Protocol of the Session on September 17, 2020

Dass viele Städte und Gemeinden in NordrheinWestfalen unglaublich engagiert im internationalen Austausch sind, ist ausdrücklich ein Grund zur Freude. Aber diese Kommunen brauchen auch eine angemessene Unterstützung von der Landesebene, die über reine PR hinausgeht.

In all diesen Bereichen brauchen wir progressive politische Impulse und Entscheidungen, um diese Errungenschaften europäischer Solidarität für die Zukunft zu sichern. Das ist Ziel des Antrags.

Man kann natürlich so weitermachen wie bisher und jeden Vorschlag allein deshalb ablehnen, weil er nicht aus der eigenen Feder stammt –

(Zuruf von Markus Wagner [AfD])

oder aber der Landtag leistet heute einen gemeinsamen Beitrag für ein krisenfesteres, solidarischeres Europa, um die größte Krise seit dem Zweiten Weltkrieg zu bewältigen.

Unsere Entscheidung, die Entscheidung der SPD, ist uns nicht schwergefallen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, tun Sie es uns nach. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die FDP-Fraktion spricht nun der Abgeordnete Herr Nückel.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kollege Weiß, es ist natürlich schwierig, einer Sache zu folgen, mit der man schon vorangegangen ist. Ich glaube, Sie haben sich ein bisschen damit schwergetan, bei den Dingen, die wir in Nordrhein-Westfalen unternehmen, Haare in der Suppe zu finden. – Aber egal.

Als zu Beginn der Coronapandemie hektische Ausfuhrverbote für medizinisches Gerät beschlossen und die innereuropäischen Grenzen reflexartig geschlossen wurden, hatten wir wohl alle zunächst den Eindruck, dass von der europäischen Solidarität nicht viel übrig geblieben ist. Corona schien ein bisschen die Krankheit des Nationalismus wiederzubeleben, und ein gemeinsames europäisches Vorgehen schien in dieser Krise an seine Grenzen zu stoßen.

Wir in NRW und die Freunde in den Niederlanden und in Belgien haben diesen Fehler eindeutig nicht gemacht. Im Gegenteil! In der Zeit, in der die europäische Solidarität zu Beginn der Coronakrise zu wünschen übrig ließ, wählte NRW bewusst einen Sonderweg im Gegensatz zu anderen Ländern, aber auch anderen Bundesländern.

Unsere Landesregierung hat sich vehement dafür eingesetzt, dass die NRW-Grenzen offen bleiben.

Auf Initiative von NRW ist zudem direkt zu Beginn der Coronapandemie die erwähnte „Cross-Border Task Force Corona“ mit dem Ziel ins Leben gerufen worden, ein grenzüberschreitendes Krisenmanagement zwischen NRW, den Niederlanden und Belgien zu gewährleisten, Informationen schnell zu teilen, Aktivitäten möglichst schnell zu synchronisieren und, und, und. Im Rahmen dieser „Task Force“ wurden zudem laufend Informationen über die aktuelle Auslastung der Intensivbetten dies- und jenseits der Grenzen ausgetauscht, um bei Aufnahme ausländischer Patienten auch schnell auf die aktuellen Engpässe reagieren zu können.

NRW hat im Verlauf der Pandemie zahlreiche besonders gefährdete COVID-19-Patienten aus den Niederlanden aufgenommen und versorgt. Das ist gelebte europäische Solidarität. Davon möchte sich – das merken wir – beispielsweise Baden-Württemberg für seine Zusammenarbeit mit Frankreich künftig eine Scheibe abschneiden. Auch dort wird nun über eine grenzüberschreitende Taskforce nach dem Vorbild Nordrhein-Westfalens nachgedacht und eine solche geplant.

Europäische Solidarität wird jedoch nicht nur auf Landesebene, sondern auch, wie schon angesprochen, auf der Ebene der Kommunen gelebt. Wir haben bereits in den Beratungen des Ausschusses für Europa und Internationales auf die Aktivitäten grenznaher Kommunen hingewiesen, die mit ihren niederländischen und belgischen Nachbarstädten während der Pandemie in engem Austausch standen und sich gegenseitige Hilfe zugesichert haben.

Diese fruchtbare Zusammenarbeit wird bereits von der Landesregierung über bestehende Programme unterstützt. Auch in anderen Feldern sind in den vergangenen Wochen wichtige Schritte unternommen worden, die die wiederentdeckte Solidarität zwischen den europäischen Staaten unterstrichen haben.

Wir als Liberale und als NRW-Koalition befürworten die auf europäischer Ebene vereinbarten Maßnahmen zur Bekämpfung der wirtschaftlichen Folgen der Pandemie. Als Liberale hätten wir uns zwar mehr Impulse für Bildung, Forschung und Digitales durch den MFR gewünscht, allerdings ist das Ergebnis zum Wiederaufbaufonds letztendlich besser gelungen als sein ursprünglicher Vorschlag.

Grundsätzlich ist es aber richtig, glaube ich, dass die von den Grünen geforderten Corona-Bonds am Ende des Tages nicht kommen werden. Ein solches Instrument – das wird Sie jetzt nicht überraschen – lehnen wir Liberale aus den bekannten Gründen ab.

Wir begrüßen hingegen ausdrücklich die bestehenden Bemühungen der Europäischen Union und ihrer Mitglieder im Bereich der gemeinsamen Beschaffung, Produktion und Bereithaltung von Schutzausrüstungen und weiteren medizinischen Artikeln und Hygieneartikeln. Deshalb lässt sich eigentlich

feststellen, dass die Landesregierung in ihrem Bemühen und in ihren Aktivitäten im Rahmen ihrer Zuständigkeit bereits die geforderten Aktivitäten unterstützt und sich im Sinne der europäischen Solidarität einsetzt. Wir lehnen Ihren Antrag daher heute ab. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Fraktion der Grünen spricht der Abgeordnete Herr Remmel.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich habe gerade von den Regierungsfraktionen vernommen, wo sozusagen ihr Maßstab ist, ob das Anliegen des Antrags erfüllt ist oder nicht. Sie haben die Taten der Landesregierung aufgezählt, die in der Tat an der einen oder anderen Stelle – Herr Weiß hat es dokumentiert – ein wenig in die Richtung, die wir beantragt haben, gegangen sind. Aber ich will Ihnen einen anderen Maßstab präsentieren:

„Zuallererst muss Europa auch weiterhin Leben und Lebensgrundlagen schützen. … Wir wissen, wie schnell Zahlen in die Höhe schießen und außer Kontrolle geraten können.

Aus diesem Grund müssen wir in dieser Pandemie auch weiterhin mit extremer Vorsicht agieren, mit großer Verantwortung und großer Geschlossenheit. …

Für mich liegt klar auf der Hand – wir müssen eine starke Europäische Gesundheitsunion schaffen. …

Außerdem müssen wir nicht nur dafür sorgen, dass wir für künftige Krisen besser gewappnet sind, sondern auch effektiver auf grenzübergreifende Gesundheitsgefahren reagieren können. …

Als dritten Schritt müssen wir über die Zuständigkeiten im Gesundheitsbereich sprechen. Dies ist klarer als je zuvor – und, wie ich finde, eine lohnende und dringende Aufgabe der Konferenz über die Zukunft Europas.“

Die Sätze, die ich jetzt zitiert habe, sind nicht von mir, sondern von der Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen aus der großen Rede, die sie gestern gehalten hat. Mindestens ein Drittel der Redezeit hat sie auf die Frage der zukünftigen europäischen Gesundheitspolitik verwandt.

Ich finde, das muss der Maßstab zur Beurteilung dessen sein, was wir beantragen. Da wirkt das, was die Koalitionsfraktionen hier präsentiert haben, doch so ein bisschen rheinisch: Na ja, wir haben es noch mal geschafft, et hätt noch irgendwie joot jejange, und da sind wir da rübergekommen.

Ja, aber das ist nicht der Modus, den wir brauchen. Wir brauchen Struktur, wir brauchen Konzept, und wir brauchen Zukunftsvorstellungen. Das ist das, was wir mit unserem Antrag gemeinsam angeregt haben: eine Initiative zu einer europäischen Gesundheitspolitik in der ganzen Breite, jedenfalls aus der Region zu entwickeln.

Dazu zählt, die Partnerschaft mit unseren Partnerregionen in dieser Hinsicht auszubauen. Dazu zählt die Unterstützung der Städtepartnerschaften. Dazu zählt aber auch, ein Gesundheitsregime zu installieren, das es uns erlaubt, auch in zukünftigen Krisen das, was wir erlebt haben, nämlich Grenzschließungen und Rückfall in nationale Zuständigkeiten, zu überwinden. Dazu zählt eben auch, dass wir uns in der Resilienz europäisch abstimmen, was Gesundheitsprodukte, aber auch Medizin und Bekämpfungsmaßnahmen angeht.

Das ist nicht mal eben so zu machen. Dafür braucht man konzeptionelle Vorstellungen einschließlich der Vorstellung, wie in Sachen „Aufbaufonds“ europäische Solidarität erreicht werden kann.

Insofern ist unser Antrag aktuell. Das, was die Koalitionsfraktionen als Antwort gegeben haben, reicht aus unserer Sicht nicht aus. Deshalb die herzliche Bitte, doch unserem Antrag zuzustimmen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die AfD spricht der Abgeordnete Tritschler.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es vergeht ja kein Plenum, in dem SPD und Grüne nicht die Knauserigkeit der Landesregierung in mindestens einem halben Dutzend von Bereichen beklagen: im Wohnungsbau, bei den Schulen, bei den Kitas, bei den Radwegen, bei den Kommunen und sowieso beim Klimaschutz.

Ich will jetzt gar nicht jeden Einzelfall bewerten und fragen, wie berechtigt oder unberechtigt die Klagen sind. Fakt ist aber doch, dass das Land NRW schon vor dem Lockdown kaum schwarze Zahlen schrieb und noch viel weniger in der Lage war, die angehäufte Verschuldung abzubauen.

So oder so ähnlich sieht es auf allen staatlichen Ebenen von Kommunen bis zum Bund aus, und das alles, obwohl sich die größte Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit noch gar nicht in den Büchern niedergeschlagen hat, obwohl Ihre Deindustriealisierungs- und Klimapolitik und der damit künstlich herbeigeführte Strukturwandel gerade erst Fahrt aufnehmen.

Trotz alledem können die Grünen, aber auch die SPD, die vermeintliche Partei der kleinen Leute, es gar nicht abwarten, das knappe Geld, das unsere Deutschen an Steuern zahlen, ins Ausland zu überweisen. Allein mit den Corona-Bonds, die Sie hier fordern, der allgemeinen gemeinsamen Verschuldung aller Euro-Staaten, würden – so die jüngsten Modelle – rund 1,5 Billionen Euro, 4.500 Euro für jeden einzelnen Bundesbürger, in die Kassen anderer EUStaaten transferiert.

Aber uns geht es doch so gut, hört man dann immer wieder, was aber irgendwie nicht dazu passt, dass Sie bei jeder Gelegenheit beklagen, dass es uns ja doch nicht so gut geht.

Es stimmt auch einfach nicht. Den Deutschen geht es nicht besser. Das Medianvermögen, also das mittlere Vermögen, ist zum Beispiel in Italien etwa 53.000 Euro niedriger als in Deutschland. Mit anderen Worten: Die Deutschen sind im Schnitt ärmer als die Italiener und sollen nach dem Willen von SPD und Grünen nun auch noch die Löcher im italienischen Staatshaushalt stopfen. Dass diese weniger mit Corona und vielmehr mit jahrzehntelanger Misswirtschaft und Reformverweigerung zu tun haben, ist ihnen dabei herzlich egal. Wir haben es ja.

Kreativ ist im Übrigen auch die Begründung, man müsse das machen, weil sonst woanders Zweifel an der EU aufkommen könnten. Meine Damen und Herren, wenn es wirklich diese Freundschaft ist, die Sie bei jeder Gelegenheit hier besingen, dann muss man sie nicht kaufen. Für Leute, deren Zuneigung man sich erkaufen muss, gibt es ein Wort, und das nicht „Freundschaft“ – für die Käufer übrigens auch nicht.

Auf einen weiteren Punkt in Ihrem bunten Forderungsstrauß will ich noch eingehen. Sie wollen den Schengen-Ländern jede Möglichkeit nehmen, ihre Grenzen zu schließen, auch bei Gefahrenlagen wie zum Beispiel einer Pandemie. Das ist im jetzigen Kontext schon eine ziemlich bizarre Forderung, wenn man sieht, wie sich SPD- und Grünen-geführte Landesregierungen noch vor wenigen Wochen verhalten haben.

Da wurden innerhalb von Deutschland Landesgrenzen mehr oder weniger geschlossen. Da wurden Deutsche von ihrem eigenen Grund und Boden in Deutschland verwiesen, sofern es sich um Zweitwohnungen handelte, von den ganzen anderen Maßnahmen, die für die meisten Bürger mehr oder weniger Hausarrest bedeuteten, mal ganz abgesehen. Aber Hauptsache, die Außengrenzen bleiben offen!

Man sieht auch an diesem Antrag, wie krankhaft übersteigert Ihre Verliebtheit in diese EU inzwischen ist. Sie vernachlässigen die eigenen Leute, nur um eine historische Fehlkonstruktion am Leben zu erhalten.

(Rüdiger Weiß [SPD]: Ach!)

Das Problem ist nur: Irgendwann geht auch uns Deutschen das Geld aus. Die AfD macht da nicht mit. Wir haben nun wirklich genug eigene Baustellen, die die ganz große Altparteienkoalition hauptsächlich zu verantworten hat. Wir können es uns nicht mehr leisten, etwas zu erkaufen, was offenbar aus eigener Kraft nicht bestehen kann.

(Beifall von der AfD)

Vielen Dank. – Für die Landesregierung spricht nun Frau Ministerin Heinen-Esser in Vertretung von Minister Dr. Holthoff-Pförtner.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! So richtig mit dem Thema hatte die Rede jetzt nichts zu tun, oder? Ich bin zwar nicht die absolute Europaexpertin, aber ich kann sagen: Es geht hier um den Antrag von SPD und Grünen. Darüber sollten wir dann auch reden. Daher wollen wir keine allgemeinen weitschweifigen Äußerungen dazu hören, warum die AfD die Europäische Union, die uns viel Wirtschaft, Wohlstand und Wachstum gebracht hat, ablehnt.