Protocol of the Session on March 21, 2013

Stunde geht es heute eigentlich um den Wortbruch der Landesregierung. Was wir vom Finanzminister in der letzten Stunde hören durften, waren aber überwiegend Nebelkerzen.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)

Am Ende hat er sich hinreißen lassen, uns in einem wirtschaftspolitischen Seminar zu erklären, was der Normalfall ist. Der Normalfall sind dennoch ständig steigende Steuereinnahmen, ständige Höchstsätze bei den Steuern. Herr Minister, selbst mit diesem Normalfall werden Sie nicht fertig; denn normal wäre es, seine Beamten und Mitarbeiter in guten Zeiten normal zu bezahlen und keine Spaltung vorzunehmen.

(Beifall von der CDU – Zurufe von der SPD)

Von den Vertretern der Regierungskoalition hören wir wortreich faule Ausreden. All das, was Sie hier vorgetragen haben, kann man vielleicht in irgendwelchen kleinen Kreisen intensiv diskutieren. Aber hier geht es darum, dass Sie versprochen haben, Sie würden eins zu eins übertragen.

(Zuruf von der SPD: Was ist denn Ihr Re- zept?)

Getan haben Sie das Gegenteil. Wortbruch bleibt Wortbruch. Das ist so.

(Beifall von der CDU – Mehrdad Mostofiza- deh [GRÜNE]: Wie viele Polizisten sollen es denn sein? – Weitere Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

Zwei weitere Stichworte möchte ich noch kurz aufgreifen. Sie reden von einer sozialen Staffelung. Kompliment: In dem Finden von wohlklingenden Begriffen sind Sie super. Was dahinter steckt, ist natürlich alles andere als sozial. Sie sagen, Sie wollen die starken Schultern mehr belasten als die schwächeren Schultern. Aber wo fangen die starken Schultern an? Bei einem Beamten nach A11 mit 3.200 € brutto, der hier vor dem Landtag steht? Der wäre froh gewesen, wenn er einen Inflationsausgleich bekommen hätte. Diesen bekommt er jetzt zum zehnten Mal nicht. Sie sagen, das ist eine soziale Staffelung. Kokolores. Das ist Wortklauberei und eine Verfälschung der Realität. Sie von der SPD müssten eigentlich wissen, wer keinen Inflationsausgleich braucht. Das ist Ihr Kanzlerkandidat, der Honorarpolitiker. Der kann darauf verzichten.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wenn wir darüber reden, wie wir den öffentlichen Dienst des Landes in Zukunft gestalten können, wird es die Hauptaufgabe sein, dass wir uns dem Wettbewerb um die besten Köpfe stellen,

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Wir können nur billig!)

und zwar nicht nur mit der freien Wirtschaft hier in Nordrhein-Westfalen, sondern auch länderübergreifend und bundesweit. Mit der Politik, die Sie an den Tag legen, können wir den Wettbewerb nur verlieren.

Ich möchte den Vertreter des Deutschen Städtetages, Herrn Dr. Wichmann, zitieren. Er sagt: Nordrhein-Westfalen ist unter SPD und Grünen als Arbeitgeber in die zweite Liga abgestiegen. – Ich sage Ihnen, wenn Sie mit Ihrem Schulden-Harakiri, mit Ihrem Wortbruch und mit der Arbeitsverweigerung so weitermachen, ist die dritte Liga noch zu gut. – Danke schön.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN und den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Lohn. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Wir sind damit am Schluss der Aktuellen Stunde.

Ich rufe auf:

2 Abschlussbericht der Enquetekommission

„Wohnungswirtschaftlicher Wandel und neue Finanzinvestoren auf den Wohnungsmärkten in NRW“ (Enquetekommission I)

Abschlussbericht der Enquetekommission I gemäß § 57 Abs. 3 GeschO Drucksache 16/2299

Entschließungsantrag der Fraktion der SPD, der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Fraktion der PIRATEN Drucksache 16/2346

Entschließungsantrag der Fraktion der PIRATEN Drucksache 16/2429

zu dem Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Fraktion der PIRATEN vom 26. Juni 2012 Drucksache 16/123

Ich erteile zuerst der Vorsitzenden, Frau Schneckenburger, zu einer zusätzlichen mündlichen Berichterstattung das Wort. Frau Kollegin, bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich freue mich, dass wir heute den Abschlussbericht der Enquetekommission I, die den Titel trug „Wohnungswirtschaftlicher Wandel und neue Finan

zinvestoren auf den Wohnungsmärkten in NRW“, im Plenum debattieren können.

Der Verlauf dieser Enquetekommission war etwas anders, als das normalerweise der Fall ist. Enquetekommissionen werden vom Landtag eingesetzt, arbeiten zwei Jahre und legen dann dem Plenum ihren Abschlussbericht vor. Das tun wir heute zwar auch, aber der Verlauf dieser Enquetekommission war unterwegs etwas anders.

Die Kommission bestand nämlich bereits in der 15. Wahlperiode und fand mit der Auflösung des Landtages am 14. März 2012 zunächst auch faktisch ihr Ende. Bei der Konstituierung des neuen Landtages ging es dann um die Frage, ob der Landtag bereit ist, das Thema wieder aufzunehmen und damit zu ermöglichen, dass eine Fortsetzung der Arbeit erfolgt. Ich bin dem Landtag sehr dankbar, dass diese Möglichkeit geschaffen wurde und dass wir damit in der Lage waren, die Arbeit der Enquetekommission zu beenden und Ihnen heute auch einen Abschlussbericht zur Beschlussfassung vorlegen zu können.

Ich bin auch deswegen dankbar dafür, weil ich der festen Überzeugung bin, dass wir in NordrheinWestfalen nicht nur ein wichtiges Thema in der Enquetekommission behandelt haben, das Auswirkungen auf viele Städte und Stadtteile in NordrheinWestfalen und auch auf viele Menschen in Nordrhein-Westfalen hat, die als Mieter und Mieterinnen in Wohnungen leben, die Finanzinvestoren gehören und von ihnen bewirtschaftet werden, sondern weil wir damit in Nordrhein-Westfalen ein Thema auf die Tagesordnung des Landtages gesetzt haben, das auch bundesweit Beachtung gefunden hat. Das zeigen uns jedenfalls Reaktionen aus dem Bundesgebiet, in denen für die Arbeit der Enquetekommission ausdrücklich gedankt worden ist, weil wir eine Frage behandelt haben, die nicht nur Nordrhein-Westfalen betrifft, sondern auch bundesweite Auswirkungen hat.

Worum ging es der Enquetekommission? Die zunehmende Globalisierung hat dazu geführt, dass der Wohnungsmarkt in Nordrhein-Westfalen in den letzten zehn Jahren für internationale Finanzinvestoren an Bedeutung gewonnen hat. Es gab zahlreiche Verkäufe und Wiederverkäufe von Wohnungen. Die Deregulierung der Finanzmärkte bildete dafür den Hintergrund.

Grundlage dieses Geschäftes war auch ein „Geschäftsmodell Hartz IV“, mit dem sich die Kommission ausführlich befasst hat. Im Hintergrund steht zudem die mangelnde Bereitschaft mancher Eigentümer, Wohnungsbestände instand zu halten, was in Kommunen zu verschiedenen Problemlagen geführt hat. Es geht dabei einerseits um städtebauliche Fragen. Diese hat die Kommission untersucht. Es ging zentral im wohnungswirtschaftlichen Bereich um die Wohnungswirtschaft, und es ging um die sozialen Folgewirkungen auf die Mieter und Mie

terinnen, auf die Menschen in Nordrhein-Westfalen, aber auch auf die Entwicklung der Stadtteile. Mit all diesen Fragen hat sich die Enquetekommission befasst. Sie legt Ihnen in ihrem Abschlussbericht auch eine detaillierte Analyse vor.

Lassen Sie mich zunächst einige Anmerkungen zum Verfahren und zur Arbeitsweise der Enquetekommission machen: Zu den elf Vertreterinnen und Vertretern aller fünf Fraktionen in der Enquetekommission kamen noch fünf sachverständige Mitglieder hinzu, also externe Mitglieder, die jeweils die Fraktionen benannt haben, die der Kommission ihren Sach- und Fachverstand in einer intensiven Arbeitsphase zur Verfügung gestellt haben.

Die Kommission hat insgesamt 28 Sitzungen durchgeführt, davon 13 in der 15. und 15 Sitzungen in der 16. Wahlperiode. Seit Mitte November 2012 bis zum Ende der Kommission am 28. Februar 2013 hat die Kommission im wöchentlichen Rhythmus getagt; davor waren die Abstände etwas größer.

Sehr geehrte Damen und Herren, nicht nur der Fachverstand der einzelnen Mitglieder, sondern auch vier Gutachten bzw. Studien, die die Kommission in Auftrag gegeben hat, bildeten die Grundlage für die Handlungsempfehlungen, die den Bericht abschließen. Die Handlungsempfehlungen sind natürlich das Zentrum eines solchen Berichtes, weil sie sich mit einem Auftrag an die Landesregierung richten und insofern eine Grundlage für die kommende Arbeit der Landesregierung bilden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Hervorzuheben ist dabei besonders ein Gutachten, mit dem sechs konkrete Fallbeispiele durch ein Institut begutachtet wurden, um auch konkrete Situationen vor Ort in den Blick zu nehmen. Wir hatten als Kommission schon den Anspruch, auf das ganze Land Nordrhein-Westfalen zu schauen und uns Städte und Kommunen unterschiedlicher Struktur anzusehen, um jeweils die Frage zu beantworten, wie sie mit der Problematik Finanzinvestoren umgehen.

Ich will die Stadtteile nennen, die wir besonders in den Blick genommen haben. Das waren BielefeldSennestadt, Dortmund-Jungferntal, Köln-Chorweiler, Marl-Drewer, Münster-Kinderhaus und NeussErfttal. Wir hatten uns als Kommission vorgenommen, einige dieser Quartiere zu bereisen. Wir haben das auch geschafft. Aufgrund der Verkürzung der Zeit konnten wir aber am Ende leider nicht alle Quartiere bereisen.

Darüber hinaus haben wir eine Vielzahl von Expertengesprächen durchgeführt und auch eine öffentliche und eine nichtöffentliche Anhörung zum Thema „Rechts- und Förderinstrumente“ durchgeführt.

Nicht zuletzt haben uns Vertreter von verschiedenen Ministerien der Landesregierung mit ihrer Expertise unterstützt.

Lassen Sie mich nun noch etwas zum Inhalt des Berichts und damit auch zum Inhalt der Arbeit der Enquetekommission sagen: Ausgangslage war die Feststellung, dass wir in Nordrhein-Westfalen Wohnungen und Stadtquartiere haben, in denen beispielsweise nicht nur massiver Schimmelbefall zu beklagen ist, in denen zum Beispiel wegen eines Aufzugdefekts in einem Hochhaus eingeschlossene gehbehinderte Mieterinnen nicht in der Lage waren, ihre Wohnung zu verlassen, in denen auch Leerstände auftreten bis hin sogar zu Vandalismus in einzelnen Straßenzügen. Das sind Facetten eines Problems, das wachsende Aufmerksamkeit in Nordrhein-Westfalen gefunden hat und an uns herangetragen worden ist. Das führte auch zur Einrichtung der Enquetekommission.

Warum ist das so? Das war die Frage der Enquetekommission. Was für ein Bewirtschaftungsmodell steckt dahinter?

Wir haben festgestellt, dass der deutsche Wohnungsmarkt seit einigen Jahren ins Blickfeld internationaler Anleger geraten ist, eine Entwicklung, die Länder und Gemeinden, aber auch Mieter/innen vor zum Teil erhebliche Probleme stellt. Diese Entwicklung hat auch eine Vorgeschichte. Seit Mitte der 90er-Jahre kam es nämlich in Deutschland zu umfangreichen Privatisierungen, die insbesondere seit Beginn des Jahres 2000 in Nordrhein-Westfalen stattgefunden haben. Das Jahr 2003 war ein ganz deutlicher Einschnitt in Nordrhein-Westfalen, an dem erkennbar ist, dass ehemals – in geringerem Maße – öffentliche, vor allen Dingen aber ehemals industrielle Wohnungsbestände an internationale Finanzinvestoren verkauft wurden, an Private Equity Fonds aus dem angelsächsischen Bereich.

Das war eine bundesweite Entwicklung. Darum ist auch die Bundesaufmerksamkeit auf die Enquetekommission gerichtet gewesen. Das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung hat zwischen 1999 und 2010 fast 2 Millionen gehandelte Wohnungen gezählt, von denen über die Hälfte an private Investoren ging. In Nordrhein-Westfalen rechnen wir mit ca. 320.000 Wohnungen, die an PrivateEquity-Fonds verkauft worden sind.

Der Hotspot des Handels lag in der Bundesrepublik in Nordrhein-Westfalen. In Nordrhein-Westfalen haben wir einen besonderen Schwerpunkt im Ruhrgebiet. Das lag daran, dass sich der werksgebundene Wohnungsbestand insbesondere im Ruhrgebiet befand. Große Bestände alteingesessener Industrieunternehmen wurden dabei privatisiert und zu einem großen Teil an Finanzinvestoren verkauft. Etwa ein Fünftel der Wohnungen – so die Feststellung der Kommission – wechselte dabei mehrfach den Besitzer.

Neu war dabei insbesondere die innovative Finanzierung dieser sehr großen Verkäufe. Sie funktionierte so, dass Private-Equity-Fonds mit geringem Eigenkapital und hohen Fremdkapitalanteilen ganze

Unternehmen oder Teilbestände aufgekauft haben. Aus der Differenz zwischen niedrigen Zinsen für das geliehene Kapital und der höheren Rendite aus der Vermietung der Immobilien resultierten die Eigenkapitalrenditen, die wiederum den Anlegern versprochen worden waren. Es sind denjenigen, die die Fondsanteile gekauft haben, Eigenkapitalrenditen von 10 bis 15 % versprochen worden. Ein kommunales Wohnungsunternehmen rechnet mit einer Rendite von ungefähr 3 bis 5 %. Daran kann man auch erkennen, worin die Probleme liegen: Wenn nämlich mit solch enormen Renditemargen gerechnet wird, hat das Folgen für die Investitionstätigkeit in diesen Beständen.

Die Kommission hat darüber hinaus das Problem festgestellt, dass die Ankäufe in Regionen stattfanden, in denen sich der Mietmarkt aufgrund des Bevölkerungsrückgangs entspannt. Es handelte sich überwiegend um einfache Wohnungen. Auch das muss man im Hinterkopf behalten. Viele Wohnungen unterlagen zudem beim Ankauf noch der sozialen Wohnraumbindung. Vor allen Dingen in diesem Marktsegment zeigen sich Probleme in der Entwicklung. Die Aufkäufe durch internationale Finanzinvestoren beruhten zum Teil auf Fehleinschätzungen und einem Geschäftsmodell, das sich nicht wie geplant umsetzen ließ.

Spätestens auf dem Höhepunkt des Verkaufskarussells – das war ungefähr 2004/2005 – kauften viele Unternehmen Wohnungsbestände ohne genauere Marktkenntnis, ohne wohnungswirtschaftliche Erfahrung und in einigen Fällen sogar ohne solide Immobilienbewertung. Viele der Fonds haben in der Folge beim Kauf den deutschen Immobilienmarkt hinsichtlich des Einzelprivatisierungs- und Mieterhöhungspotenzials überschätzt. Das hatte natürlich auch Folgen für das Geschäftsmodell, das ursprünglich vorsah, Wohnungen nur kurz zu halten und schnell wieder zu verkaufen. Dieser Exit hat aber in vielen Fällen nicht planmäßig stattgefunden.

Für die Mieterinnen und Kommunen waren die anschließenden Umstrukturierungen problematisch. Serviceleistungen wurden zentralisiert und ausgedünnt mit der Folge, dass sich die Hausverwaltung verschlechterte, Mieten erhöht, Instandhaltungs- und Modernisierungsaufwendungen zugunsten der hohen Gewinnerwartung deutlich reduziert wurden und – das muss man ganz deutlich sagen – Personal abgebaut wurde.

Infolgedessen kam es zu einer Vernachlässigung von Wohnungen, die sich in den eingangs beschriebenen Phänomenen wie Schimmel, undichten Fenstern, kaputten Aufzügen, Fassadenproblemen, Heizungs- und Warmwasserausfällen in den Wintermonaten – auch das ist uns berichtet worden – gezeigt haben.