Protocol of the Session on November 11, 2020

kleinen Kinos in meinem Heimatkreis Mettmann. In einem Zeitungsbericht schildert er bedrückend seine aktuelle wirtschaftliche Lage. Diese hat wiederum Auswirkungen auf die Kommune, in der er sein Lichtspielhaus betreibt.

Der Kinobetreiber berichtet, dass er durch die staatlichen Coronahilfen zwar die laufenden Ausgaben decken kann und auch die seiner Mitarbeiter durch die Kurzarbeit abgedeckt sind. Er selbst aber, so schildert er, müsse für die Grundlagen des Lebens, also essen und wohnen, auf seine Rücklagen zurückgreifen. Der Kinobetreiber macht deutlich, dass die nun zweite Schließung seines kleinen Lichtspielhauses eine Katastrophe sei, zumal die Luft in seinem Kino dreimal die Stunde ausgetauscht würde, sodass es in einem Hygienezustand sei, der in Schulen oder Kindergärten nicht vorhanden sei.

Nun führt die temporäre Stilllegung dieses Kinos in einer Stadt wie im Kreis Mettmann nicht nur zu finanziellen Engpässen beim Betreiber und den Mitarbeitern. Eine ganze Kette vom Filmverleiher bis zum Zulieferer des Popcorns leidet gleichzeitig mit – und natürlich auch die Kommune, welcher direkt und indirekt durch die Stilllegung des Kinos Steuereinnahmen entgehen.

Meine Damen und Herren, solche Betriebe gibt es verteilt über das ganze Land Nordrhein-Westfalen hundertfach. Also gibt es auch hundertfach Kommunen, welche durch diese temporären Stilllegungen ebenso betroffen sind, und gewiss werden aus vielen temporären Stilllegungen leider dauerhafte Stilllegungen werden. Das wahrnehmbare Bild der Kommunen könnte sich für Jahrzehnte ändern.

Um dies zumindest etwas abzufedern, will das Land Nordrhein-Westfalen nun die Finanzausgleichsmasse des Gemeindefinanzierungsgesetzes für das Jahr 2021 aus Kreditmarktmitteln des Landes erhöhen. Insgesamt liegt die Summe für das kommende Jahr dann bei ungefähr 13,6 Milliarden Euro. Eine höhere Zuweisung hat es durch das nordrhein-westfälische Gemeindefinanzierungsgesetz noch nie gegeben. Ich erinnere an mein Eingangszitat: Das Besondere wird normal.

Das Gemeindefinanzierungsgesetz – oder kurz GFG – dient dem kommunalen Finanzausgleich, wie jeder weiß. Unser Grundgesetz verpflichtet dazu, dass die Kommunen von den Gemeinschaftsteuern einen bestimmten Prozentsatz erhalten. Ich zitiere das Grundgesetz – und dies mache ich ausgesprochen gerne –:

„Von dem Länderanteil am Gesamtaufkommen der Gemeinschaftsteuern fließt den Gemeinden und Gemeindeverbänden insgesamt ein von der Landesgesetzgebung zu bestimmender Hundertsatz zu. Im Übrigen bestimmt die Landesgesetzgebung, ob und inwieweit das Aufkommen der

Landessteuern den Gemeinden (Gemeindever- bänden) zufließt.“

In Nordrhein-Westfalen sind es im kommenden Jahr 23 %; das ist der gleiche Satz wie 2020. Die Höhe der jeweiligen Schlüsselzuweisungen hängt von den Steuereinnahmen und dem Finanzbedarf der Kommune ab. In der Coronakrise sinken die Steuereinnahmen in den Kommunen, während die Mehrausgaben steigen. Der Verteilschlüssel für die Zuweisungen wird dieses Jahr jedoch nicht verändert. Dies erspart zumindest Diskussionen mit den kommunalen Vertretern.

Insgesamt stehen den Kommunen in NordrheinWestfalen kommendes Jahr gut 940 Millionen Euro mehr zur Verfügung, als dies nach den regulären Berechnungen des GFG auf Basis der Entwicklung der Verbundsteuern der Fall wäre. Die Landesregierung bewirbt diese Aufstockung mit dem Spruch „Außergewöhnliche Zeiten erfordern außergewöhnliche Entscheidungen“. Bei der regulären Berechnung würden die Steuereinnahmen aus dem Steuerverbund gegenüber dem vergangenen Jahr um etwa 740 Millionen Euro sinken. Für die Finanzausgleichsmasse des GFG 2021 hätte dies eine Reduzierung um 170 Millionen Euro im Vergleich zu 2020 bedeutet; das haben wir gerade auch schon gehört.

Der Aufstockungsbetrag wird über den NRWRettungsschirm zur Finanzierung aller Folgen der Bewältigung der Coronakrise per Kredit bereitgestellt. Er soll zurückgezahlt werden, soweit die Steuerentwicklung in künftigen Jahren und somit die wirtschaftlichen Gegebenheiten der Kommunen dies ermöglichen.

Jedoch gehört auch zur Wahrheit, dass durch den Kredit finanziell schwache Kommunen weiter in die Schuldenspirale getrieben werden. Ebenso weiß das Land heute nicht, ob die besseren wirtschaftlichen Gegebenheiten erst in 10, 20 oder womöglich 100 Jahren eintreten. Der Kredit ist ja bereits vorsorglich auf eine Laufzeit von 50 Jahren ausgerichtet.

Ob es für die finanzielle Lage der bereits angeschlagenen Kommunen mittel- bis langfristig sinnvoll ist, dass das GFG nicht nur die Zuweisungshöhe von 2020 beibehält, sondern sogar noch gesteigert wird, mag ich nicht final beurteilen. Ähnlich wie bei Unternehmen gilt auch bei den Kommunen während der Coronakrise: Finanziell angeschlagene Kommunen werden derzeit weiter an den Rand des Abgrunds gedrückt.

Besser aufgestellt sind die Kommunen, welche in der Vergangenheit sparsam mit ihrem Geld umgegangen sind. Ich erinnere da gerne an die warnenden Worte meines Fraktionskollegen Herrn Tritschler. Er sagte hier im Plenum während der ersten Lesung des GFG 2020:

„Doch jeder weiß, dass die fetten Zeiten bald vorbei sein werden, und dann wird es an vielen Ecken wieder brennen, weil viele Kommunen die gute Zeit nicht zur Konsolidierung genutzt haben …“

(Heiterkeit von Matthias Kerkhoff [CDU])

Auf der Seite 39 im Gesetzentwurf steht:

„Die Corona-Pandemie stellt die öffentlichen Haushalte in Deutschland aktuell vor große Herausforderungen.“

Meine Damen und Herren, viele öffentliche Haushalte standen schon vor der Coronapandemie seit Jahrzehnten vor großen Herausforderungen. Ein Altschuldenfonds ist übrigens auch keine Lösung. Die verschuldeten Kommunen müssen zwangsläufig ihre Ausgaben im Bereich der freiwilligen Leistungen abspecken bzw. überlegen, welche Ausgaben für die Allgemeinheit sinnvoll sind und welche nur der Bespaßung einer Minderheit dienen. Ein 640.000-EuroKunstwerk, welches sich eine Stadt in meinem Kreis Mettmann angeschafft hat, gehört sicherlich zu Letzterem.

Solch zweifelhafte Geldausgaben gibt es viele – zu viele in unserem Bundesland. Der Bund der Steuerzahler führt in seinem aktuellen Schwarzbuch eine Vielzahl von Beispielen auf, und an diesen Ausgaben ist Corona nun wahrlich nicht schuld. Ich sehe die Milliardenbeträge des GFG kritisch. Ja, sie sind notwendig, aber, auch ja, sie verhindern möglicherweise bei mancher Kommune, dass sie endlich anfängt, ihre Ausgaben und Leistungen radikal zu überdenken. Die Ausführungen zur Einleitung des Gesetzes von Frau Ministerin Scharrenbach machen da allerdings Hoffnung. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der AfD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Strotebeck. – Als nächste Rednerin hat für die Landesregierung Frau Ministerin Scharrenbach das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Die Kommunen sind das Rückgrat der Pandemiebekämpfung, und die Kommunen bleiben auch das Rückgrat der Pandemiebekämpfung. Die Kommunen sind das Rückgrat für Investitionen, und sie bleiben auch das Rückgrat für Investitionen. Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen hat – übrigens häufig zusammen mit dem Landtag Nordrhein-Westfalen – in diesem Jahr den Grundstein dafür gelegt, dass es genau so sein kann. Deswegen kann ich Ihnen, Herr Abgeordneter Mostofizadeh und Herr Abgeordneter

Kämmerling, nur eines zurufen: Sie haben überhaupt keine Lösung.

(Beifall von der CDU und Henning Höne [FDP])

Das ist das Erstaunliche: Sie kritisieren, dass die Landesregierung die Gemeindefinanzierung 2021 um 943 Millionen Euro stützt. Sie kritisieren, dass das auf Basis eines noch zu verhandelnden Verteilungsschlüssels irgendwann einmal zurückzuführen sein wird, aber Sie haben überhaupt keine eigene Lösung.

Was ist denn Ihre Lösung? Wenn ich dem Abgeordneten Kämmerling zuhöre,

(Zuruf von Henning Höne [FDP])

dann sagt er: Also, das, was Sie da mit dem NKFCIG machen, ist eine Wette auf die Zukunft. – Ich sage Ihnen ganz offen, dass mir inzwischen Kämmerinnen und Kämmerer sagen: Wir waren am Anfang skeptisch bei der Isolierung der coronabedingten Schäden, aber inzwischen sind wir froh, dass wir das Gesetz haben. – Sie haben sogar darum gebeten, dass sie die Isolierung der coronabedingten Schäden auch in einer mittelfristigen Finanzplanung vornehmen dürfen, damit sie den Haushaltsausgleich hinbekommen. Selbst das haben wir ermöglicht. Also, das vielleicht mal an dieser Stelle als Hinweis an Sie.

Zweitens. Sie wollen das alles nicht. Gut. Wie sieht denn Ihre Alternative aus? Steuererhöhungen im Bereich der Grundsteuer B und der Gewerbesteuer sind Ihre Alternative. Ihre Alternative ist auch: Wir kürzen die Ausgaben für Schwimmbäder und Bibliotheken und für die notwendige Unterhaltung und Erhaltung von kommunalen Straßen und Brücken. – Das sind die Alternativen der SPD, wenn es um die Gemeindefinanzierung 2021 geht. Etwas anderes tragen Sie hier nämlich nicht vor.

Vor dem Hintergrund ist es durchaus bemerkenswert, dass Sie von der „Ideologie“ dieser Gemeindefinanzierung sprechen. Soll ich Ihnen mal sagen, was die Ideologie von CDU und FDP bei der Gemeindefinanzierung ist? Das ist ganz einfach: möglichst viel Handlungsspielraum nach unten geben; denn das ist kommunale Selbstverwaltung, die sogar vom Grundgesetz gedeckt ist.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wir wollen im Gegensatz zu Ihnen den Kommunen nicht über Jahre goldene Zügel anlegen.

Sie kritisieren, dass wir die Investitionspauschalen dynamisieren. Das ist durchaus erstaunlich; denn das sind Investitionspauschalen für Schule und Sport.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Nein, Herr Kollege, das steht hier. Sie haben uns vorgeworfen:

(Stefan Kämmerling [SPD]: Ich?)

Die Ideologie dieser Gemeindefinanzierung ist, Sie erhöhen die Investitionspauschalen und senken die Schlüsselmasse.

(Stefan Kämmerling [SPD]: Ich habe gesagt, Sie erhöhen Pauschalen und senken Schlüs- selzuweisungen! Zu Investitionspauschalen hat keiner etwas gesagt!)

Das ist durchaus bemerkenswert, da ich mich in der kommenden Woche – und das tue ich wirklich sehr gerne, ob Sie mir das jetzt abnehmen oder nicht – mit den Kollegen im Sportausschuss darüber unterhalten werde, ob denn die Kommunen im Sportbereich ausreichend investieren oder nicht.

Ich nenne Ihnen jetzt einmal die Summe, die die Kommunen in 2020 – und das ist noch nicht einmal die vollständige Summe – für Sport ausgegeben haben: 760 Millionen Euro Investitionen der Kommunen in Sportinfrastruktur und Sportleistungen im Jahr 2020 – und da fehlen noch knapp 30 Kommunen – bei einer Zuweisung aus dem GFG von rund 60 Millionen Euro. Was die Kommunen für Sport ausgegeben haben, ist also fast das 14-Fache dessen, was sie aus der Gemeindefinanzierung bekommen. Und Sie halten der Landesregierung vor, durch eine gegenseitige Deckungsfähigkeit von Investitionspauschalen breche die Sportinfrastruktur zusammen!

(Vereinzelt Beifall von der CDU und der FDP)

Genau das Gegenteil ist der Fall: Durch die Wegnahme der Zügel, die Sie in der Gemeindefinanzierung früher angelegt haben, ist jetzt genau das erreicht, was wir erreichen wollten. Die Kommunen wissen am besten, wo man vor Ort investiert. Dort investieren sie auch. Sie investieren kräftig in Sport, und sie investieren übrigens auch kräftig in Schule. Auch das sage ich hier in aller Ausdrücklichkeit.

Selbstverständlich können Sie – mir ist klar, dass das die Aufgabe der Opposition ist – den Gesetzentwurf für das GFG 2021 kritisieren; keine Frage. Aber eine Alternative haben Sie hier nicht. Ihre Alternative ist: Das Land nimmt noch mehr Schulden auf.

Dann sagen Sie aber bitte ehrlicherweise im Umkehrschluss auch, dass das Land Nordrhein-Westfalen diese Schulden irgendwann wird zurückführen müssen. Wenn wir diese Schulden nicht zurückführen können, müssen wir im Landeshaushalt einsparen. Und dann sagen Sie uns bitte auch, wo Sie als Opposition wünschen, dass die Regierung im Landeshaushalt einspart. Wo soll es sein? Im Schulbereich? Im Kitabereich? Wo sollen wir Ihrer Auffassung nach einsparen, wenn wir das Modell umsetzen, das Sie vortragen?

Ihr Modell sieht vor, dass das Land Schulden aufnimmt, die Mittel konditionslos an die Städte und Gemeinden gibt und dann zusehen soll, wie es am Ende

die eigenen Landesaufgaben finanziert. Das ist unseriös, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall von der CDU und der FDP – Stefan Kämmerling [SPD]: Seit wann stellen Sie uns denn Fragen?)

Zur Isolierung der Coronaschäden: Wir werden im kommenden Jahr gemeinsam sehen, wie viel aus diesem Jahr 2020 wirklich in den Büchern steht. Ich sage das in aller Ausdrücklichkeit. Allein in diesem Jahr fließen rund 4 Milliarden Euro zusätzlich in die Kommunen, und zwar ohne Berücksichtigung der KdU. Hinzu kommt für das gesamte Jahr noch die erhöhte Erstattung für die Kosten der Unterkunft, die ab nächstem Jahr auch dauerhaft erfolgt. Deswegen bin ich für das Jahr 2020 verhalten optimistisch, was die Abschlüsse angeht. Das ist auch gut so; denn der Fehlbetrag, den die Kommunen in diesem Jahr möglicherweise nicht erzeugen, steht zur Deckung für 2021/2022 zur Verfügung. Durch die verschiedenen Maßnahmen im Haushaltsrecht haben wir dafür Sorge getragen.

Allerdings wird sich erst im nächsten Jahr zeigen – daher möchte ich das nicht so hellseherisch wie Sie vortragen –, wie die Situation in der Haushaltsplanung ist. Ich bin in dieser Hinsicht sehr aufmerksam; das können Sie mir glauben. Aber wir haben, wie gesagt, 4 Milliarden Euro zusätzlich in diesem Jahr über den Rettungsschirm vornehmlich in die kommunale Familie gegeben. Das zeigt schon Wirkung.

Eines darf ich hier auch noch ausführen. Sie haben uns vorgehalten, wir würden nicht in Bildung investieren. Auch das stimmt nicht. Allein seit dem 16. März 2020 – jetzt ist November; wir sind also acht Monate weiter – haben Sie als Landtag 525,7 Millionen Euro extra nur für Coronamaßnahmen im Bereich „Schule“ bewilligt. Davon stehen den Kommunen 310 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung.