Protocol of the Session on December 18, 2014

Vielen Dank, Herr Kollege Fehring. – Für die Fraktion der Piraten spricht der Kollege Rohwedder.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen, Zuschauer draußen und drinnen! Wir debattieren jetzt schon wieder, wie sehr eine Verbesserung der Zustände im Salzabbau durch K+S nötig ist. Inzwischen gab es auch eine Anhörung zum Thema. Die Antwort von K+S auf meine Frage nach deren Verhältnis zu Recht und Gesetz, zu Rechtstaatlichkeit, zur Einhaltung von Vorschriften dort war fast schon unverschämt. Meine Zweifel daran, die ich schon in der vorigen Debatte im Sommer geäußert hatte, wurden nicht ausgeräumt. Ein paar klare Worte zum Vertragsverletzungsverfahren seitens der EU zum Beispiel wären schön gewesen.

Stattdessen hat K+S gerade jetzt der Werra-WeserAnrainerkonferenz e. V. und ihrem Vorsitzenden, Dr. Walter Hölzel, per einstweiliger Anordnung kritische Meinungsäußerungen verbieten lassen, und das gestern auch noch stolz öffentlich verkündet. Kenner werden jetzt mit der Zunge schnalzen. Beantragt wurde die Verfügung – Überraschung – beim einschlägig bekannten Landgericht Hamburg, das weder an der Werra noch an der Weser liegt und dem das Bundesverfassungsgericht schon mehrfach ähnliche Entscheidungen um die Ohren gehauen hat.

Aber ich komme jetzt zum Antrag der regierungstragenden Fraktionen, der im Großen und Ganzen zustimmungsfähig ist – bis auf die Hauptsache, nämlich die Lösung der Probleme durch eine Pipeline in den Jadebusen. Das ist für uns und die CDU nicht zustimmungsfähig. Deshalb gibt es jetzt auch den gemeinsamen Entschließungsantrag von der CDU und von uns Piraten.

Zunächst einmal war die Pipelinelösung dem Unternehmen zu teuer. Aber das ist nur noch eine Marginalie. Denn wichtiger ist, dass naturschutzfachliche Gründe dagegenstehen. Das ergab die Anhörung in aller Deutlichkeit.

Bereits 1962, vor mehr als 50 Jahren, wurde ein großer Teil des Jadebusens unter Naturschutz gestellt. Seit 1973, seit mehr als 40 Jahren, gilt dort ein ganzjähriges Jagdverbot. Es geht also nicht nur um Brutvogelschutz, sondern der Jadebusen ist auch für Durchzügler und Wintergäste von überragender Bedeutung. Das liegt an der hohen Produktivität des Gebietes, das aktuell zum Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer gehört und UNESCOWeltnaturerbe ist.

Die Salinität dort, also der Salzgehalt des Wassers, ist mit 30 Promille etwas niedriger als in der offenen Nordsee. Die Einleitung würde das massiv ändern – nicht nur den Salzgehalt, sondern auch die chemische Zusammensetzung mit einem weit höheren Kaliumchloridanteil. Kaliumchlorid ist schon in geringeren Konzentrationen für die meisten Organismen giftig. Da ist es auch egal, ob sich Sprungschichten mit einer annähernd unveränderten Wasserzusammensetzung an der Oberfläche und konzentrierter Salzlauge auf dem Grund bilden würden oder ob es zu einer guten Durchmischung durch den ständigen hohen Tidenhub dort kommen würde.

Die Gefahr besteht, dass sich Todeszonen bilden. Vielleicht kommt es auch nur zu einer großen Todeszone „Jadebusen“. Das Gebiet geht dann für die Natur und damit auch für die Menschen verloren. Das Problem würde nicht gelöst, sondern nur verlagert. Das ist nicht nachhaltig.

Herr Markert, mit Blick auf die Pipeline wird die von Ihnen geforderte konsequente Anwendung des Verursacherprinzips nicht umgesetzt. Das Unternehmen K+S hat seinen Börsenwert innerhalb weniger Jahre versechsfacht. Es hatte in den letzten Jahren mehrere Hundert Millionen Euro jährlich über, um Konkurrenten aufzukaufen. Dann kann man mehr als wiederum lediglich eine Problemverlagerung auf Kosten der Allgemeinheit erwarten. Man kann eine nachhaltige und umweltschonende Produktion erwarten. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN und Rainer Deppe [CDU])

Vielen Dank, Herr Kollege Rohwedder. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Remmel.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich brauche Ihnen nicht mehr die grundsätzliche Problematik zu erläutern, denn sie ist allen Fraktionen bekannt. Ich sehe ein großes Einvernehmen zwischen allen Fraktionen, dass es das Ziel ist, die Weser möglichst salzfrei zu halten. Dieses Ziel eint Landesregierung und Landtag Nordrhein-Westfalen. Insofern haben wir hierbei eine gleiche Buchung.

Keine gleiche Buchung haben wir, wenn es darum geht, in welcher Situation wir uns jetzt befinden und was zur Grundlage des Handelns gemacht werden muss. Ich bin den Koalitionsfraktionen und der FDPFraktion dankbar, dass sie die Verhandlungsposition des Landes unterstützen. Denn wir sind in einer ganz konkreten Situation. Wir müssen nämlich handeln und Entscheidungen treffen, weil das Dritte von uns verlangen – zunächst mit Blick auf die konkrete Genehmigungssituation in Hessen, weiterhin auf die Frage, inwieweit wir das Vertragsverletzungsverfahren beantworten, und ferner, welche Empfehlungen und Beschlussfassung wir hinsichtlich des Bewirtschaftungsplans abgeben.

Da kann man nicht mehr am grünen Tisch hin- und herüberlegen, was wohl unter welchen Umständen die beste Technologie wäre, sondern es muss es eine Rationalität, eine Logik aufgrund der vorhandenen Fakten geben. Da nützt es auch nichts, das Verursacherprinzip bis auf die Spitze zu treiben, Herr Rohwedder.

(Kai Abruszat [FDP]: Richtig!)

Denn am Ende des Tages kann das Unternehmen dann seine Tätigkeiten in dieser Sache beenden. Auch das geht nicht.

(Beifall von Kai Abruszat [FDP])

Wir müssen eine gute Abwägung treffen, die finanziell sowie ökologisch tragfähig ist und insbesondere die Interessen Nordrhein-Westfalens sichert.

(Zuruf von Hanns-Jörg Rohwedder [PIRATEN])

Deshalb nützt es nichts, auf parteipolitische Bühnen abzudriften. Herr Abruszat, Sie waren im ersten Teil Ihrer Rede durchaus sehr konstruktiv, konnten es dann aber im zweiten nicht lassen, auch noch die eine oder andere parteipolitische Frage anzusprechen.

(Kai Abruszat [FDP]: Das ist Ihnen ja fremd!)

Nein, das ist mir nicht fremd.

(Heiterkeit – Beifall von der FDP)

Das reizt zum Widerspruch. Daran zu erinnern an dieser Stelle – ich muss das tun, denn Sie haben mich im Sinne der Verantwortung, die ich wahrzunehmen habe, vor die Kanone gespannt – …

(Zuruf von der FDP: So sieht keine Kanone aus!)

Ich nehme sie gern wahr – das ist keine Frage –, aber ich frage dann, wer fünf Jahre zuvor in Hessen regiert hat und was fünf Jahre zuvor in Hessen passiert ist. In Niedersachsen ist es genauso, denn dort waren Sie an der Regierung beteiligt. Wir sind in der heutigen Situation, weil mehr als fünf Jahre lang nichts passiert ist.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zu- rufe von der FDP)

Sie haben in Hessen die Entscheidung mitbefördert, keine Genehmigung zu erteilen. Deshalb ist die Kollegin jetzt in der Zwangssituation, in diesem Jahr Genehmigungen zu erteilen.

(Zurufe von der FDP)

Denn sonst würde der Betrieb dort nicht weitergehen. Das gehört mit zur Wahrheit dazu. Ich bin überhaupt nicht einverstanden, was die Kollegin dort mit K+S ausgehandelt hat.

(Kai Abruszat [FDP]: Das weiß ich!)

Aber zur Wahrheit gehört eben auch, dass fünf Jahre lang nichts passiert ist.

Wir sind jetzt in einer Verhandlungssituation. Ich will durchaus dem Landtag darlegen, dass dieser Streit noch länger dauern kann. Ich hoffe, dass wir im März eine Verständigung finden. Aber wenn die Grundposition der Landtage von Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen gleich ist, eine Oberweserpipeline nicht zu wollen, müssen wir alles tun, die Rechtsposition zu sichern. Denn eine solche Position kann man nur glaubwürdig vertreten, wenn man eine Alternative hat. Ohne Alternative wird es nicht gehen.

(Kai Abruszat [FDP]: Richtig!)

Da reicht es nicht, nur über Haldenabdeckung zu reden – ich unterstütze sie, da kann man mehr tun – oder ein paar technische Pilotprojekte durchzuführen. Auch das wird nicht funktionieren. Dann muss man sich mit den realen Argumenten auseinandersetzen, dass neue technische Verfahren vor Ort die vollständige Umstrukturierung des derzeitigen Arbeitsprozesses bedeuten würden. Das wiederum ist eine Kostenfrage. Da muss man gegenrechnen, was das eine und was das andere kostet.

Deshalb meine herzliche Bitte: Bleiben Sie bei dieser Position. Wir müssen diese Grundlage haben, um zum einen die Rechtsposition zu sichern und um zum anderen glaubwürdig hinsichtlich späterer Verfahren zu sein, die vonseiten der EU auf uns zukommen. Ich bin nicht bereit, für das Land Nord

rhein-Westfalen Verantwortung auch finanzieller Art zu übernehmen, wenn es darum geht, später Strafzahlungen zu verteilen.

Einen letzten Punkt will ich auch noch einwenden. – Wir haben eine Systematik der EU-Wasserrahmenrichtlinie, die auch in Nordrhein-Westfalen greift. Wir sind auch froh darum, dass sie hier greift, weil wir 60 % unseres Trinkwassers aus Oberflächengewässern gewinnen. Würden wir der Systematik zustimmen, die derzeit an der Weser geplant ist, wäre das an der einen oder anderen Stelle bei uns nicht mehr haltbar. Das kann zum Schutz unseres Wassers, zum Schutz unserer Gewässer, unserer Flüsse niemand wollen. Deshalb brauchen wir eine klare Positionierung. – Vielen Dank für die Unterstützung.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Herr Minister, wenn Sie noch einen Moment hierbleiben würden. Es liegt eine Kurzintervention des Abgeordneten Ortgies vor.

Vielen Dank, Herr Präsident, dass ich noch einmal die Gelegenheit bekomme, zu reden. – Zunächst stelle ich fest, Herr Minister Remmel, Sie bekommen in Ihrem Laden keine Einigkeit zustande. Das ist schade, aber ich hoffe, dass das in Zukunft doch der Fall sein wird, wenn Sie im nächsten Januar praktisch die Flussgebietsgemeinschaft einberufen.

Ich habe mich noch einmal zu dem Thema „Nordseepipeline“ gemeldet. Wir sind uns in vielen Punkten weitgehend einig, wenn dieser Satz mit der völlig illusorischen Nordseepipeline nicht in Ihrem Antrag stände. Inzwischen – mein Kollege Fehring hat das klargelegt – weiß jeder, dass wir keine Chance haben, diese dort jemals zu verwirklichen.

Ich darf an die Anhörung erinnern, die wir vor einigen Wochen hier hatten. Dabei hat die Meeresbiologin Dr. Gerdes sehr eindrucksvoll auf die Gefahren dieser Pipeline für das Weltnaturerbe Wattenmeer hingewiesen. Ich will das nicht wiederholen. Aber dass ausgerechnet ein grüner Umweltminister immer noch auf diese Option pocht, macht mich doch schon sehr nachdenklich. Sie sollten da schon in sich gehen.

Wir haben schon vor sechs Monaten darauf hingewiesen. Jetzt haben die Regierungsfraktionen Gott sei Dank fast die Kurve gekriegt, sich auf einen vernünftigen Weg zu begeben. Gehen Sie in sich! Streichen Sie diesen Passus! Dann würden wir diesem Antrag zustimmen. Ansonsten empfehle ich wirklich, die Ressourcen für Prüfung und für alles, was für die Planung einer solchen Pipeline notwendig ist, dazu zu verwenden, die Kaliabwässer vor

Ort zu entsorgen und nicht weiter an der Illusion einer Pipeline festzuhalten, die nicht kommen wird.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank. – Herr Minister, bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Ortgies, vielleicht könnten wir uns so verständigen, dass wir die brüderlichen und schwesterlichen Gespräche jeweils wechselseitig führen. Ich tue das mit meiner Kollegin in Hessen. Ich weiß nicht, ob Sie die Gespräche mit dem Ministerpräsidenten in Hessen genauso führen, wie ich das mit meiner Kollegin tue.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Ich würde es mir jedenfalls wünschen. Das zum einen.

Zum Zweiten: Ihre Darstellung bezogen auf die Pipeline ist nicht richtig, Herr Ortgies. Ich habe selbstverständlich noch einmal mit meinem Kollegen in Niedersachsen, der für das Raumordnungsverfahren zuständig ist, Minister Meyer, gesprochen. Das Raumordnungsverfahren bezüglich der Pipeline ist nicht eingestellt. Es läuft weiter. Selbstverständlich werden dort entsprechende Unterlagen noch angefordert. Man kann dazu ja eine politische Haltung haben, auch in Niedersachsen vonseiten der Landesregierung. Aber auch da gilt, dass ein solches Verfahren nach Recht und Gesetz durchgeführt werden muss. Wenn der Antrag dort liegt und bearbeitet wird, muss er nach Recht und Gesetz behandelt werden.