Protocol of the Session on November 12, 2020

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich heiße Sie herzlich zu unserer heutigen, 106. Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen willkommen. Mein Gruß gilt auch den Gästen auf der Zuschauertribüne, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien sowie all denen, die uns am Bildschirm zuschauen.

Für die heutige Sitzung haben sich 19 Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.

Ich rufe auf:

1 Islamistische Gefährder konsequent rückfüh

ren – Aussteiger- und Präventionsprogramme intensivieren

Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP Drucksache 17/11726

In Verbindung mit:

Dem Vorbild Frankreichs folgen – Gefährder abschieben

Antrag der Fraktion der AfD Drucksache 17/11667

Die Fraktionen von CDU und FDP haben mit Schreiben vom 9. November 2020 gemäß § 95 Abs. 1 der Geschäftsordnung zu einer aktuellen Frage der Landespolitik eine Aussprache beantragt.

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner für die Fraktion der CDU dem Abgeordneten Golland das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der islamistische Terror ist wieder da – mitten in Europa. Er war leider nie wirklich weg, nur zeitweise weniger präsent und aus dem öffentlichen Bewusstsein verdrängt.

In den letzten sechs Wochen gab es die schrecklichen Anschläge von Dresden, Paris, Nizza und Wien mit insgesamt neun Toten. Menschen sind ermordet worden, weil sie homosexuell, aufgeklärt, mutig und engagiert, christlichen Glaubens oder einfach nur zufällig vor Ort waren.

Sie wurden für ihre Überzeugung und ihre Art, zu leben, ermordet – von jungen radikalisierten Islamis

ten, die zielgerichtet, aber auch wahllos ihren Hass in unser Leben und unsere Gesellschaft tragen.

Es sind nicht nur Angriffe gegen einzelne Menschen. Es sind Angriffe gegen unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung, gegen unsere Lebensweise und gegen unsere europäischen Traditionen und Grundüberzeugungen.

Das sollte uns alle aufrütteln und gleichzeitig zusammenschweißen. Wegschauen, Abwarten oder Verharmlosen ist keine Lösung.

Frankreich, welches tief getroffen ist, hat dem Islamismus nun entschlossen den Kampf angesagt – ein mutiger Schritt, der in der Welt nicht nur positive Resonanz gefunden, sondern sogar zu Boykottaufrufen geführt hat. Dies sollte uns zu denken geben.

Unsere französischen Freunde haben deshalb und dafür unsere volle Unterstützung und Solidarität verdient.

(Beifall von der CDU, der FDP, Dr. Martin Vin- centz [AfD] und Nic Peter Vogel [AfD])

Europa rückt zusammen. Es muss handeln und wird handeln. Denn sich wiederholende Betroffenheitsbekundungen reichen nicht aus.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich daher auch für einen entschlossenen internationalen Kampf gegen den islamistischen Terrorismus starkgemacht. Dazu gehören eindeutig ein besserer Schutz der europäischen Außengrenzen, ein einheitliches Asylsystem, die Klärung von Identitäten und der Datenaustausch zwischen den Sicherheitsbehörden der EULänder.

Nicht nur Europa ist gefragt, sondern ebenso der Bund und die Länder. Denn wir wissen nicht: Wen trifft es als Nächstes? Wann und wo schlagen Terroristen erneut zu? Wie können wir uns besser schützen, ohne unsere Freiheit aufzugeben? Wie bekämpfen wir den Terror?

Um es klar zu sagen: Die allermeisten Kompetenzen insbesondere in der Legislative liegen beim Bund: Schleierfahndung an den Bundesgrenzen, Verschärfung des Ausländer- und Asylrechts, Straffung von Anerkennungs- und Verwaltungsverfahren, Prüfung vorbeugender und erweiterter Haft- und Gewahrsamsmöglichkeiten etc.

Das entbindet die Bundesländer aber nicht von ihrer Verantwortung zum Beispiel für die Überwachung und Abschiebung von Gefährdern.

Seit dem Regierungswechsel 2017 hat es in Nordrhein-Westfalen einen Paradigmenwechsel gegeben. Wir als NRW-Koalition fahren eine klare, transparente und faire Strategie: Integration der Willigen und Berechtigten, Ablehnung und Abschiebung der Intoleranten und Unberechtigten.

Darüber hinaus kommt der generellen und gezielten Prävention vor Extremismus eine wichtige Bedeutung zu. So haben bisher etwa 1.000 Personen am Projekt „Wegweiser“ teilgenommen. Das Angebot, über Programme auszusteigen und dem gewaltbereiten Islamismus den Rücken zu kehren, wollen derzeit wohl rund 30 Islamisten aus Nordrhein-Westfalen annehmen. Weitere 50 bis 60 Personen werden intensiv in Aussteigerprogrammen betreut.

Wer die Werte und Normen unseres Grundgesetzes und des friedlichen Miteinanders der Kulturen und Religionen mit Füßen tritt, hat keinen Platz in unserem Land.

(Beifall von der CDU, der FDP und Nic Peter Vogel)

Die Bekämpfung des islamistischen Terrors und die Abschiebung ausländischer Gefährder und Straftäter bleibt eine zentrale Aufgabe für Nordrhein-Westfalen. Es gilt auch hier das Prinzip „null Toleranz“.

Unser Land liegt bereits bundesweit an der Spitze bei der Abschiebung von Gefährdern. Im Jahr 2019 hat Nordrhein-Westfalen 44 % aller Rückführungen in Deutschland durchgeführt. Mit der Anbindung an die Zentrale Ausländerbehörde – ZAB – Essen sollen zudem die ausländer- und asylrechtlichen Zuständigkeiten und Maßnahmen bei den meist sehr komplexen Fällen zentralisiert werden.

Ziel der Landespolitik bleibt es, alle aufenthaltsrechtlichen Maßnahmen auszuschöpfen, um ausländische Gefährder ausreisepflichtig zu machen und abzuschieben.

Unter der Verantwortung von Minister Stamp sind seit Amtsübernahme unserer Landesregierung insgesamt 27 Gefährder, acht relevante Personen und 15 sonstige sicherheitsrelevante Personen zurückgeführt worden. Zudem sind drei Gefährder freiwillig überwacht ausgereist.

Das waren meines Wissens 53 Mal mehr Personen als in den sieben Jahren Rot-Grün zuvor.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Einer der bekanntesten und umstrittensten Fälle war sicherlich der Tunesier Sami A., bei dem es nach jahrelangem Verfahren endlich gegen viele Widerstände gelungen ist, ihn außer Landes zu bringen.

(Zuruf: Zehn Jahre!)

Das sind wichtige Erfolge und Signale im Kampf gegen den islamistischen Terror und seine Helfer in unserem Land.

Die Zahlen sind natürlich nicht ausreichend, wenn man bedenkt, dass im Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum derzeit 617 nichtdeutsche Personen mit Bezug zum islamistischen Terror geführt werden. 156 davon kommen aus NRW. 40 % davon sind übrigens Syrer.

Hier müssen Außenminister Maas und sein Haus endlich zu einer anderen Einstufung der Sicherheitslage – zumindest von Teilen Syriens – kommen, damit wir diese Staatsangehörigen umgehend in ihr Heimatland abschieben können.

Dennoch ist der politische Wille unserer Regierung klar und erkennbar vorhanden, alle Möglichkeiten und rechtlichen Spielräume auszunutzen, um Menschen, die hier zwar Schutz und Fürsorge erhalten, uns im Gegenzug dafür am liebsten aber töten würden, loszuwerden.

Das ist auch der entscheidende Punkt in der gesamten Abschiebethematik: der politische Wille, zu handeln, den die damalige rot-grüne Landesregierung in dieser Frage zu null Komma null hatte.

Warum das ist so ist, beschreibt ausgerechnet Kevin Kühnert gegenüber den Medien. Dass ich ihn hier einmal zitiere, ist schon etwas Besonderes und fällt mir auch nicht leicht.

(Heiterkeit von der CDU, der FDP und Dr. Martin Vincentz [AfD])

Er forderte:

„Will die politische Linke den Kampf gegen den Islamismus also nicht länger Rassisten und halbseidenen Hobbyislamforschern überlassen, dann muss sie sich endlich gründlich mit dieser Ideologie als ihrem wohl blindesten Fleck beschäftigen.“

Aus falsch verstandener Toleranz und politischer Korrektheit wurde hier von links jahrelang weggeschaut, um sich nicht einem vermeintlichen Rassismusvorwurf auszusetzen. Das Thema „Clankriminalität“, meine Damen und Herren, lässt grüßen.

Gesetzesänderungen, Razzien, Abschiebungen usw. reichen jedoch nicht aus, um gegen den Terror und seine bösartige Saat zu gewinnen. Wir brauchen die Unterstützung der Muslime selber, ihrer Repräsentanten und Verbände, die sich eindeutig, unmissverständlich und radikal vom Islamismus distanzieren. Das tun sie in aller Regel auch. Denn sie leiden ebenfalls unter dem, was Irre und Fanatiker anrichten.

Wir brauchen Verbände und Moscheen, in denen diese Taten verurteilt werden. Wo das nicht geschieht, müssen sie allerdings verboten bzw. geschlossen werden.

Wir brauchen eine solidarische Gesellschaft, die sich nicht spalten lässt, sondern zusammenhält.

Herr Golland, die Redezeit.