Protocol of the Session on September 25, 2013

Zum einen möchte ich eine Erinnerung aus dem Sommer mit Ihnen teilen. Ich konnte mich nämlich mit großer Freude über die Urlaubsbeschäftigung unseres Finanzministers informieren – auch mit einem beeindruckenden Foto. Darauf sah man, wie er in der Toskana einen groben Klotz bearbeitet hat. Da habe ich gedacht: Mensch, der kann es ja! Er kann mit gezielten und präzisen Schlägen das Überflüssige aus einem Block entfernen, damit danach die wahre Form in Erscheinung tritt.

Herr Finanzminister, von Ihrer künstlerischen Ader im Nebenberuf bzw. beim Hobby wünschen wir uns mehr im Hauptberuf des Finanzministers. Nehmen Sie aus dem Haushalt das Überflüssige weg, damit dann ein wirksamerer Staat für die Menschen dienend tätig sein kann!

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Eigentlich können Sie es ja. Also wollen oder dürfen Sie nicht.

Damit komme ich zu dem zweiten Thema, das ich ansprechen will. Man darf natürlich nicht das Falsche wegnehmen. Das ist ja die große Schwierigkeit bei der Bildhauerei, Herr Finanzminister. Ein falsch gesetzter Schlag, und es entsteht Schaden, den man schwerlich wieder begradigen kann! Klebstoff sieht da nicht gut aus. Dann muss man wieder von vorne anfangen.

Mir geht es jetzt darum, was in diesem Landeshaushalt, bei dem wir das Überflüssige wegnehmen wollen, um bei diesem Bild der Kunst zu bleiben, auf keinen Fall unter die Hammerschläge des Finanzministers geraten darf.

Das Erste sind unsere öffentlichen Infrastrukturen. Sie werden nicht müde, vom Bund zusätzliche Ausgaben für die Verkehrsinfrastruktur zu fordern. Einer

von Ihnen beiden, SPD und Grünen, wird bald seinen Redebaustein verändern müssen, weil er in Berlin mit Verantwortung tragen wird. Da sind wir sehr gespannt. Jedenfalls wird das Lamento dann nicht mehr in dieser Weise vorgetragen werden können.

Erst recht kann man nicht vom Bund fordern und im Land beim armen Michael Groschek kürzen. Er sieht zwar immer ganz vergnügt aus, muss aber in diesem Landeshaushalt schon wieder auf

42 Millionen € verzichten und hat damit 40 % weniger als zur letzten Zeit der schwarz-gelben Verantwortung. Der Verkehrsminister ist also eigentlich jemand, der die Stoppschilder und Durchfahrtverboten-Schilder verwaltet, und nicht jemand, der investiert.

(Beifall von der FDP)

Eine Ausnahme ist vielleicht die Radwegeautobahn, auf die sich insbesondere die Kolleginnen und Kollegen der Grünen-Fraktion so freuen und konzentrieren. Für 110 km zwischen Duisburg und Hamm sind nach Schätzungen über 100 Millionen € erforderlich. Nichts gegen das Fahrrad! Wir haben in unserem Land Gott sei Dank große Freiheiten. Jeder darf sein Verkehrsmittel selber wählen. Bei uns darf man sich sowohl den Speiseplan als auch den Fahrplan selber aussuchen. Also nichts gegen das Fahrrad! Die große Herausforderung in NordrheinWestfalen liegt aber doch im massiv steigenden Straßengüterverkehr, Herr Minister. Da mag die Radwegeautobahn 4 m breit und beleuchtet sein – an diesem Problem ändert sie überhaupt nichts. Ihre Mittel sind falsch eingesetzt.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Hier also bitte keine Hammerschläge mehr, Herr Finanzminister!

Der zweite Bereich, den wir verschont sehen wollen, ist die Bildung. Da sollten wir alle in diesem Haus im Prinzip einer Meinung sein. Dennoch zeigt der Blick auf den Haushalt sowie die ihn begleitenden Debatten, dass auch wesentliche Herausforderungen der Bildungspolitik des Landes Nordrhein-Westfalen finanzpolitisch nicht in der Weise verantwortlich hinterlegt sind, wie wir das dringend empfehlen.

Ich nenne das Beispiel der Inklusion. Kollege Römer hat vor der Bundestagswahl – vor der Bundestagswahl; ich will es noch einmal unterstreichen, damit man möglicherweise in ein paar Monaten die Motive noch einmal genau durchleuchten kann – den Vorstoß gemacht, in Bezug auf die Inklusion einen späteren Beschlusszeitpunkt vorzuschlagen sowie

neue Gespräche mit den Kommunen anzukündigen. Interessant ist, dass er am 11. September 2013 in einem Interview von WDR 5 zu der dahinter stehenden Absicht gesagt hat: Um uns mehr Zeit zu erkaufen. Um mehr Zeit zu erkaufen, hat er den Fahrplan vor der Bundestagswahl geändert.

Jetzt sind wir gespannt, was passiert, wenn er schon einen Dissens mit der Schulministerin in Kauf nimmt, die bisher jede Form der Konnexität bestritten hat. Als ich eine Forsa-Umfrage zu diesem Thema vorgelegt habe, nach der die Menschen wollen, dass die Qualität das Tempo bestimmt und nicht das Tempo die Qualität, hat Frau Löhrmann eine mehrseitige Pressemitteilung an die geschätzten Damen und Herren auf der Pressetribüne verteilen lassen, in der sie umfänglich dargestellt hat, es gebe keine Konnexitätsprobleme. Und dann kommt Kollege Römer und sagt: Wir müssen doch noch mal vor der Bundestagswahl mit der Perspektive nach der Bundestagswahl darüber sprechen, weil es möglicherweise doch ein Problem mit der Qualität gibt.

Ich unterstütze die Haltung von Norbert Römer sehr. Das ist ein konstruktiver Beitrag, Herr Römer, dass Sie Frau Löhrmann in der Weise Grenzen aufgezeigt und klare Prioritäten gesetzt haben.

(Beifall von der FDP)

Denn sonst droht Schaden, wenn sich, Frau Beer, die Haltung durchsetzt, die Sie vor einiger Zeit, am 11. September, im Schulausschuss zeitgleich – Sie kannten die Meldungen von Herrn Römer noch nicht – dargelegt haben. Sie haben, nicht synchronisiert mit der SPD, mit Blick auf fehlende Mittel, Konnexität und Qualität und parallel zu Römer, der das ganze Verfahren aufhält, an diesem Tag gesagt: Da ist die notwendige Kreativität und Fantasie von Kooperation gefragt. – Kein Geld, sondern Fantasie, wenn es um die Fördermöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen mit Handicap geht. – Gehen Sie diesen Weg nicht weiter, sondern kehren Sie um!

(Beifall von der FDP und der CDU)

Ich nenne einen zweiten Aspekt, bei dem wir uns Hammerschläge bei der Ausgabenkürzung nicht wünschen, nämlich bei der geplanten Kürzung des Vertretungsunterrichts. Frau Löhrmann, ich spreche bewusst nicht von Halbierung, weil ich wahrgenommen habe, dass Sie die Mittel nachträglich aufgestockt haben: 9,5 Millionen € sind wieder freigegeben. Allerdings sagt Udo Beckmann vom VBE, den Sie und Ihre Fraktion zu Ihrer Oppositionszeit sehr gerne als Kronzeugen bemüht haben:

„Wir erwarten jedoch weiterhin, dass das ursprüngliche Budget für Vertretungsmittel den Schulen bald wieder im vollen Umfang zur Verfügung gestellt wird.“

Andernfalls sei trotz der Freigabe der Mittel erhöhter Unterrichtsausfall vorprogrammiert. Denn schon mit den jetzigen Mitteln, wenn sie voll ausgeschöpft werden würden, sei dies nicht in jedem Fall zu verhindern.

Da hören Sie, was Praktiker sagen. Ich bitte Sie, diesen Ruf aus der Praxis anzunehmen.

Denn wer leidet denn unter Unterrichtsausfall, verehrte Anwesende? – Darunter leiden doch nicht diejenigen, die über ein gutes Einkommen verfügen und den Unterrichtsausfall mit bezahlter Nachhilfe kompensieren können. Herr Priggen – weil Sie so abweisend dasitzen –: Darunter leiden auch nicht diejenigen aus einem bildungsnahen Elternhaus.

Darunter leiden diejenigen, um die wir uns ohnehin schon sorgen, nämlich die Kinder und Jugendlichen aus schwierigen sozialen Verhältnissen. Bis dato verlassen immer noch 6 bis 7 % die Schule ohne Abschluss. Sie leiden darunter, dass es keine hinreichende Förderung gibt. Sie leiden unter Unterrichtsausfall.

Verehrte Damen und Herren der Koalition, das passt nicht zusammen, einerseits die angeblich oder tatsächlich größer werdenden Unterschiede in unserer Gesellschaft zu beklagen und andererseits ausgerechnet bei der Bildung und den Bildungschancen der Schwächsten zu kürzen.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Ich will einen dritten Punkt nennen, bei dem ein Hammerschlag angesetzt wird, den wir für falsch halten: die Qualität an unseren Hochschulen. In Nordrhein-Westfalen haben im kommenden Semester 27 von 31 Hochschulen, die im Jahr 2009 Studienbeiträge erhoben haben, weniger Geld für die individuelle Förderung der Studierenden zur Verfügung. Frau Schulze, die Mittel sind pro Kopf von 604 € auf nunmehr 487 € pro Studierenden zurückgegangen, weil Sie die Ausgleichsmittel nicht an die steigende Studierendenzahl anpassen wollen. Da können Sie lächeln und grinsen; aber die Hochschuldirektoren sagen Ihnen anderes.

Wer in die Praxis schaut, erkennt auch, dass beispielsweise die RWTH Aachen oder auch die Robert-Schumann Musikhochschule an wesentlichen Stellen Veränderungen des Programms vornehmen müssen. Dort werden Tutorien gestrichen. Wer profitiert von den Tutorien? Das sind doch diejenigen, die möglicherweise über einen Umweg die allgemeine Hochschulreife und nicht den geraden Weg „Gymnasium – Abitur“ gegangen sind. Jetzt werden die Tutorien gestrichen.

Die Öffnungszeiten der Bibliothek werden eingeschränkt. Zu wessen Lasten geht das? Das geht zulasten derjenigen, die vielleicht, um das Studium zu finanzieren, etwas dazuverdienen müssen und deshalb einen anderen Tagesablauf haben.

Das wird Ihnen doch aus der Praxis berichtet. Das zeigt auch in der Hochschulpolitik eines: Das, was hier gelegentlich als große sozialpolitische Heldentat vertreten wird, entpuppt sich in der Praxis als nicht geeignet, um Menschen bessere Startchancen ins Leben zu geben.

(Beifall von der FDP)

Ich will einen letzten Komplex ansprechen, nämlich die Frage, wie man die Einnahmesituation des Landes aus unserer Sicht verbessern könnte: durch eine Wirtschaftspolitik, die die Distanz zur Entwicklung im Bund wieder verkürzt. Kollege Laumann hat darauf aufmerksam gemacht, dass die Entwicklung Nordrhein-Westfalens

(Lachen von Martin Börschel [SPD])

zwar nach vorne gerichtet ist, aber nicht die gleiche Dynamik aufweist wie im Bund. Dieses Wachstumsdefizit von 0,3 Prozentpunkten kostet Kaufkraft und Arbeitsplätze. Das sagt nicht allein die Freie Demokratische Partei, Herr Duin, sondern auch der DGB-Landesvorsitzende.

Herr Meyer-Lauber, der Obergewerkschaftler Nordrhein-Westfalens, hat am 29. August – das ist gar nicht lange her – zum Anstieg der Arbeitslosigkeit in NRW gesagt:

„Mit 8,4 % liegt Nordrhein-Westfalen deutlich über dem Bundesdurchschnitt. Im Vergleich mit den anderen westlichen Bundesländern liegt die Arbeitslosigkeit bei uns sogar rund

2 Prozentpunkte höher. Das war vor einigen Jahren noch anders. Wir müssen aufpassen, dass NRW nicht weiter abgehängt wird.“

Schauen wir uns die wesentlichen wirtschaftspolitischen Debatten der letzten Monate an und erinnern uns an die scharf geführte Auseinandersetzung zwischen Garrelt Duin und Reiner Priggen über das Marktgesetz Nordrhein-Westfalen. Man muss den anwesenden Zuschauerinnen und Zuschauern sagen: Dabei handelt es sich nicht um die Wirtschaftsordnung der sozialen Marktwirtschaft oder die Position Nordrhein-Westfalens auf den Weltmärkten, sondern die in den Medien intensiv geführte Debatte betraf die Trödelmärkte in NordrheinWestfalen. – Herr Duin, ich bitte Sie: Kümmern Sie sich weniger um die Trödel-, sondern mehr um die Weltmärkte, wenn Sie etwas für Arbeitsplätze tun wollen!

(Beifall von der FDP)

Wir brauchen insbesondere – Kollege Laumann hat es angesprochen – neue Möglichkeiten und Impulse. Eine Möglichkeit wäre es gewesen, in der strukturschwachen Emscher-Lippe-Region ein neues ökologisches zukunftsweisendes Industriegebiet zu entwickeln. Die Landesregierung aber hat newPark eine Bürgschaft verweigert. Dazu sagt wiederum der DGB-Chef vor Ort – nicht dass Sie daraus jetzt eine Strategie ableiten, dass ich heute zufällig so oft den DGB zitiere,

(Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

aber wenn sie etwas Richtiges sagen, dann darf auch ich als FDP-Fraktionsvorsitzender den DGB anführen –:

„Für den DGB … ist das Aus dieses zentralen industriepolitischen Vorhabens … eine industriepolitische Katastrophe.“

„Es wäre fatal, wenn wir durch ausbleibende industrielle Investitionen zum Armenhaus Nordrhein-Westfalens werden.“

9.000 Arbeitsplätze in einem ökologischen Industriegebiet standen in Rede. Nach dieser Entscheidung beklagen sich Sozialdemokraten – übrigens auch Mitglieder der sozialdemokratischen Landtagsfraktion, die die Situation vor Ort kennen. Einzig und allein der Fraktionschef von Bündnis 90/Die Grünen im Kreistag Recklinghausen sagt parallel zur Kritik des DGB und der örtlichen Sozialdemokraten: „Wir erwarten, dass newPark jetzt endgültig beerdigt wird“.

(Zuruf von Karl-Josef Laumann [CDU])