich für die sehr sachliche Debatte und die guten Wortbeiträge, die wir bisher hatten, danken. – Danken möchte ich auch für die Beantwortung der Großen Anfrage, die wirklich ausführliche Darstellung und dieses breite Bild, das wir da auf über 130 Seiten bekommen haben. Ich halte das für einen sehr guten Beitrag, um diese Debatte zu führen. Denn wir haben hier, wie richtigerweise schon gesagt wurde, einen dynamischen Prozess. Da sind eine Datengrundlage und eine ganz detaillierte Analyse wichtig, um darüber debattieren und dann auch Entscheidungen treffen zu können.
sind also keine ganz gravierend neuen Erkenntnisse. Vielmehr wird die Lage hier in Nordrhein-Westfalen dargestellt und noch einmal tiefer ins Detail gegangen.
Ich möchte gar nicht noch einmal auf die einzelnen Zahlen im Detail eingehen. Denn wir sind uns alle dieser Lage bewusst, nicht zuletzt aufgrund der rechtsextremistischen Anschläge der vergangenen Monate. Es handelt sich beim Rechtsextremismus um eine nicht wegzudiskutierende Gefahr. Das haben meine Vorredner auch schon deutlich gemacht.
Ich möchte in meinen Ausführungen vor allem zwei Ausprägungen des Rechtsextremismus erwähnen, die aus meiner Sicht eine besondere Gefahr darstellen, nämlich erstens das Aufkommen der Mischszenen, also die Vermischung von vermeintlichen Bürgerinitiativen und rechtsextremistischen Gruppierungen, und zweitens die Digitalisierung von extremistischen Anwerbungen und auch Radikalisierungen, weil dies gerade junge Menschen sowie Schülerinnen und Schüler besonders in Gefahr bringt und darauf ein besonderes Augenmerk zu richten ist.
Wenn wir uns die rechte Mischszene anschauen, stellen wir eine Dezentralisierung der Strukturen fest. Übergeordnete Parteiorganisationen gehen immer weiter zurück. Es gibt eine spürbare Dezentralisierung, eine Regionalisierung, was es immer schwieriger macht, die Organisationen vor Ort überhaupt richtig identifizieren und wahrnehmen zu können.
Wir haben hier schon einige Beispiele gehört. Gerade bei neuen Gruppierungen – beispielsweise „Mönchengladbach steht auf“, „Internationale Kölsche Mitte“ oder „Besorgte Bürger“ in Herne – wissen interessierte Bürger vielleicht nicht – es ist für sie auch schwierig, das zu erkennen –, worum es sich bei diesen Organisationen handelt, gehen dann dorthin und machen mit. Es handelt sich dabei aber nicht um demokratische Bürgerinitiativen, sondern um vernetzte rechtsextreme Gruppierungen, die eine Gefahr für unsere Demokratie darstellen.
Das ist eine große Herausforderung, vor der wir stehen. Deswegen müssen wir jede einzelne dieser Gruppierungen in den Blick nehmen, darüber debattieren, ihre Ziele klar benennen und diese den Bürgern ganz klar vor Augen führen.
Neben der Mischszene bewegt mich gerade als jugendpolitischen Sprecher die Digitalisierung. Die Digital Natives sind ja im Netz unterwegs. Dort schlagen Rechtsextreme einen ganz neuen Ton an.
Hier stellen die Echokammern bekanntlich eine besondere Gefahr dar: Ich höre nur noch das, was ich hören will, und gegenteilige Meinungen gibt es kaum noch. – Das beschleunigt die Radikalisierung. Gleichgesinnte können viel schneller in Kontakt treten. Das
Das beste Beispiel dafür ist gerade in Coronazeiten die App Telegram. Dort vernetzen sich Verschwörungstheoretiker und tauschen Mythen und Falschinformationen aus, was dazu führt, dass sich noch mehr Menschen diesen Menschenfängern anschließen.
Wir stellen fest, dass die Kombination aus der Digitalisierung auf der einen Seite und der Mischszene auf der anderen Seite eine ganz besondere Herausforderung ist.
Das beste Beispiel dafür sind die Neuen Rechten, die durch ein hippes Auftreten und flotte Sprüche Menschen werben und gar nicht so wirklich identifizierbar sind, weil sie nun einmal keine Springerstiefel tragen und nicht wie Neonazis aussehen, sondern in einem neuen Gewand daherkommen.
Deswegen ist es unsere Aufgabe, darauf immer einen Blick zu haben. Das haben wir als Landesregierung. Von Beginn an tun wir das. Hier wurde schon erwähnt, dass wir die Dinge wie das Verbotsverfahren gegen Combat 18 weiter vorantreiben müssen. Das ist eine Aufgabe, der wir uns alle gemeinschaftlich stellen sollten.
Deswegen danke ich für die ausführliche Beantwortung der Großen Anfrage, die wirklich ein guter Beitrag zu dieser Debatte ist. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Brockmeier. – Für die AfD-Fraktion spricht nun der Fraktionsvorsitzende, Herr Wagner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Grünen – für die so ziemlich alles rechts, rassistisch, transphob oder was auch immer ist und die somit Meister der Totschlagargumentation sind – haben die Landesregierung gefragt, ob wir als AfD rechtsextremistisch seien.
„Hinsichtlich des AfD-Landesverbandes Nordrhein-Westfalen liegen derzeit keine verdichteten Anhaltspunkte für den Verdacht von rechtsextremistischen Bestrebungen vor. Der AfD-Landesverband Nordrhein-Westfalen ist kein Beobachtungsobjekt des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes.“
Aus dem Behördendeutsch des Amtes übersetzt heißt die Antwort: Nein, liebe Grüne, die AfD ist nicht rechtsextrem.
Für mich als Mitglied seit Gründung der Partei ist dieses Ergebnis natürlich nicht neu. Schließlich kenne ich meinen Laden und weiß, dass unsere Mitglieder gute Leute und gute Demokraten sind, die sich für unser Land und unsere freiheitliche Ordnung einsetzen, Herr Wolf.
Ich will aber nicht in Abrede stellen, dass eine junge Partei natürlich auch einige wenige anzieht, die sich in der Tür geirrt haben. Bei den Grünen waren das Terroristenversteher, Bundeswehrabschaffer, Feinde der deutschen Einheit und noch weitaus Schlimmere, die für unser Gemeinwesen ganz sicher kein Gewinn gewesen wären – um es einmal diplomatisch zu formulieren. Dass gerade diese Partei nun ganz besonders erhaben und hypermoralisch daherkommt, mag seine psychologische Ursache auch darin finden.
Natürlich sind alle neuen Parteien, so sie erfolgreich sind und bleiben, aus guten Gründen da. Man muss diese nicht teilen; aber es gibt sie eben.
Die SPD war im 19. Jahrhundert die Antwort auf die soziale Frage der Arbeiter. Sie wurde zunächst mit den Sozialistengesetzen bekämpft.
Die Grünen waren die Antwort auf den von manchen empfundenen Mangel an Umweltpolitik. Sie galten vielen als Spinner.