Das System arbeitet eigentlich erfolgreich. Da sollte die Devise lauten: Never change a winning team. – Leider ist das Gegenteil der Fall. Rot-Grün plant ein neues Hochschulgesetz. Kern dieses neuen Gesetzes ist es, die Hochschulräte zu entmachten, sie zu einem Beratungsgremium zu degradieren und Wissenschaftsministerin Schulze wieder zur Dienstvorgesetzten unserer Hochschulen zu installieren.
Der tiefere Grund, Herr Schultheis, warum Sie dieses jetzt so erfolgreiche System zerschlagen wollen, liegt darin, dass Rot-Grün und insbesondere Sie, Frau Ministerin Schulze, zukünftig vorschreiben wollen, was wo und wie in Nordrhein-Westfalen geforscht werden soll.
Um eine Begründung dafür zu finden, diskreditieren Sie die Hochschulräte. Rot-Grün und auch die Piraten behaupten, Hochschulräte würden zu einer Ökonomisierung des Systems beitragen. – Dabei ist das Gegenteil der Fall. Sieht man sich die Berufe der einzelnen Hochschulräte an, so sind über 80 % Professoren. Hinzu kommen Persönlichkeiten aus nationalen Forschungsgesellschaften, Arbeitnehmervertreter, Journalisten und nur ganz vereinzelt Wirtschaftsvertreter, aber auch die sind Teil unserer Gesellschaft.
Ich bin mir aber sicher, dass Rot-Grün und vielleicht auch die Piraten – wir werden es gleich sehen – angesichts der zu erwartenden Beute die Hochschulräte weiter in Verruf bringen werden. Ich bin mir auch ziemlich sicher – ich will es aber nicht hoffen -, dass wir nach der Verabschiedung des neuen Hochschulentmündigungsgesetzes an der einen oder anderen Stelle die Errichtung von Instituten beobachten können, an denen die 150-jährige Geschichte der Sozialdemokratie prestigeträchtig erforscht werden soll.
Das ist die große Gefahr dieses Gesetzes. Deswegen leisten wir Widerstand dagegen. Sie wollen die Entscheidungen zentral treffen.
Aber, Herr Dr. Paul, Sie sollten Ihren Antrag eigentlich zurückziehen. Wenn Frau Schulze in NordrheinWestfalen alleine darüber entscheidet, wie es in der Wissenschaft zukünftig zu laufen hat, werden auch Sie als Piraten – auch Ihre Fraktion – nicht mehr gefragt. Das ist das Gegenteil von Transparenz. Sie haben überhaupt keinen Einfluss mehr auf die Ausgestaltung der Wissenschaftspolitik.
Deswegen fordere ich Sie auf: Bekämpfen Sie mit uns gemeinsam das geplante Gesetz: gegen Entscheidungen in der Düsseldorfer Zentrale, für Entscheidungen vor Ort und in der Region. Daran müssten auch Sie als Piraten ein Interesse haben. Auch Sie glauben nicht an den Großcomputer, sondern an die Macht des Schwarms.
(Beifall von der CDU – Sigrid Beer [GRÜNE]: Das hatte großen Unterhaltungswert! Das ist aber auch alles!)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Berger, die beiden parlamentarischen Initiativen, über die wir heute reden, sind fast auf den Tag genau vor einem Jahr eingebracht worden. Ich finde, inzwischen ist die Zeit darüber hinweggegangen.
Ich will damit sagen, Herr Berger, dass spätestens in der Anhörung des Wissenschaftsausschusses am 7. Mai 2013 klargeworden ist, dass eine Weiterentwicklung und Modifizierung des Hochschulgesetzes auf der Grundlage der Eckpunkte, über die wir alle diskutiert haben, in vielen Punkten richtig und notwendig ist. Das brauchen wir heute gar nicht ideologisch auszutragen.
Wenn man sich die Hochschulgesetze in den verschiedenen Bundesländern ansieht – über die Parteigrenzen hinweg –, kann man feststellen, dass überall der Weg von der staatlichen Detailsteuerung hin zu einer größeren Eigenverantwortlichkeit der Hochschulen beschritten worden ist. NordrheinWestfalen stand dabei immer an der Spitze der Bewegung. Das hat der Kollege Schultheis eben noch einmal ausgeführt.
Das sogenannte Hochschulfreiheitsgesetz ist allerdings deutlich über das Ziel hinausgeschossen. Ich kann nur sagen: Der wirtschaftsliberale Geist, den dieses Gesetz atmet, hat dazu geführt, dass sich der Staat nicht nur aus der Detailsteuerung, sondern im Grunde fast vollständig aus seiner Verantwortung zurückgezogen hat.
Unsere staatlichen Hochschulen sind aber keine Wirtschaftsunternehmen und können demnach auch nicht wie solche gesteuert werden. Es gibt auch verfassungsrechtliche Bedenken. Darauf hat insbesondere der Rechtswissenschaftler Prof. Löwer aus Bonn, der seitens der Opposition auch immer gern zitiert wird, in der Anhörung im Zusammenhang mit den derzeitigen Leitungsstrukturen an unseren Hochschulen verwiesen. Das knüpft genau an diesen Punkt an. Er sieht insbesondere einen Nachsteuerungsbedarf beim Hochschulrat und bei der hochschulorganisatorischen Willensbildung. Ich zitiere ihn an dieser Stelle gerne:
„Wir haben Nachsteuerungsbedarf bei der Unverantwortlichkeit des Hochschulrats. … Wir haben Nachsteuerungsbedarf in Bezug auf die Entscheidungskompetenzen.“
Die Kontrollkompetenzen von Senat und Fachbereichsräten müssten dagegen wieder gestärkt werden. Genau das wollen wir erreichen. Wir wollen die Hochschule als Ganzes stärken. Das heißt, die akademischen Gremien sollen bei zentralen Entscheidungen wie zum Beispiel der Wahl des Präsidiums und der Wahl des Rektors wieder maßgeblich beteiligt sein.
Die Hochschule funktioniert aus unserer Sicht nur als eine demokratische Gemeinschaft, in der die Freiheit von Wissenschaft und Forschung Vorrang hat. Da ich das in der Anhörung auch sehr gut fand, zitiere ich in diesem Zusammenhang Herrn StelzerRothe vom Hochschullehrerbund. Er sagt:
„Die erlebbare und funktionierende Demokratie halte ich nicht für eine nette Zugabe, sondern für einen zentralen Gesichtspunkt. Wenn man ihn vernachlässigen würde, würde man die Idee der Universitäten und der Fachhochschulen mit Sicherheit bis zu einem gewissen Grade aufgeben.“
Wenn man einen mit demokratischen Rechten ausgestatteten Senat für überflüssig erklärt, wie das oft gemacht wird – Herr Berger, ich spreche Sie jetzt noch einmal an, weil Sie das häufig getan haben; auch der Begriff „Laberbude“ ist in der Debatte schon gefallen –, dann muss man logischerweise auch den Landtag und damit sich selbst infrage stellen; denn der Senat ist schließlich nichts anderes als das Parlament der Hochschule.
Die Stärkung der akademischen Gremien ist also ein wichtiger Punkt. Als Parlament und Haushaltsgesetzgeber wollen wir aber auch für die strategische Entwicklung dieser großen und bedeutenden Hochschullandschaft wieder Verantwortung übernehmen. Der Landtag soll messbare und überprüfbare Entwicklungsziele beschließen, die das Ministerium dann in einen Hochschulentwicklungsplan einarbeitet. Für diesen Vorschlag gibt es auch eine breite Zustimmung bei den Landesrektorenkonferenzen und bei den Kanzlerinnen und Kanzlern an unseren Hochschulen.
Zum Gesetzentwurf der Piraten kann ich nur sagen, dass wir die, wie ich mal sage, radikale Variante, also die Abschaffung des Hochschulorgans Hochschulrat, in dieser Form nicht mittragen können. Herr Paul, seine Aufgaben und Befugnisse sollen nach Ihrem Gesetzentwurf, der im Übrigen, wie man feststellt, wenn man sich ihn anschaut, fast identisch ist mit dem Gesetzentwurf der Linken aus der letzten Legislaturperiode, entweder dem Senat bzw. dem Ministerium zugewiesen werden, oder bestimmte Dinge sollen sogar ersatzlos wegfallen, was ich für sehr kritisch halte.
Damit würde in vielen Fragen das Präsidium alleine entscheiden und müsste den Senat gar nicht mehr befragen. Damit würde aber auch die Aufsichtsratsfunktion des Hochschulrates gegenüber dem Präsidium wegfallen und ein wichtiges Korrektiv gegenüber der Hochschulleitung fehlen.
Insofern werden wir heute weder dem Gesetzentwurf der Piraten zustimmen können noch dem inzwischen deutlich überholten Antrag der Fraktionen der FDP und der CDU. – Ich bedanke mich fürs Zuhören.
ge Schultheis, wir reden in der Tat nur über Eckpunkte. Diese Eckpunkte, die von der Landesregierung vorgelegt wurden, haben sich aber ganz sicher nicht als eine geeignete Grundlage für eine Hochschulgesetznovelle herausgestellt. Wir als Parlament werden irgendwann im kommenden Jahr den Gesetzentwurf zugeleitet bekommen und uns dann sicherlich auch in den Detailfragen darüber auseinandersetzen.
Wir werden dann insbesondere überprüfen können, ob es so etwas wie eine Einsicht gibt; denn in der Anhörung, die wir zu dem Gesetzentwurf und auch zu unserem Antrag durchgeführt haben, wurde ausdrücklich vor Plänen zur Rückabwicklung der Hochschulfreiheit gewarnt. So wurden die Eckpunkte der Landesregierung nämlich von vielen Sachverständigen und Experten verstanden.
Diese Warnung, dies umzusetzen, ist – wie ich finde zu Recht – ausdrücklich adressiert worden. Mir bleibt die Hoffnung, dass das in das Gesetzgebungsverfahren oder sogar schon in die Erarbeitung der Gesetzesnovelle einfließt.
Mit dem Hochschulfreiheitsgesetz sind freie Gestaltungsräume erreicht worden. Dass es bereits davor Ansatzpunkte gab, habe ich nicht negiert. Es wäre aber ganz wunderbar, wenn Sie auch anerkennen würden, dass diese Freiheiten und Gestaltungsräume mit dem Hochschulfreiheitsgesetz weiterentwickelt wurden. Das hat zu einem Innovationsschub geführt, um die die Hochschulen in vielen anderen Bundesländern die nordrhein-westfälischen Hochschulen beneiden.
Unsere Hochschulen haben bewiesen, dass sie ihre Handlungsfreiheiten im Sinne der Studierenden und der Hochschulen selbst nutzen. Die Herausforderungen, die mit den deutlich gestiegenen Studierendenzahlen eingehen, werden vorbildlich gemeistert. Die Umstellung auf die Bachelor- und Masterstudiengänge ist weitestgehend gelungen. Immer mehr Studierende werden zu Abschlüssen geführt. Die Forschungs- und Leistungsstärke ist ebenfalls erheblich ausgebaut worden.
Frau Ministerin selbst hat in der vergangenen Zeit immer wieder zu Recht davor gewarnt, das Engagement der Hochschulen nicht anzuerkennen oder sie sogar schlechtzureden. Aber genau das haben die von Ihnen vorgelegten Eckpunkten doch sogar eher beflügelt, meine Damen und Herren: Die Hochschulen werden schlechtgeredet. Man bringt gegenüber den Hochschulen und ihren Verantwortlichen eine negative Haltung zum Ausdruck und ein tiefes Misstrauen gegenüber den Hochschulen.
Man kann daraus nur die Conclusio ziehen, dass Sie die Freiheit der Hochschulen ängstigt und Sie deswegen der Rückabwicklung und Gängelung das Wort reden.