Viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wollen ihre Mails vielleicht spätabends beantworten, um vorher mehr Zeit für die Kinderbetreuung zu haben. Das wird übrigens schon jetzt millionenfach gemacht, obwohl es rein rechtlich im Moment illegal ist. Die Modernisierung des Arbeitsschutzes ist daher umso wichtiger. Natürlich beinhaltet das, dass niemand mehr arbeiten muss oder weniger Pausen machen darf.
Der Entwurf der SPD auf Bundesebene schreibt jedoch die Einhaltung des Arbeitsschutzes im Homeoffice zwingend vor, ohne klarzustellen, dass die Arbeitsstättenverordnung für dauerhaftes Homeoffice und für mobile Arbeit überhaupt nicht gilt.
Wir als Freie Demokraten sehen die positiven Potenziale des mobilen Arbeitens. Es sind jedoch die starren Vorgaben, die Bundesminister Heil in seinen Entwurf vorgibt, mit denen ich meine Probleme habe.
24 Tage im Jahr – eine starre und unflexible Zahl – habe demnach ein Arbeitnehmer Anspruch auf mobiles Arbeiten oder Heimarbeit. Wollen wir als Politik wirklich so tief in den Arbeitsalltag der Menschen eingreifen und starre Regulierungen und Vorgaben bestimmen? Warum überlassen wir das nicht den Firmen, Betrieben und Unternehmen?
24 Tage im Jahr sind für manche Branche viel zu wenig, für die problemlos mobiles Arbeiten über längere Zeiträume möglich wäre. Mit lediglich 24 Tagen im Jahr erreicht man nicht die erhoffte und gewünschte Kosteneinsparung durch kleinere Büroflächen am Betriebsstandort, wie Sie es in Ihrem Antrag beschrieben haben.
Eine starre Vorgabe wie diese zeigt uns, dass die Politik noch mehr auf die Sorgen und Bedürfnisse der Betriebe und der dortigen Beschäftigten achten muss. Wie mobiles Arbeiten unbürokratisch und gleichzeitig fair funktionieren kann, zeigt ein Blick jenseits der Grenze, in die Niederlande.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Die digitale Arbeitswelt und die digitale Transformation bieten unglaublich große Potenziale. Das hat uns in der Enquetekommission I, die vor etwa vier Wochen ihren Abschlussbericht vorgelegt hat, immer geleitet.
Wir waren uns immer einig darin, dass die digitale Transformation, wenn sie richtig eingesetzt und richtig gestaltet wird, dazu beiträgt, Barrieren abzubauen, Integration und Inklusion umzusetzen.
Natürlich kann auch die digitale, mobile und flexible Arbeit Vorteile haben, nicht zuletzt – das sei mir als Bemerkung gestattet – einen ökologischen. Regelmäßiges Homeoffice spart laut einer aktuellen Greenpeace-Studie 5 Millionen Tonnen CO2 im Jahr. Das ist ein Vorteil, der über die Vorteile hinausgeht, die im Antrag genannt werden: größere Chancen für die Vereinbarkeit, bei vielen Arbeitnehmer*innen auch eine Stärkung der Motivation.
Wenn man diese Vorteile heben will, geht es natürlich auch darum, die richtigen Rahmenbedingungen zu setzen. Es geht nicht allein darum, das Recht auf mobiles Arbeiten zu schaffen, sondern auch darum, den Schutz der mobil Arbeitenden hochzuhalten, Stichwort „Home ist Home, und Office ist Office“.
Das Risiko der Entgrenzung ist immer da. Wir brauchen also einen soliden Schutzrahmen und gute Rahmenbedingungen. Ein Stichwort ist eben angesprochen worden: Die Kinderbetreuung treibt uns beim Homeoffice immer um.
weil wir aus der eigenen Betroffenheit zugehört haben. Wir kennen aber beide die Studienlage, die für die breite Bevölkerung nach wie vor keine gleichberechtigte Verteilung der Care-Arbeit zeigt, sondern dass es im Gegenteil nach wie vor die Ungerechtigkeit zwischen den Geschlechtern gibt.
Für die Coronakrise und die Zeit des Shutdowns im Frühjahr gibt es mittlerweile allerdings hochinteressante Zahlen, nämlich dass Väter auch einen relevanten Teil der zusätzlichen Care-Arbeit übernommen haben, wobei das Gap zwischen den Geschlechtern gleich geblieben ist. So weit die kleine Randbemerkung in einer hochspannenden Diskussion. Wie gesagt hat bei uns beiden die eigene Betroffenheit mit hineingespielt.
Zurück zum Thema: Wir brauchen natürlich gute Rahmenbedingungen. Wir brauchen auch die Akzeptanz im Betrieb, wenn es im Bereich „Kinder
betreuung und Homeoffice“ zu Vereinbarungskonflikten kommt. Es ist nicht zuletzt wichtig für die Betriebskultur, dass Homeoffice alternierend und freiwillig eingesetzt wird.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben uns in der Enquetekommission I lange mit diesem Thema beschäftigt. Wir haben uns interfraktionell nicht auf ein vollständiges Recht auf Homeoffice verständigen können, aber immerhin auf eine Stärkung. In dem Bereich haben wir eine ganze Menge an wissenschaftlicher Expertise gesammelt.
Der Antrag der SPD-Fraktion fokussiert jetzt vor allem auf die Bundesgesetzgebung. Ich kann Ihnen mitteilen, dass natürlich auch die grüne Bundestagsfraktion an diesem Thema dran ist. Wir haben bereits im September 2019 einen Antrag und ein entsprechendes Konzept vorgelegt, dass wir ein Gesetz und ein Recht auf Homeoffice brauchen.
Ob man jetzt noch eine Studie für Nordrhein-Westfalen braucht – gerade vor dem Hintergrund der Erkenntnisse, die wir im Rahmen der Arbeit der Enquetekommission produziert haben – und warum es diesen Antrag einen Monat nach Vorlage unseres Abschlussberichts braucht, weiß ich nicht so recht. Wir sind hier immer noch der Landtag von NordrheinWestfalen, und nicht das Therapiesofa der Bundesregierung.
Nichtsdestotrotz stehen wir dem Inhalt des Antrags nahe. Ich glaube, das sind Punkte, über die man auch einmal reden muss, genauso wie über die Frage, wie ernst wir eigentlich die Arbeit von Enquetekommissionen in diesem Haus nehmen. Das ist inhaltlich natürlich kein Grund, gegen diesen Antrag zu stimmen.
Es ist schon ein starkes Stück, dass der Gesetzentwurf auf der Bundesebene in der Luft hängt. Der in Rede stehende Gesetzentwurf ist in seinem Kern richtig. Er sieht die Schaffung eines Rechts auf Homeoffice und die Stärkung von Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerrechten bei der Ausgestaltung dieser Rechte vor. Insofern kann ich mich dem Appell des Antrags natürlich nur anschließen.
Lassen Sie uns gerne dafür sorgen, dass die Koalition in Berlin an dieser Stelle endlich einmal etwas richtig macht. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und Heike Gebhard [SPD] – Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Das war aber eine sehr schöne Rede!)
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sind ja auch sehr für Föderalismus, aber wer auch immer sich dieses Prinzip ausgedacht hat, war sicher nicht der Auffassung, dass die Landtage als Nebenkriegsschauplätze für schwarz-roten Koalitionszoff in Berlin herhalten müssen. Wir sind, wie es gerade schon angesprochen wurde, eben keine Therapieeinrichtung für Koalitionsgeschädigte.
Aber gut, jetzt haben wir den Antrag, daher möchte ich ein paar Worte dazu sagen. Ihr Arbeitsminister Heil möchte Betriebe per Gesetz verpflichten, Arbeitnehmern mindestens 24 Tage mobiles Arbeiten pro Jahr zu gewähren, es sei denn – wie es heißt – zwingende betriebliche Gründe sprächen dagegen. Da ist auch schon das erste Problem.
Der Gesetzentwurf hätte auch von der Anwaltskammer eingebracht werden können, denn die Arbeitsrechtler werden wohl am meisten davon profitieren. Was ist ein „zwingender betrieblicher Grund“? – Das werden am Ende immer wieder Gerichte entscheiden müssen. Einem Großkonzern mag so etwas keine schlaflosen Nächte bereiten; denn er hat eine Rechtsabteilung, die eine entsprechende Begründung juristisch makellos formuliert.
Für den kleinen oder mittelständischen Unternehmer ist aber genau das ein Gräuel. Es wird dazu führen, dass er noch einen Grund mehr hat, von weiterer Beschäftigung abzusehen.
Viele Arbeitnehmer und Arbeitgeber in Deutschland haben während des Corona-Lockdowns Erfahrungen mit mobiler Arbeit sammeln dürfen und müssen. Ja, vielen hat das auch ganz gut gefallen: Zu Hause auf dem Balkon arbeiten, nebenher Mittagessen kochen, auf den Paketboten warten und morgens nicht im Stau stehen, das ist alles schön.
Aber es gibt auch viele, die ganz froh waren, als sie irgendwann wieder ins Büro durften. Mancher wünscht sich eine klare räumliche Trennung zwischen Arbeit und Privatsphäre, Telefon- und Videokonferenzen sind auf Dauer dann doch auch recht anstrengend, und die soziale Komponente der Arbeit lässt sich eben mit technischen Hilfsmitteln nicht reproduzieren. Eine WhatsApp-Gruppe ist eben kein adäquater Ersatz für das Gespräch in der Teeküche, in der Kantine oder in der Raucherecke. Ein Teamgeist, wichtig für Motivation und Identifikation mit der eigenen Arbeit, entsteht so nicht.
Ihr Antrag, der Antrag der SPD, preist lediglich die Vorzüge des mobilen Arbeitens und zitiert nur aus Studien, die es loben. Es gibt durchaus auch eine ganze Reihe von Studien, die Warnsignale senden. Durch mobiles Arbeiten drohen laut anderer Studien sinkende Produktivität, Isolation, Einsamkeit, Schlafprobleme, Depressionen bis hin zum Suizid und eine Selbstüberlastung der Arbeitnehmer.
Dass wir uns nicht falsch verstehen: Ich will mobiles Arbeiten nicht verdammen, es ist eine große Chance für Familien und auch für viele Arbeitgeber und Arbeitnehmer sicher gut geeignet. Aber das sollen die bitte fallweise und entsprechend ihrer jeweiligen Bedürfnisse entscheiden. Kein Arbeitnehmer ist wie der andere, kein Betrieb ist wie der andere, und die wenigsten sind wie eine Behörde, über deren Amtsstuben die Vorstellungswelt der SPD offensichtlich nicht hinausgeht. Niemand braucht einen SPD-Minister, der da mit der Axt des Gesetzgebers durchgeht.
Ich durfte auch der Enquetekommission zur Digitalisierung der Arbeitswelt angehören. Ja, dort haben wir festgestellt, dass Gesetzgebungsbedarf besteht. Das Arbeitszeitgesetz und eine Reihe anderer Stellen müssen reformiert werden, um sich der modernen Arbeitswelt anzupassen. Damit hätte sich der Minister vielleicht zuerst beschäftigen sollen.
Es ist auch eine spannende Frage. Sie loben das mobile Arbeiten auch dafür, dass es die Verkehrsinfrastruktur entlastet, und das ist auch richtig. Aber, meine Damen und Herren von der SPD, geben Sie diese Ersparnisse, an die Arbeitnehmer und Arbeitgeber weiter, oder geht es eher nur darum, ein bisschen mehr Geld in die Buchhaltungen der öffentlichen Haushalte zu schaufeln?
Die Frage hat schon einmal der Forscher Luke Templeman von der Deutschen Bank beantwortet. Er fordert eine Extrasteuer für Arbeitnehmer, die das Privileg genießen, zu Hause arbeiten zu dürfen. Das ist noch keine SPD-Forderung. Ich sage ausdrücklich „noch keine SPD-Forderung“, aber irgendwann wird man die ganzen Wohltaten, die man gerade mit beiden Händen unter das Volk wirft, wieder hereinbesteuern müssen. Und beim Steuer-Erfinden waren die Sozialdemokraten noch nie verlegen.
Ob das Homeoffice für Arbeitnehmer und Arbeitgeber nun Fluch oder Segen ist, sollen nach unserer Meinung, nach Meinung der AfD, diese selbst entscheiden, und keine Bürokratie, kein Gericht und schon gar kein Minister. Wir lehnen Ihren Antrag daher ab.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Landesregierung ist es ein wichtiges Anliegen, mobile Arbeit für Beschäftigte auch nach dem Abklingen der Coronapandemie zu ermöglichen und vor allen Dingen auch zu fördern.
Es ist ja richtig, dass Homeoffice und andere Formen des mobilen Arbeitens positive Effekte für Unternehmen und Beschäftigte haben können. Der Druck, den wir durch die Pandemie haben, hat auch manch einem, der vorher gar nicht über diese Frage zu Ende nachgedacht hatte, gezeigt, welche Vorteile es hat.
Wir kennen alle das, was auch unsere Mitarbeiter uns sagen: flexible und freie Gestaltung der Arbeit, Wegfall von Wegezeiten, eine erhöhte Produktivität sagen wieder andere, die man gerade trotz oder wegen der Heimarbeit hat, die Steigerung der Attraktivität des Arbeitgebers oder auch die Wünsche der Arbeitnehmer, Familie und Arbeit besser miteinander zu verbinden.
Aus Sicht der Landesregierung bedarf es jedoch keines gesetzlich verankerten Rechtsanspruches, der Beschäftigte den Wunsch nach mobiler Arbeit ermöglicht. Vielmehr setzen wir auf moderne arbeitsrechtliche Regelungen, die keine unnötige Bürokratie für die Unternehmen schaffen und sowohl die Interessen der Beschäftigten als auch die der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber in einen angemessenen Ausgleich bringen.
Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber haben ein berechtigtes Bedürfnis mitzubestimmen, wo die Beschäftigten ihrer Arbeit nachgehen. Gleichzeitig müssten zum Wohle der Beschäftigten die Regeln des Arbeits- und Gesundheitsschutzes wie zum Beispiel ein vernünftig eingestellter Tisch oder Stuhl auch im Homeoffice konsequent umgesetzt und eingehalten werden.
Ich finde, wir müssen uns auch damit auseinandersetzen, dass es viele Menschen gibt, die in sehr kleinen Wohnungen, wo der Arbeitsplatz oft der Küchentisch ist, Heimarbeit machen. Es ist nicht bei jedem so, dass es ein wunderbares Arbeitszimmer gibt, wo das alles bestens geregelt ist. Aus Sicht eines Arbeitsministers muss der Arbeitsschutz gewährleistet sein. Dafür hat natürlich am Ende der Arbeitgeber eine Verantwortung.
Zu beachten ist auch, dass schon jetzt viele Unternehmen ihren Beschäftigten aufgrund von Regelungen in Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen mobiles Arbeiten in einer arbeitsrechtlich überhaupt nicht zu beanstandenden Form ermöglichen. Ich möchte, dass die positiven Erfahrungen mit mobiler Arbeit insbesondere in der Coronapandemie auch dafür genutzt werden, um die Sozialpartner bei der Gestaltung solcher Vereinbarungen weiter zu stärken.
Denn statt eines gesetzlichen Anspruchs sind einvernehmliche Vereinbarungen zwischen den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und den Arbeitgebern immer vorzuziehen. Natürlich wäre es mir recht, wenn alle diese Bereiche über Betriebsvereinbarungen und über Tarifverträge in der nächsten Zeit geregelt werden.