Vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen mit den Opfern und Angehörigen und vor dem Hintergrund der Erkenntnisse, die der Untersuchungsausschuss dazu gewonnen hat, haben wir ein Kapitel unserer Handlungsempfehlungen dem Thema Opferschutz gewidmet – verbunden mit anderen Handlungsempfehlungen, die sich mit einer offenkundig erforderlichen Sensibilisierung der Ermittlungsbehörden im Umgang mit Opfern befassen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, angesichts einer begrenzten Redezeit lässt sich die Arbeit eines Untersuchungsausschusses an dieser Stelle natürlich nicht in Gänze darstellen, selbst wenn man sich nur auf die Ergebnisse und die daraus resultierenden Konsequenzen beschränken wollte, die der Ausschuss in Form der soeben erwähnten und abgestimmten Handlungsempfehlungen einstimmig beschlossen hat. Von daher bitte ich um Verständnis,
Vor wenigen Wochen erst wurde hier im Plenum der Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses WestLB vorgestellt. Ich erinnere mich noch, wie sich der Kollege Zimkeit eingangs seiner Rede über das schlechte Erinnerungsvermögen von Zeugen ausgelassen hat – allerdings mit dem Teilverständnis, dass die Befragungen die 80er- und den Anfang der 90erJahre betrafen. Ich weiß nicht, ob es die Kolleginnen und Kollegen des Untersuchungsausschusses
WestLB trösten kann, aber: Fehlendes Erinnerungsvermögen gibt es auch schon, wenn die hinterfragten Zeiträume wesentlich jüngeren Datums sind.
Wir können in unserem Untersuchungsausschuss wirklich ein Lied davon singen. Ich will nur zwei Sätze wiedergeben, die wir leider nur allzu oft in Zeugenvernehmungen hören mussten: „Ich kann mich nicht erinnern.“ – „Ich war nicht zuständig.“ – Der letztere Satz wurde in Einzelfällen mit dem Hinweis ergänzt: Der eigentlich Verantwortliche ist leider verstorben.
Ich möchte nicht missverstanden werden. Natürlich wissen wir alle, dass das Erinnerungsvermögen eine höchst fragile Eigenschaft des Menschen ist. Vielleicht hatten wir auch nur die Vorstellung, dass Polizeibeamte, Staatsanwälte oder Verfassungsschützer berufsbedingt über ein überdurchschnittliches Erinnerungsvermögen verfügen – insbesondere, wenn es sich um Ereignisse wie Bombenanschläge oder Morde mit immer derselben Waffe handelt. Leider zu oft haben wir uns mit dieser Vorstellung getäuscht.
Der Satz „Ich war nicht zuständig“ gehört nach meiner Einschätzung zu einer Erfahrung, die wir als Untersuchungsausschuss quasi als Abfallprodukt unserer Arbeit gewonnen haben. Natürlich möchte ich hier keine pauschale Kritik an den gerade erwähnten drei Berufsgruppen vortragen, aber ich komme nicht umhin, darauf hinzuweisen, dass wir diesen Satz leider viel zu oft hören mussten.
Wenn wir vor dem Hintergrund von Bombenanschlägen – was zum Glück ja nun keine alltägliche Angelegenheit ist – oder vor dem Hintergrund einer CeskaMordserie gefragt haben, ob denn später bei den zuständigen Mitarbeitern oder einer anderen zuständigen Stelle nochmals nachgefragt wurde, wie sich die jeweilige Angelegenheit weiterentwickelt oder ob es neue Erkenntnisse gegeben hat, dann haben wir leider sehr oft die Antwort erhalten, dass man derartige Nachfragen nicht gestellt hat.
Ich wiederhole mich: Das soll keine pauschale Kritik sein, aber auffällig war es allemal, wie oft wir auf Sachverhalte gestoßen sind, die man mit der Redensart „Aus den Augen, aus dem Sinn“ umschreiben kann. Die daraus zu ziehende Konsequenz muss aus meiner Sicht Niederschlag in der Aus- und vor allen Dingen in der Fortbildung der Beschäftigten der Sicherheitsbehörden finden – ebenso wie in der
Ein weiteres Thema, das ich hier vortragen möchte, findet sich im Abschlussbericht nur kurz an versteckter Stelle – nicht, weil es nebensächlich wäre, sondern weil selbst ein ausführlicher Abschlussbericht eine Grenze an Umfang haben muss, wenn er denn gelesen werden soll.
Wir hatten als Untersuchungsausschuss vor der Ermittlungs- und vor der Vernehmungsphase in mehreren Hearings, auf die der Vorsitzende schon hingewiesen hat, Sachverständige eingeladen, um deren Expertenwissen zum gesamten Themenkomplex zu erfahren. Dabei ging es sowohl um die Arbeit des Verfassungsschutzes wie auch um die Zusammenarbeit der Verfassungsschutzämter untereinander, aber auch um deren Zusammenarbeit mit der Polizei und insbesondere den Staatsschutzdienststellen der Polizei.
Wie wir aus allen Erkenntnissen rund um das 13-jährige Verhandlungs- und Ermittlungsdesaster in Verbindung mit dem NSU-Terror wissen, gehört dieses Thema in den Vordergrund aller Versuche, die Arbeit der verschiedenen Sicherheitsorgane grundlegend zu verbessern. Besonders beeindruckt haben mich bei diesen Hearings die Denkanstöße von Herrn Prof. Dr. Hans-Peter Bull, dem früheren Bundesbeauftragten für den Datenschutz und späteren Innenminister von Schleswig-Holstein. Abgesehen davon, dass ich Ihnen allen einen Blick ins Internet empfehle, in dem zahlreiche Vorträge oder Veröffentlichungen von Herrn Bull zu finden sind, die sich speziell auf die Rolle des Verfassungsschutzes beziehen, möchte ich hier nur kurz seine Kernaussage während des Hearings zitieren:
„Verfassungsschutz muss meiner Überzeugung nach auf eine Forschungs-, Wissenschafts- und Publikationstätigkeit reduziert werden oder, besser, als Demokratieförderung bezeichnet werden. Ein Inlandsnachrichtendienst soll sich um die Dinge kümmern, die die Polizei, damit sie nicht zum Supergeheimdienst werden muss, nicht aufklären kann – aber mit entsprechenden Restriktionen und speziellen Gesetzen.“
Diesen provokativen Denkansatz habe ich als wertvolle Anregung und Ausgangspunkt für weitere Überlegungen verstanden. Mehr denn je bin ich nach den Erfahrungen im Untersuchungsausschuss zu der Überzeugung gelangt, dass eine gesamtgesellschaftliche Innenpolitik bisherige Schnittmuster von Zuständigkeiten ablösen muss. Dazu gehört zum Beispiel auch eine bessere Verzahnung zwischen der Zivilgesellschaft und den Sicherheitsbehörden, insbesondere wenn es um Wissenstransfer geht.
genbeirats für Demokratie und Sicherheit des Landes Nordrhein-Westfalen sein. Aufgabe eines solchen Beirates, den man als Thinktank definieren sollte, wäre, die Landesregierung zukunftsgerichtet in Fragen der Entwicklung von Gewaltbereitschaft und Radikalisierung, Extremismus und Demokratiefeindlichkeit in der Gesellschaft zu beraten. Dazu sollte gehören, die in der Gesellschaft beobachtbaren Entwicklungen und ihre Folgen zu begutachten und zur Prävention Handlungsempfehlungen zum Umgang mit diesen Entwicklungen zu unterbreiten. Dazu gehören auch die Bewertung neu entstehender Gefahren sowie das Ansprechen von Empfehlungen zu möglichen Gegenmaßnahmen.
Ein solcher Beirat mit interdisziplinär aufgestellten Expertinnen und Experten – zum Beispiel aus Extremismus-, Gewalt- und Vorurteilsforschung, Kriminologie, Geschichts- und Erziehungswissenschaft, Wirtschaftswissenschaft, Stadt- und Regionalsoziologie sowie Sicherheitsforschung – könnte zur Urteilsbildung der verantwortlichen Instanzen und der Öffentlichkeit beitragen. Ziel wäre die Stärkung von Demokratie und innerer Sicherheit – nicht allein im Sinne der Verhütung von Straftaten und der Terrorabwehr, sondern auch und insbesondere vor dem Hintergrund des Erkennens von Entwicklungen in der Gesellschaft.
Ich glaube, dass der Grundsatz des Querdenkens über behördliche Zuständigkeiten hinaus, der Blick über fachliche Grenzen hinweg ein zukunftsorientierter Ansatz ist, was nach meinem Verständnis eine grundsätzliche Unabhängigkeit eines solchen Gremiums von der Landesregierung voraussetzt.
Nicht nur vor dem Hintergrund dieses Abschlussberichtes, sondern auch angesichts der Entwicklung der Sicherheitslage sollte die Zeit für einen solchen Thinktank reif sein. Es sollte Aufgabe des nächsten Landtages sein, sich mit einem solchen Denkansatz zu beschäftigen, sich damit näher auseinanderzusetzen und ihn zu entwickeln. Wir von der SPD-Fraktion werden jedenfalls entsprechende Prüfungen oder Initiativen positiv begleiten und auf den Weg bringen. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute legen wir dem Parlament gemeinsam den Abschlussbericht eines ganz besonderen Untersuchungsausschusses vor. Dass wir dies gemeinsam machen, ist meines Erachtens nicht nur ein gutes
Zeichen, sondern bei der parlamentarischen Untersuchung rechtsterroristischer Morde auch absolut notwendig.
Vorab, meine sehr verehrten Damen und Herren, gilt mein Dank insbesondere den wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der CDU-Fraktion, allen voran Frau Oberstaatsanwältin a. D. Maria Auer. Sie haben einen tollen Job gemacht. Ich möchte aber auch ausdrücklich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der anderen Fraktionen danken, die gemeinsam mit dem Ausschusssekretariat sehr gute Arbeit geleistet und mit uns Obleuten sehr offen und sachorientiert zusammengearbeitet haben.
Mein Dank gilt selbstverständlich auch meinen Kolleginnen und Kollegen im Ausschuss, insbesondere dem Vorsitzenden und den Obleuten der anderen Fraktionen. Insbesondere in den letzten Wochen haben wir viele Stunden miteinander verbracht, um einen gemeinsamen Bericht vorzulegen. Wir alle haben wieder einmal gelernt: Wenn Demokraten unterschiedlicher politischer Richtung fair miteinander umgehen und auf Augenhöhe miteinander reden, ergibt dies am Ende immer ein gutes Ergebnis. Das ist, meine Damen und Herren, in diesem Fall der hier vorliegende Schlussbericht des sogenannten
Meine sehr geehrten Damen und Herren, das NSUTrio war 5.018 Tage im Untergrund aktiv. Die Ermittlungsbehörden wissen mehr oder weniger, was das Trio an 37 von diesen 5.018 Tagen gemacht hat. Ich glaube, dass diese Zahlen deutlich machen, dass auch heute noch das Wissen über die Aktivitäten des sogenannten NSU alles andere als umfassend ist. Das Bundeskriminalamt und das Bundesamt für Verfassungsschutz gaben im März 2013 bekannt, dass ihre Liste von möglichen Unterstützern des NSU 129 Personen umfasse. Die Liste enthält verschiedene Kategorien: Täter, Beschuldigte, Personen mit nachgewiesenen Kontakten zu den Tätern oder zu Beschuldigten oder auch Personen, bei denen nicht ausgeschlossen werden könne, dass sie in Kontakt zu Tätern oder Beschuldigten gestanden hätten.
Mit diesem Wissen sind wir an das Thema herangegangen und haben unter anderem versucht, herauszufinden, ob das NSU-Trio direkte, also tatbeteiligte Unterstützung oder indirekte, also zuarbeitende Unterstützung aus NRW erhalten hat.
Meine Damen und Herren, auch wenn es schwer zu glauben ist, scheint nach Aktenlage das Kerntrio des NSU seine Taten in Nordrhein-Westfalen ohne die Mittäterschaft oder Unterstützung nordrhein-westfälischer Rechtsextremisten verübt zu haben. Umfangreiche Aktenauswertungen und Zeugenbefragungen haben keinen Anhaltspunkt für nähere Kontakte zum NSU oder gar für ein konspiratives Zusammenwirken
von nordrhein-westfälischen Rechtsextremisten, insbesondere in den Tatortstädten Köln und Dortmund, mit dem NSU ergeben.
Die in den Tatzeiträumen und danach erstellten Quellenberichte des Verfassungsschutzes NRW enthalten nicht einen – ich wiederhole: nicht einen – Hinweis darauf, dass die Taten Gegenstand von Erörterungen in der rechtsextremistischen Szene waren, obwohl die ausgesetzte Belohnung zur Ergreifung der Täter in Höhe von 300.000 € – also extrem hoch – ein enormer Anreiz für die Mitglieder der rechtsextremistischen Szene gewesen wäre, selbst vages Wissen zu den Tathintergründen oder zu den Tätern an die Strafverfolgungsbehörden weiterzugeben. Dies ist nicht erfolgt.
Ein besonderer Fall ist aus unserer Sicht übrigens die Tat in der Probsteigasse. Hier haben nicht nur wir als CDU-Fraktion erhebliche Zweifel an der Täterschaft des NSU-Trios. Denkbar wäre es zum Beispiel auch, dass andere Rechtsextremisten diese Tat ausgeführt haben, vielleicht sogar diejenigen, die für die bis heute unaufgeklärten Bombenanschläge in Köln in den Jahren 1992 und 1993 verantwortlich sind.
Aber auch dies ist Spekulation. Auch dafür haben wir keinen Beweis. Deshalb ist es mir persönlich wichtig, noch einmal zu betonen, dass die Auswertung der uns zur Verfügung stehenden Akten sowie die Zeugenbefragungen gegen eine Unterstützung des NSU-Trios aus NRW sprechen, aber gänzlich ausschließen können auch wir dies nicht.
Grundsätzlich müssen wir uns aber auch in Deutschland dem Gedanken nähern, dass es mittlerweile vielleicht auch bei uns möglich ist, dass sich in der rechtsextremen Szene Zellen bilden, die sich irgendwann von der offenen Szene lösen, um in den Untergrund zu gehen und dann relativ isoliert nach ihrer menschenverachtenden ideologischen Gesinnung zu leben und Terroranschläge und Morde – zum Beispiel an politisch Andersdenkenden oder, wie hier geschehen, an Migrantinnen und Migranten – zu verüben. Wenn dem so sein sollte, stellt dies nicht nur die Sicherheits- und Ermittlungsbehörden vor eine sehr große Herausforderung, sondern auch die gesamte Gesellschaft.
Diese durchaus beunruhigende Erkenntnis ist natürlich nicht die einzige Erkenntnis, die wir gewonnen haben. Liebe Kolleginnen und Kollegen aus dem Ausschuss, hier und da stellten sich die Zeugenbefragungen im Ausschuss als durchaus schwierig dar. Wir haben bei den Zeugenbefragungen oft gehört: „Dies ist mir nicht mehr erinnerlich“, oder: „Ich weiß dies nicht“, und wir hatten, bei allem Verständnis für Erinnerungslücken, mehr als einmal das Gefühl, dass die eine oder andere bzw. der eine oder andere sich auch nicht mehr erinnern will – ganz zu schweigen von einem Oberstaatsanwalt, der zwar für politisch motivierte Straftaten zuständig war, sich selbst
aber als „gänzlich unpolitisch und an politischen Sachverhalten nicht interessierter Bürger“ darstellte.
Ich bin sehr froh darüber, dass es uns gelungen ist – es war nicht einfach –, gemeinsame Handlungsempfehlungen auf den Weg zu bringen. Die Schlüsselworte bei den Handlungsempfehlungen sind „Kommunikation“, „Informationsaustausch“, „Grundwissen“ und „Bereitschaft, sich auf neue Kriminalitätsphänomene einzulassen“, also schlicht und einfach auch einmal querzudenken. Eine Umsetzung dieser Handlungsempfehlungen – davon sind wir überzeugt – würde Deutschland in Verbindung mit den bisher eingeleiteten Maßnahmen ein Stück sicherer machen. Das muss unser aller Ziel sein.
Unsere Handlungsempfehlungen bauen auf den nachfolgenden Erkenntnissen aus unserer Ausschussarbeit auf; denn zweifelsohne haben die Untersuchungen des Ausschusses eine Vielzahl von Unzulänglichkeiten und Fehlern nordrhein-westfälischer Sicherheits- und Justizbehörden aufgedeckt. Dies betrifft die Beobachtung und Auswertung der Aktivitäten der rechtsextremistischen Szene von Beginn der 90er-Jahre an gleichermaßen wie die Ermittlungen zu den mutmaßlich vom NSU-Trio begangenen Straftaten und zu den weiteren im Untersuchungszeitraum begangenen Verbrechen, die aus politisch-rechtsextremen Motiven begangen worden sein könnten.
Inwieweit die in der Ermittlungsarbeit aufgetretenen Mängel oder die unzureichende Zusammenarbeit der Behörden untereinander verhindert haben, dass die dem NSU zuzurechnenden Taten in NordrheinWestfalen vor dessen Selbstenttarnung aufgeklärt werden konnten, bleibt wiederum Spekulation.
Fakt ist allerdings: Trotz fehlender konkreter auf Täter aus dem rechtsextremistischen Milieu hinweisende Spuren hätten die Sicherheitsbehörden an den Tatorten in Köln und Dortmund – wie im Feststellungsteil dieses Berichts dargestellt – allen Grund gehabt, verstärkt auch Ermittlungen in Richtung eines politisch motivierten Delikts durchzuführen.
Beispielhaft dafür sei, den Sprengstoffanschlag in der Keupstraße betreffend, noch einmal das Schreiben des Bundesamts für Verfassungsschutz an den Verfassungsschutz NRW vom 9. Juli 2004 genannt: der Hinweis von Scotland Yard auf die vergleichbaren Nagelbombenanschläge des David Copeland in London. In Dortmund hätten insbesondere die Aussagen einer Zeugin und auch das Ergebnis der zweiten Operativen Fallanalyse die Ermittlungsbehörden dazu veranlassen müssen, ihre Ermittlungen auf die rechtsextremistische Szene in Dortmund auszudehnen. Dieses Erfordernis haben die Ermittler entweder nicht erkannt oder falsch eingeschätzt.
Eine wesentliche Ursache für das Unterlassen der gebotenen Ermittlungen dürfte in dem nur rudimentär vorhandenen Kenntnisstand der Strafverfolgungsbehörden des Landes NRW über die rechtsextremistische Szene und deren internationales Netzwerk liegen. Weder die „Turner Diaries“, die dem NSU als eine Art Blaupause für seine Taten gedient haben könnten, noch Combat 18, noch der Name David Copeland waren den Ermittlungskommissionen bekannt. Soweit der Verfassungsschutz NRW und in Teilen auch der polizeiliche Staatsschutz die hinter den Publikationen und Maßnahmen stehende Ideologie erkannt haben, haben sie jedenfalls mit den Ermittlungsbehörden vor Ort nicht kommuniziert.
Allerdings – das muss fairerweise auch gesagt werden – haben die ermittelnden Polizeibeamte und Staatsanwälte größtenteils auch nicht proaktiv beim polizeilichen Staatsschutz oder beim Verfassungsschutz nachgefragt. Entsprechende dahin gehende Informationen wären für die Strafverfolgungsbehörden möglicherweise ein Ermittlungsansatz in Richtung eines rechtsextremistischen Motivs gewesen.
Zukünftig darf es nicht mehr passieren, dass politisch motivierte Straftaten als solche nicht nur mit einem erheblichen Zeitverzug oder gar nicht erkannt werden und deshalb notwendige Ermittlungsmaßnahmen nicht eingeleitet werden. Deswegen müssen wir dafür Sorge tragen, dass die Begrifflichkeiten aus dem Rechtsextremismus, die rechtsextremistischen Theorien, das Fundament der Ideologie weiter in den Strafverfolgungsbehörden und Ermittlungsbehörden verankert werden. Denn – wie gesagt – wir haben festgestellt, dass die Grundkenntnis über diese Thematik eher unterentwickelt ist.
In den Sonderabteilungen der Staatsanwaltschaften, ebenso wie in den Staatsschutzabteilungen der Polizeidienststellen, herrscht zusätzlich eine hohe Personalfluktuation, sodass erworbenes Spezialwissen in diesen Abteilungen langfristig nicht vorgehalten werden kann. Sonderwissen auf dem Gebiet des Rechtsextremismus muss ferner schnell und zuverlässig von ansonsten sachfern tätigen Beamten im Bereitschaftsdienst bei besonderen Vorkommnissen wie etwa Demonstrationen oder Gewalttätigkeiten in Fußballstadien abgerufen werden können.