Dabei enthalten der besagte Musterentwurf und auch der Gesetzentwurf durchaus gute Punkte; das sagte ich gerade. So wurde die Brokdorf-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in dem Entwurf beachtet, symbolträchtige Orte und Tage besonders geschützt und die Anwesenheit der Polizei auf Versammlungen ausdrücklich geregelt.
Grundsätzlich sind diese Punkte wichtig und sollten sich auch wiederfinden. Allerdings – jetzt kommt das Aber – stellt die Brokdorf-Entscheidung beispielsweise ein Kooperationsgebot auf, und zwar zwischen Veranstalter und Versammlungsbehörde. In § 3 Ihres Entwurfs wird zwar der Behörde auferlegt, mit dem Veranstalter zu kooperieren, es fehlt aber genau dieser Verweis auf Kooperation für den Veranstalter, der aus meiner Sicht aber unbedingt nötig wäre, wenn wir es mit einer sinnvollen Novelle des Gesetzes ernst meinen.
Ihre Regelung legt jedoch einseitig fest, dass die Behörde auf die Veranstalter zuzugehen und ihnen Unterstützung anzubieten hat. Zu einer Kooperation gehören aber bekanntermaßen zwei Seiten. An der Stelle muss auch der Veranstalter, wie ich finde, stärker in die Pflicht genommen werden. Sonst haben wir da nicht viel gewonnen.
Zudem haben Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, in der Vergangenheit laut gefordert, dass ein Landesversammlungsgesetz in besonderer Weise auf die Bekämpfung rechtsextremistischen Gedankenguts ausgerichtet sein muss. Das teile ich, d’accord. Herr Kollege Wolf, Sie haben es gerade in Ihrer Rede sehr ausführlich und auch sehr richtig betont, wie ich finde.
Ich frage mich dann aber bei der Durchsicht des Gesetzentwurfs, warum Sie Ihre eigenen Forderungen dann nicht hineingeschrieben haben, nicht explizit umsetzen wollen. Warum übernehmen Sie ganze Absätze aus dem Musterentwurf, aber nicht den zum Schutz symbolträchtiger Orte und Tage? Einzig im Unterabsatz des Paragrafen über die Beschränkung und Auflösung von Versammlungen ist etwas über den Schutz zu lesen. Ja, das hat mich aber angesichts der Wichtigkeit dieses Themas dann doch etwas überrascht.
Ich finde, im Sinne eines modernen und zeitgemäßen Versammlungsgesetzes verdient der Schutz symbolträchtiger Orte und Tage einen eigenen Paragrafen. Die herausgestellte Bedeutung kommt nicht zum Tragen, wenn man den irgendwo in einem Unterparagrafen, einem Unterabsatz versteckt.
Also, meine Damen und Herren, wie gesagt: Ich habe durchaus Sympathien für das Anliegen. Leider ist es aber wie so oft gut gedacht, eher schlecht gemacht. Das reicht bei dieser wichtigen Frage der Versammlungsfreiheit leider nicht.
Im Gegensatz zu umlackierten, jahrealten Musterentwürfen hat die schwarz-gelbe Landesregierung, hat die NRW-Koalition das Thema „Versammlungsrecht“ schon lange auf dem Schirm. Wir haben es im Koalitionsvertrag festgelegt. Coronaleugner, Querdenker,
fackeltragende Neonazis haben das Thema in jüngerer Vergangenheit aktueller denn je gemacht. Dennoch gilt – davon bin ich fest überzeugt – Gründlichkeit vor Schnelligkeit. Grundrechte eignen sich in meinen Augen null Komma null für heiße Nadeln. Also wirklich Gründlichkeit vor Schnelligkeit!
Vielmehr sollten wir uns gemeinsam dafür einsetzen, ein modernes Versammlungsrecht zu schaffen, das mit der Verfassung im Einklang steht. Auch in diesem Fall gilt das, was bereits beim Polizeigesetz in dieser Legislatur gegolten hat: Machen wir es uns nicht einfach. Nehmen wir uns die Zeit für einen umfassenden und transparenten Beteiligungsprozess. Schaffen wir bestmöglich einen breiten Konsens hier im Parlament und damit auch in der Öffentlichkeit.
Sie können also davon ausgehen – der Minister hat es angekündigt –, dass von unserer Seite noch ein Entwurf vorgelegt wird.
Es wird Sie nicht überraschen. Denn wenn Sie die letzten Jahre hier aufgepasst haben, werden Sie gemerkt haben, dass wir den Koalitionsvertrag sehr ausführlich und konsequent abarbeiten. Dazu zählt auch die Frage des Versammlungsrechts.
Wer weiß, vielleicht bringen wir die besten Ideen hier schlussendlich zusammen. Das Versammlungsrecht hat es in meinen Augen sehr verdient, dass wir uns intensiv und breit damit auseinandersetzen. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
„Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.“
Die Versammlungsfreiheit ist eine wichtige Errungenschaft in der Demokratie. Bürgerinnen und Bürger haben das verfassungsrechtlich verbriefte Recht, sich zu versammeln und so ihrer Meinung Ausdruck zu verleihen.
So schreibt auch das Bundesverfassungsgericht in dem sogenannten und schon angesprochenen Brokdorf-Beschluss im ersten Leitsatz – Zitat:
„Das Recht des Bürgers, durch Ausübung der Versammlungsfreiheit aktiv am politischen Meinungsbildungsprozeß und Willensbildungsprozeß teilzunehmen, gehört zu den unentbehrlichen
Dem ist meines Erachtens eigentlich nichts hinzuzufügen. Man muss wohl ganz klar sagen: Wenn sich derzeit vielerorts sogenannte Coronaleugner versammeln, Verschwörungsmythen verbreiten und behaupten, unsere Demokratie funktioniere überhaupt nicht und es gebe keine echte Demokratie mehr, dann muss man diesen Leuten ganz deutlich machen, dass es die Verfassung unseres demokratischen Rechtsstaats ist, der diese öffentlichen Meinungsäußerungen und diese Demonstrationen gewährleistet und schützt.
Das ist doch der allerbeste Beleg dafür, dass unser Rechtsstaat funktioniert und er auch die Versammlungsfreiheit von Personen schützt, die unsere Verfassung in Zweifel ziehen.
Ebenso – auch das halte ich für wichtig – schützt diese Verfassung auch Gegendemonstrationen. Das ist ebenfalls Teil der Versammlungsfreiheit und vor allem Teil der politischen Meinungs- und Willensbildung.
Deshalb freue ich mich – ehrlich gesagt – über den für diesen Gesetzentwurf gewählten Titel. Man hätte das Gesetz ja auch einfach „Versammlungsgesetz“ nennen können. Es geht aber eben um die Gewährleistung des Rechts auf Versammlungsfreiheit. Das sollte sich meiner Meinung nach auch im Titel widerspiegeln.
Seit der Föderalismusreform im Jahr 2006 sind die Bundesländer ja zuständig und können eigene Versammlungsgesetze erlassen.
Ich stimme der SPD-Fraktion durchaus zu, dass es 14 Jahre nach dieser Föderalismusreform an der Zeit ist, ein eigenes Landesgesetz für Nordrhein-Westfalen zu schaffen.
Liebe Kollegen von CDU und FDP, ich muss ganz ehrlich sagen, dass es bei Ihnen so anklang, als ob Sie fast beleidigt seien, dass die SPD es sich herausnimmt, einen eigenen Gesetzentwurf vorzulegen, obwohl Sie in Ihrem Koalitionsvertrag dieses Vorhaben formuliert haben. Es hindert Sie aber niemand daran, sich diesen Gesetzentwurf als Vorlage zu nehmen,
Ich sage es hier ganz klar: Es ist das Recht jeder Fraktion hier im Parlament, eigene Vorschläge einzubringen, und zwar egal, ob sie in irgendwelchen Koalitionsverträgen stehen oder nicht.
Wir diskutieren ein Versammlungsgesetz hier nicht zum Selbstzweck. Vielmehr halte ich es für wichtig, herauszustellen, warum wir darüber diskutieren und
warum es nötig ist, ein Versammlungsgesetz auf Landesebene zu schaffen und nicht mehr das alte Bundesgesetz als Vorlage zu nehmen.
Aktuell gilt nämlich das Bundesgesetz – ergänzt um die verschiedenen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts. Sie alle wissen, wie viele Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts es in den vergangenen Jahren gegeben hat, die sozusagen neben das Gesetz gelegt werden müssen.
Ich bin der festen Überzeugung, dass ein eigenes Versammlungsgesetz für Nordrhein-Westfalen zu deutlich mehr Klarheit führen wird – Klarheit für Bürgerinnen und Bürger, die zum Beispiel eine Versammlung anmelden wollen, aber natürlich auch für Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte, denn die Polizei ist ja die Versammlungsbehörde.
Ein eigenes Versammlungsrecht gibt uns auch die Möglichkeit zu dessen Modernisierung im Sinne der Anpassung an aktuelle Umstände und Entwicklungen. Beispiele dafür sind etwa die Demonstrationen auf öffentlich zugänglichen Flächen, die in privater Trägerschaft liegen, Observationen während Versammlungen – auch hier bedarf es klarer Regelungen – sowie die Frage der Bild- und Tonaufzeichnung und der Speicherung von Aufzeichnungen. All diese Dinge kann man in einem Versammlungsgesetz regeln.
Ich freue mich sehr auf die Expertenanhörung und auch auf die Ausschussberatung, in der wir ins Detail gehen und uns genau diese Sachen angucken werden.
Ich will noch einen Punkt benennen, der mir persönlich wichtig ist – es ist auch schon genannt worden –: das Thema „Kooperationsgebot“, wie es auch in Schleswig-Holstein und Berlin formuliert ist. Aus meiner Sicht gibt es aus den letzten Monaten viele gute Beispiele für friedliche Versammlungen wie Fridays for Future oder Black Lives Matter. Bei diesen friedlichen Versammlungen wäre ein Kooperationsgebot sehr wichtig.
Natürlich möchte ich aber auch noch einmal über Verbote von Demonstrationen, die an bestimmten Gedenktagen an die Opfer der Gewalt und Willkürherrschaft des NS-Regimes stattfinden sollen, sprechen. Für uns Grüne – ich glaube, da kann ich für alle Demokratinnen und Demokraten sprechen – ist es einfach unerträglich, wenn Neonazis ausgerechnet an diesen Tagen Versammlungen durchführen, um ihre rechtsextreme, ihre antisemitische und rassistische Gesinnung zur Schau zu stellen und damit eben auch die Gewaltherrschaft der NS-Zeit zu verharmlosen und zu verherrlichen.
Als Demokratinnen und Demokraten stehen wir absolut in der Verantwortung, die Erinnerung an die Opfer der NS-Gewalt wachzuhalten und sie auch vor
den Schmähungen der heutigen Neonazis zu schützen. Deshalb sind wir Grüne offen für den Vorschlag, den 9. November und den 27. Januar als Tage zu definieren, an denen solche Demonstrationen verboten werden können.
Ich will aber trotzdem noch anfügen, dass man sich darüber im Klaren sein muss, dass Neonazis natürlich weiterhin versuchen werden, andere Tage, die für sie mit einer hohen Bedeutung aufgeladen sind, für Demonstrationen zu nutzen. Ich erinnern daran, dass wir eine ganze Zeit lang, viele Jahre lang, in Dortmund rund um den 1. September, den Antikriegstag, immer wieder große rechtsextreme Aufmärsche hatten. Das hat vor ein paar Jahren nachgelassen, was auch etwas mit den Verboten der Kameradschaften zu tun hat. Wir hatten diese Demonstrationen rund um den 1. September aber immer wieder. Ich habe die Polizei bei den Einsätzen oft begleiten dürfen. Das macht noch einmal sehr deutlich, dass sich die Neonaziszene andere Tage heraussuchen wird. Das ist kein Gegenargument gegen diesen Vorschlag; ich will es nur zu bedenken geben.
Umso wichtiger ist es aus meiner Sicht, dass wir unsere demokratische Zivilgesellschaft, die wir in Nordrhein-Westfalen ja haben, die stark ist, weiter in ihrem Engagement gegen Rechtsextremismus unterstützen, und dass wir als Abgeordnete solche Versammlungen, solche Gegendemonstrationen, solche demokratischen Versammlungen gegen Rechtsextremismus unterstützen und unsere klare demokratische Haltung zeigen.