Protocol of the Session on April 6, 2017

Erstens. Das Defizit im Vergleich zum restlichen Deutschland vergrößert sich weiter. – NordrheinWestfalen holt somit nicht auf, Herr Römer. Im Gegenteil, der Abstand wird größer.

Zweitens. Vermeintlich geringe 0,1 % weniger Wachstum bedeuten rund 650 Millionen weniger Wirtschaftskraft, 600 Millionen weniger Bruttowertschöpfung und 330 Millionen € geringere Entgelte für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in unserem Lande.

Meine Damen und Herren, das ist wirklich kein Grund zur Freude. Negative Entwicklungen müssen hier ebenfalls angesprochen werden, auch wenn Ihnen das keine Freude bereitet.

Damit wenden wir uns einem Sektor zu, der im Zentrum des Wohlstands, der wirtschaftlichen Strukturen, aber auch der Wachstumsschwäche in unserem Land steht – der Industrie. Eines kann dabei doch nicht unser Ziel sein, meine Damen und Herren: dass wir unseren hochinnovativen, wettbewerbsfähigen und überwiegend mittelständischen Industriebetrieben mit ihren ausgezeichneten Fachkräften weiterhin so große Steine in den Weg legen, wie es hier in Nordrhein-Westfalen der Fall ist.

Die Indikatoren sind auch hier eindeutig besorgniserregend, wie etwa das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung aufgezeigt hat:

Im Vergleich mit den westdeutschen Flächenländern liegt Nordrhein-Westfalen bei der Entwicklung der industriellen Wertschöpfung auf dem letzten Platz.

(Zuruf: So ist das!)

Bei der Entwicklung der Beschäftigten in der Industrie landet Nordrhein-Westfalen auf dem vorletzten Platz.

(Unruhe)

Bei der Entwicklung der Löhne in der Industrie liegt Nordrhein-Westfalen im unteren Viertel.

Meine Damen und Herren, vor allem aber schneidet unser Land bei einem Indikator besonders schlecht ab, der bei uns allen, ehrlich gesagt, die Alarmglocken schrillen lassen müsste. Denn bei der Entwicklung der industriellen Investitionen liegt NordrheinWestfalen ebenfalls auf dem letzten Platz aller westdeutschen Flächenländer.

(Anhaltende Unruhe)

Herr Kollege, Entschuldigung. – Ich bitte einen Moment um Ihre Aufmerksamkeit. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie, die Gespräche ein Stück einzustellen – hier im Plenarsaal ist eine sehr große Unruhe –,

(Zuruf von Michael Hübner [SPD])

damit man dem Redner folgen kann. – Bitte schön.

Vielen Dank, Herr Präsident.

Meine Damen und Herren, an diesen Zahlen, an diesen Indikatoren, dass in Nordrhein-Westfalen seitens der Industrie nicht mehr investiert wird, wird eines leider ganz besonders deutlich: Das Vertrauen in den Wirtschaftsstandort ist in den letzten sieben Jahren, in Ihrer Regierungszeit, massiv zurückgegangen. Und das muss sich dringend ändern.

Der vom Wirtschaftsminister vorgelegte Jahreswirtschaftsbericht nennt durchaus Schwerpunkte, an die zur Verbesserung des Wirtschaftsklimas angeknüpft werden könnte. Aber es erstaunt, wie stark die Diskrepanz zwischen dem Bericht auf der einen Seite und der rot-grünen Politik in der Praxis auf der anderen Seite tatsächlich ausfällt.

Deshalb schauen wir uns beispielhaft einmal die sechs Schwerpunkte Ihrer Wirtschaftspolitik an, Herr Minister Duin. In jedem einzelnen Bereich handelt Rot-Grün genau in die entgegengesetzte Richtung.

Der Minister spricht von „NRW digital“, aber das für 2018 avisierte Ziel eines flächendeckenden Zugangs zu 50 Mbit wird klar verfehlt. Noch schlimmer ist es beim Glasfaserausbau. Glasfaserausbau will der Minister bis 2026 erreichen. – Meine Damen und Herren, so verschlafen wir die Digitalisierung! Das ist megaschwach.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU – Michele Marsching [PIRATEN]: Megaschwach!)

Ein Schwerpunkt ist „NRW Industrie“. Aber ich habe es eben gesagt: Wertschöpfung, Beschäftigung, und Investitionen in der Industrie sinken im Gegensatz zu anderen Bundesländern, weil dieser Umweltminister dafür sorgt, dass sich in diesem Land die Bedingungen deutlich verschlechtert haben.

Sie sprechen von „NRW global“. Aber Rot-Grün betätigt sich als Frontkämpfer gegen Freihandelsabkommen, und der Export ging in Nordrhein-Westfalen im Jahr 2016 im Gegensatz zum Bundestrend zurück.

Herr Minister hat eben „NRW Energie“ angesprochen. Die Strompreise wachsen jedoch über den Kopf. Aufgrund der fortgeschrittenen Übersubventionierung und ideologischer Bevorzugung einzelner

Technologien sowie der fehlenden Stimme Nordrhein-Westfalens geht das immer in die falsche Richtung und belastet den Standort immens.

„NRW regional“ soll ein Schwerpunkt Ihrer Politik sein. Siehe da: Der Pro-Kopf-Schuldenstand der Kommunen in Nordrhein-Westfalen liegt um 50 % höher als im Durchschnitt aller Flächenländer. Nun, Herr Minister, stellen Sie allen Ernstes „NRW unbürokratisch“ ins Schaufenster. Ich habe gestaunt, als ich das gesehen habe. Denn – ich kann das verstehen – angesichts der von Ihnen und Minister Groschek selbst angesprochenen durchgrünten Gesellschaft ist das, ehrlich gesagt, sehr mutig.

(Beifall von Hendrik Wüst [CDU])

Dennoch grenzt das beim Blick auf das nutzlose und teure Vergabegesetz, die bürokratische und bevormundende Hygieneampel, den industrie- und entwicklungsfeindlichen Landesentwicklungsplan oder die Übererfüllung von EU- und Bundesvorgaben wie beim Klimaschutzgesetz, ehrlich gesagt, an blanken Hohn.

(Zuruf von Michael Hübner [SPD])

Ich könnte diese Liste noch fortsetzen, wenn wir uns etwa ansehen, wie Sie die Sonntagsöffnung beim Ladenschluss verschlimmbessert haben, sodass er nirgendwo mehr stattfinden kann, oder wenn wir uns die Offenlegungspflichten bei Genehmigungsunterlagen ansehen. Da müssen jetzt sogar die Unternehmen klagen, damit Sie diesen Mist endlich rausnehmen!

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Meine Damen und Herren, wir benötigen einen grundlegenden Wechsel in der Wirtschaftspolitik, um die Stärken von Mittelstand, Industrie und Handwerk in Nordrhein-Westfalen wieder auszuspielen, um mehr Chancen auf Entwicklung und Wohlstand für alle Menschen zu schaffen und um das Vertrauen in den Standort Nordrhein-Westfalen wieder zu stärken.

Drei Bereiche möchte ich dafür ansprechen:

Erstens. Qualifikation ist die Grundlage von Chancengerechtigkeit und Wohlstand. Nordrhein-Westfalen weist die höchste Kinderarmut im Bundesvergleich auf. Statt in bessere Bildung zu investieren, hat Rot-Grün jedoch ein Schulchaos produziert. Das muss endlich geändert werden –

(Beifall von Ralph Bombis [FDP])

mit einem Sofortprogramm für höhere Qualität und bessere Ausstattung in den Schulen und Berufsbildungseinrichtungen,

(Michael Hübner [SPD]: Wir haben „Gute Schule 2020“!)

mit einer Besinnung auf die Stärken des dualen Ausbildungssystems.

(Zuruf von Norwich Rüße [GRÜNE])

Hören Sie mal gut zu, Herr Rüße! Während RotGrün, während Sie die Berufskollegs ausgetrocknet haben und Investitionsmittel für überbetriebliche Ausbildungsstätten gekürzt haben, wollen wir Freien Demokraten die Gleichwertigkeit beruflicher und akademischer Bildung wieder in den Fokus rücken, meine Damen und Herren.

(Beifall von der FDP)

Deshalb schlagen wir einen Bund-Länder-Exzellenzpakt vor. Das heißt: mehr Ressourcen für das duale Bildungssystem, mehr Unterstützung von Spitzenleistungen in der Berufsbildung und eine Weiterentwicklung der dualen Ausbildung und der Berufsbilder. Und wir müssen Bildung insgesamt modernisieren, meine Damen und Herren. Wirtschaftskompetenzen, Programmierkenntnisse und digitale Fähigkeiten sollten in den Schulen besser vermittelt werden.

Zweitens. Unser Mittelstand benötigt bessere Bedingungen für Investitionen und Innovation. Der in Nordrhein-Westfalen einmalige Hang zur Bürokratisierung der Wirtschaft muss endlich beendet werden. Dazu gehören überflüssige Regeln ohne positive Wirkungen wie das Tariftreue- und Vergabegesetz, die Hygieneampel und all die Punkte, die ich eben genannt habe, abgeschafft.

(Beifall von der FDP)

Auch das Hochschulrecht muss wieder freiheitlicher gestaltet werden. Wir wollen die Zusammenarbeit von Wirtschaft und Wissenschaft fördern und nicht wie Sie behindern.

(Beifall von der FDP)

Meine Damen und Herren, wir müssen Innovationen durch Gründungen stärken. Mit Start-up-Clustern, mit besserer finanzieller Unterstützung von Gründerinnen und Gründern sowie mit flexiblen Arbeitszeitregeln können wir das Gründungsklima verbessern und neue Ideen in unserem Land fördern.

Drittens brauchen wir leistungsfähige Infrastrukturen, denn sie sind das Nervensystem einer leistungsfähigen Wirtschaft, meine Damen und Herren. Aber insbesondere der Neu- und Ausbau von Straßen ist in den vergangenen Jahren sträflich vernachlässigt worden. Deshalb benötigen wir eine Investitionsoffensive in das Landesstraßennetz. Wir müssen mehr und besser planen, auch durch externen Sachverstand, statt Projekte aus dem Bundesverkehrswegeplan ideologisch auszubremsen.

Mit einem Satz: NRW braucht wieder Priorität auf Infrastrukturausbau. Das ist für analoge Netze genauso

wie für digitale Netze wichtig. Während die Landesregierung laut ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage über keinerlei Kenntnisse darüber verfügt, wie weit der Ausbau des Glasfasernetzes vorangekommen ist, wollen wir einen Impuls für den Ausbau gigabitfähiger Netze setzen. Dazu würden eine Glasfaserfirst-Strategie für EU- und Bundesmittel und die Zusammenführung verschiedener Fördertöpfe in einem Glasfaserfonds beitragen.

Meine Damen und Herren, Nordrhein-Westfalen könnte viel mehr, wenn die Menschen und die Betriebe endlich von überflüssigen Fesseln befreit würden.