Protocol of the Session on November 12, 2020

Aus diesem Grund bin ich sehr froh darüber, dass die Koordinierungsrunde, die in den vergangenen Monaten in 14 Sitzungen zusammengekommen ist, so zügig und produktiv gearbeitet hat.

Wir haben alle 53 Empfehlungen der Expertenkommission bisweilen auch kontrovers diskutiert, aber sind gemeinsam zu richtungsweisenden Entschei

dungen gekommen. Ein Ergebnis der Beratung in der Koordinierungsrunde ist auch dieser interfraktionelle Antrag, den wir heute – sozusagen als Schlussakt – beraten.

Es ist gut und richtig, dass wir uns dem Bereich der psychischen Erkrankungen von Gefangenen nunmehr mit einem gemeinsamen Antrag widmen. Es ist auch gut und richtig, dass wir zusammen entsprechende Maßnahmen schnellstmöglich umsetzen wollen.

„Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt“, heißt es in Art. 1 unseres Grundgesetzes.

Wir als Parlament haben einen Schutzauftrag und eine Fürsorgepflicht für die Gefangenen, die sich in staatlicher Obhut befinden. Über die Motive, Gründe und psychischen Belastungen, die beispielsweise einem Suizid vorausgehen, ist leider nur wenig, fast nichts, bekannt. Viele Studien über Inhaftierte verweisen auf eine fatale Mischung aus Gefühlen von Hilflosigkeit und Angst, nicht erkennbarer Perspektive und beeinträchtigter Selbstachtung.

Deshalb müssen wir an das, was bereits an Vorkehrungen vorhanden ist, anknüpfen bzw. an den geeigneten Stellen nachjustieren; denn die Beurteilung, dass die Versorgungslage derzeit strukturell und quantitativ völlig unzureichend ist, ist für mich nicht zu verantworten und sollte auch für uns als Parlament aus rechtsethischer Sicht nicht zu verantworten sein.

Daher bin ich sehr froh darüber, dass wir an einige Empfehlungen der Expertenkommission bereits, bildlich gesprochen, einen Haken machen können.

Im Bereich der Suizidprävention sind seit 2018 in insgesamt 24 JVAs sogenannte Suizidpräventionsbeauftragte eingesetzt worden. Sie übernehmen die Schulungen der Bediensteten zur Suizidprävention und führen die Suizidkonferenzen durch.

Ebenso hat die Landesarbeitsgruppe Suizidprävention zu Beginn des Jahres ihre Tätigkeit aufgenommen.

Einigkeit bestand in der Koordinierungsrunde auch darüber, dass der Schlüssel für eine richtige und optimale Behandlung der Gefangenen die Gesundheitsakte ist. Die darin enthaltenen Informationen müssen dem behandelnden Arzt in der Anstalt oder eben auch im Justizvollzugskrankenhaus zur Verfügung stehen. Daher ist es gut, dass bereits im vergangenen Jahr nochmals für die Verbesserung der Kommunikation geworben worden ist.

Auch das Pilotprojekt zur Telemedizin ist bereits in sieben Anstalten angelaufen. Es ist eine spürbare Entlastung, dass dank der Telemedizin Gefangene rund um die Uhr Zugang zu einer hochwertigen

ärztlichen Versorgung erhalten können, auch in psychiatrischer Hinsicht. Von dieser Institution werden auch die Bediensteten profitieren. Sie können in Krisensituationen schnell auf qualifizierten ärztlichen Rat zurückgreifen und die Gefangenen adäquat versorgen.

Eine Verbesserung für die Behandlung von psychisch kranken Gefangenen bedeutet zugleich auch eine Verbesserung für die Bediensteten im Vollzug. Oft verursachen problematische psychisch kranke Gefangene im alltäglichen Umgang einen erheblichen Mehraufwand und stellen eine zusätzliche Belastung und teilweise Gefährdung für die Bediensteten dar.

Die Unterbringung psychisch kranker Gefangener in Justizvollzugsanstalten ohne ausreichende Behandlungsmöglichkeiten kann überdies eine Gefährdung der kranken Gefangenen selbst und der Mitgefangenen bedeuten. Es gilt daher, dieses Gefahrenpotenzial, so gut es geht, zu verringern.

Wichtig ist nun, dass wir die notwendigen Schritte gehen. Der Umgang mit psychisch Kranken erfordert darüber hinaus geschultes Personal – Psychologen, aber auch Ärzte. Deshalb ist die Zusammenarbeit mit Honorarärztinnen und -ärzten auszubauen.

Am wichtigsten jedoch ist der Ausbau der stationären psychiatrischen Abteilung im Justizvollzugskrankenhaus. In den kommenden Jahren ist es unsere Aufgabe, ein entsprechendes nachhaltiges Konzept auch mit den notwendigen Haushaltsmitteln auszustatten und auf dem Weg zur Umsetzung gemeinsam zu begleiten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, vielen Dank für die konstruktive Arbeit in dieser Sache. Lassen Sie uns zum Schutz psychisch kranker Strafgefangener heute ein starkes Signal senden. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU, der FDP und den GRÜNEN)

Danke schön, Frau Erwin. – Für die SPD-Fraktion spricht nun Herr Ganzke.

(Beifall von Norwich Rüße [GRÜNE])

Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Erwin, die auch Mitglied der Vollzugskommission im Rechtsausschuss ist, hat schon sehr viel vorweggenommen.

Wir beraten hier über einen gemeinsamen Antrag der antragstellenden Fraktionen von CDU, SPD, FDP und Grünen mit dem Titel „Maßnahmen zur Erkennung von und zum Umgang mit psychischen Erkrankungen im Justizvollzug“.

Wenn diese psychischen Erkrankungen stationär behandelt werden, dann geschieht das im einzigen nordrhein-westfälischen Justizvollzugskrankenhaus in Fröndenberg. Fröndenberg gehört zu meinem Wahlkreis, einem der schönsten Landtagswahlkreise in Nordrhein-Westfalen.

(Zuruf von der SPD: Das sagen wir alle!)

Ich habe heute mit dem Leiter des Justizvollzugskrankenhauses gesprochen. Er freut sich darüber, dass wir in unserer Koordinierungsrunde gemeinsam zu diesen Ergebnissen gekommen sind und darüber hinaus zusammen mit dem Ministerium ein Go bezüglich einer Bautätigkeit geben können.

Das heißt: Der Leiter des Justizvollzugskrankenhauses freut sich über die Bautätigkeit, und der Wahlkreisabgeordnete freut sich darüber, dass mithilfe von Landesmitteln in seinem Wahlkreis gebaut wird.

Ich freue mich aber auch darüber, dass wir als Abgeordnete gezeigt haben, dass wir in der Sache nicht nur intensiv, sondern auch zukunftsorientiert zusammenarbeiten können. Denn das hilft den Insassinnen und Insassen in unserem Justizvollzug. Es hilft aber gerade auch – darauf hat Frau Kollegin Erwin schon hingewiesen – den dort Bediensteten, die nämlich für uns alle einen schwierigen Job machen. Damit hilft es auch unserer Gesellschaft in ihrer Gesamtheit.

Deshalb stimmt auch die SPD-Fraktion für diesen Antrag – nicht nur, weil wir ebenfalls Antragsteller sind, sondern, weil das verabredete Ergebnis gut für unser Land ist. Daher werben wir für eine breite Zustimmung zu diesem Antrag. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von der CDU und der FDP)

Danke schön, Herr Ganzke. – Für die FDP-Fraktion hat jetzt Herr Mangen das Wort.

Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich freue mich sehr darüber, dass ich heute zu einem interfraktionellen Antrag von CDU, SPD, Grünen und FDP sprechen darf. Schließlich geht es mit dem Justizvollzug um ein wichtiges Thema, das häufig vernachlässigt wird.

Insbesondere die Situation psychisch Erkrankter in Justizvollzugsanstalten ist bedrückend. Zu diesem Ergebnis kommt nicht nur der Bericht der Expertenkommission, die aufgrund des tödlich verlaufenden Brandes in der JVA Kleve auch hinsichtlich der Beurteilung der Optimierungsmöglichkeiten bei psychischen Erkrankungen eingesetzt worden ist, sondern auch das persönliche Gespräch mit Anstaltsleitungen und Bediensteten in Justizvollzugsanstalten.

Die Anzahl psychischer Erkrankungen und Störungen ist mit bis zu 88 % deutlich höher als in der allgemeinen Bevölkerung, jedoch steht nur ein Bruchteil der Behandlungsplätze zur Verfügung. Jetzt geht es darum, die Empfehlungen der Expertenkommission bezüglich psychischer Erkrankungen schrittweise umzusetzen.

Hiermit hat sich die Koordinierungsrunde aus diesem Hause, bestehend aus Vertretern aller Fraktionen und des Ministeriums der Justiz, von November 2019 bis Juni 2020 auseinandergesetzt und sich auf einen Umsetzungsfahrplan verständigen können. Ein wichtiger Punkt ist die Suizidprävention, da auch die Anzahl der Suizide in den Justizvollzugsanstalten deutlich über den Fallzahlen der allgemeinen Bevölkerung liegt.

Daneben ist die Behandlung psychischer Erkrankungen und Störungen von zentraler Bedeutung, dem sich nun der vorliegende Antrag widmet. Die vorhandenen Behandlungsmöglichkeiten sind bei Weitem nicht ausreichend. Dies gilt sowohl für den ambulanten als auch für den stationären Bereich. Es liegt auf der Hand, dass eine große Anzahl nicht therapierter psychisch kranker Gefangener nicht nur eine Gefahr für sich selbst, sondern auch für die Bediensteten darstellt.

Um die ambulante Versorgung zu verbessern, muss die Anzahl der Anstaltsärzte und -psychologen deutlich erhöht und die Zusammenarbeit mit Honorarärzten ausgebaut werden.

Wichtig ist im ambulanten Bereich der Ausbau der Telemedizin. Hierfür ist bereits ein Pilotprojekt angelaufen.

Im stationären Bereich muss die Anzahl der Betten aufgestockt werden. Das Justizvollzugskrankenhaus Fröndenberg, das gerade bereits angesprochen wurde, verfügt aktuell über zu wenig Betten. Es wird nunmehr umgebaut – endlich –, sodass zusätzlich 23 Akutbehandlungsplätze für Männer und erstmals 12 Behandlungsplätze für Frauen geschaffen werden können.

Darüber hinaus hat sich die Koordinierungsrunde auf zusätzliche 20 Plätze aus Haushaltsmitteln von 2020 verständigt. Allerdings reichen auch diese Plätze dann immer noch nicht aus. Daher muss bis Ende des Jahres 2021 ein Konzept vorliegen, wie die Anzahl der Belegbetten entsprechend erweitert werden kann, um den Empfehlungen der Expertenkommission gänzlich Rechnung zu tragen.

Unser Ziel ist die schnelle Verbesserung der Situation psychisch kranker Häftlinge im Strafvollzug in NRW, gerade auch zum Schutz der Bediensteten. Deswegen bitte ich Sie, diesem Antrag zu folgen. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Danke schön, Herr Mangen. Sie haben Ihr Manuskript liegen lassen. Das wird jetzt der Reinigung unterworfen.

(Christian Mangen [FDP]: Hätte Stefan ruhig weiterlesen können!)

Stefan bringt jetzt sein eigenes Papier mit oder auch nicht.

(Das Redepult wird desinfiziert.)

Vielen Dank, meine Herren, für die Pflege des Pultes den ganzen Tag über. Ich muss das einmal sagen. Ich finde das echt toll, mit welcher Disziplin hier gearbeitet wird. – Noch einmal herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU, der SPD, der FDP, den GRÜNEN und der AfD)

Andererseits kann man froh sein, dass das Pult noch da ist, so oft wie darübergewischt wird, und es bewegt sich auch noch.

(Heiterkeit von der SPD)

Herr Engstfeld, Sie haben das Wort. Bitte schön.