Seit der ersten Lesung des Landeshaushalts haben wir auch neue Entwicklungen bei der Portigon AG, für die der Finanzminister seit 2010 die strategische Verantwortung übernommen hat.
Wir werden jetzt nicht über die WestLB in ihrer langen Zeitreihe debattieren müssen. Dazu haben wir einen Untersuchungsausschuss. Aber seit 2010 stehen Sie, Herr Finanzminister, in der politischen Verantwortung. Die FDP-Fraktion hat als einzige Fraktion dieses Hauses sowohl Ihrem Eckpunktepapier als auch dem Gesetz im vergangenen Jahr nicht zugestimmt, weil wir hinsichtlich der Tragfähigkeit des Geschäftsmodells Bedenken hatten, weil wir es nicht verstanden haben, Herr Finanzminister, dass Sie und das Land als Minderheitseigentümer der WestLB trotzdem für 90 % des Personals Verantwortung übernehmen wollten. Das waren die Gründe dafür, warum wir nicht zugestimmt haben. Das ist nicht lange her.
Jetzt können wir feststellen: Alle Ihre Erwartungen haben sich nicht erfüllt. Für den Umgang mit dem Personal verfügen Sie über keinerlei Konzept, Herr Finanzminister.
Haben Sie in der Frage der WestLB überhaupt noch die Kontrolle? – Ich nenne zwei Beispiele: Der Betriebsrat und ver.di beklagen, dass für ein Viertel der Beschäftigten keine sinnvolle und produktive Beschäftigungsmöglichkeit im Unternehmen besteht. 90 % wollten Sie haben. Jetzt stellen wir fest: Sie sind nicht in der Lage, alle sinnvoll im Geschäftsmodell der Portigon zu beschäftigen.
Es gibt jetzt Personalanpassungen, die sogar über die ursprünglichen Pläne hinausgehen. Sie haben die Überlegung angestellt, 450 ehemalige Landesbankbeamte, die im Durchschnitt gut 86.000 € verdienen und noch zwölf bis 17 Jahre produktiv tätig sein können, hochbezahlt in den Ruhestand zu entlassen, während Sie im Landeshaushalt Neueinstellungen vornehmen. Vor dem Hintergrund der Finanzlage des Landes ist das bizarr und gegenüber den Beschäftigten unverantwortlich.
Die Lage bei Portigon erhellt noch mehr. Kollege Römer, Sie haben eben wieder das hohe Lied der – wie Sie es mit Ihrem Terminus bezeichnen – „guten Arbeit“ angestimmt. Auch in Ihrem Koalitionsvertrag und Ihren Wahlprogrammen sprechen Sie sich gegen prekäre Beschäftigung aus. Wer könnte etwas dagegen haben? – Aber hier geht es ja nicht um soziale Rhetorik, sondern es geht um soziale Er
gebnisse. Auch bei Hannelore Kraft vergeht kein Sonntag, an dem sie nicht als soziales Gewissen der Republik auftritt. Immer wenn ein Unternehmen in Nordrhein-Westfalen Beschäftigung abbauen muss, kann man sich sicher sein, dass der sozialpolitische Bannstrahl aus Düsseldorf auf dieses Unternehmen gerichtet wird. Das ist Ihre Kulisse.
Aber wie verhält es sich eigentlich, wenn das Land Nordrhein-Westfalen als Arbeitgeber selber in der Verantwortung steht? – Bei Portigon gibt es 400 Beschäftigte mit einer Betriebszugehörigkeit von mehr als 20 Jahren. Denen war damals über eine Betriebsvereinbarung zugesagt worden, dass sie wie im öffentlichen Dienst unkündbar sind. Aber jetzt, Herr Finanzminister, sagen Sie, dass Sie sich daran nicht mehr gebunden fühlen, sondern betriebsbedingte Kündigungen für diese 400 Beschäftigten prüfen wollen. Dagegen klagen der Betriebsrat und ver.di. Ich sage voraus, dass das nach Bettensteuer und Landeshaushalt Ihre dritte Niederlage werden wird.
Vor allen Dingen geht es um eine Frage der Glaubwürdigkeit: Wie können denn Sozialdemokraten hier auftreten und über „gute Arbeit“ sprechen, private Arbeitgeber kritisieren, wenn Sie selber als Arbeitgeber Beschäftigte wie die ostelbischen Junker ihre Stiefelknechte behandeln? Das ist doch Ihr Glaubwürdigkeitsproblem!
Nein, diesen Menschen wollen und müssen wir Beschäftigungsperspektiven bieten. Die werden ohnehin vom Land bezahlt. Also müssen Möglichkeiten geschaffen werden – vielleicht auch nach dem Vorbild des früheren und von Ihnen abgeschafften Personaleinsatzmanagements –, diese Beschäftigten sinnvoll in der Landesverwaltung einzusetzen. Es gab Vorschläge unserer Fraktion beispielsweise für den Bereich der Finanzverwaltung. Das wäre ein humaner Umgang mit diesen Menschen, die die Misere und das schlimme Schicksal der WestLB persönlich nicht zu verantworten haben.
Herr Priggen, Sie schütteln wieder mit dem Kopf. Ich weiß genau, was gleich wieder kommt. Ich sage dem staunenden Publikum dort oben: Der Kollege Priggen schreibt nie eine Rede, in der er konzeptionell über den Landeshaushalt spricht, sondern der macht sich während der gesamten Debatte nur Notizen, um anschließend mit spöttischen Bemerkungen zu reagieren. Das kann ich schon voraussehen. Aber wissen Sie, Herr Priggen, gerade in der Frage des Arbeitsmarktes sollte ihre nordrhein-westfälische Partei mit ganz viel Demut argumentieren. Ich habe es genau verfolgt, dass Sie in Ihren Wahlprogrammen
immer für einen Mindestlohn von 8,50 € eintreten, aber bei Bärbel Höhn ein Praktikant für den Wahlkampf für 4 € beschäftigt werden sollte.
Offensichtlich ist Ausbeutung dann gut, wenn sie grüner Ideologie dient. Aber diese Form der Doppelmoral werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, am Montag wurden die Ergebnisse und Folgen des Tarifabschlusses im öffentlichen Dienst für den Haushalt 2013 dargelegt. In der Verlautbarung der Landesregierung vom Montag heißt es – ich zitiere –: „Die SPD-grüne-Landesregierung hält einen massiven Personalabbau auch deshalb nicht für vertretbar, da Nordrhein-Westfalen im Vergleich mit anderen Ländern bereits eine schlanke Landesverwaltung hat. Mit 16,08 Stellen pro 1.000 Einwohner sind bei uns im Verhältnis weniger Menschen in der Landesverwaltung beschäftigt als im Durchschnitt der anderen Flächenländer.“ – Zitat Ende.
Was wollen Sie uns mit dieser Statistik eigentlich sagen? Was besagt diese Statistik eigentlich genau? – Um nur einmal ein Beispiel zu nennen: In Nordrhein-Westfalen kommen auf einen Minister 1,5 Millionen Bürgerinnen und Bürger. In RheinlandPfalz kommen auf einen Minister 500.000 Bürgerinnen und Bürger. Das sind ganz normale Größeneffekte, die keine Aussagekraft für die Effizienz der Landesverwaltung haben.
Herr Finanzminister, wenn Sie diese Art des Benchmarking ernst nehmen würden, müsste Nordrhein-Westfalen als größtes Bundesland bei dieser Statistik an der Spitze aller Bundesländer stehen, weil die anderen Länder diese Größeneffekte nicht nutzen können.
Sie fragen: Was ist denn mit Bayern? Genau darauf komme ich jetzt zu sprechen. Wenn wir einen echten Vergleich machen, müssen wir die Ausgabenseite der öffentlichen Haushalte betrachten. Dann müssen wir im Übrigen auch die Länder mit ihren Gemeinden gemeinsam betrachten, Herr Finanzminister; denn in den Ländern gibt es ganz unterschiedliche Kommunalisierungsgrade. In Nordrhein-Westfalen ist der Kommunalisierungsgrad bekanntlich außerordentlich hoch – höher als in anderen Bundesländern.
Wenn wir die Ausgaben der Länder vergleichen, ergibt sich eine ganz andere Betrachtung. Die ProKopf-Ausgaben nahezu aller Flächenbundesländer inklusive ihrer Gemeinden liegen unterhalb derer in Nordrhein-Westfalen. Herr Finanzminister, Sie haben „Bayern“ zugerufen. Bayern gibt pro Einwohner 453 € weniger aus als Nordrhein-Westfalen. Sachsen gibt pro Einwohner 671 € weniger aus als Nordrhein-Westfalen. Das sind 8 bzw. 12 % weniger
Wenn Sie wissen wollen, warum Bayern und Sachsen im Gegensatz zu Ihnen bereits Altschulden tilgen können, dann liegt hier der Grund: Dort gibt es Ausgabendisziplin. Ausgabendisziplin brauchen wir in Nordrhein-Westfalen auch endlich wieder.
Allerdings gestehe ich Ihnen zu, dass Sie zumindest in einer Hinsicht die Kosten im Blick behalten haben, nämlich bei der Übertragung der Tarifabschlüsse auf die Beamtinnen und Beamten. Da wird Ihnen jetzt aber zu Recht Wortbruch vorgeworfen, Frau Kraft.
Ich sage Ihnen: Wir haben historisch die höchsten Steuereinnahmen. Wir haben eine außerordentlich gute Wachstumsperiode hinter uns. Daran haben alle Menschen einen fairen Anteil verdient, egal ob sie in der privaten Wirtschaft beschäftigt sind oder im öffentlichen Bereich.
Sie verweigern den Menschen diesen fairen Anteil mit folgender Begründung – ich zitiere –: Die vorgeschlagene Abstufung folgt dem Leitgedanken, dass stärkere Schultern mehr tragen können als schwache.
Wieder die starken Schultern! Dieses Argument kennen wir von Ihnen. Wir kennen es aus der Debatte, die wir hier über die Dämpfung der kalten Progression geführt haben. Da hat Herr Mostofizadeh gesagt: Nein, das können wir nicht machen; das würde die starken Schultern begünstigen; das wollen wir nicht. – Bei der Frage von Steuererhöhungen im Bund sprechen Sie ebenfalls davon, dass die starken Schultern mehr tragen müssen. Diese Art der Argumentation ist also nicht neu.
Neu ist, dass wir jetzt endlich wissen, wen exakt Sie mit den starken Schultern meinen. Starke Schultern beginnen bei Ihnen ab A13. Starke Schultern hat man, wenn man in Nordrhein-Westfalen ab
Ab etwas über 3.000 € gerät man bei Ihnen ins Visier der Umverteilung – weg vom privaten Portemonnaie, hin zum Staat.
Wenn Sie aber bereits Leute mit so einem durchschnittlichen Einkommen als die Objekte Ihrer Umverteilungspolitik begreifen, zeigt das nur, wie weit Sie sich von der Lebenswirklichkeit der Mittelschicht in Deutschland entfernt haben. Sie sparen nur an einem, nämlich an Leistungsgerechtigkeit. Das werden wir Ihnen in der Wahlauseinandersetzung dieses Jahres nicht durchgehen lassen.
Frau Kraft, Herr Finanzminister, bei Ihrer Pressekonferenz haben Sie weiter ausgeführt – ich zitiere –: Stellenabbau wollen wir nicht.
Das war ehrlich, aber eine Untertreibung; denn seit 2010 haben Sie 2.000 zusätzliche Stellen geschaffen. Auf 76 Stellen, die quotal auf die Ministerien verteilt werden, hatte ich hingewiesen. Sie setzen 442 kw-Vermerke in diesem Landeshaushalt mal eben so ab. Das zeigt: Von Personalabbau kann bei Ihnen keine Rede sein. Sie bauen Personal auf.
Weiter heißt es – das ist allerdings beachtenswert; das ist eine Delikatesse, wie ich finde – im Zusammenhang mit den Personalausgaben – Zitat –, Aufgabenkritik und Effizienzverbesserungen bei einzelnen Behörden seien nicht ausgeschlossen.
Ich muss sagen: Damit machen Sie dem Effizienzteam wirklich ehrgeizige Vorgaben. Denen werden bei dieser ambitionierten Ansage der Landesregierung jetzt die Schweißperlen auf der Stirn stehen.
Herr Finanzminister, genau in diesem Punkt unterscheiden wir uns aber. Während Sie Aufgabenkritik und Effizienzverbesserung bei einzelnen Behörden nicht ausschließen, wollen wir als Freie Demokraten Effizienzsteigerung und Aufgabenkritik bei allen Landesbetrieben und allen Landesbehörden. Das macht den Unterschied aus. Für uns ist es nicht die Kür, sondern die Pflicht, die Effizienz öffentlicher Aufgabenerfüllung zu verbessern. Bei dieser Frage versagen Sie. Da haben Sie noch nicht einmal den Willen, etwas zu tun.