Protocol of the Session on May 15, 2014

Lassen Sie mich einige zentrale Aspekte des Berichts hervorheben.

Die neue Schulform „Sekundarschule“ wird von den Schulträgern angenommen, mehr noch, sie wird offensiv genutzt, und zwar qualitativ, um die örtliche Schullandschaft zukunftsfest zu gestalten.

Aber auch die Zahl der Gesamtschulen steigt. Besonders erfreulich ist, dass ein hoher Anteil dieser neuen Schulen schon jetzt dem Leitbild der inklusiven Schule folgt, ohne dass sie dazu erst einen gesetzlichen Auftrag gebraucht hätten.

Meine Damen und Herren, zum Schuljahr 2014/15 wird es voraussichtlich 110 öffentliche Sekundarschulen in staatlicher und privater Trägerschaft geben. Das ist für die kurze Zeitspanne seit Einführung dieser Schulform eine beeindruckende Zahl. Diese 110 Schulen verteilen sich relativ gleichmäßig auf alle Regierungsbezirke. Das heißt, die neue Schulform „Sekundarschule“ wird landesweit angenommen.

Etwa die Hälfte der Schulen wird mit drei Parallelklassen pro Jahrgang geführt. Das ist die gesetzliche Mindestgröße. Größere Schulen sind bei den Sekundarschulen selten.

Bei circa 10 % der Schulen haben Schulträger gemeinsam von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, eine Sekundarschule in vertikaler Gliederung zu errichten, um ein wohnortnahes Schulangebot auch in solchen Kommunen aufrechterhalten zu können, die dies aus eigener Kraft gar nicht mehr schaffen könnten, etwa in der Eifel, wo sich drei Gemeinden zusammengetan haben. Das heißt, wir sichern für die Kinder – vergleicht man das etwa mit Ostdeutschland – weiterhin ein relativ wohnortnahes Schulangebot. Das ist für die Kinder und Eltern natürlich ganz wichtig.

Teilstandortlösungen haben sich als zusätzliche Handlungsoption bewährt. Wir müssen sie aber genau im Auge behalten und die dortigen Kollegien bei ihrer Arbeit bestmöglich unterstützen. Denn es ist natürlich schwieriger, eine Schule mit drei Standorten zu leiten und pädagogisch auszugestalten als eine Schule an einem Standort.

Meine Damen und Herren, seit dem Jahr 2012 wurden auch 73 neue Gesamtschulen errichtet, so viele hintereinander wie nie zuvor in der langen Geschichte der Gesamtschulen Nordrhein-Westfalens. Diese Entwicklung ist ebenfalls eine eindeutige Folge des Schulkonsenses. Zuvor stagnierte die Zahl der Gesamtschulen jahrelang. Die meisten neuen Gesamtschulen haben vier bis sechs Parallelklassen pro Jahrgang, und sie haben, wie bekannt, eine Oberstufe.

Im laufenden Schuljahr besuchen die neuen Schulen bereits 30 % der Schülerinnen und Schüler in Eingangsklassen der Sekundarstufe I und damit eine Schule des längeren gemeinsamen Lernens. Gegenüber der Zeit vor dem Schulkonsens ist dies ein deutlicher Anstieg.

Hingegen hat sich die Zahl der Kinder in den Eingangsklassen der Hauptschulen nahezu halbiert, und auch in den Eingangsklassen der Realschulen hat sie sich deutlich verringert. Eine Ursache ist das veränderte Elternwahlverhalten. Ich werde darauf zurückkommen.

Meine Damen und Herren, wie Sie wissen, können die Schulträger bei der Errichtung von Sekundarschulen unter drei Organisationsformen wählen: der integrierten, der teilintegrierten und der kooperativen Form. Damit ermöglichen wir die Anpassung des Schulangebots an die jeweiligen örtlichen Bedürfnisse. Diese Entscheidung wird nicht auf Landesebene, sondern von den Verantwortlichen vor Ort getroffen.

Schon jetzt kann man klar sagen, dass die kooperative Organisationsform, also die Bildung eines Hauptschul-, Realschul- und Gymnasialzweigs oder von zwei Niveauzweigen in den Klassen 7 bis 10 fast gar nicht nachgefragt wird. Diese Organisationsform ist im Angebot, aber sie wird sehr selten nachgefragt, offensichtlich aus organisatorischen Gründen oder aber, weil die Eltern sie nicht wollen. Von den voraussichtlich 110 Sekundarschulen im nächsten Schuljahr gibt es nur zwei Schulen mit kooperativer Organisationsform mit zwei Bildungsgängen. Von sieben beantragten Schulen dieser Art haben nur zwei die erforderliche Anmeldezahl erreicht.

Meine Damen und Herren, zur Sicherstellung gymnasialer Standards und zur Vorbereitung auf die Hochschulreife muss jede Sekundarschule eine Kooperationsvereinbarung mit mindestens einer Schule mit gymnasialer Oberstufe abschließen, also einem Gymnasium, einer Gesamtschule oder einem

Berufskolleg. Durchschnittlich hat jede Sekundarschule zwei Kooperationsvereinbarungen getroffen. Damit stehen den Schülerinnen und Schülern nach der Klasse 10 unterschiedliche Anschlussangebote zur Verfügung, auf die die Schullaufbahn gezielt ausgerichtet werden kann.

Ich freue mich sehr, dass grundsätzlich Schulen aller Schulformen mit einer Sekundarstufe II als Kooperationspartner zur Verfügung stehen. Dies ist aber auch in ihrem eigenen Interesse. Denn eine Schule mit Sekundarstufe II – eine Gesamtschule oder ein Gymnasium –, die mit einer Sekundarschule kooperiert, sichert sich natürlich auf diese Weise den Zuwachs für die eigene gymnasiale Oberstufe, um dort ein gutes Kursangebot vorhalten zu können. Dies ist in Zeiten zurückgehender Schülerzahlen im eigenen Interesse. Und das ist ein ganz wichtiger Aspekt.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Und deswegen begrüßen diese Kooperationsmöglichkeiten nicht nur die Vertreter der Sekundarschulen, sondern auch die gymnasialen Verbände und auch die Berufskollegs. Damit wird deutlich – an die Adresse der Kolleginnen und Kollegen von der FDP –, dass die Sekundarschule und der Schulkonsens auch das Gymnasium stärken. Nichts anderes bedeutet eine solche Kooperation. Und auch darauf hat damals Herr Röttgen schon hingewiesen. Und Herr Röttgen hat recht. Die Sekundarschule kann nämlich zu einer wichtigen Achse für ein Gymnasium und für alle Schulen mit gymnasialer Oberstufe werden. Im ländlichen Raum finden solche Kooperationen ganz ausdrücklich statt – das möchte ich noch einmal betonen –, sonst würden die Gymnasien solche Kooperationsformen und Verträge überhaupt gar nicht eingehen.

Meine Damen und Herren, der Schulkonsens leistet einen wesentlichen Beitrag zur Sicherung von Schulstandorten und zur Schaffung eines flächendeckenden Schulangebotes. Damit kommen wird endlich Schritt für Schritt dem Elternwillen nach mehr längerem gemeinsamem Lernen in NordrheinWestfalen nach.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Dies hat zu einer insgesamt ausgeglicheneren Verteilung dieser Schulangebote geführt. Auswirkungen auf die Angebote des gegliederten Systems hatte diese Entwicklung vor allem im ländlichen Raum, wo das Schülerpotenzial für mehrere Schulangebote nebeneinander schlicht nicht mehr ausreicht. Deswegen haben die Bürgermeister bereits der Vorgängerregierung gesagt: Wir brauchen eine Gemeinschafts- oder Sekundarschule, weil wir ansonsten demnächst überhaupt keine Schule mehr haben. – Das ist doch der Grund für die kommunale Bewegung von unten gewesen.

Im Zusammenhang mit den Schulerrichtungen werden im nächsten Schuljahr landesweit voraussicht

lich 166 Hauptschulen und 137 Realschulen auslaufen. Dies, die zurückgehenden Schülerzahlen und das veränderte Elternwahlverhalten sind letztlich die Gründe für den zunehmenden Rückgang dieser Schulformen. Das ist kein NRW-Spezifikum; die gleiche Entwicklung finden Sie in allen anderen Flächenländern der Bundesrepublik. Das hat mit der Farbe einer Landesregierung viel weniger zu tun, als Sie zum Teil unterstellen.

Vereinzelt führt diese Entwicklung in einigen Kreisen schon jetzt dazu, dass das örtliche Schulangebot nur noch aus einer Schule des längeren gemeinsamen Lernens und gegebenenfalls einem Gymnasium besteht.

In diesem Zusammenhang möchte ich erwähnen, dass die meisten neuen Schulen im kreisangehörigen Raum errichtet wurden. Hier haben sich die von den kommunalen Spitzenverbänden gewünschten Regelungsmechanismen zur Information, Moderation und Kooperation untereinander grundsätzlich bewährt.

Durch die gymnasialen Standards in der Sekundar- und in der Gesamtschule ist an einigen Orten sogar das Schulangebot qualitativ ausgebaut worden. Weite Wege in die Kreisstadt zum Gymnasium sind nicht mehr notwendig, um einen Bildungsgang zum Abitur erreichen zu können, zum Beispiel in Gangelt-Selfkant.

Meine Damen und Herren, seit der Gebietsstrukturreform von 1975 hat wohl kaum eine Leitentscheidung der Entwicklung des ländlichen Raumes mehr gedient als dieser Schulkonsens. Das möchte ich hier ausdrücklich feststellen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Er ist – das können wir mit Stolz behaupten – gelungene Strukturpolitik. Denn gute Schulen sind ein wesentlicher kommunaler Standortfaktor für Familien und Unternehmen.

Lieber Herr Laschet, wir wissen ja, dass Sie im Grunde schon damals gegen den Schulkonsens waren. Aber bevor Sie sich aus persönlichen Gründen von diesem Meilenstein der Schulpolitik verabschieden, sollten Sie vielleicht einmal Ihre Kommunalpolitiker befragen. Herr Dr. Risthaus und andere Bürgermeister sind in der Schulpolitik ohne persönliche oder ideologische Scheuklappen vorangegangen. Davon profitieren jetzt die Menschen vor Ort.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich bin noch keinem Bürgermeister – gleich welcher Couleur – begegnet, der den Schulkonsens infrage stellt. Auch die FDP stimmt vor Ort oft mit für die neuen Schulen, sogar für PRIMUS wie zum Beispiel in Schalksmühle.

Meine Damen und Herren, ob bei der Neustrukturierung der Schullandschaft einer Sekundarschule oder einer Gesamtschule der Vorzug gegeben wird,

hängt von vielen Einflussfaktoren ab. Generell bevorzugen Eltern Bildungsgänge, die einen bruchlosen Weg zum Abitur bieten. Sekundarschulen sind nach den bisherigen Erfahrungswerten attraktiv für ländliche Räume, in denen bisher kein Angebot des längeren gemeinsamen Lernens besteht oder das bisherige Schulangebot des gegliederten Systems aufgrund des Schülerrückgangs instabil wird.

Städtische Räume hingegen verfügen in der Regel über ein umfassendes Schulangebot, sodass dort für die Errichtung von Sekundarschulen kaum ein Bedarf besteht, zumal alle bisher durchgeführten Elternbefragungen in Ballungsräumen gezeigt haben, dass die Eltern hier der Gesamtschule eindeutig den Vorzug geben.

Zusammenfassend kann man feststellen: In den weitaus meisten Fällen ist die Errichtung einer Sekundarschule oder Gesamtschule in den letzten Jahren geglückt. Die Maßnahmen waren also von den Schulträgern gut vorbereitet.

Nach den bisherigen Erfahrungen gibt es eindeutige Erfolgsfaktoren für das Gelingen einer Schulerrichtung. Die wichtigsten möchte ich hier nennen:

Einigkeit der Politik vor Ort – offensichtlich gestalten vor Ort auch Parteien mit, die hier im Landtag dem Schulkonsens kritisch gegenüberstehen –; gute konzeptionelle Vorbereitung und Transparenz der Entscheidungsprozesse; frühzeitige Einbeziehung aller Beteiligten; Orientierung an örtlichen Bedürfnissen; und der Konsens zwischen den Gemeinden, wenn die Kommunen um die Kinder und die Schülerschaft konkurrieren.

Meine Damen und Herren, der Schulkonsens hat innerhalb weniger Jahre zu umfassenden Veränderungen in der Schullandschaft geführt. Er hat die Schulentwicklung demografiefest gemacht und folgt konsequent dem Elternwillen. Dies zeigt, wie wichtig er für unser Land war und ist. Schulen des längeren gemeinsamen Lernens sind inzwischen in allen Kreisen und vielen kreisfreien Städten fest verankert. Die Nachfrage ist zum Teil aber immer noch deutlich größer als das Angebot, sodass auch in den nächsten Jahren mit der Errichtung neuer Gesamt- und Sekundarschulen zu rechnen ist.

Die Hauptschule und in Teilen auch die Realschule werden – das möchte ich ausdrücklich betonen – ungeachtet der engagierten pädagogischen Arbeit ihrer Lehrkräfte in vielen Regionen künftig nicht mehr angeboten werden können, weil sich die Eltern anders entscheiden. Das ist keine ideologische Entscheidung, sondern es ist allein eine Frage des Elternwillens und des Bedarfs.

Es stellt sich daher verstärkt die Frage, wie zu verfahren ist, wenn Schülerinnen und Schüler den Bildungsgang der Realschule oder des Gymnasiums nicht erfolgreich absolvieren und vor Ort kein vollständiges Angebot des gegliederten Systems mehr verfügbar ist. Ein Wechsel zu einer Sekundarschule

oder Gesamtschule ist oft wegen fehlender Angebote oder zu geringer Aufnahmekapazitäten an den Schulen des längeren gemeinsamen Lernens nicht ohne Weiteres möglich. Dafür müssen wir und werden wir in der Bildungskonferenz eine Antwort entwickeln.

Meine Damen und Herren, der Bildungskonferenz, deren bedeutende Rolle für den Schulkonsens nicht oft genug betont werden kann, habe ich diesen Bericht ebenfalls zur Diskussion zugeleitet. Dort wie im Parlament werden wir über die weitere Ausgestaltung des Schulkonsenses beraten. So kann der mit der Bildungskonferenz begonnene Prozess der Verständigung über Fragen der Organisation und Struktur unseres Schulwesens unter dem Leitbild der bestmöglichen individuellen Förderung von Kindern und Jugendlichen konstruktiv und gewinnbringend fortgeführt werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich zum Schluss noch einmal deutlich sagen: Es ging und geht bei unserer gemeinsamen Arbeit an der strukturellen und inhaltlichen Ausgestaltung des nordrhein-westfälischen Schulsystems um die Zukunft unserer Kinder und damit unseres Landes.

Vor drei Jahren war auch die CDU noch der Meinung, dass Schule – ich zitiere – nicht alle drei Jahre eine neue Reform braucht, eben nicht bei jeder Landtagswahl die Grundsatzfrage: „Wie geht es weiter?“ Erneut ein treffendes Zitat des ehemaligen Landesvorsitzenden Ihrer Partei.

Herr Laschet, wenn Sie jetzt in dem Zusammenhang von „Schluss mit der Konsenssoße“ reden, dann wollen Sie sich profilieren und der Landesregierung schaden. Das ist durchsichtig, aber es ist im Grunde auch sehr kurzsichtig.

Behalten Sie doch bitte im Auge, wer diesen Schulkonsens in der Bildungskonferenz erarbeitet hat. Das waren wir gemeinsam mit der Zivilgesellschaft, mit Eltern- und Lehrerverbänden, mit Kirchen, Kommunen, Gewerkschaften, Unternehmensverbänden und vielen anderen. Alle diese Verbände wollen diesen Konsens. Sie alle setzen auf unsere bis 2023 getroffene Vereinbarung, meine Damen und Herren. Das war eine Zukunftsentscheidung.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Mit Ihrem Handeln treffen Sie, Herr Laschet, doch nicht wirklich Frau Kraft oder mich, sondern diese vielen Verbände und vor allem diejenigen, die den Schulkonsens vor Ort in den Städten und Gemeinden und in unseren Schulen ausgestalten und mit Leben füllen: die Kommunalpolitik, die Eltern, die Lehrkräfte und die Schulverwaltungen.

All diesen Akteuren möchte ich bei dieser Gelegenheit für ihren unschätzbaren Beitrag zum Gelingen des Schulkonsenses danken. Ich bin immer wieder beeindruckt von der Aufbruchstimmung vor Ort. Sie

zeigt, wie sehr innere und äußere Schulentwicklung hier zusammenkommen.

Die Landesregierung steht ohne Wenn und Aber zum Schulkonsens. Wir freuen uns, ihn weiter zu gestalten. – Herzlichen Dank.