Protocol of the Session on March 16, 2017

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Biesenbach, ich fand das schon sehr erstaunlich. Sie haben sehr, sehr lange auf den Innenminister Jäger eingedroschen. Sie haben es nicht geschafft, auch nur ein einziges klarstellendes Wort zur Causa Wendt hier in den Raum zu stellen. Die ungeheuerlichen Vorgänge, die hier beschrieben worden sind, haben Sie mit keinem Wort einsortiert. Ich finde es schon einigermaßen schrecklich, wie Sie hier agiert haben.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Herr Kollege Lürbke, weil Sie mich konkret angesprochen haben: Ich habe ein sehr klares Verhältnis zur Frage der Mitbestimmung in Nordrhein-Westfalen. Sie haben im Jahr 2007 die Rechte der Personalrätinnen und Personalräte beschnitten. Ich bin stolz darauf, dass Rot-Grün NRW wieder zum Mitbestimmungsland Nummer eins gemacht hat, um das einmal klarzustellen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, man möge sagen: Ausgerechnet Rainer Wendt! Von dem wussten wir ja, dass er als einer der schlimmsten Lautsprecher des rechtspopulistischen Populismus durch die Gegend gegangen ist. Nicht selten war er Stichwortgeber für No-go-Areas, für Verschwörungstheorien, Stichwortgeber dafür, dass diejenigen, die ins Fußballstadion gehen, sich der Lebensgefahr aussetzen, oder den Generalverdacht gegen Flüchtlinge. Da kann ich Ihnen nur sagen: Wenn Sie glauben, dass dieser Mann inhaltlich auch nur annähernd irgendetwas mit unserer Politik zu tun hat, dann muss ich das als infame Unterstellung zurückweisen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Diese Art und Form der Scharfmacherei war noch nie zu ertragen,

(Frank Herrmann [PIRATEN]: Richtig!)

aber sie passt uneingeschränkt zu dieser Person. Dieser Mann hat sich offenkundig ein eigenes Sittengemälde gemalt. Ich werde noch einmal Worte zitieren, die er aufgeschrieben hat. Diese sind echt unverschämt. Ich zitiere:

„Die Parteien haben sich die rechtsstaatliche öffentliche Verwaltung zur Beute gemacht.“

Ausgerechnet dieser Rainer Wendt, Mitglied der CDU und Direktkandidat für die Landtagswahl 2000, dieser Mann, der vereidigter Polizeibeamter war,

steckt sich schamlos und leistungslos Hunderttausende öffentlicher Gelder ein. Ich finde das unerträglich!

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Herr Innenminister, ich sage es an dieser Stelle klar und deutlich: Es ist nicht die Aufgabe des Staates, Gewerkschaftsarbeit zu alimentieren. Da haben Sie uns ja auch eindeutig zugestimmt. Nein, im Gegenteil! Das Grundgesetz legt die Fährte sehr eindeutig. Um die Tarifautonomie zu gewährleisten, ist es gerade nicht Aufgabe des Staates, die Arbeit der Gewerkschaften zu alimentieren.

(Beifall von Torsten Sommer [PIRATEN])

Deswegen muss dieser Maßstab auch sehr eng gefasst und für die weiteren Vorgänge, die in diesem Zusammenhang zu klären sind, angelegt werden. Herr Kollege Lürbke, es ist nicht in Ordnung, dass Sie die Alimentierung der Personalratsarbeit in unanständiger Weise mit der der Gewerkschaften vermischen. Das ist eine Nebelkerze, die in diesem Zusammenhang nichts zu suchen hat.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Herr Wendt hat nicht nur versucht, diesen Rechtsstaat schlechtzumachen, sondern er hat auch versucht, ihn ordentlich zu melken. Viele haben es vielleicht in der Mediathek oder direkt gesehen. Dieser Herr Wendt hat offen in die Kamera gelogen und auch dort immer nur das preisgegeben, was er unmittelbar preisgeben wollte. Die erste Lüge, er habe kein Geld vom LZPD bekommen, musste er zurücknehmen. Man konnte es im Fernsehen verfolgen. Dann hat er behauptet, er würde nur so viel verdienen wie ein Hauptkommissar.

Wenige Tage später bekamen wir gesagt, dass er auch noch Aufsichtsratsmitglied der AXA ist und – Sie haben den Betrag eben genannt – offenkundig 77.000 € nicht angemeldet hat. Wer sich mit der Materie einmal beschäftigt hat, weiß, allein dieser AXAVorgang reicht aus, um das Vertrauensverhältnis zwischen Staat – also Behörde – und dem Beschäftigten Wendt nachhaltig zu zerrütten.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich möchte auch Folgendes klarstellen – das ist in der Debatte mehrfach vorgekommen –: Er hat seiner eigenen Gewerkschaft einen Bärendienst erwiesen. Wir alle müssen aufpassen, dass wir die anderen Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter hier nicht in Mithaftung nehmen. – Frau Dorothea Schäfer – nur als exemplarisches Beispiel – ist auch freigestellte Gewerkschafterin; sie ist vollständig freigestellt. Sie hat das ordnungsgemäß beim Kabinett angemeldet. Die Bezüge bezahlt natürlich die Gewerkschaft. Das gilt auch für die zu entrichtenden Pensionsansprüche.

(Torsten Sommer [PIRATEN]: So ist das rich- tig!)

Das ist völlig in Ordnung. Das ist der saubere Weg. Das hätte Herr Wendt ganz genauso machen können.

(Beifall von den GRÜNEN und Torsten Som- mer [PIRATEN])

Ja, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir benötigen unabhängige Gewerkschaften. Das ist ein elementares Prinzip unseres Sozialstaates. Deswegen nehme ich ausdrücklich alle Gewerkschafterinnen in Schutz, die ihre Arbeit tun. Sie kümmern sich mit ihrem Engagement um die Sorgen und Nöte der Kolleginnen und Kollegen. Ich kann sie nur ermuntern: Machen Sie da weiter. Sie tun eine wichtige Arbeit. Sie haben unsere volle Unterstützung bei Ihrer Tätigkeit.

(Beifall von den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Innenminister Jäger hat jetzt die Aufgabe, alles aufzuklären und Konsequenzen zu ziehen. Immerhin – Sie haben es selbst geschildert – steht der Verdacht eines schweren beamtenrechtlichen Vergehens im Raum. Neben der Rückforderung der überzahlten Bezüge aus der Besoldung stehen Rückforderungen aus den Einkünften der Nebentätigkeit und – weil es ein so schweres Vergehen ist – möglicherweise die Aberkennung von Pensionszahlungen im Raum. Das ist wahrlich keine Petitesse, über die wir heute hier reden müssen.

Ich habe den Maßstab, mit dem wir damit umgehen, deutlich gemacht. Wir benötigen keine Regelungen und Gesetze, die dies im Nachhinein irgendwie legitimieren oder nach vorne bringen wollen, Herr Kollege von der FDP. Das, was Herr Wendt gemacht hat, ist schlicht nicht statthaft. Wir werden keiner Regelung zustimmen oder eine solche mittragen, die das in irgendeiner Weise legitimieren will.

Ich verstehe den Innenminister so, dass er sehr klar auf die ohnehin schon bestehende Urlaubsregelung abzielen und klarmachen möchte, dass es nur anlassbezogen geht, wie das in vielen Bundesländern üblich ist. So kann es gehen. Aber es muss sehr sauber voneinander getrennt werden. Ich möchte Sie bitten, eine klare Regelung vorzunehmen. Wir werden es nicht mittragen, wenn Praxis ist: Wir wollen die eine oder andere Stellungnahme haben und deswegen schauen wir nicht so genau hin. – Es muss eine klare Ansage, eine klare Regelung geben. Diese werden wir Grünen dann auch mittragen.

Die spezielle Konstruktion im Falle Wendt, Herr Kollege Lürbke, fällt in die Zeit von Herrn Wolf. So hat es der Innenminister eben dargestellt. Dazu hört man von Ihnen von der FDP bis jetzt nur lautes Schweigen. Ich will es an der Stelle sehr konkret machen – sehr konkret! –, weil Sie mich angesprochen haben. Ich zitiere Herrn Wolf aus dem Bonner „General-Anzeiger“ vom 6. März 2017. Es handele sich hierbei

um – Zitat –: „eine gängige Staatspraxis zur Gewährung gewerkschaftlicher Arbeit auch solchen Organisationen, die nicht von gesetzlichen Freistellungen profitieren“.

Daraus folgt, Herr Kollege, Herr Wolf wusste von diesem Vorgang. Er hatte Kenntnis davon. Er hatte nicht nur Kenntnis, sondern er hat diesen Vorgang auch für richtig befunden, da er ihn nicht geändert hat und ihn hat weiterlaufen lassen. Ihr Hinweis, dass Herr Behrens das möglicherweise auch falsch gemacht hat, hilft hier nicht weiter. Es gibt keine Gleichheit im Unrecht. Unrecht bleibt Unrecht! Er hat die volle Verantwortung hierfür zu tragen, Herr Kollege Lürbke.

(Beifall von den GRÜNEN)

Weil Sie mir das jetzt vorwerfen wollen, sage ich eines ganz deutlich. Ich bin gefragt worden, wie ich es sehen würde, dass dem Staat eine Strafanzeige gegen Herrn Jäger vorliegt. Es ist das gute Recht von Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes, das zu tun. Aber eines will ich Ihnen sehr deutlich sagen. Ich gehe davon aus, dass sich die Staatsanwaltschaft selbst ein klares Bild hierüber macht und das prüft, was zu prüfen ist. Damit, sich herausigeln zu wollen, weil irgendjemand anderes auch etwas falsch gemacht hat, kommen Sie nicht durch. Möglicherweise ist es verjährt. Das wird sich zeigen müssen. Da bin ich aber noch nicht sicher, weil die Tat immerhin bis heute wirkt. Das wird die Staatsanwaltschaft prüfen müssen. Aber die politische Verantwortung trägt Herr Wolf in vollem Umfang. Das hat der Bonner „General-Anzeiger“ sehr deutlich gesagt. Dafür müssen Sie geradestehen.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Herr Lindner, wie ist es denn zu erklären, dass Herr Wendt in dieser Amtszeit auch noch versetzt werden konnte und befördert wurde? Auf welcher Basis, auf welcher Beurteilung wurde denn jemand befördert, der überhaupt nicht dagewesen ist? Können Sie mir das erklären, oder kann der Kollege Wolf uns das hier heute erklären? Ich kann Ihnen nur sagen: Sie träumen von einer Wiederauflage einer unsozialen Politik mit Beteiligung der FDP. Räumen Sie doch zuerst einmal die Leichen aus dem Keller, die aus Ihrer Regierungszeit hier in Nordrhein-Westfalen übriggeblieben sind.

(Beifall von den GRÜNEN – Zurufe von der FDP)

Herr Innenminister, Sie haben es in Ihrer Rede angekündigt: Wir tragen eine Verantwortung bis heute, bis 2017. Ich finde es schon einigermaßen merkwürdig – das will ich zugestehen –, dass man Herrn Wendt in seiner Dienststelle offensichtlich zehn Jahre lang nicht vermisst hat. Das haben Sie auch angesprochen. Es muss auch aufgeklärt werden, wer konkret in der Behörde Verantwortung dafür trägt und diesen

Vorgang nicht gemeldet, sondern ihn möglicherweise zugestanden hat.

Ich will auch sehr klar sagen – da unterscheiden wir uns offensichtlich von einigen hier im Hause –: Wir machen unsere Aufklärungsarbeit nicht von politischer Kumpanei und auch nicht von Regierungszeiten abhängig. Wir wollen unabhängig von dieser Frage aufklären und haben das hier auch sehr deutlich gemacht. Sie sind weit davon entfernt. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Mostofizadeh. – Für die Fraktion der Piraten spricht Herr Kollege Sommer.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuschauer und Zuschauerinnen auf der Tribüne und natürlich im Livestream! Herr Mostofizadeh, eine Sache möchte ich direkt sagen: Ich kann gut nachvollziehen, dass die Kollegen Herrn Wendt auf seiner Dienststelle über zehn Jahre lang nicht vermisst haben. Ich hätte den Mann auch nicht vermisst.

(Heiterkeit und Beifall von den PIRATEN, der SPD und den GRÜNEN)

Als jemand, der selbst Arbeitsmarktpolitik betreibt, geht mir das hier mit Personalrat und Gewerkschaften viel zu sehr durcheinander. Dazu möchte ich ein paar klärende Worte sagen.

Ein Personalrat ist dazu da, um innerhalb einer Behörde mit dem Dienstherrn zusammen die Rechte des Personals zu vertreten. Innerhalb einer Behörde – das ist an dieser Stelle ganz wichtig –, keine Außendarstellung! Fertig! Ganz einfach!

Eine Gewerkschaft ist dafür da, die Gesamtheit ihrer Mitglieder gegenüber der Gesamtheit des Arbeitgebers zu vertreten. Das gilt aber nicht für Einzelfragen innerhalb einer Behörde. Denn genau dafür gibt es ja den Personalrat. Genau deshalb das komplett voneinander getrennt werden. Das ist extrem wichtig. Ich dachte eigentlich, dass diese Frage spätestens seit der industriellen Revolution vor 150 Jahren geklärt gewesen wäre. Aber das ist hier anscheinend nicht der Fall. Ich weiß nicht, wer da vor 150 Jahren steckengeblieben ist. Schrecklich!

Genauso wie das getrennt bleiben muss, muss auch die Finanzierung getrennt bleiben. Selbstverständlich muss der Dienstherr – in der Privatwirtschaft wäre es der Unternehmer für den Betriebsrat – alle Mittel, die der Personalrat benötigt, zur Verfügung stellen. Es muss Freistellungen geben – keine Frage. Das ist im Personalvertretungsgesetz genauso gere

gelt wie bei Unternehmen im Betriebsverfassungsgesetz. Das ist doch völlig unabhängig von der Gewerkschaftsarbeit zu betrachten. Das einmal vorab.

Wenn man Gewerkschaften fördert – gerade kleine Gewerkschaften –, muss man sicherstellen, dass sie ausfinanziert sind. Bei Gewerkschaften geschieht das durch Mitgliedsbeiträge, Spenden oder teilweise durch eigene wirtschaftliche Betätigung, aber niemals – niemals! – durch Geschenke, Bevorteilungen durch den Arbeitgeber oder einen Arbeitgeberverband. Das würde sich jede Gewerkschaft verbieten. Das geht einfach gar nicht!

Deshalb muss diese indirekte Subventionierung aufhören. Diesbezüglich waren wir uns aber sogar einig. Sogar Herr Innenminister Jäger sagt, wenn ich Sie richtig interpretiert habe, dass Sie zu einer etwas anderen Regelung kommen wollen. Das wäre in der freien Wirtschaft unmöglich, und das ist auch im Öffentlichen Dienst nicht richtig.