Wir kommen somit zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 16/8123 an den Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk – federführend – sowie an den Haushalts- und Finanzausschuss. Aussprache und Abstimmung sollten nach Vorlage der Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses erfolgen. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht zustimmen? – Wer enthält sich? – Damit ist die Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Herren, meine Damen! Der Mensch ist, was er als Mensch sein soll, …
Frau Kollegin Birkhahn, ich bitte einen Moment um Ihre Aufmerksamkeit. – Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich bitte, die Gespräche, die geführt werden müssen, draußen zu führen, soweit sie das Plenum stören. Es war sehr laut. Ich bitte Frau Kollegin Birkhahn, mit ihren Ausführungen zu beginnen.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Der Mensch ist, was er als Mensch sein soll, erst durch Bildung. Dieser Ausspruch des Philosophen Hegel legt den Finger genau darauf, welche Bedeutung Bildung für uns alle hat. Neue Dinge zu begreifen, zu verstehen und zielgerichtet anzuwenden, ist die Basis unserer Entwicklung. Bildung ist ein wesentlicher Faktor für soziale Integration und gesellschaftliche Teilhabe. Jedem Menschen die Chance zu geben, sich zu bilden, muss deshalb der Anspruch und die Pflicht von uns allen sein.
Inklusion in der Schule ist gegenwärtig in aller Munde. Bildung ist aber nicht auf den schulischen Raum begrenzt, und sie entwickelt sich im Rahmen des lebenslangen Lernens. Die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen an Möglichkeiten der Erwachsenenbildung und damit am gesellschaftlichen Leben, ist heutzutage jedoch teilweise mit hohen Hindernissen verbunden. Diese Hindernisse wollen wir mit dem vorliegenden Antrag und seiner Fülle an Vorschlägen überwinden.
Wie kann das gelingen? Ein Schlüssel liegt in der Arbeit des Ehrenamts. Als Ehrenamtsbeauftragte ist es mir ein besonderes Anliegen, auf die Bedeutung dieses Amtes für Inklusion hinzuweisen, wie es auch im Antrag formuliert ist. Ich ziehe meinen Hut vor allen Menschen, die sich in ihrer Freizeit ehrenamtlich engagieren. Besonders betonen möchte ich, dass Menschen mit Beeinträchtigungen ebenso Ehrenämter wahrnehmen. Sie leisten wertvolle Hilfe für andere Menschen, nicht nur im Bereich der Selbsthilfe.
Wenn Ehrenamt gezielt eingesetzt wird, ist es ein wichtiger Wegbegleiter in eine inklusive Gesellschaft. Wollen wir Menschen mit Behinderungen die gleichen Möglichkeiten im Bereich der Erwachsenenbildung einräumen, werden wir auf ehrenamtliche Helferinnen und Helfer nicht verzichten können.
Deshalb fordern wir die Landesregierung dazu auf, Ehrenamt für Inklusion mit Hilfe von Institutionen der Erwachsenenbildung zu fördern und in NordrheinWestfalen flächendeckend zu etablieren.
Es gibt bereits einige gute Beispiele, bei denen dieses Prinzip angewandt wird, wie etwa die Volkshochschule in Gütersloh oder das Haus der Familie in Warendorf.
Daraus folgt – unter der Maßgabe der UNKonvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen – die dringliche Aufgabe, für Menschen mit Behinderungen wegen der Bedeutung von Bildung für die gesellschaftliche Teilhabe, einen Leitfaden für Bildungseinrichtungen zu entwickeln, mit dem Ziel, bei Zugang und Teilhabe Barrierefreiheit sicherzustellen und eine Förderung von ehrenamtlichem Engagement von und für Menschen mit Behinderungen umzusetzen.
Eine gezielte Stärkung des Ehrenamts hat aber noch andere Forderungen zu erfüllen: Wir brauchen ehrenamtliche Inklusionsbeauftragte in Einrichtungen der Erwachsenenbildung. Sie können dort eingesetzt werden, damit sie als Ansprechpartner für Menschen mit und ohne Behinderung fungieren und den Prozess hin zu einer umfassenden Teilhabe in den Bildungsstätten begleiten.
Ein besonderes Beispiel für ein niederschwelliges Angebot des ehrenamtlichen Engagements von Menschen mit Behinderungen für Menschen mit Behinderungen ist das Projekt „Hilfe zur Selbsthilfe vor Ort – Lotse/Lotsin für Menschen mit Behinderung“ zu erwähnen. Bei diesem Projekt der Behindertenselbsthilfe unterstützen ehrenamtlich tätige Lotsinnen und Lotsen behinderte und chronisch kranke Menschen sowie deren Angehörige in sämtlichen Lebenslagen.
Der Einsatz solcher „Kümmerer“ oder Lotsen ist auch in unserem Werkstattgespräch in dieser Woche ausdrücklich gewünscht worden. Solch ein Projekt darf nicht durch den Rotstift gefährdet werden. Wir setzen uns massiv für dessen Förderung ein und werden das auch noch im Ausschuss diskutieren.
Viele Lotsinnen und Lotsen leben am Rande des Existenzminimums. Sie verfügen nicht über die finanziellen Mittel, die während ihrer Tätigkeit aufzuwenden sind. Auch hier brauchen wir rechtliche Regelungen, über die wir noch im Rahmen des Ausschusses miteinander ins Gespräch kommen werden.
Ich komme zum Schluss. – Erwachsenenbildung ist ein Teil der gleichberechtigten und gesellschaftlichen Teilhabe. Unsere Aufgabe ist es, diese Teilhabe Menschen mit Behinderungen zu ermöglichen. Das Ehrenamt spielt dabei eine wichtige Rolle, und der vorliegende Antrag verzahnt diese drei Aspekte miteinander und trägt dazu bei, Barrieren in den Köpfen der Menschen abzubauen und eine gemeinsame Lebenswelt im Bereich der Erwachsenenbildung auf den Weg zu bringen.
Deshalb freue ich mich auf die Diskussion in beiden Fachausschüssen und hoffe auf Ihre Unterstützung. – Danke für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Heute früh haben wir im Zusammenhang mit der Entlastung der Kommunen ein wichtiges Thema behandelt, bei dem es natürlich auch um Menschen mit Behinderung ging, nämlich bei der Frage der Schaffung eines Bundesteilhabegesetzes, eines modernen und wichtigen Gesetzes, bei dem es darum geht, Menschen mit Behinderung aus der Fürsorgeleistung heraus in ein aktives, selbstbestimmtes, teilhabeorientiertes Leben zu bringen. Schade, dass die Resolution, die dieses enthalten hat, nicht die Zustimmung auch der anderen großen Volkspartei, der CDU, in diesem Landtag gefunden hat. Das wäre ein gutes Signal für diesen Antrag heute Abend gewesen.
Wir werden natürlich nicht nur der Überweisung zustimmen, sondern uns auch konstruktiv damit auseinandersetzen. Es ist klar, dass die Frage von Bewusstsein eine zentrale Frage ist, wenn es darum geht, Nordrhein-Westfalen auf dem Weg in die Inklusion zu begleiten. Das Ehrenamt ist dabei nicht allein für die Inklusion wichtig, denn ohne Ehrenamt – da sind wir uns sicher einig – würde diese Gesellschaft in vielen Bereichen nicht existieren können.
Nun habe ich beim Lesen des Inhalts des Antrags, der Antragsbegründung so richtig nicht verstanden, worum es geht. Sie schreiben auf der einen Seite: Es geht um Volkshochschulen und Weiterbildungseinrichtungen; dort soll es ehrenamtliche Inklusionsbeauftragte geben. Zum anderen geht es um
das Projekt „Hilfe zur Selbsthilfe vor Ort – Lotse/Lotsin für Menschen mit Behinderung“, das derzeit im Zentrum für selbstbestimmtes Leben in Köln organisiert und umgesetzt wird. Da verweisen Sie darauf, dass dieses schon jetzt ein vom Land gefördertes Projekt ist, das weiter unterstützt werden soll.
Ich will nur darauf hinweisen, dass wir derzeit dabei sind, in jedem Landesteil, in jedem Regierungsbezirk ein Zentrum für Menschen mit Behinderung einzurichten; die Ausschreibung dazu läuft. Ich denke, da müssen wir abwarten, was in diesen Bereichen noch passieren wird.
Der Hinweis von Ihnen, Frau Birkhahn, dass viele Menschen in dem Bereich am Existenzminimum hängen, ist wichtig und richtig. Dabei muss man natürlich zur Kenntnis nehmen, dass gerade deshalb ein vernünftiges und gutes Bundesteilhabegesetz notwendig ist, damit Menschen nicht an ihrem Existenzminimum knapsen müssen, nur weil sie behindert sind, vor allem dann, wenn sie arbeiten und bei den Leistungen, die sie bekommen, auch noch den Lohn oder das Gehalt dafür abgezogen bekommen.
Das heißt: Es geht in der Thematik sicherlich um ein größeres, gesamtgesellschaftliches Thema. Wir werden das im Ausschuss selbstverständlich mit Ihnen konstruktiv diskutieren. Wir schauen mal, was man da machen kann, wobei mir es, wie gesagt, wichtig ist, dass da Fleisch an die Knochen muss, wenn es darum geht, deutlich zu machen, was der tatsächliche Ansatz dieses umfangreichen Antrages ist. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Neumann. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin GrochowiakSchmieding.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch sechs Jahre nach Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention ist Deutschland noch weit entfernt von der Umsetzung von Inklusion als Menschenrecht. Nach wie vor müssen Betroffene um ihre Rechte kämpfen, und das tagtäglich, und auch Normalverdienende – das hat Herr Kollege Scheffler eben auch schon erwähnt – geraten in die Sozialhilfe, sobald sie einen höheren Assistenzbedarf haben.
Immer noch ist die freie Wahl von Schule, Arbeit, Wohnen nicht selbstverständlich. Nach wie vor gibt es in der Gesellschaft Barrieren, die Gleichberechtigung behindern. NRW ist sicherlich auf einem guten Weg bei der Entwicklung zu einer Gesellschaft für alle. Wir müssen den Vergleich mit anderen Bundesländern sicher nicht scheuen:
derung; beim ambulanten Wohnen bieten vielfältige Angebote eine gute Alternative zu den stationären Wohnangeboten oder Wohneinrichtungen; seit einigen Jahren gehen über 80 % der Kinder schon in Regelkindertageseinrichtungen; und mit dem
9. Schulrechtsänderungsgesetz befördern wir die Inklusion in der Schule – um nur einige wichtige Maßnahmen zu nennen.
Darüber hinaus haben wir im Aktionsplan „NRW inklusiv“ der Landesregierung einen Maßnahmenkatalog, der uns der Umsetzung der gesellschaftlichen Inklusion in NRW näherbringt.
Dennoch bleibt bei der Umsetzung von gleichberechtigter Teilhabe und mehr Selbstbestimmung für alle im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention natürlich viel zu tun. Vor diesem Hintergrund ist natürlich jeder Vorschlag, der dies weiter befördert, zu begrüßen.
Nur, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, bei Ihrem Antrag kommen mir allerdings Zweifel an Ihrer Ernsthaftigkeit, und das in zweifacher Hinsicht.
Zum einen fordern Sie in Ihrem Antrag Dinge, die es in NRW schon längst gibt. Das sind zum Beispiel die von Ihnen erwähnten Lotsen und auch die Beratung nach dem Peer Counseling. Das gibt es nämlich schon, unter anderem in den bestehenden Kompetenzzentren für selbstbestimmtes Leben. Den Ausbau dieser Beratungsstruktur haben wir schon im April letzten Jahres in diesem Hohen Hause beschlossen. Dies geschah im Übrigen gegen Ihre Stimmen. Es ist deshalb schon erstaunlich, dass Sie heute mit einem solchen Antrag um die Ecke kommen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, mir gibt auch die Tatsache zu denken, dass dieser Antrag von der gleichen Fraktion gestellt wird, deren gemeinsamer Antrag mit der FDP zu Sozialkosten erst in der letzten Woche im Kommunalausschuss abgelehnt wurde. Worum ging es dabei? Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU: Mit diesem Antrag wollten Sie eine Taskforce für Sozialkosten in der Eingliederungshilfe beschließen lassen.
Natürlich habe ich nichts dagegen, ein Augenmerk auf die Ausgaben bei den Sozialleistungen zu legen. Auch das ist richtig.
Aber Sie haben Ihre Forderungen auf ein Gutachten des FiFo-Instituts gestützt, dessen Datenlage im Rahmen der Anhörung von allen Experten negativ beurteilt, um nicht zu sagen verrissen wurde. Dennoch haben die Kolleginnen und Kollegen von der CDU und der FDP davon gesprochen, dass gegebenenfalls auch Standardabsenkungen bei den Leistungen für Menschen mit Behinderungen denkbar seien und kein Tabu sein dürften.