Protocol of the Session on November 28, 2013

Vielen Dank, Herr Kollege Höne. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht der Abgeordnete Markert.

Lieber Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Schulze Föcking, Ihr Einstieg zu den Lebensmittelkontrollen und den Ergebnissen, die wir vorhin zur Kenntnis nehmen konnten, hat einmal mehr gezeigt, wie wichtig es ist, dass wir ein handlungsfähiges Ministerium und handlungsfähige Behörden haben.

Wir brauchen nun einmal ein starkes Ressort, das dafür sorgen kann, die Aufsicht und die Kontrolle auch durchzuführen und dort nachzusteuern, wo es Defizite gibt.

Sie haben einmal mehr belegt – ich hatte das dem Kollegen Deppe vorhin auch schon gesagt –, dass Sie mit Ihren Forderungen nach mehr Aufgaben und mehr Engagement im Verbraucherschutz Ihre eigenen Einsparorgien konterkarieren. Herzlichen Dank dafür, dass Sie so ehrlich gewesen sind, Frau Schulze Föcking!

(Beifall von den GRÜNEN)

Die Frage, die hier im Raum steht, lautet: Was ist eigentlich das grundlegende Ziel des Verbraucherschutzes?

Meine Kolleginnen und Kollegen, ich habe am vergangenen Freitag zusammen mit meinem geschätzten Kollegen Arif Ünal eine verbraucherpolitische Veranstaltung zum Thema „IGe-Leistungen“ durchgeführt. Das Podium war ausgewogen mit sehr unterschiedlichen Interessenvertretern und Betroffenen besetzt. Auch dort hat sich gezeigt: Das Ziel kann es nur sein, durch klare Rahmensetzung in der Verbraucherpolitik so viel Transparenz herzustellen, dass jederzeit eine selbstbestimmte Abwägung zwischen Verbraucher- und Geschäftsinteressen möglich ist.

Wie Informationsdefizite beseitigt und hierarchische Angebots-Nachfrage-Beziehungen in Märkten abgebaut werden können, ist daher eine der Schlüsselfragen, der wir uns in der Verbraucherpolitik nähern müssen.

Auch darum setzen wir als rot-grüne Landesregierung unsere klare Linie fort. Während in 2012 noch 12,25 Millionen € für die Förderung der Verbraucherzentralen aufgewendet wurden, weist der Einzelplan für 2014 jetzt 13 Millionen € für den weiteren Ausbau des Beratungsstellennetzes aus.

Liebe Kollegen Schulze Föcking, wie jedes Jahr fordern Sie den weiteren Ausbau der Beratungsstellen ein. Frau Blask hat gerade daran erinnert, dass Neuss, also mein Wahlkreis, die einzige Großstadt ist, die nach wie vor keine Verbraucherzentrale hat. Es ist dann notwendig, hier nicht nur solche Forderungen aufzustellen, sondern vor Ort auch seine Kolleginnen und Kollegen von der CDU bei den Haushaltsberatungen der jeweiligen Kommune dazu zu veranlassen, ihre Blockade gegen die Verbraucherzentralen aufzugeben – nicht zuletzt in Neuss. Dann wäre das, was Sie hier an Sonntagsreden präsentieren, glaubwürdiger.

Die äußerst kompetente, sehr umfangreiche und immer stärker nachgefragte Verbraucherberatung weiter auszubauen und zu verstetigen, bleibt also unsere zentrale Aufgabe. Es geht uns dabei vor allem um unabhängige Verbraucherschutzstrukturen

und damit um unabhängige Information, wie wir es im Koalitionsvertrag festgeschrieben haben.

Ebenso haben wir im Koalitionsvertrag vereinbart – Zitat –:

„Wir werden im Dialog mit den Energieversorgern und Verbraucherverbänden Lösungen erarbeiten, um Stromsperren zu vermeiden und Energiearmut wirksam zu reduzieren. Zusammen mit der Verbraucherzentrale und den Wohlfahrtsverbänden starten wir hierzu Modellprojekte mit aufsuchender Energieberatung, um langfristig ein landesweites Angebot zu erreichen.“

In der Tat: Das Projekt „NRW bekämpft Energiearmut“ ist ein Erfolg geworden. Darum erfolgt auch der weitere Einsatz zum besseren Schutz vor Energiesperren in 2014. Herzlichen Dank an unsere Verbraucherzentralen vor Ort, die hier gute Arbeit leisten!

(Beifall von den GRÜNEN, Thomas Kufen [CDU] und Henning Höne [FDP])

Meine Damen und Herren, gerade im Bereich der Verbraucherpolitik und des nachhaltigen Konsums geht es uns Grünen um Mündigkeit statt Bevormundung.

(Lachen von der CDU)

Ja. Ich habe damit gerechnet, dass Sie an dieser Stelle lachen. Ich will Ihnen auch ganz ehrlich sagen: Wenn man bei einer Wahl eine Gelbe Karte gezeigt bekommen hat, ist es auch wichtig, sich zu fragen, was man besser machen kann. Darum habe ich das hier ganz bewusst noch einmal gesagt.

(Christof Rasche [FDP]: Keine Bevormun- dung!)

Uns geht es in der Verbraucherpolitik und im Bereich des nachhaltigen Konsums um Mündigkeit statt Bevormundung. Es geht um die freie Entscheidung jeder und jedes Einzelnen.

Ohne Aufklärung kann es aber weder Freiheit noch Mündigkeit geben. Da Produzenten-KonsumentenBeziehungen eben keine Geschäftsbeziehungen unter Gleichen sind, sondern hierbei ein zum Teil erhebliches Macht- und Informationsgefälle vorherrscht, hat sich die Politik als Anwältin der strukturell Schwächeren zu begreifen.

Lieber Kollege Henning Höne, du hast mich eben natürlich herausgefordert. Deswegen bin ich gerade noch einmal aktiv geworden und möchte an dieser Stelle noch einmal den geschätzten und leider viel zu früh verstorbenen Karl-Hermann Flach zitieren. Zitat:

Recht muss in erster Linie die Schwachen vor den Mächtigen, die Besitzlosen vor den Besitzenden schützen – und nicht umgekehrt.

(Beifall von der FDP)

Die Richter müssen begreifen, dass sie nicht Vollzugsbeamte der Obrigkeit sind, sondern deren Kontrolleure. Recht wird in der Demokratie schließlich nicht im Namen des Kaisers gesprochen, sondern im Namen des Volkes.

Als Verbraucherpolitiker kann ich nur sagen: Ersetzen Sie den Kaiser, also die Obrigkeit, durch irgendein Lebensmittel-Oligopol oder eine große Bank. Dann erhalten Sie hoffentlich ein Verständnis für meine, für unsere Auffassung von Verbraucherpolitik. Dies ist ja wohl das genaue Gegenteil von Bevormundung.

(Beifall von den GRÜNEN)

Verbraucherinnen und Verbraucher, die nicht wissen, was die Produkte und Dienstleistungen enthalten, die sie kaufen – Herr Präsident, ich komme zum Ende –, sind eben nicht frei in ihren Entscheidungen.

Und vergessen Sie nicht: Bevor wir Grünen den Verbraucherschutz in seiner heutigen Form erst auf die politische Agenda dieser Republik gesetzt haben, war es nicht viel mehr als ein recht unverblümter Lobbyismus von Agrarfunktionären.

(Zurufe von der CDU: Oh!)

Wir stimmen dem Haushalt von Herrn Remmel sehr gerne zu. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank. – Für die Fraktion der Piraten spricht Frau Kollegin Brand.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer! Leider beschränkt sich der Verbraucherschutz immer noch darauf, auf Lebensmittelskandale zu reagieren, auch wenn zaghafte und teilweise leider unausgegorene Versuche unternommen werden, etwas daran zu ändern – zum Beispiel mit dem Antrag „Eine effektive Lebensmittelkontrolle stärkt insbesondere die Ernährungswirtschaft in NRW“. Wir Piraten fordern weiterhin – wie auch schon im letzten Jahr – proaktive Maßnahmen.

Auch in der Anhörung zur Lebensmittelsicherheit war der Satz „Prävention vor Repression“ mehrfach zu hören. Denn was hilft es dem Verbraucher, nach dem Verzehr von Lebensmitteln zu erfahren, dass diese nicht verzehrfähig waren?

Prävention und damit – für uns – proaktive Maßnahmen bedeuten, dass Lebensmittel und andere Bedarfsgegenstände, die die Gesundheit gefährden, vor dem Inverkehrbringen vom Markt genommen werden.

Deshalb fordern wir auch nach wie vor eine Verankerung des Verbraucherschutzes in der Landesverfassung.

An unserer Forderung für eine verständliche Kennzeichnung von Lebensmitteln und eine starke Verbraucherbildung hat sich ebenfalls nichts geändert.

Apropos Kennzeichnung von Lebensmitteln: Entweder weiß bei der Landesregierung die rechte Hand nicht, was die linke tut, oder ich kann Ihren sprunghaften Entscheidungen nur noch ein müdes Lächeln abgewinnen. Erst vor Kurzem forderten wir Piraten hier im Landtag die feste Definition der Begriffe „vegan“ und „vegetarisch“ sowie eine deutliche und verpflichtende Kennzeichnung solcher Lebensmittel. Unter großem Tamtam – auch der Staatssekretär war dabei –, mit dem Hinweis darauf, dass das für die Industrie gar nicht umsetzbar sei, und überhaupt wurde unser Antrag damals abgelehnt. – Geschenkt!

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Dass Sie für sachliche Argumente nicht zugänglich sind, ist schon lange kein Geheimnis mehr. Allerdings verwundert es dann schon, wenn man jetzt in den Medien liest, dass Sie im Bundesrat für eine solche Kennzeichnung gestimmt haben und den Bundestag dringend dazu auffordern, genau das umzusetzen. Wenn Sie so handeln, dann sehe ich nur noch kleine Kinder, die unsere Sandburgen unbedingt zerstören müssen, damit die eigenen schöner aussehen.

(Beifall von den PIRATEN)

Das ist ein jämmerliches Spiel mit der parlamentarischen Demokratie. Genau diese bleibt dabei auf der Strecke.

Wenn Sie meine bisherigen Reden kennen, dürfte Ihnen so einiges von dem, was ich fordere, bekannt vorkommen. Das ist auch kein Wunder, denn außer warmen Worten ist in dem Bereich von der Landesregierung bisher nicht viel gekommen. Aber der SPD steht nicht mehr viel im Wege, sollte die Große Koalition in Berlin zustande kommen – es liegt noch am SPD-Mitgliederentscheid –, ihre wohlklingenden Versprechen auch zu halten.

Wenn man sieht, wie zum Beispiel im Bereich der Lebensmittelkontrollen immer mehr Kompetenzen im LANUV vereint werden, ist es natürlich erst einmal schön, dass Herr Minister Remmel das sozusagen zur Chefsache macht. Nur darf man dabei nicht vergessen, dass so eine Zentralisierung die bereits bestehenden und meist auch funktionierenden Strukturen in der Fläche ausdünnt.

Ich will Ihnen selbstverständlich nichts unterstellen, Herr Minister Remmel, aber wir alle wissen, dass es auch andere Minister anderer Parteien gibt und geben wird. Daher finde ich es äußerst bedenklich, so viele Entscheidungen und so viel Kontrollmacht in nur einer Hand zu vereinen. Mit Dezentralität hat

das wenig zu tun. Das fordern Sie, und das fordern wir in anderen Bereichen, wie zum Beispiel in der Lebensmittelproduktion, des Öfteren. Sicher ist es in den meisten Bereichen auch richtig.

Eine sichere und qualitativ hochwertige Lebensmittelüberwachung im Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher erfordert eine gut aufgestellte Behörde mit klarer Aufgabenverteilung. Dies sicherzustellen ist die Aufgabe des Ministers, und zwar im Einvernehmen mit den Behördenmitarbeiterinnen und -mitarbeitern und nicht gegen sie. Hier stehen sicherlich noch mehr Diskussionsrunden oder auch ein runder Tisch an. Ich bin gespannt. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Frau Brand. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Remmel.