Protocol of the Session on March 28, 2014

Vielen Dank, Herr Hovenjürgen. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Damit kommen wir zur Abstimmung. Wir stimmen erstens über den Antrag Drucksache 16/5272 ab. Die antragstellenden Fraktionen von CDU und FDP haben direkte Abstimmung beantragt. Wer stimmt diesem Antrag so zu? – CDU, FDP und Herr Stein, fraktionslos. Wer stimmt gegen diesen Antrag? – Die Grünen, die SPD und die Fraktion der Piraten. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Antrag Drucksache 16/5272 mit großer Mehrheit abgelehnt.

Zweitens stimmen wir ab über den Antrag Drucksache 16/5290. Hier haben SPD und Grüne ebenfalls direkte Abstimmung beantragt. Wer stimmt diesem Antrag so zu? – SPD, Grüne sowie die Fraktion der Piraten. Wer stimmt gegen diesen Antrag? – CDU, FDP und der fraktionslose Kollege Stein. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Antrag Drucksache 16/5290 mit großer Mehrheit im Hohen Haus angenommen.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt

3 Verbraucherbildung in der Schule nachhaltig

und vielfältig gestalten!

Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/3223

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Schule und Weiterbildung Drucksache 16/5298

Entschließungsantrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/5307

Ich darf darauf hinweisen, dass der Antrag der Fraktionen von SPD und Grünen gemäß § 82 Buchstabe b der Geschäftsordnung an den Ausschuss für Schule und Weiterbildung überwiesen wurde mit der Maßgabe, dass eine Aussprache und Abstimmung erst nach Vorlage der Beschlussempfehlung erfolgt.

Nun erteile ich Frau Kollegin Spanier-Oppermann für die SPD-Fraktion das Wort.

(Unruhe – Glocke)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste auf der Tribüne! Bereits im vergangenen Jahr habe ich zu diesem Thema an dieser Stelle noch einmal auf die Ziele unserer Schulpolitik hingewiesen. Ziel unserer Schulpolitik ist es nämlich, langfristig die ökonomischen Kompetenzen aller Schülerinnen und Schüler an allen Schulformen zu stärken, und zwar im Rahmen einer verantwortungsvollen Verbraucherbildung im Unterricht aller Schulformen unter Berücksichtigung der gesamtgesellschaftlichen Aspekte.

Der Ihnen nun vorliegende Antrag führt uns genau zu diesem Ziel. Moderne Verbraucher- und Lebensbildung sowie die Stärkung der Alltagskompetenzen bereiten junge Menschen auf ein immer komplexer werdendes gesellschaftliches Leben vor. Wir befinden uns nicht mehr in einer Zeit, in der es nur das eine oder andere gibt, in der nur Wirtschaft oder Verbraucherbildung, Finanzjongleure oder Arbeiter existieren.

Natürlich wäre es schön, wenn ein jeder genaue volks- oder betriebswirtschaftliche Kenntnisse hätte. Aber was für einen Nutzen bringen die besten Kenntnisse, wenn diese nicht in einen gesamtgesellschaftlichen Kontext eingeordnet werden können?

Was passiert, wenn die alleinige Fokussierung auf den Bereich der Wirtschaft liegt, das haben uns die letzten Jahre seit 2008 deutlich gezeigt. Besonders den jungen Schülerinnen und Schülern muss bewusst sein, dass die vielfältigen Prozesse miteinander verknüpft, ja sogar global vernetzt sind, und zwar nicht auf einer wirtschaftlichen Ebene, sondern auch gesamtgesellschaftlich.

Es geht uns übrigens nicht um ein Lehrverbot von Wirtschaftskompetenzen an den Schulen. Wir wollen dafür sorgen, dass unsere Kinder und Jugendlichen auch den Blick über den Tellerrand erlernen.

Bereits in der Anhörung im Dezember wurde von vielen Seiten betont, dass sich Wirtschaft und Verbraucherbildung nicht ausschließen und dass diese starre Differenzierung nicht mehr zeitgemäß ist. Für eine Profilbildung einer Schule lässt die Verbraucherbildung sogar einen weitaus größeren Spielraum zu als die alleine Konzentration auf das Fach „Wirtschaft“.

Ich bedaure an dieser Stelle im Übrigen, dass die lieben Kolleginnen und Kollegen von der FDP politische Bildung und ökonomische Bildung nur als einen Trostpreis gegenüber dem Fach „Wirtschaft“ darstellen. Ich möchte mir nicht erlauben, diese Begriffe gegeneinander zu werten, da doch alle Bereiche wichtig sind. Aber eben solche Wertungen zeigen, dass wir genau den richtigen Weg einschlagen und hier nicht mehr stur separieren.

Mit unserem Antrag sind wir auf der Höhe der Zeit und reagieren auf gesellschaftliche Notwendigkeiten.

(Beifall von Sigrid Beer [GRÜNE])

Für alle Schülerinnen und Schüler ist es ein Gewinn. Denn sie erlernen weitreichende Kompetenzen in den verschiedenen Querschnittsbereichen der Verbraucherbildung.

Neben der notwendigen Verbraucherbildung kümmern wir uns auch um die Weiterentwicklung der Konsum-, Ernährungs- und Gesundheitsbildung, indem wir das bisherige Fach „Hauswirtschaft“ innovieren und mit aktuellen Inhalten füllen.

Unbestritten ist, dass die Lehrerinnen und Lehrer im Fach Hauswirtschaft gute und von uns allen hochgeschätzte Arbeit leisten und ihren Schülerinnen und Schüler mehr als nur das von Ihnen genannte fachgerechte Putzen von Karotten beigebracht haben. Ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis aus einer Pressemitteilung der FDP:

Was es jungen Menschen bei dringend benötigten Kenntnissen zum Finanzsystem, beim Abschließen von Versicherungs- oder Handyverträgen nutzen soll, zu wissen, wie man Karotten fachgerecht putzt, wird wohl das Geheimnis der Grünen bleiben.

Mit dieser aus meiner Sicht unpassenden Bemerkung, mit der Sie die Kolleginnen und Kollegen der

Grünen offensichtlich ansprechen wollten, treffen Sie nach meiner Ansicht die engagierten Lehrerinnen und Lehrer an den Schulen. Das dürfte doch sicher nicht in Ihrem Interesse gewesen sein.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wirtschaften im Haushalt beinhaltet auch die Vermittlung von wirtschaftlichen Kompetenzen, und dem tragen wir Rechnung. Jeden Tag werden zum Beispiel etliche Tonnen an Lebensmitteln einfach vernichtet. Den Schülerinnen und Schüler die Hintergründe hierzu zu erklären und nach Lösungen zu suchen, hat beim besten Willen nichts mit veralteter Öko-Politik zu tun, sondern mit dem nachhaltigen Umgang mit Ressourcen. Auch wird hier kein Lebensstil diktiert. Die Jugendlichen sollen sensibilisiert werden, wozu heutiges Konsumverhalten führen kann.

Im komme, weil ich meine Redezeit sehe, zum letzten Satz. Wir müssen uns im Sinne der jungen Menschen von einem eindimensionalen Denken verabschieden und mit einem präventiven Bildungsansatz auch im Bereich der Verbraucherbildung die Weichen für die Zukunft stellen. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

Vielen Dank, Frau Spanier-Oppermann. – Nun spricht für die CDUFraktion Frau Kollegin Voßeler.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der heutigen Debatte ist es uns gelungen, dem Thema „Verbraucherbildung in nordrhein-westfälischen Schulen“ die Bedeutung beizumessen, die ihm gebührt. Es gehört in die Mitte von Politik und Gesellschaft.

(Beifall von Sigrid Beer [GRÜNE])

Wir haben durch die Diskussion dazu beigetragen, alte und verstaubte Denkmuster aufzubrechen, und wir haben ein weites Feld beackert.

Die Vermittlung von Basiskompetenzen zur Lebensführung geht weit über die Haushaltsführung hinaus. Sie beinhaltet die individuellen Beiträge zur ökonomischen und sozialen Sicherung genauso wie die Beiträge für die Umsetzung eines nachhaltigen Konsums.

(Beifall von der CDU und den GRÜNEN)

In welchen Jahrgangsstufen und Schularten soll Verbraucherbildung als Unterrichtsgegenstand eingeführt werden? Welcher Weg führt zum Ziel? Ein eigenes Schulfach oder eine fächerübergreifende Lösung? Welche Inhalte gehören in den Lehrbereich? Ich freue mich, dass wir heute einen gemeinsamen Entschließungsantrag einbringen. Wichtig ist nicht, was draufsteht, sondern was drin ist. Wichtig ist auch nicht, wer das Etikett aufklebt, sondern dass alle Schüler in allen Schulformen Alltagskom

petenzen, Verbraucherbildung und ökonomische Bildung erwerben.

(Beifall von der CDU und Sigrid Beer [GRÜNE])

Aktualität und Dringlichkeit des Themas dulden keinen Aufschub. Alltagsbildung ist für uns die Grundbildung in Sachen Ernährung, Gesundheit, Hauswirtschaft, Ökonomie und Finanzen, nachhaltiger Konsum und Globalisierung.

Die Aufzählung lässt den Umfang der Bildungsaufträge erahnen, und sie macht deutlich: Verbraucherbildung an Schulen ist eine Querschnittsaufgabe. Die Experten haben in der Anhörung deutlich gemacht, dass sich zur Vermittlung von Alltagskompetenzen grundsätzlich mehrere Schulfächer anbieten. Nun ist es wichtig, verbindlich festzulegen, welches Fach welchen Unterrichtsgegenstand abdecken soll. Das ist die große Herausforderung des pädagogischen Gesamtkonzeptes. Wichtig ist: Die Schüler müssen in ihrer Erfahrungswelt abgeholt werden. Dies erfordert eine fachlich und didaktisch qualifizierte Aus- und Fortbildung von Lehrern, und es ermöglicht verstärkt die Einbeziehung außerschulischer Partner.

Verbraucherbildung ist eine Bildung, die sowohl auf aktuelle als auch künftige Herausforderungen im Privat- wie auch im Berufsleben vorbereitet – so formuliert es die Kultusministerkonferenz. Das heißt, Verbraucherbildung ist lebenslanges Lernen. Nichts ist dynamischer und zugleich komplizierter als unsere Konsumwelt. Beispiele sind die private Altersvorsorge und die Wahl des Energieversorgers oder des Telekommunikationsanbieters. Gleichzeitig wächst dem Verbraucher immer mehr Verantwortung zu.

Das Thema „Nachhaltigkeit“ ist in aller Munde. Gerade junge Verbraucher müssen daher frühzeitig in die Lage versetzt werden, sich durch kurzfristiges Konsumverhalten vor langfristigen gesundheitlichen und finanziellen Schäden zu schützen. Die Schule ist dabei neben dem Elternhaus der wichtigste Lernort. Unser Ziel ist es, dass niemand von der Schule entlassen werden darf, dem nicht das Basiswissen für den Konsumalltag vermittelt wurde; denn nach unserem Verständnis gehören die Alltagskompetenzen ebenso zur Allgemeinbildung wie die Kulturtechniken Lesen, Rechnen und Schreiben. Ich denke, hier gilt ganz besonders: Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU, der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Voßeler. – Für die grüne Fraktion hat nun Frau Kollegin Beer das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte heute Morgen Ihren Blick nach Salzburg lenken. In Salzburg hat die Arbeitsgemeinschaft der Fachdidaktikerinnen und Wissenschaftlerinnen im Bereich der Ernährungs- und Verbraucherbildung getagt. Diese haben sich gemeinsam mit der sogenannten Salzburger Erklärung zur Profilierung, Professionalisierung und Qualitätssicherung in der Ernährung und der Verbraucherbildung befasst, und sie haben sie verabschiedet. Das ist ein Verbund der deutschen, österreichischen und schweizerischen Forscherinnen. Sie haben formuliert:

„Der Erwerb und die Entwicklung von kulturellen Kernkompetenzen in der Ernährungs- und Verbraucherbildung (Nutrition Literacy und Consu- mer Literacy) ist Voraussetzung für eine aktive Teilnahme der Bürger‐ resp. Zivilgesellschaft … Ernährungs- und Verbraucherbildung muss daher in der Schule curricular in einem Trägerfach verankert sein bzw. diesbezüglich ausgebaut werden, um dem Anspruch einer Allgemeinbildung im Sinne von Literacy gerecht werden zu können.“

In diesem Sinne freue ich mich sehr, dass mit dem Entschließungsantrag und dem Ursprungsantrag jetzt genau dieser Impuls in Nordrhein-Westfalen umgesetzt werden kann und wir deutlich machen können: Auch Ernährung, Verbraucherbildung und Gestaltung von Lebenskompetenzen sind zentrale Aufgaben der Schule. Sie sollen ein zentraler Bildungsinhalt für alle Schülerinnen und Schüler sein. Es ist wichtig, dass diese Botschaft heute von diesem Landtag ausgeht.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir wissen nämlich, dass Ernährungs-, Gesundheits-, Konsum-, Finanz- und auch Medienkompetenzen kulturelle Kernkompetenzen sind. Wir haben den Auftrag, diese allen Kindern und Jugendlichen zu vermitteln – genauso wie Sprachen, Mathematik und Naturwissenschaften. Denn wir wissen, dass der Transfer in den Familien nicht mehr ausreicht.

Das, was damit verbunden ist, das ist schon deutlich geworden – da danke ich der Kollegin SpanierOppermann –: Es wird zu einer Aufwertung der Kolleginnen und Kollegen führen, die im Fach Hauswirtschaft an den Schulen schon jetzt engagiert in diesem Sinne arbeiten. Das sind nämlich nicht die Schnittchenbeauftragten der Schule, das sind auch nicht die Möhrenbeauftragten der Schule, Frau Kollegin Gebauer. Denn dazu gehört natürlich auch die Vermittlung, wie ich mit Nahrungs-, mit Lebensmitteln umgehe. Es geht um kritischen Konsum. Es geht darum, wie produziert wird, wie Marktmechanismen funktionieren. Es geht um Ressourcenverantwortung, um die Frage: Was löse ich durch meinen Lebensstil aus?