Dann sagt die andere Seite, also der Bundesarbeitsminister und die Partei, die ihn besonders stark unterstützt: Wir sind zurzeit überhaupt bereit, mit euch von der CDU über diesen Punkt zu reden. Entweder wird der Gesetzentwurf so verabschiedet, wie wir ihn eingebracht haben, oder gar nicht. – Das ist die Situation.
Ich muss Ihnen aber auch sagen: Ich könnte auch damit leben, dass der Gesetzentwurf so verabschiedet wird, wie er eingebracht ist. Es gibt Arbeitsspitzen – ich nenne hier die Grillsaison –, also Zeiten, in denen der Absatz von bestimmten Produkten relativ groß ist. Das ist wahr. Man kann Arbeitsspitzen auch anders lösen als über Leiharbeit. Man kann mit Arbeitszeitkonten und vielem anderen agieren.
Aber dass man sagt: „Wir reden nicht mit euch“, ist keine Lösung. Und wenn man nicht darüber redet, wird es von der Tagesordnung abgesetzt.
Jeder, der auf seine Partei ein bisschen Einfluss nehmen kann, sollte einen Beitrag dazu leisten, dass sich die Sache nicht so hochschaukelt. Denn wenn der Gesetzentwurf nicht verabschiedet wird, haben Tönnies und Co am Ende gewonnen.
Meines Erachtens wäre eine Lösung – jetzt kann man sofort wieder sagen, ich würde nachgeben –, dass die Tarifvertragsparteien für die Fleischveredelung etwas vereinbaren. Das wäre vielleicht gar nicht die schlechteste Lösung.
Warten wir einmal ab, wie es in den nächsten Tagen weitergeht. Aber das ist zurzeit die Situation in Berlin.
Ich habe in einer Präsidiumssitzung meiner Partei am Montag gesagt: Das geht nicht; wir müssen den Gesetzentwurf verabschieden.
Denn es stellt sich auch eine zweite Frage. Aufgrund der Situation in den Schlachthöfen kam es zu einem Riesenrückstau bei den Schlachtungen – mit fatalen Folgen in der Landwirtschaft, wie ich gestern schon einmal angedeutet habe. Im Übrigen sind die Ferkelerzeuger zurzeit am schlechtesten dran. Die Mäster werden die fetten Schweine nicht los. Weil die Ställe nicht leer werden, kaufen sie keine Ferkel. Die Sauen bekommen aber neue Ferkel. Jeder kann sich vorstellen, was da im Stall los ist. Wenn Sie in Ihrem Wahlkreis einen Ferkelerzeuger haben, dann besuchen Sie ihn einmal. Schauen Sie sich einmal an, was für ein Drama das ist.
Das liegt auch daran, dass wir uns in der Schwebe befinden. Daher glaube ich, dass wir das Problem dringend gesetzlich lösen müssen.
Eines will ich hier auch ganz deutlich sagen: Schlachthöfen, die jetzt erklären, sie könnten nicht mehr schlachten, weil sie kein Personal hätten, kann ich nur sagen: Greift einmal ins Portemonnaie und bezahlt die Leute besser.
Wenn man stolz darauf ist, dass die Leute für diese schwere Arbeit, die da geleistet wird, den Mindestlohn bekommen, dann muss man sich nicht wundern. Man liest gelegentlich in der Zeitung, was für ein Vermögen der eine oder andere Schlachthofbesitzer hat. Da kann ich nur sagen: Dieses Vermögen hat auch irgendeiner erarbeitet.
Ich bin ganz sicher: Hätten wir in der Schlachtindustrie nicht Mindestlöhne, sondern durchschnittliche Löhne, wie sie im Handwerk und überall sonst bezahlt werden, hätten wir auch genügend Leute, die diese Arbeit auf unseren Schlachthöfen machen würden. Dann hätten wir keine Rückstaus.
Deswegen sage ich an dieser Stelle ganz klar: Wer will, dass wir eine starke Landwirtschaft behalten, muss auch für eine gute Schlachtwirtschaft und eine gute Fleischwirtschaft sein. Und wer eine gute Fleischwirtschaft haben möchte, muss nicht nur gesunde Schweine haben und das Tierwohl beachten, sondern auch dafür sorgen, dass die Menschen, die diese Arbeit ausüben, angemessen und vernünftig bezahlt werden. Dann werden sich die Probleme auch von selbst lösen. – Schönen Dank.
Vielen Dank. – Es gibt eine Kurzintervention aus den Reihen der Grünen. Bitte, Herr Rüße. Sie haben das Wort.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister Laumann, Sie haben gerade versucht, zwischen Schlachtbetrieben und Grobzerlegung auf der einen Seite und den mittelständischen, kleineren Unternehmen auf der anderen Seite zu trennen.
Wir beide kommen aus dem Kreis Steinfurt. Sie kennen die schöne Gemeinde Emsdetten. Am Ortseingang von Emsdetten, aus Borghorst kommend, sahen Sie bis vor Kurzem auf der rechten Seite drei große Blöcke, in denen Werkvertragsarbeiter lebten. Die Häuser sind inzwischen abgerissen worden, weil es sich um Schrottimmobilien handelte. Diese Werkvertragsarbeiter haben für ein mittelständisches, kleineres Unternehmen in der Zerlegung gearbeitet. Das dürfte Ihnen bekannt sein.
Ich fordere Sie auf, sich als nordrhein-westfälischer Arbeitsminister dafür einzusetzen, dass die gesamte
Branche erfasst wird, wie es die SPD auf Bundesebene möchte. Diejenigen Mittelständler, die ihre Arbeitskräfte redlich beschäftigen, wird das gar nicht stören; denn sie zahlen anständige Löhne und arbeiten nicht mit einem Werkvertragssystem. Damit sind automatisch nur diejenigen Unternehmer betroffen, die dieses Werkvertragssystem seit Jahren missbrauchen. – Vielen Dank.
Herr Kollege Rüße, ich habe eben in meiner Rede auch gesagt, dass ich sehr dafür bin, den Gesetzentwurf so zu verabschieden, wie er eingebracht worden ist. Allerdings braucht man für einen Gesetzesbeschluss am Ende des Tages auch eine Mehrheit.
Es ist nicht unanständig, über das Thema, wie man Spitzen in der Fleischveredelung bewältigen kann – es gibt nun einmal eine Grillsaison und Ähnliches –, nachzudenken.
Zu dem, was in Emsdetten passiert ist: Die Firma, die Sie erwähnt haben, ist im Übrigen ein paar Mal aufgefallen; man kann sie ruhig als Sauladen bezeichnen. Wenn sie nun geschlossen ist, ist das nur gut.
Wenn man solche Spitzen über Leiharbeit – nicht über Werkverträge – abfangen will und wenn das über einen Tarifvertrag gelöst wird, dann ist das eine Idee, mit der ich gut umgehen kann, weil die Tarifvertragsparteien – die NGG wäre in diesem Fall die Tarifvertragspartei auf Arbeitnehmerseite – natürlich auch die Arbeitsbedingungen für diesen Bereich diktieren können.
Wenn ich NGG-Vorsitzender wäre, würde ich sagen: Ich mache das; aber dann steht darin, dass die Leiharbeiter genauso bezahlt werden müssen wie die Stammbelegschaft; sonst unterschreibe ich diesen Tarifvertrag nicht. – Punkt; aus die Maus.
Auch zu mir kommen sehr seriöse mittelständische Unternehmer und sagen, dass es diese Arbeitsspitzen gibt. Dann schlage ich ihnen vor, mit Arbeitszeitkonten zu arbeiten; es gibt auch noch viele andere Möglichkeiten. Diese Debatte gibt es. Und dass im Bundestag zurzeit auch die Verbände der Zeitarbeit unterwegs sind, weiß ich auch.
Ich finde, dass diejenigen einfach wieder miteinander reden müssen. Ich werde überall, wo ich bin – auch wenn ich die führenden Vertreter meiner Partei im Parteipräsidium treffe –, nicht lockerlassen, was dieses Thema betrifft. Wir müssen sehen, dass wir das hinkriegen.
Ich sehe das genauso wie hier der Landtag. Corona hat mit den Arbeitsverhältnissen eigentlich nichts zu tun. Aber ich glaube, dass es mir und anderen in Nordrhein-Westfalen gut gelungen ist, das Zeitfenster von Corona zu nutzen, um dieses Thema jetzt endgültig auszumerzen. Da bleibe ich dran – Punkt.
Ich bin zwar kein Mitglied des nordrhein-westfälischen Landtages. Aber wenn bis zur nächsten Sitzungswoche das Problem nicht gelöst sein sollte, wäre der Arbeitsminister sehr glücklich, wenn es eine fraktionsübergreifende Initiative des nordrhein-westfälischen Landtages zu dieser Frage geben würde. Es würde in Berlin schon wie eine Bombe einschlagen, wenn der Landtag Nordrhein-Westfalen sagen würde: Löst bitte das Problem und seht zu, dass wir es hinkriegen.
Vielen Dank, Herr Minister. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Daher schließe ich die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung. Die antragstellende Fraktion der SPD hat direkte Abstimmung beantragt. Wir kommen somit zur Abstimmung über den Inhalt des Antrags Drucksache 17/11677. Wer möchte zustimmen? – Das sind SPD und Grüne. Wer stimmt dagegen? – Das sind CDU, FDP und AfD. Wer enthält sich? – Der fraktionslose Abgeordnete Langguth. Damit ist der Antrag Drucksache 17/11677 abgelehnt.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Sehr geehrter Herr Laumann, ich persönlich würde die von Ihnen erwähnte übergreifende Initiative, wenn sie denn nötig wäre, um das Vertrags
unwesen in dem Fall tatsächlich einzudämmen oder zu beenden, sehr begrüßen. Ich hoffe, dass meine Fraktion das auch mittragen wird.
Jetzt möchte ich auf einen weiteren Bereich in den Schlachthöfen zu sprechen kommen, in dem es aus unserer Sicht genauso wie beim Werkvertragssystem Missverhältnisse und Missstände gibt. Ich spreche von der Betäubung.
Ich selber halte Schweine und bringe einmal im Monat zehn Schweine zu einem kleineren Schlachthof. Ich weiß auch, wie sie dort betäubt werden, nämlich mittels Elektrobetäubung. Die Schweine gehen dafür in eine Box, bekommen einen Stromschlag, der zunächst den Kopf und dann das Herz erreicht, und fallen dann um. Das geht ganz schnell. Da gibt es kein großes Gequieke. Die Tiere sind betäubt, werden anschließend gestochen, bluten aus und sterben daran.
Die Mehrheit der Schweine in Nordrhein-Westfalen, nämlich über 80 %, wird jedoch anders betäubt, und zwar mit Kohlendioxid. Dazu werden sie in Gondeln gepackt, in einen Kellerraum gefahren oder nach unten abgesenkt – Kohlendioxid ist schwerer als Luft – und durch das Einatmen von Kohlendioxid betäubt.
Wenn man sich einmal die Mühe macht und sich im Internet diese Art der Betäubung anguckt, lassen einen diese Bilder so schnell nicht wieder los. Denn diese Tiere fallen nicht wie bei einer Elektrobetäubung einfach um. Diese Tiere – das kann man sehr genau sehen – springen hoch. Sie versuchen noch verzweifelt, nach Luft zu schnappen. Sie versuchen noch, an irgendeiner Stelle an Atemluft zu kommen. Das funktioniert natürlich nicht. Erst nach ungefähr 20 bis 30 Sekunden ist dieser Kampf der Schweine beendet. Dann sind sie tatsächlich betäubt.
Diese Methode ist tierschutzrechtlich eigentlich gar nicht möglich. So, wie sie stattfindet, ist sie nicht erlaubt. Sie ist aber durch eine Sondergenehmigung zugelassen worden.
Wir müssen uns alle zusammen überlegen, ob es richtig ist, eine Methode zur Betäubung einzusetzen, die zwar billig ist – Kohlendioxid ist ein billiges Gas – und gleichzeitig enorme Stückzahlen ermöglicht – in einer solchen Gondel kann man 20 Schweine gleichzeitig betäuben –, die aber dem Tierschutz nicht gerecht wird und die vor allem auch den Ansprüchen, die diese Gesellschaft an den Tierschutz stellt, nicht gerecht wird.