Ich stelle fest: Wir leben unter dem gleichen Himmel, haben aber offensichtlich nicht den gleichen Horizont.
(Dietmar Bell [SPD]: Das würde ich ausdrück- lich bestätigen! – Nadja Lüders [SPD]: Das will keiner, Herr Berger! Ihrer ist nämlich be- grenzt! – Zurufe von den PIRATEN: Oh!)
Natürlich kann man über Anträge geteilter Meinung sein. Aber dass in Nordrhein-Westfalen, egal in welchem Bereich der Verwaltung, Defizite bei der Digitalisierung bestehen, darüber besteht Einigkeit in der gesamten Bundesrepublik.
Hochschulen. In unserem Bereich der Hochschulen fehlen Voraussetzungen für die Lehre, dass Onlinekurse besser angeboten werden können und dass Hochschulclouds existieren, wie es anderswo der Fall ist. Von digitaler Forschung und vom Austausch von Forschungsergebnissen in Nordrhein-Westfalen zu sprechen, verbietet sich fast schon.
Wir stellen fest, dass wir 30 Hochschulen haben, die überall Individuallösungen machen und die für sich Insellösungen schaffen. Wir verfügen nicht über eine vernetzte Landschaft. Das geht bis dahin, dass jede Uni unterschiedliche Karten für Mensen hat. 30 verschiedene Systeme existieren nebeneinander.
Unseren Grundsatzgedanken haben wir nicht entwickelt, weil er uns mal so eingefallen ist, sondern weil wir uns, wie im Übrigen auch die Ministerpräsidentin, bei einem Besuch in Estland über die Grundlagen von Dynamik in der Digitalisierung informiert haben.
In Estland sind die Fortschritte in der Digitalisierung deshalb so enorm, weil dort die Voraussetzungen des einheitlichen Zugangs gegeben sind. Darüber können die Individuen ihre Dinge, die sie voranbringen wollen, selber umsetzen. Man kann dort alle Verwaltungsprozesse zurückführen, weil man ein anders organisiertes System hat.
Die Grundsatzidee war, die Dynamik dieses Landes auf unser Hochschulsystem zu übertragen und – das füge ich hinzu – aus 30 Hochschulen einen großen Hochschulraum zu machen.
Herr Bell, ich weiß nicht, warum Sie sich über diese Idee, die man eigentlich nicht abwegig finden kann, so hämisch lustig gemacht haben. Das war der Sache wirklich unangemessen.
Jetzt ist es natürlich folgendermaßen: Wir hatten vier Experten in der Anhörung, die sich den Antrag angesehen haben. In der Tat – so viel will ich konzedieren – gab es Kritik. Diese Kritik bezog sich in erster Linie auf die Kosten, also darauf, dass eine Umsetzung teuer werden würde. Außerdem richtete sie sich darauf, dass die Verwaltung das nicht unbedingt brauche, weil die universitäre Verwaltung die damit beabsichtigten Ziele auch so umsetzen könne.
Dazu sage ich: Erstens. Ich kann Kritik verstehen. Zweitens. Ich habe in den Beiträgen der Experten keinen Vorschlag für einen Weg gehört, auf dem es besser gelingen kann als mit diesem Rezept. Drittens. Ein entscheidender Grund, warum diese Kritik geäußert worden ist, war die Angst vor dem Verlust der Eigenständigkeit einer Hochschule.
Auch das kann ich verstehen. Die eigene Matrikelnummer spiegelt natürlich auch die Identität der eigenen Hochschule wider.
Ich habe die Kritik der Experten zur Kenntnis genommen. Aber – ich sage es noch einmal – ein vollwertiges Argument, wie man den beabsichtigten Zielen besser Rechnung tragen kann, habe ich nicht vernommen.
Estland zeigt uns über zentrale Zugänge, wie man Dynamik in der Digitalisierung auslösen kann. Deswegen fordere ich Sie alle auf: Lassen Sie uns diesen Weg gemeinsam gehen. Der Umstieg auf eine einheitliche digitale Hochschulverwaltung in NordrheinWestfalen muss uns gelingen.
Ein Ziel erreicht man mit dem ersten Schritt. Deswegen bitte ich um wohlwollende Zustimmung. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Dr. Berger. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Dr. Seidl.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist in der Tat erstaunlich, dass die CDU-Fraktion ihren Antrag heute öffentlich zur Diskussion stellt und ihn nicht zurückgezogen hat. Dazu gehört schon eine ordentliche Portion Mut, Herr Berger – vor allem, wenn man weiß, wie vernichtend das Urteil der Sachverständigen in der Anhörung war. Sie können das jetzt natürlich schönreden und sagen, Sie könnten Kritik vertragen usw.
Ihre Vorstellung, mit einer einheitlichen Matrikelnummer seien eine stärker vernetzte Hochschule, weniger bürokratischer Verwaltungsaufwand oder sogar ein hochschulübergreifendes Studium zu realisieren, besteht doch, um es ganz vorsichtig auszudrücken, in vielerlei Hinsicht nicht den Praxistest. Darum ging es ja. Hohe Kosten, hoher Aufwand, datenschutzrechtliche Probleme, die Sie überhaupt nicht sehen, und keinerlei Nutzen – so lautete das vernichtende Urteil der Sachverständigen in der Anhörung.
Klar ist ebenfalls, dass die Studierendenmobilität, die Sie auch verbessern wollen, nicht auf die Landesgrenzen von Nordrhein-Westfalen beschränkt ist, sodass das Argument „Möglichkeiten des vereinfachten Hochschulwechsels“ nur durch eine bundesweite, wenn nicht sogar europaweite Identifizierung greifen könnte.
Erst recht wird es beim Aspekt der Durchlässigkeit in der Lehre schwierig; denn dabei geht es vor allem darum, wie die Anerkennung zwischen der einen Hochschule und der anderen Hochschule zu organisieren ist. Diese Frage, die im Übrigen tief in die Autonomie der Hochschulen eingreift, kann zuallerletzt mit einer einheitlichen Matrikelnummer gelöst werden, Herr Berger.
Die von Ihnen propagierte einheitliche Matrikelnummer würde vor allem dazu führen, dass das Land in die Detailregelungen zur Einschreibung eingreifen müsste. Ausgerechnet Sie, Herr Berger, und die CDU, die immer ganz vorne stehen, wenn es um Hochschulfreiheit geht, verlangen jetzt eine einheitliche Matrikelnummer, die man allen Hochschulen überstülpen will. Den Hochschulen würde hier also ein Stück Autonomie weggenommen. Da sage ich: Nicht mit uns, liebe CDU-Fraktion.
Ganz zu schweigen von den datenschutzrechtlichen Bedenken, für die Sie in Ihrem Antrag in keinem Punkt eine Lösung aufzeigen! Niemand will doch den gläsernen Studierenden, den Sie hier erschaffen, Herr Berger.
„Das ganz große Thema ist der Datenschutz. Möchte man wirklich, dass das Essverhalten in der Mensa … über eine einheitliche Matrikelnummer mit der Person verbunden werden kann? Möchte man wirklich, dass die Noten … direkt an den Lehrstuhl weitergereicht werden können, an dem ich mich für eine SAK-Stelle bewerbe? Ich weiß nicht, ob ich als Studierende das wirklich möchte.“
Auch Herr Henkemeier hat für die Kanzlerinnen und Kanzler der Fachhochschulen in der Anhörung seiner Empörung deutlich Ausdruck verliehen. Er sagt – ich zitiere –:
„Mein Eindruck ist, in diesem Antrag wird ein Bild von Verwaltung und Verwaltungsprozessen dargestellt, das nicht mehr so ganz dem aktuellen Stand der Dinge entspricht. Das sage ich ganz unverblümt.
…, es gibt mittlerweile an fast allen Hochschulen in Nordrhein-Westfalen sogenannte Identity-Management-Systeme. Das ist ein Portal, welches genau das ausgleichen soll, was im Antrag der CDU beschrieben worden ist.
… wenn man über die Durchlässigkeit der Hochschulen und der Lehre redet, muss man zuerst einmal über ganz andere Dinge sprechen. Die Frage der einheitlichen Matrikelnummer ist da eher eine Randerscheinung.“
„Man muss sich wirklich überlegen, ob man das möchte und ob wir gerade im Bereich der Digitalisierung im Moment keine größeren Herausforderungen haben.“
Dem kann ich nur zustimmen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Die CDU entlarvt sich mit diesem Antrag selbst. Denn das ist ja leider nicht der erste Aufschlag zum Thema „Digitalisierung“, der handwerklich so schlecht gemacht ist, dass die Expertinnen und Experten in unseren Anhörungen die Köpfe schütteln.
Dieser Antrag ist also zugegebenermaßen nett gemeint, aber eben nicht gut gemacht. Und das Thema „Digitalisierung“ ist eigentlich zu wichtig, um es lediglich populistisch zu bedienen. – Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Digitalisierung ist eine große Herausforderung für unsere Gesellschaft, bietet aber auch große Chancen, auch und gerade für unsere Wissenschaftslandschaft. Wir haben das nicht zuletzt in der Diskussion und auch im gemeinsamen Kampf für die Nutzungsrechte Digitaler Semesterapparate anerkannt.
Der heute vorliegende Antrag ist Bestandteil einer ganzen Serie der antragstellenden Fraktion, zum Beispiel zur Digitalisierung der Hochschulbibliotheken oder auch zum E-Learning. In ihnen wurden oftmals Forderungen erhoben, die die bereits bestehende Realität an unseren Hochschulen beschreiben. In einem stimmen wir aber uneingeschränkt zu: In Sachen Digitalisierung können und müssen wir in Nordrhein-Westfalen mehr erreichen!
Zu dem vorliegenden Antrag, der nun zur Abstimmung steht, haben wir uns im Fachausschuss sehr intensiv und in einem sehr aufschlussreichen Expertengespräch ausgetauscht. Dabei haben wir zahlreiche Hinweise auf die Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung für den Wissenschaftsbereich bekommen. An dieser Stelle noch einmal allen Experten einen herzlichen Dank!
Eine landesweit einheitliche Matrikelnummer wurde aber im Kontext des Antrags nicht für notwendig und auch in weiten Teilen nicht für sinnvoll bewertet.
Nach der Lektüre der Überschrift fällt mir natürlich – wie vielen Kolleginnen und Kollegen wahrscheinlich auch – spontan eine ganze Reihe von Bereichen ein,