Protocol of the Session on December 2, 2015

Wir setzen zudem starke Signale in internationalen Netzwerken. In der Climate Group haben wir zusammen mit anderen Regionen an einem Positionspapier zu einem neuen Weltklimaabkommen mitgearbeitet, um die Rolle der Regionen im internationalen Klimaschutz zu betonen und zu stärken. Das Papier wird während der Weltklimakonferenz vorgestellt und über das UN-Sekretariat in die laufenden Verhandlungen eingebracht.

Um den Verhandlungen in Paris einen zusätzlichen Schub zu geben und ein Zeichen zu setzen, ist unser Land der von Kalifornien und Baden-Württemberg initiierten Klimaschutzinitiative Under 2 MOU beigetreten. Mittlerweile haben sich weltweit bereits 57 Regionen und Städte der Initiative angeschlossen. Nimmt man alle Regionen zusammen, dann stehen dahinter 572 Millionen Menschen und ein Bruttoinlandsprodukt von 17,5 Billionen US-Dollar, immerhin ein Drittel der Weltwirtschaft. Außerdem kooperieren wir in Sachen Klimaschutz und Energiewende mit Regionen in Japan, China, USA, Frankreich, und erste Ansätze der Kooperationen gibt es mit Lateinamerika.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben also einen klaren Fahrplan in die Zukunft des Klimaschutzlandes NRW.

Der weitere Ausbau der erneuerbaren Energien, insbesondere der Windenergie im Binnenland, der Solar- und der Wasserkraft sowie der Biomasse als Speicher- und Brückentechnologie, ist Voraussetzung für ein Gelingen der Energiewende und eine Reduzierung der Treibhausgasemissionen.

Bei Speichernetzen und intelligentem Management setzen wir auf dezentrale Technologien und Systemlösungen. Wir fangen endlich an mit einer konsequenten Wärmewende hier in Nordrhein-Westfalen und schlagen mit Strom- und Wärmeproduktion gleichzeitig in Sachen einer umfassenden KWKOffensive zwei Fliegen mit einer Klappe. Wir setzen auf Gebäudesanierung, emissionsfreie Mobilität und klimafreundliche Landwirtschaft. Schließlich machen wir Nordrhein-Westfalen extrem wetterfest angesichts der heute schon nicht mehr abwendbaren Folgen des Klimawandels.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir warten also nicht auf die Erfolge der großen Klimadiplomatie, aber wir brauchen sie. Wir krempeln die Ärmel bereits jetzt hoch, und wir tun hier und heute,

was vor Ort getan werden kann. Klimaschutz made in NRW nimmt von unten Gestalt an.

Über 120 Städte und Gemeinden in NordrheinWestfalen an Rhein und Weser haben bereits eigene Klimaschutzkonzepte. Rund 300 NRW-Kommunen bilanzieren inzwischen ihre CO2-Emissionen, über 115 Kommunen aus NRW nehmen am European Energy Award teil.

Viele Unternehmen sehen im Klimaschutz in Nordrhein-Westfalen ihre Chance und nutzen sie. Wir haben Weltmarktführer der grünen Technologien mit Sitz in Nordrhein-Westfalen, und sie geben unserem Land ein neues Gesicht. Ich selber bin immer wieder überrascht. Ich rate Ihnen, einmal auf die Homepage der Energieagentur zu schauen. Das, was man da alles an Projekten und Initiativen, die es in Nordrhein-Westfalen schon gibt, findet, ist ein wahres Poesiealbum von Klimaschutz und Energiewende. Copy and Paste ist ausdrücklich erwünscht.

Auch die junge Generation schaltet sich ein. Gestern noch war ein Botschafter der Initiative „Stop Talking – Plant-for-the-planet“ hier im Landtag. Das ist eine Bewegung, die von Felix Finkbeiner initiiert wurde und mittlerweile weltweit Wurzeln geschlagen hat. Klimaschutz ist nämlich ein Mehrgenerationenprojekt, heute für morgen handeln, meine sehr verehrten Damen und Herren. Darum geht es. Diese Dynamik von unten wollen wir nutzen und stärken zum Schutz des Klimas, zur Stärkung regionaler Ökonomien und zur Sicherung der Akzeptanz der Energiewende in unserem Land. In NordrheinWestfalen leben 80 Millionen potenzielle Klimagenossinnen und -genossen. Darauf setzen wir.

Es ist sonnenklar: Die anstehenden Herausforderungen und Transformationsprozesse hin zu einem kohlenstoffarmen Energiezeitalter schaffen wir nur mit Wirtschaft und Industrie. Wir arbeiten hier gemeinsam an Lösungen für die Zukunft. Wir müssen noch viele Technologiesprünge gemeinsam schaffen.

Ich bin aber auch der Meinung, dass das im ureigensten Interesse der Wirtschaft selbst liegt. Laut einer aktuellen Studie der Stanford University bremsen steigende Temperaturen die Weltwirtschaft spürbar aus. Die Analyse aus 166 Staaten für den Zeitraum von 1960 bis 2010 zeigt: Bei weiterer Erderwärmung droht eine Verminderung der weltweiten Wirtschaftskraft um fast ein Viertel. Das heißt doch nichts anderes als: Klimaschutz ist pure ökonomische Vernunft.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein solcher Weg braucht aber klare Rahmenbedingungen und tragfähige politische Leitentscheidungen. Expertinnen und Experten bescheinigen der aktuellen Bundesregierung, dass das Erreichen der Klimaziele – minus 40 % CO2 bis 2020 – in der Bundesrepublik kaum noch zu schaffen ist. Deshalb brauchen

wir endlich Klarheit über die bundespolitischen Rahmenbedingungen in allen Klimaschutzbereichen.

Der schlafende Riese der Energiewende – Energieeinsparung und Energieeffizienz – schlummert immer noch vor sich hin. Dabei liegt das Geld förmlich auf der Straße. Wir müssen es nur einsammeln und die nötigen Rahmenbedingungen schaffen.

Die Länder haben immer noch keine Klarheit über die Mittel des Bundes bei der Einführung eines umfassenden klimafreundlichen ÖPNV.

Die Förderung der Elektromobilität ist völlig unzureichend und kommt über die Symbolik nicht hinaus.

Bei der anstehenden EEG-Novelle muss darauf geachtet werden, dass die Bürgerenergie nicht unter die Räder kommt; im Entwurf scheint es so zu sein.

Nicht einmal ein Jahr nach der Verabschiedung der Bausteine des Aktionsprogramms Klimaschutz der Bundesregierung stellen wir fest, dass es nur zögerlich umgesetzt wird.

Zögerlichkeit gibt es auch bei der Umsetzung des KWK-Gesetzes und des Klimaschutzplans auf Bundesebene.

Wir warten immer noch auf eine umfassende Unterstützung bei der Gebäudesanierung; denn sonst werden wir die Ziele auch in diesem Bereich deutlich verfehlen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, deshalb habe ich den Eindruck, dass wir im Land, in den Kommunen und bei vielen Unternehmen schon weiter sind, als manche sich das vorstellen können.

Zum Schluss will ich noch einmal den Präsidenten der Rockefeller-Stiftung zitieren. Auf die Frage, was Rockefeller heute tun würde, antwortete Stephen Heintz:

Heute würde er die Welt ansehen und die enormen Klimarisiken mit ihrer zerstörerischen wirtschaftlichen Kompetenz erkennen. Dann würde er seinen Blick auf den grünen Wirtschaftssektor richten und sagen: Das ist die Zukunft. Da muss die Welt hin. Und ich will der Erste sein und hohe Gewinne machen.

Genau das wollen wir in Nordrhein-Westfalen auch: Erste sein und gewinnen, mit Klimaschutz made in NRW. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. – Wir kommen zur Aussprache. Für die CDU-Fraktion gebe ich nun dem Abgeordneten Hovenjürgen das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Herr Remmel, es war spannend, Ihnen zuzuhören. Der unterrichtende Teil war überschaubar. Der Teil, bei dem wir Ihnen zustimmen, ist die Tatsache, dass wir alle gemeinsam ein Interesse daran haben, dass Paris ein Erfolg wird. Paris muss ein Erfolg werden, weil wir uns natürlich alle gemeinsam zum Zwei-Grad-Ziel und zu den Klimazielen der Bundesregierung bekennen. Insofern sind wir hier auch gemeinsam unterwegs.

Vor diesem Hintergrund nehmen wir mit einem gewissen Erstaunen zur Kenntnis, in welcher Form Sie sich heute in dieser Debatte damit nach vorne geschoben haben. Nichtsdestotrotz führen wir diese Diskussion gerne mit Ihnen, meine Damen und Herren.

In der Tat müssen wir über Klimawandel reden. Selbstverständlich sehen wir die Notwendigkeit, hier etwas zu unternehmen. Dafür, dass wir dringend handeln müssen, sprechen Fakten, die nicht zu leugnen sind:

14 der 15 heißesten Jahre seit Beginn der Wetteraufzeichnungen hatten wir zu Beginn dieses Jahrtausends. Die Gletscher schmelzen in einer Rekordgeschwindigkeit ab. Wir haben einen Anstieg des Meeresspiegels in einer Größenordnung von 19 cm, also mit hoher Wahrscheinlichkeit mehr als in den letzten Jahrtausenden. Das alles sind Fakten, über die man nicht streiten muss. In der Analyse stimmen wir zu. Es gibt also kein Erkenntnisproblem.

Meine Damen und Herren, wenn wir den Pathos aber einmal beiseitelassen, die ideologische Brille ein wenig absetzen und nüchtern auf die nackten Zahlen schauen, stellen wir fest, dass 13 der 20 am meisten verschmutzten Städte der Welt in Indien liegen. Dennoch haben in Indien 400 Millionen Menschen keinen Strom, obwohl man in Indien in den zurückliegenden Jahren bereits so viele neue Kohlekraftwerke gebaut hat, dass die Stromproduktion dort insgesamt sogar um 73 % gesteigert wurde. Noch schlechter ist die Lage zurzeit in einigen chinesischen Städten. In Peking wurden in den letzten Tagen bei den offiziellen Feinstaubmessungen der Stadt 500 mg/m³ angegeben. Das ist mehr als 20 Mal so viel, wie die Weltgesundheitsorganisation für tragbar hält.

Gleichzeitig bauen beide Länder ihre Energiegewinnung aus Kohle aus. Allein Indien will bis 2019 seinen Kohleabbau verdoppeln. Bereits in elf Jahren – so das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung – wird die Summe aller durch China bis dahin verursachten CO2-Emissionen den gesamten historischen Beitrag sämtlicher EU-Länder übersteigen.

Das heißt, dass im Jahr 2014 China mehr als 23 %, die USA fast 15 %, Indien knapp 6 %, Russland et

wa 5 % und Brasilien etwas über 4 % der weltweiten Treibhausgase verursachen. Somit pusten die fünf größten Klimasünder 2014 mehr als die Hälfte aller Treibhausgase in die Welt. Mit Ausnahme eines kleinen russischen Teils liegen diese fünf Länder nicht in Europa. Deutschland trägt mit 2,2 % zum weltweiten CO2-Ausstoß bei. Ich darf diese Zahl noch einmal wiederholen: mit 2,2 %.

Schauen wir uns die Steigerungsraten der sieben größten Emittenten von 1990 bis 2014 an, kann einem angst und bange werden; denn bis auf Russland haben alle Länder ihren Ausstoß vervielfacht. China hat ihn beispielsweise um 297 % gesteigert, Indien um 259 %, Brasilien um 140 % und Japan immer noch um 16 %. Und es ist nicht davon auszugehen, dass sich das ab 2015 radikal ändert.

Meine Damen und Herren, aufhorchen lässt auch die Nachricht, dass China in den Jahren seit 2000 seinen eigenen Kohleverbrauch zu niedrig angegeben hat. So schreibt die Wochenzeitung „Die Zeit“ am 4. November 2015, dass China beispielsweise in den Jahren 2011 und 2012 nicht wie angegeben, 3,5 Milliarden t Kohle verbraucht hat, sondern 4 Milliarden t. Zum Vergleich: Allein diese Steigerung von 17 % übertrifft den gesamten deutschen Ausstoß an Treibhausgasen durch fossile Brennstoffen. Deutschland hat seinen Anteil um 23 % reduziert.

Damit sind wir eines der wenigen Länder der Welt, die tatsächlich etwas dazu beitragen und dazu beigetragen haben, dass sich die CO2 -Emissionen reduzieren. Was aber hat das Weltklima davon? Während Deutschland seine Emissionen etwa um ein Viertel reduziert, hat China seinen Ausstoß in der gleichen Zeit locker verdreifacht.

Meine Damen und Herren, wenn man sich all diese Fakten vor Augen führt, sollte auch einem Grünen bewusst werden, dass das Abschalten von zehn RWE-Kraftwerken die Welt nicht retten wird. Ich will aber auch Ihrer Lieblingsformel „Irgendwann muss jemand anfangen“ etwas entgegnen.

Am Anfang steht die Einsicht, dass es keinen Sinn macht, das Klima regional zu denken und es für NRW sinnlos ist, einen Plan aufzustellen, der uns zu Zielen verpflichtet, die jenseits unserer Grenzen keinerlei Beachtung finden, sondern lediglich dazu führen, dass wir unsere Industrie, die Wertschöpfung und die Arbeitsplätze aus dem Land treiben.

(Beifall von der CDU und der FDP – Armin Laschet [CDU]: So ist das!)

Für mich verbindet sich mit der Pariser Konferenz die Hoffnung, dass uns dort ein Abkommen gelingt, das zumindest einige Mindestverpflichtungen enthält, an die sich dann die großen Klimabelaster halten werden. Erst dann ist die Konferenz ein Erfolg.

Was die Welt dabei braucht, ist keine „German Angst“ und keine Politik des erhobenen Zeigefingers. Die Welt braucht innovative Lösungen. Daran

können sich gerade deutsche Unternehmen beteiligen. Das ist der Weg zum Erfolg, und das ist der Weg zur Bekämpfung von Emissionen.

Es ist schlichtweg so, dass viele Länder bei ihrer Energieversorgung nicht wählerisch sein können. Die Entscheidung für einen bestimmten Energieträger wird danach getroffen, dass eine Energieversorgung kosteneffizient, zuverlässig, schnell steigerbar und sicher ist. In vielen Regionen der Welt geht es nicht darum, ob die Energieversorgung mit konventioneller und erneuerbarer Energie stattfindet, sondern dass überhaupt eine Energieversorgung stattfindet.

Für NRW bedeutet das eine Chance, Herr Remmel. Denn wenn der Klimaschutz als globale Aufgabe gesehen wird, kann gerade das für die exportorientierte Wirtschaft in NRW als Wachstumstreiber wirken. Zum Beispiel helfen die in NRW von Maschinen- und Anlagenbauern oder der chemischen Industrie entwickelten und hergestellten Produkte weltweit bei der Nutzung regenerativer Energien und bei der Verbesserung der Energieeffizienz.

Gleichzeitig ist die Produktion in NRW besonders klimafreundlich. So ist zum Beispiel der Energieeinsatz der chemischen Industrie seit 1990 um 20 % gesunken, obwohl die Produktion um fast 60 % gestiegen ist. Das darf man auch einmal positiv bewerten, und es zeigt auch, dass hier Industrie Partner und nicht Gegner ist. Der Klimawandel bedarf des Zusammentuns und des Zusammenarbeitens aller Player, und hierzu gehören diejenigen, die produzieren, genauso wie diejenigen, die Politik gestalten, Herr Remmel.

Dass aber eine partnerschaftliche Politik mit der Wirtschaft im Klimaschutzplan zu erkennen ist, vermögen wir an dieser Stelle nicht zu teilen, sondern wir sehen mehr das Bedrohungspotenzial und wieder den erhobenen Zeigefinger, anstatt hier die Chance auf Partnerschaft mit den Handelnden zu nutzen. Das ist eine Ihrer großen Achillesversen im Handeln Ihres Hauses, Herr Remmel.

Klimaschutz muss europäisch gedacht werden. Und weil die Emissionen nicht an den Landesgrenzen Nordrhein-Westfalens enden, setzt die CDU

Landtagsfraktion statt auf einen wirtschaftsfeindlichen Klimaschutzplan, auf Steuerungsinstrumente wie das ETS, den Europäischen CO2 -Zertifikatehandel.

Im Übrigen: Herr Remmel, Rot-Grün wäre deutlich glaubhafter, wenn Sie Ihre Hausaufgaben machen würden. Deswegen war auch etwas viel weiße Farbe in Ihrem Vortrag über die Erfolge, die Sie hier darstellten. Die Realität sieht – leider – ein bisschen anders aus und bietet eine sehr triste Bilanz, wenn man die Lupe dazunimmt und genau hinschaut.