Protocol of the Session on March 16, 2017

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wer hätte gedacht, dass wir abends nach einem so langen Plenartag zu einem solchen Thema noch einmal so viel Spaß kriegen.

(Beifall von den PIRATEN)

Ich bin Herrn van den Berg und Frau Dr. Beisheim ausgesprochen dankbar, dass sie sehr sachlich an der Realität des Landes und unserer Unternehmen in Nordrhein-Westfalen

(Kai Schmalenbach [PIRATEN]: Vorbei!)

argumentiert haben; denn das Bild, das insbesondere Herr Bombis und Herr Stein gezeichnet haben, hat mit der Realität relativ wenig zu tun.

Ich habe es Herrn Bombis gerade schon gesagt: Wenn Sie schon fünf Minuten lang einen Rundumschlag zur Wirtschaftspolitik machen und alles, was zum Repertoire der FDP gehört, nennen, ohne das Tariftreue- und Vergabegesetz angesprochen zu haben, das ist …

(Beifall von der SPD und den PIRATEN – Ralph Bombis [FDP]: Ich wollte Sie nur über- raschen! Sie wissen es doch selbst!)

Die Überraschung ist gelungen, aber ein bisschen Enttäuschung schwingt doch mit.

(Torsten Sommer [PIRATEN]: Und das Jagd- gesetz!)

Nach dem Wortbeitrag des CDU-Abgeordneten Stein ist mir noch einmal klargeworden, warum viele Veranstalter für die Wahlkampfveranstaltungen bis hin zum Beispiel zur „WAZ“, wenn es um wirtschaftspolitische Fragestellungen geht, für die entscheiden

den Foren nur noch Herrn Lindner und mich und keinen Vertreter mehr von der CDU einladen. Das wundert einen dann auch nicht mehr.

(Beifall von der SPD – Dr. Joachim Paul [PIRATEN]: Ihnen ist auch klargeworden, wa- rum der nicht mehr Pirat ist?)

Was ist das eigentlich für ein Weltbild? Auf der letzten Messe in Hannover vor einem Jahr hat der damalige Präsident der Vereinigten Staaten Obama drei Unternehmen besucht, um sich mit den Fragen von Industrie 4.0 intensiver auseinanderzusetzen. Wo kommen diese drei Unternehmen her? Kommen die aus Bayern, kommen die aus Baden-Württemberg, kommen die aus Hamburg? – Nein, sie kommen aus Nordrhein-Westfalen. Das sind bei dieser Entwicklung die Spitzenreiter.

(Beifall von Michael Hübner [SPD])

Es ist etwas merkwürdig. Ich weiß gar nicht, wie Sie das machen. Erzählen Sie wirklich den Unternehmen in Ostwestfalen-Lippe,

(Zurufe von der SPD: Ah!)

dass sie in den letzten fünf Jahren nichts auf die Reihe bekommen hätten? Das sind doch die Paradebeispiele in der Bundesrepublik Deutschland. Erzählen Sie eigentlich den Unternehmen in Südwestfalen oder in anderen Teilen des Landes, dass sie alle in diesem Bereich nichts können würden? Das Gegenteil ist doch der Fall. Und man kann es ablesen: Die Bundesregierung verteilt zum Beispiel Kompetenzzentren, darunter im ersten Anlauf das Kompetenzzentrum für den Mittelstand, das sich mit Fragen der Digitalisierung im Mittelstand beschäftigt. Es ist ein Kompetenzzentrum, ein Konsortium – so lassen Sie es mich nennen – aus Fachleuten aus Lemgo, aus dem Ruhrgebiet, aus Dortmund und aus Aachen. Es hat sofort den Zuschlag bekommen. Jetzt im zweiten Anlauf kam der Zuschlag für das Kompetenzzentrum Siegen.

Und da sitzen doch die gleichen Abgeordneten, die vor Ort bejubeln, dass sie so eine starke industrielle Wertschöpfungskette haben,

(Beifall von Dagmar Hanses [GRÜNE])

die sich in Kooperation mit der Wissenschaft, mit den Start-Ups, aber eben auch mit uns, mit dem Land, auf den Weg gemacht haben, diese Kompetenzen möglichst vielen im Mittelstand zugänglich zu machen.

Folgendes Bild können wir sehr realistisch zeichnen: Die Digitalisierung ist ein extremer Hochgeschwindigkeitszug. Wir dürfen aber insbesondere bei 750.000 Unternehmen, von denen die meisten mittelständisch sind, nicht den Eindruck erwecken, dass, säße man noch nicht in diesem Zug, dieser schon abgefahren sei, sondern wir müssen auch immer wieder Bahnhöfe organisieren. Es ist Aufgabe

von Politik, dass auch ein Mittelständler, der sich bisher noch nicht mit allen Fragestellungen von Industrie 4.0 auseinandergesetzt hat, wieder Zugang dazu findet.

Die Kompetenzzentren, die wir über das ganze Land verteilt haben, stellen solche Bahnhöfe dar, die ermöglichen, in dieses Thema vielleicht mit ein bisschen Verzögerung wieder einzusteigen.

Es gibt kein anderes Bundesland, das so frühzeitig unter Beteiligung von Arbeitswissenschaftlern, Gewerkschaften und Arbeitgebern eine Allianz „Wirtschaft und Arbeit“ initiiert hat. Wir haben noch am Montag dieser Woche mit all diesen hochrangigsten Vertretern, die dem Land zu diesem Thema zur Verfügung stehen, wieder zusammen gesessen, um genau diese Fragestellung zu diskutieren, die in dem Antrag thematisiert wird: Wie verändert sich die Arbeitswelt? Da geht es nicht darum, dass man, lieber Herr Schwerd, den Linken-Klassiker noch einmal vorträgt, sondern es geht darum, ganz konkrete Maßnahmen für Weiterbildung und Qualifizierung von Beschäftigten beim Thema „Digitalisierung“ auf den Weg zu bringen und nicht im luftleeren Raum Diskussionen zu führen.

(Kai Schmalenbach [PIRATEN]: Man sollte nur nicht vergessen, dass dabei noch ein paar Leute rausfallen!)

Lassen Sie mich auch noch einmal das Kompetenzzentrum für zirkuläre Wertschöpfung hervorheben, das in dem Antrag genannt wird. Auch dafür haben wir bereits die Vorbereitungen getroffen und können es in Kürze in die Tat umsetzen, ebenso wie bei dem Programm „HochschulStart-up“ und beim Thema „IT und Datensicherheit“. Das sind die Hemmschuhe, die bei vielen Mittelständlern noch zu beobachten sind. Diese müssen wir gemeinsam beseitigen. Deswegen ist der Antrag von SPD und Grünen punktgenau und trifft die Realität in diesem Land. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Wir kommen zur Abstimmung, erstens über den Antrag der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 16/12853. Der Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk empfiehlt in Drucksache 16/14418, den Antrag Drucksache 16/12853 anzunehmen. Wir kommen somit zur Abstimmung über den Antrag Drucksache 16/12853 selbst und nicht über die Berichterstattung. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht zustimmen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Antrag angenommen mit den Stimmen von SPD, Bündnis

90/Die Grünen gegen die Stimmen der CDU und der FDP bei Enthaltung der Fraktion der Piraten und des fraktionslosen Abgeordneten Schwerd.

Wir stimmen zweitens ab über den Entschließungsantrag des fraktionslosen Abgeordneten Schwerd, Drucksache 16/12906. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht zustimmen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Antrag bei Zustimmung des fraktionslosen Abgeordneten Schwerd und Ablehnung von allen Fraktionen des Landtags von Nordrhein-Westfalen abgelehnt.

Ich komme drittens zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/14521. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann das nicht? – Wer enthält sich? – Damit ist der Antrag abgelehnt mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der Piraten und des fraktionslosen Abgeordneten Schwerd bei Zustimmung der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP.

Ich rufe auf:

12 Neujustierung der Hochschulpolitik für Nord

rhein-Westfalen

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/14404

Entschließungsantrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/14502

Wie bereits verkündet, hat die Fraktion der CDU mitgeteilt, dass sie den Antrag „Neujustierung der Hochschulpolitik für Nordrhein-Westfalen“ Drucksache 16/14404 zurücknimmt. Dadurch ist auch der Entschließungsantrag der Fraktion der FDP „NRW zum Innovationsland Nummer 1 machen – Hochschulfreiheit konsequent weiterentwickeln!“ Drucksache 16/14502 erledigt.

Ich rufe auf:

13 Beim Umgang mit Fake News darf die Mei

nungs- und Pressefreiheit in Deutschland nicht eingeschränkt werden

Antrag der Fraktion der PIRATEN Drucksache 16/14384

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die Fraktion der Piraten dem Kollegen Kern das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Fake News – das sind gezielt gestreute falsche oder auch manipulierte Nachrichten, oftmals zur Verfolgung monetärer Interessen, aber auch, um die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Genau wie die artverwandte Hate Speech sind sie ein wirtschaftliches und politisch-gesellschaftliches Phänomen des digitalen Zeitalters.

Nun ist in der politischen Befassung genau das eingetreten, wovor wir Piraten immer gewarnt haben. Die Pläne von Bundesjustizminister Heiko Maas stellen massive und nicht zu rechtfertigende Eingriffe in die Meinungs- und sogar in die Pressefreiheit in Deutschland dar.

Es zeigt sich wieder einmal: Das Grundverständnis für digitale Kommunikationsformen und deren gesellschaftliche Auswirkungen fehlt der schwarz-roten Bundesregierung vollkommen.

(Beifall von den PIRATEN)

Der Justizminister hat am vergangenen Dienstag den Entwurf zum sogenannten Netzwerkdurchsetzungsgesetz vorgestellt. Schauen wir uns diesen Entwurf einmal an.

Erstens. Maas weitet den Begriff der sozialen Netzwerke gefährlich aus. Auf einmal geht es nicht nur um öffentliche Posts über Facebook und Twitter, sondern auch um private, im Grunde nicht öffentliche Kommunikation per Messenger-Dienst oder sogar EMail-Dienst. Und diese Dienste sollen jetzt den Richter spielen über rechtswidrige Inhalte ihrer Nutzer.

Zweitens. Bußgelder von bis zu 5 Millionen € und rasante Bearbeitungspflichten ohne richterliche Überprüfung sollen die Plattformbetreiber derart unter Druck setzen, dass diese am besten schon in vorauseilendem Gehorsam kritische Einträge löschen. Das wäre ein Einstieg in die privatisierte Zensur samt Rechtsprechung, mit Facebook und Twitter, die als Internetpolizei und Richter fungieren, und dem Bundesjustizministerium als übergelagerter Wahrheitskommission. Das machen wir Piraten nicht mit!

Richtig ist natürlich: Dort, wo gegen geltendes Recht verstoßen wird – zum Beispiel bei Verleumdung oder Volksverhetzung –, muss eingegriffen werden, auch mit Löschung. Was jedoch die deutsche Bundesregierung hier vorschlägt, ist das Outsourcen der Rechtsprechung im digitalen Raum.