Protocol of the Session on September 10, 2014

Das Thema, zu dem Sie heute den Antrag gestellt haben, ist ein Geburtsthema der Piraten, und ihr Fraktionsvorsitzender glänzt durch Abwesenheit. Seine Vertretung liest den Text dieser Rede mehr als holprig vor. Das kann man ihm nicht zum Vorwurf machen, um Gottes willen.

Die Fraktion daddelt – vielleicht nicht gerade jetzt, weil ich Sie direkt anspreche, aber ansonsten – an ihren Handys, hört gar nicht zu. Zwischenfragen werden gestellt und die Antwort gar nicht abgewartet.

(Dirk Schatz [PIRATEN]: Welche Antwort?)

Meine Damen und Herren, welcher Ihrer Restwähler könnte da nicht enttäuscht sein?

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und der CDU)

So kann ich auch Ihren Abwehrreflex gegen die Digitale Agenda, der in diesem Antrag zum Ausdruck kommt, absolut verstehen, benennt die Bundesregierung doch hierin Themen, für die Sie gerne Exklusivrechte geltend machen.

Doch war es nie so, dass die Piraten im Bereich der Medien- und Netzpolitik alleine aktiv waren. Im Neuland, wie es der eine oder andere nennt – ich wiederhole es auch noch mal –, sind wir alle schon längst unterwegs. Vielleicht sind Sie nur etwas ungeduldiger als andere.

Was Sie jedoch verkennen, ist die Zeit, die sich eine gesellschaftliche Diskussion wie diese nimmt – nicht wir nehmen uns die Zeit für die Diskussion, sondern die gesellschaftliche Diskussion nimmt sich diese Zeit. Und das liegt nicht an irgendwelchen Verhinderern, sondern schlicht und einfach daran, dass viele gesellschaftlich relevante Themen erst dann so richtig diskutiert werden, wenn sie spürbar bei den Menschen angekommen sind.

Ich komme zum Schluss, die Redezeit ist abgelaufen. Wir werden die Digitale Agenda im zuständigen Ausschuss diskutieren, auch ohne eine Regelungskompetenz zu besitzen, weil es wichtig ist und weil wir alle als Internetlobby unseren Einfluss geltend machen sollten. – Darauf freue ich mich und bedanke mich gleichzeitig für Ihre Aufmerksamkeit. Glück auf!

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Schneider. – Für die FDP-Fraktion spricht noch einmal Herr Kollege Nückel.

Vielen Dank. – Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Schneider, Sie gratulieren jetzt sozusagen den Piraten dazu, dass sie inzwischen bei gewissen Ritualen angekommen sind, die Sie schon lange eingeübt haben. Es gehört aber immer auch zu den, wie ich finde, nicht so besonders guten Ritualen, Kronzeugen mit Sätzen zu zitieren, die man aus ihren Gesamtpositionen herausreißt, und wogegen sie sich jetzt nicht wehren können.

Bei einem Punkt haben Sie natürlich recht, nämlich bei der Musikindustrie. Aber die ist ja nun nicht gerade als Vorreiter bekannt und war mehr ein Bremser. Das Verweigern von neuen Entwicklungen hat die Mitglieder dieses Verbandes eine Menge Geld gekostet. Diesen Punkt muss man natürlich eingestehen.

(Beifall von der FDP)

Es hat auch die Künstler eine Menge gekostet; das muss man auch dazu sagen.

Ich komme zu den vom Kollegen Moritz aufgeworfenen Fragen zum Thema „Datenschutz“: Gerade bei den Themen „Datenschutz“ und „Sicherheit im Netz“ passen Worte und Taten nicht zusammen. Während die Bundesregierung in Berlin eine rasche Harmonisierung des europäischen Datenschutzes ankündigt, macht sie sich andererseits nach wie vor einen Namen als Blockiererin bei der Verabschiedung einer Datenschutz-Grundverordnung in Brüssel.

(Matthi Bolte [GRÜNE]: Das war ja auch un- ter der schwarz-gelben Regierung besser!)

Um sozusagen Ihr eigenes Versagen zu verwischen – na, in dem Fall war es ja nicht Ihr eigenes Versagen –, verweisen Sie immer auf alte Zeiten und was da alles schiefgelaufen ist.

(Zuruf von Matthi Bolte [GRÜNE])

Da könnten wir noch viel in den Zeiten der alten rotgrünen Koalition herumsuchen, und da würden wir auch noch genug Gründe dafür finden, warum heute etwas schlecht oder nicht optimal läuft.

Die Bundesregierung setzt auf Überwachung und Ausspähung der Bürgerinnen und Bürger, das muss man auch einmal sagen. Das wird bei dieser Digitalen Agenda, die ja eigentlich keine ist, deutlich. Sie sollte sich aber besser dafür einsetzen, dass Bürgerrechte aktiv geschützt werden,

(Beifall von der FDP und den PIRATEN)

das heißt: endgültiger und formaler Verzicht auf die Vorratsdatenspeicherung, Stärkung des Datenschutzbeauftragten und der Stiftung Datenschutz sowie eine zügige Verabschiedung einer europäischen Datenschutz-Grundverordnung. Das wären grundlegende Punkte. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Nückel. – Für die Piratenfraktion spricht Herr Kollege Schwerd.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuschauerinnen und Zuschauer!

„Die Machenschaften der NSA, die digitale Agenda der Bundesregierung, die Drohnenkriege der USA, die Arbeitsbedingungen beim Onlineversandhandel Amazon oder der Kampf um Datenschutz – die Fragen der digitalen Gesellschaft sind in der Mitte der Gesellschaft und damit auch in der Mitte der Politik angekommen. Doch auch in dieser Mitte gibt es noch einige weiße Flecken. Einer dieser weißen Flecken ist leider auch meine Partei, die deutsche Sozialdemokratie.“

Zitat Ende. – Das schreibt Yannick Haan, seines Zeichens Netzpolitiker der SPD, im Blog der Seite „spd-netzpolitik.de“. Und das ist eigentlich noch nett formuliert; denn tatsächlich ist die Netzpolitik der Großen Koalition die reinste Katastrophe. Das sind keine weißen Flecken, das ist gähnende Leere!

(Beifall von den PIRATEN)

Das zeigt schon die Zuständigkeit der Ministerien. Die Digitale Agenda stammt vom Wirtschafts-, Innen- und Datenautobahnminister. Damit ist die Große Koalition nicht einmal im Web 2.0 angekommen. Das Internet als Shopping-TV-Kanal – ansonsten wird es nur als Bedrohung empfunden.

Kein Wort zu den Bürgerrechten, kein Wort gegen die staatlich organisierte Überwachung, kein Wort zur Sicherstellung von Privatsphäre und Datenschutz, kein Wort zum Vertrauensverlust in die Integrität von Verschlüsselung und Netztechnologie, aber auch kein Wort zur Zukunft des Lernens, zur Zukunft des Arbeitens.

Wie wollen wir mit den Strukturproblemen und den Systembrüchen darin umgehen? Kein Wort, wie soziale, gesellschaftliche, kulturelle Partizipation und Inklusion im Netz stattfinden soll, kein Wort zur politischen Gestaltung, zu E-Government, kein Wort zur fairen Nutzung von Kunst und Kultur im Netz.

Die absolut meisten Chancen und Risiken für uns und unsere Gesellschaft werden in dieser sogenannten Agenda noch nicht einmal erwähnt. Und Herr Schneider, es gibt weiß Gott genug Themen, die die Bundesregierung, die Große Koalition, den Piraten noch überlässt, keine Sorge.

Bei der Vorstellung der Digitalen Agenda schmeißt Wirtschaftsminister Gabriel, nach der Störerhaftung gefragt, Strafrecht und Zivilrecht wild durcheinander. Die Ignoranz gegenüber den Fragestellungen unserer digitalen Zukunft ist atemberaubend.

Wir haben im vorliegenden Antrag ganz klar benannt, wie eine Digitale Agenda aussehen könnte: sieben konkrete Forderungen, woran die Digitale Agenda ausgerichtet werden kann. Das kann und muss hier im Landtag geschehen. Wir fordern eine breite Debatte aller beteiligten Ressorts, die nicht nur einen Wirtschaftsaspekt enthält, sondern auch Kultur und Medien, Verbraucherschutz usw. umfasst.

Das muss hier im Landtag beginnen; da sollten wir Vorreiter sein. Damit werden wir heute beginnen. – Danke schön.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Schwerd. – Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe deshalb die Aussprache und rufe die Abstimmung auf.

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 16/6678 an den Ausschuss für Kultur und Medien – federführend –, an den Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk, an den Hauptausschuss, an den Ausschuss für Europa und Eine Welt sowie an den Haushalts- und Finanzausschuss. Die abschließende Abstimmung soll im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer möchte dem zustimmen? Den darf ich um sein Handzeichen bitten. – Gibt es Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist diese Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Ich rufe auf Tagesordnungspunkt

11 Gesetz zur Änderung des Archivgesetzes

Nordrhein-Westfalen

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 16/5774

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Kultur und Medien Drucksache 16/6695

Änderungsantrag der Fraktion der PIRATEN Drucksache 16/6747

zweite Lesung

Alle Fraktionen haben sich inzwischen darauf verständigt, eine Debatte nicht durchzuführen. Somit kommen wir direkt zur Abstimmung.

Erstens stimmen wir über den Änderungsantrag der Piratenfraktion Drucksache 16/6747 ab. Ich darf fragen, wer diesem Änderungsantrag zustimmen möchte. – Das ist die Piratenfraktion. Wer stimmt gegen den Änderungsantrag? – Das sind die Fraktionen von SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP sowie der fraktionslose Abgeordnete Stein. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Änderungsantrag Drucksache 16/6747 mit großer Mehrheit abgelehnt.

Ich stelle zweitens den Gesetzentwurf Drucksache 16/5774 zur Abstimmung. Der Ausschuss für Kultur und Medien empfiehlt in Drucksache 16/6695, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen. Wir stimmen deshalb nicht über die Beschlussempfehlung, sondern über den Gesetzentwurf Drucksache 16/5774 selbst ab. Wer diesem Gesetzentwurf seine Zustimmung geben möchte, den darf ich um das Handzeichen bitten. – Das sind SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen, FDP und der fraktionslose Abgeordnete Stein. Wer stimmt gegen den Gesetzentwurf? – Das ist die Piratenfraktion. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Gesetzentwurf Drucksache 16/5774 mit großer

Mehrheit angenommen und in zweiter Lesung verabschiedet.

Ich rufe auf Tagesordnungspunkt