Protocol of the Session on February 28, 2013

Gestern habe ich erfahren, dass die Volkshochschulen rund 5.000 Personen jährlich bilden, damit diese nicht nur einzelne Buchstaben erkennen und einzelne Wörter lesen können, sondern auch fähig sind, die Zusammenhänge im Satzgefüge zu verstehen. Das Nachholen von Schulabschlüssen für Menschen, die es in unserem etablierten Schulsystem nicht geschafft haben – aus sozialen oder welch anderen Gründen auch immer – und später ihre Lust am Lernen wiederentdecken und einen höheren Bildungsabschluss anstreben, ist ein wesentlicher Bildungsauftrag an Volkshochschulen, anerkannten freien Weiterbildungseinrichtungen,

Weiterbildungskollegs und Abendgymnasien.

Eine Studie hat ergeben, dass rund 14 % unserer erwerbsfähigen Bevölkerung als funktionale Analphabeten gelten. Auf unser Bundesland bezogen müssen wir erkennen, dass wir nur 5.000 Menschen erreichen und nur ihnen eine größere Teilhabe und eine andere Zugehörigkeit zu unserer Gesellschaft und unserem Arbeitsleben ermöglichen. Mit mehr Bildungsteilhabe und mehr Bildungsgerechtigkeit verhindern wir Armut und Arbeitslosigkeit und mini

mieren staatliche Unterstützungsleistungen. Das ist also eine gute Investition in unsere Gesellschaft. Dafür benötigen wir auch dringend die ESF-Mittel.

Ein weiteres Aufgabenfeld ist der Aufbau eines landesweiten Supportsystems für die Weiterbildung. Auch das hat die Weiterbildungskonferenz deutlich gemacht. Die Weiterbildung benötigt zur Sicherung ihrer Zukunftsfähigkeit ein Unterstützungssystem. Es geht darum, die vorhandenen Ideen und die guten, innovativen Beispiele aus der Praxis zu bündeln sowie dringend erforderliche Entwicklungsaufgaben anzupacken. Ein Landesinstitut, wie früher in Soest, ist nicht mehr vorhanden. Eine ähnliche Unterstützung ist ratsam und sollte so bald wie möglich umgesetzt werden.

Eine Supportstruktur muss für uns Grüne folgende Ziele verfolgen: erstens die zentrale Unterstützung von Fortbildungs- und Qualifizierungsangeboten sowie das Aufzeigen inhaltlich-pädagogischer Perspektiven zur Weiterentwicklung, zweitens die Entwicklung innovativer Formate und zielgruppengerechter Angebote für nicht erschlossene Zielgruppen und drittens beim Generationenwechsel die Sicherung des Know-hows und der Best-PracticeBeispiele, um neue Stellen betreuen zu können.

Sehr geehrte Damen und Herren, von allen Beteiligten gewünscht ist ein schlankes, transparentes Berichtswesen, welches verlässliche Daten liefert und nicht unnötig Ressourcen bindet. Im Jahr 2000, bei der letzten größeren Änderung des Weiterbildungsgesetzes, gab es hierzu bereits einen Vorschlag des Gesprächskreises für Landesorganisationen der Weiterbildung in NRW. Vielleicht kann dieses noch hilfreich sein und zur schnellen Umsetzung noch in diesem Jahr beitragen. Mit einem effektiven Berichtswesen ist nicht nur eine finanzielle Grundlage für die Weiterbildung zu ermitteln. Vielmehr kann damit auch die institutionelle Entwicklung dokumentiert werden und als Grundlage für weiteres Handeln dienen.

Ferner mangelt es bisher am Aufbau einer flächendeckenden und mobilen Weiterbildungsberatung. Das Gutachten des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung testiert Entwicklungsbedarf der Weiterbildungsberatung. Eine landesweite Grundversorgung durch trägerneutrale Beratungsinfrastruktur ist dringend erforderlich, wenn wir den Vergleich mit den europäischen Nachbarländern im Bereich der Weiterbildung nicht mehr scheuen wollen. Der Ausbau von Beratungsstellen für den Bildungsscheck und die Bildungsprämie sowie eine trägerübergreifende, ganzheitliche, flexible Beratung zur Weiterbildung sind für mehr Bildungsgerechtigkeit und mehr Bildungsteilhabe erforderlich.

Nicht erschlossene Zielgruppen erreichen wir nur durch Innovation der Weiterbildungsberatung und durch aufsuchende mobile Beratung. Dazu gibt es an Einrichtungen der Weiterbildung heute schon hervorragende Praxisbeispiele, die gebündelt und

für die Fläche nutzbar gemacht werden sollten. Das wäre ebenfalls eine Aufgabe der dringend erforderlichen Supportstelle für Weiterbildung.

Auch der Generationenwechsel ist nur durch die Erschließung neuer Zielgruppen zu erreichen, die ihre Aufgabe in der Weiterentwicklung der Weiterbildungsinstitutionen sowie in ihrem Selbstverständnis der fachlich-didaktischen Arbeit und der strategischen Ausrichtung sehen.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich verspreche mir viel von dem Wunsch der Weiterbildungskonferenz, einen Landesbeirat einzurichten. Ich halte es für sinnvoll und zielführend, hier ein Expertengremium aus Vertretern aller Weiterbildungsträger einschließlich der kommunalen, gesetzlich verankerten Volkshochschulen und eventuell eine Vertretung zur Beratung der Verbraucher zu haben.

Die Beteiligung eines Landesbeirats der Weiterbildung ist auch ein Zeichen für Bürgernähe und Transparenz rot-grüner Politik. Ein solcher Landesbeirat sollte mit einer Geschäftsstelle ausgestattet sein und Empfehlungen an das Parlament geben können. Darin sind wir uns alle einig, glaube ich.

Die Einbindung der Weiterbildungseinrichtungen in der regionalen Bildungslandschaft muss verstärkt werden. In Kürze wird ein vom Land geförderter Handlungsleitfaden des Gesprächskreises für Landesorganisationen der Weiterbildung vorliegen, mit dem die Zusammenarbeit zwischen den regionalen Bildungsnetzwerken und der Weiterbildung entwickelt und gestaltet werden kann.

Weiterbildung ist lebensbegleitendes Lernen. Eine Beschränkung auf die Bildungseinrichtungen der Kindertagesstätten, der allgemeinbildenden Schulen, der Hochschulen bzw. Universitäten und der beruflichen Bildungseinrichtungen entspricht nicht mehr den Anforderungen, die an die Menschen dieses Jahrhunderts gestellt werden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Auf Basis der Ergebnisse der Weiterbildungskonferenz werden wir mit dieser rot-grünen Landesregierung zu mehr Bildungsteilhabe und zu einer nachhaltigen Weiterbildung gelangen, die den anstehenden Generationenwechsel helfend begleiten wird.

Weiterbildung wird nur so unser demokratisches Gemeinwesen weiter stabilisieren und durch mehr Bildungsgerechtigkeit Armut verhindern bzw. Wohlstand sichern. Ganzheitliche Bildung und lebensbegleitendes, lebenslanges Lernen durch Weiterbildung ist Zielmarke grüner Politik. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Zentis. – Für die FDP-Fraktion spricht nun Frau Abgeordnete Schmitz.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Aus Sicht der FDP reden wir heute über einen zentralen Eckpfeiler unserer Bildungslandschaft. Wer lebenslanges Lernen für richtig und notwendig erachtet, muss insbesondere auch die Weiterbildungslandschaft in NordrheinWestfalen in den Blick nehmen.

Es ist sehr erfreulich, dass wir eine so qualitativ hochwertige und breitgefächerte Weiterbildungslandschaft in Nordrhein-Westfalen aufweisen können. In diese erfolgreiche Landschaft beziehen wir als FDP auch bewusst kommerzielle Anbieter ein.

Sehr geehrte Damen und Herren, die gemeinwohlorientierte Weiterbildung erstreckt sich unter anderem von der Familienbildung über die politische Bildung, von Alphabetisierungskursen bis hin zum nachträglichen Erwerb von Schulabschlüssen.

Nichts verdeutlicht stärker als diese Vielfalt der Angebote und Aufgaben, dass Weiterbildung ganzheitlich verstanden werden muss. Daher finden wir Liberale es richtig und angemessen, im Landtag auf diese bedeutende Stütze unseres Bildungssystems ein ausführliches Augenmerk zu richten.

Allerdings möchte ich vorab zwei kurze kritische Anmerkungen machen, um mich dann auf die Empfehlungen der Weiterbildungskonferenz zu konzentrieren:

Erstens. Ich wundere mich sehr, dass diese Unterrichtung in diese Plenarwoche gelegt wird. Ich weiß, dass nicht ich alleine den Verdacht hege, dass diese Unterrichtung heute angesetzt wurde, um die für RotGrün verständlicherweise unangenehmen Haushaltsberatungen zeitlich nach hinten zu verschieben. Das finde ich schade

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Was ist das denn für ein Quatsch? – Rolf Beu [GRÜNE]: Ver- schwörungstheorie!)

Zweitens. Jemandem, der an der Abschlusssitzung der Weiterbildungskonferenz teilgenommen hat, ist diese noch sehr präsent. Mir erschienen der zwischenmenschliche Umgang und Ablauf der Veranstaltung optimierbar. Mich hat es schon gewundert, dass Sie, Frau Ministerin bezüglich der kritischen Positionen des Städte- und Gemeindebunds und des Landkreistags derartig die Contenance verloren hat.

(Lachen von der SPD)

Dass man nicht alle kritischen Positionen anderer Beteiligter teilen muss, ist unbestritten. Auch können Diskussionen anstrengend sein. Aber Beteiligte mit anderer Meinung im scharfen Ton zu schulmeistern und zu maßregeln, hat mich persönlich irritiert.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Meine Güte!)

Sehr geehrte Damen und Herren, abgesehen von diesen kritischen persönlichen Eindrücken möchte

ich nun zu den Empfehlungen der Weiterbildungskonferenz kommen.

Die FDP-Fraktion hat an den Gesprächen der Weiterbildungskonferenz als interessierter Beobachter teilgenommen. Auch wenn wir uns nicht alle Forderungen des Papiers zu eigen machen, finden sich aus FDP-Sicht in den Empfehlungen sehr interessante und umsetzungswerte Anstöße, über die wir in den nächsten Jahren intensiv sprechen müssen.

Die FDP erachtet die Unterstützung der gemeinwohlorientierten Weiterbildung als eine wichtige Aufgabe im Interesse der gesamten Gesellschaft. Über die Frage der Finanzierung der Weiterbildung ist in den vergangenen Jahren umfangreich diskutiert worden. Wir finden es richtig, dass die gemeinwohlorientierte Weiterbildung nach dem Weiterbildungsgesetz in Nordrhein-Westfalen auch im Vergleich der Bundesländer eine umfassende und kontinuierliche finanzielle Unterstützung erhält.

Zu Beginn der vorletzten Legislaturperiode musste im Zuge der allgemeinen Konsolidierungsbemühungen ein Kürzungsbeitrag erbracht werden. Da FDP und CDU in allen Bildungsbereichen die Mittel massiv angehoben haben, waren diese Kürzungen gerade für Bildungspolitiker sehr schmerzhaft. Die FDP hat bereits verdeutlicht, dass sie den nun vollzogenen Aufwuchs der Mittel in diesem Bereich als positiv erachtet.

Allerdings auch betont werden, dass die vorherige rot-grüne Landesregierung bereits massiv bei der Weiterbildung gekürzt hatte. Zurückgenommen wurde der Konsolidierungsbeitrag unter SchwarzGelb, nicht die Kürzungen unter Rot-Grün. Das gehört auch zur Wahrheit hinzu.

Frau Ministerin Löhrmann, Sie haben im Zuge der Weiterbildungskonferenz erklärt, dass es keinen weiteren Aufwuchs der Mittel geben werde. Daher müssen wir insbesondere darüber beraten, wie wir auf der bestehenden finanziellen Basis sinnvolle Maßnahmen ergreifen.

Sehr geehrte Damen und Herren, zukünftig werden wir vor allem auch ausführlich über die Struktur der Förderung sprechen müssen. Dass eine weitgehende Stärkung der Hauptamtlichkeit gewünscht wird, ist nachvollziehbar. Allerdings muss abgewogen werden, um sachangemessene Entscheidungen zu treffen. Daher begrüßen wir es, dass die Weiterbildungsträger überwiegend neben den HPMStellen zum Beispiel auch die Unterrichtsstunden und den Teilnehmertag als Fördergrundlage betont haben.

Die FDP teilt ebenfalls die Kritik vieler Weiterbildungsträger an den Vorschlägen des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung zur Finanzierung der Weiterbildungseinrichtungen in anderer Trägerschaft. Die vorgeschlagene Fördersystematik muss auch aus liberaler Sicht hinterfragt werden.

Sehr geehrte Damen und Herren, sehr erfreulich ist es aus unserer Sicht, dass die Weiterbildungsträger bei allen nachvollziehbaren Wünschen überwiegend sehr viel Augenmaß bewiesen haben. Bei aller Notwendigkeit der Sicherung flächendeckender Weiterbildungsstrukturen, auf die auch wir selbstverständlich nicht verzichten wollen, müssen auch sinnvolle und notwendige Kooperationen und Fusionen im Auge behalten werden.

Selbstverständlich kann sich auch die Weiterbildungslandschaft nicht von demografischen Entwicklungen abkoppeln. Die bereits langjährige Bereitschaft, sich auf sich ändernde Rahmenbedingungen und gesellschaftliche Prozesse einzustellen, zeichnet die Weiterbildner in hohem Maße aus und verdient große Anerkennung. Ähnliches gilt für die hohe Wertschätzung qualitativer Nachweise, wie etwa der Zertifizierungsprozess verdeutlicht.

Uns alle verbindet die Überzeugung, dass wir versuchen müssen, die in der Weiterbildung unterrepräsentierten sogenannten bildungsfernen Schichten stärker zu gewinnen und zu motivieren. Gerade Weiterbildung kann einen entscheidenden Beitrag zur gesellschaftlichen Teilhabe eröffnen.

Hier möchte ich nur ein Thema ansprechen, das mir in diesem Zusammenhang ganz besonders am Herzen liegt und das erfreulicherweise in den Empfehlungen der Konferenz einen breiten Raum einnimmt. Uns alle hat die vor nicht allzu langer Zeit veröffentlichte „leo. Level-One-Studie“ betroffen

gemacht, wonach vom Analphabetismus im engeren Sinne mehr als 4 % der erwerbsfähigen Bevölkerung betroffen sind. Kumuliert mit funktionalem Analphabetismus, betrifft dies sogar mehr als 14 % der erwerbsfähigen Bevölkerung.

Ich begrüße es sehr, dass die Bundesregierung auf diesem Feld zusätzliche Anstrengungen ergriffen hat. Gleichzeitig kann die Weiterbildungslandschaft gerade auf diesem Gebiet einen zentralen Beitrag leisten. Bei allen Schwierigkeiten, die mit dieser wichtigen Aufgabe einhergehen, ist diese Schwerpunktsetzung ausdrücklich zu befürworten.

Bei aller Notwendigkeit der Konzentration auf diese wichtige Zielgruppenarbeit ist es aus Sicht der FDP aber ebenso unverzichtbar, dass sich die gemeinwohlorientierte Weiterbildung an alle Menschen in diesem Land richtet. Wir alle verfolgen gemeinsam das Ziel einer Steigerung der Teilnehmerquote auf 50 %. Eine staatlich unterstützte Weiterbildungslandschaft muss daher allen Gesellschaftsschichten Angebote eröffnen.

Es ist daher zu begrüßen, dass eine Art der Quotierung der Mittel, die zeitweise von rot-grüner Seite im Raum zu stehen schien, offenbar vom Tisch ist. Dies unterstreicht letztlich auch die Konferenz mit der Aussage, dass eine Verständigung über das gemeinwohlorientierte Themenspektrum in einem

diskursiven Prozess unter Beteiligung der Weiterbildungslandschaft erfolgen solle.

Sehr geehrte Damen und Herren, es gibt viele weitere wichtige Fragen, zum Beispiel in Bezug auf ELearning-Konzepte für Berufstätige, interkulturelle Kompetenz, seniorengerechte Angebote, das Weiterbildungsmarketing oder auch die Weiterbildungsberatung.