Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer! Die Polizeiarbeit in Nordrhein-Westfalen ist längst nicht im digitalen Zeitalter angekommen. Interne Systeme unterstützen die Beamten nicht automatisiert, und bürokratische Lasten werden nicht durch digitale Lösungen abgebaut. Daher haben wir heute diesen Antrag eingebracht. Er ist wichtig, wollen wir die Polizeiarbeit auf den aktuellen Stand der digitalen Möglichkeiten bringen. Die Bürger spüren, dass die Polizeiarbeit nicht auf der Höhe der Zeit ist – spätestens dann, wenn man selbst Opfer eines Verbrechens geworden ist und mit einem ungeheuren bürokratischen Akt konfrontiert wird.
Herr Jäger, im Prinzip müssen Sie sich da die Frage stellen, ob Polizeibeamte – ich vereinfache das einmal – weiterhin Schadensmeldungen abtippen oder ob die Effizienzpotenziale der Digitalisierung gehoben werden sollen. Denn leider werden Polizeibeamte wegen vermeidbarer Bürokratie an der Erfüllung wichtiger Aufgaben im Rahmen der Verbrechensbekämpfung gehindert. Daher muss die Polizei in die Lage versetzt werden, durch zeitgemäße digitale und zugleich bürokratiemindernde Möglichkeiten die Beamten vom Schreibtisch weg dorthin zu bringen, wo sie dringender benötigt werden. Das sind wir auch den vielen motivierten Beamtinnen und Beamten schuldig. Sie wollen Verbrechen aufklären und bekämpfen. Wir müssen ihnen dafür die Freiräume und die richtigen Instrumente an die Hand geben.
Die Realität sieht heute indes noch anders aus. In Nordrhein-Westfalen müssen Einbruchsopfer beispielsweise Schadensmeldungen handschriftlich auf einem mehrseitigen DIN-A4-Formular ausfüllen, welches von Polizeibeamten dann nachträglich auf den Dienst-PC übertragen werden muss. Diese Scha
densmeldung kann – abhängig von der Polizeidienststelle – nicht einmal gefaxt oder zugemailt werden, muss also in der Regel postalisch verschickt oder persönlich übergeben werden.
Dabei könnte die Schadensmeldung im heutigen Zeitalter längst von den Einbruchsopfern selbst über eine sichere Onlineverbindung in eine wohldefinierte Eingabemaske eingegeben, automatisch gespeichert, zügig ausgewertet und nutzbar gemacht werden. Das erspart dem Beamten – nicht nur ihm, aber ihm in allererster Linie – wertvolle Zeit. Auch Fotos und Videos von gestohlenen Gegenständen könnten beispielsweise seitens der Einbruchsopfer auf einer Datenbank der Polizei direkt hinterlegt werden. Bei definierten Gegenständen könnte ein Algorithmus erkennen, dass es sinnvoll ist, automatisch eine Sachfahndung auszulösen. Ich wollte damit nur ein paar Möglichkeiten und Beispiele aufzeigen.
Durch die Metadaten der Einbrüche könnte ein entsprechender Algorithmus auch Muster erkennen und wertvolle Beiträge im Rahmen einer Predictive-Policing-Analyse liefern. Auch wiedergefundene Beute könnte von Software automatisch zugeordnet und anschließend zurückgegeben werden. Herr Jäger, wenn heute in Recklinghausen Beute sichergestellt wird, die aus Bielefeld stammt, ist eine Zuordnung de facto kaum realisierbar. SECURIUS bietet hierfür übrigens auch keine zeitgemäße Lösung.
Nun weiß ich ja von Ihren Bemühungen im Rahmen der Fallbearbeitung. Dort gibt es ein Programm, das, wenn ich richtig informiert bin, VIVA heißt. Von VIVA wissen wir leider noch nicht allzu viele Details. Doch was bekannt ist, lässt wenig Ermunterndes erwarten. Zum einen wurde die Einführung von VIVA wohl wiederholt verschoben, jüngst noch einmal um ein halbes Jahr hinausgezögert. Zum anderen soll VIVA – so wie ich es verstehe – ein Versuch sein, vorhandene Systeme zu harmonisieren. Das ist jetzt nicht grundverkehrt; aber gemessen an den Potenzialen der Digitalisierung – wobei auch eine Modernisierung notwendig ist – ist das eben nicht weitreichend genug.
Diese Modernisierung im Sinne einer Bürokratieentlastung durch Automatisierung im Rahmen digitaler Möglichkeiten verspricht VIVA also nicht, obwohl diese dringend notwendig und geboten wäre. Von einer Unterstützung bei der Verbrechensbekämpfung durch Algorithmen, die die Vielzahl vorhandener Daten automatisch und sekundenschnell auswerten, sind Sie meilenweit entfernt.
Auch die Möglichkeiten polizeidienstlicher Erkennung im Rahmen von Kontrollen muss erleichtert werden, indem moderne Technik in Einsatzwagen zur Verfügung steht. Polizeiliche Datenbanken im In- und Ausland müssen auch miteinander harmonisiert werden. Hier ist unser Einsatz gefragt. Es kann nicht
sein, dass Kriminelle, nach denen gefahndet wird, nur deshalb nicht festgenommen werden können, weil im Rahmen von Personenüberprüfungen existierende Daten nicht abgeglichen werden können.
Die Digitalisierung der Polizeiarbeit wird zukünftig ein wichtiges Anliegen der nordrhein-westfälischen CDU sein. Herr Jäger, Sie müssen hier endlich mit dem Verwalten aufhören. Wir jedenfalls sind bereit, in Zukunft Verantwortung zu übernehmen, die Digitalisierung wirklich voranzutreiben und die Polizeiarbeit in ein neues Zeitalter zu führen. Nur so kann für unsere Bürgerinnen und Bürger eine optimale Sicherheit gewährleistet werden.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Die Überschrift des CDU-Antrages klingt in mehrfacher Hinsicht vielversprechend: „Big Data: Polizeiarbeit digitalisieren“. Das hört sich zunächst einmal nach dem großen Wurf an. Wenn man dann aber den Antrag liest, sucht man vergebens nach Big Data. Das klingt komisch, ist aber so.
Die Unterzeile des Antrags klingt nicht minder vielversprechend: „Effizienzpotentiale nutzen, Bürokratie abbauen, Verbrechensbekämpfung stärken!“ Aber mehr als diese Schlagworte haben Sie dann in Ihrem Antrag nicht im Angebot.
Während Sie sich mit Big Data mühen und die Verbrechensbekämpfung stärken wollen, haben wir seit Regierungsübernahme 2010 tatsächlich etwas für die Verbrechensbekämpfung getan. Wir haben nämlich zunächst einmal – nach den bescheidenen Einstellungszahlen Ihrer Regierungszeit – für ordentliche Neueinstellungen bei der Polizei gesorgt.
Das gehört zum Thema, Herr Stein! – Es gab während Ihrer Regierungszeit 4.300 Einstellungen. Das hatten wir bereits nach drei Jahren erreicht. Mittlerweile haben wir zusätzlich 5.300 Polizistinnen und Polizisten eingestellt. Das sind 180 % mehr als in Ihrer Zeit. Die sind genauso wichtig wie die Digitalisierung der Polizei. Damit stärkt man Verbrechensbekämpfung.
Aber jetzt zum eigentlichen Antrag: Als ich Ihren Antrag durchgelesen hatte, vor allem am Ende Ihre vier Beschlussempfehlungen, kamen mir doch gewisse Zweifel zu Ihrem Informationsstand. Wenn Sie also
der Polizei empfehlen, Effizienzpotenziale zu nutzen, dann sollten Sie vielleicht zunächst einmal bei sich selbst anfangen. Nutzen Sie effizient die Informationen, die auch Ihnen vorliegen! Davon gibt es mehr als genug.
Wenn ich Ihre vier Forderungen mit der Entwicklung der Polizeiarbeit in den letzten Jahren abgleiche, dann habe ich erhebliche Zweifel, ob Sie diese Entwicklung verfolgt haben. Nur zwei kurze Hinweise dazu: Die längst existierende IT-Strategie der Polizei NRW 2020 wurde fortgeschrieben und wird Schritt für Schritt umgesetzt. Alleine damit wird aus Ihren ersten drei Forderungen eine Luftnummer.
„Die Landesregierung wird aufgefordert, sich auf Bundes- und europäischer Ebene für die Vernetzung von Datenbanken und die Schaffung von Schnittstellen für den nationalen und internationalen Datenabgleich im Rahmen der Verbrechensbekämpfung einzusetzen.“
Dazu gebe ich Ihnen einen weiteren Tipp: Erkundigen Sie sich mal bei Ihrem Parteikollegen Thomas de Mazière, dem Bundesinnenminister, welche Presseerklärung er nach der letzten Innenministerkonferenz Ende November in Saarbrücken abgegeben hat. Da hat sich dieser Bundesinnenminister umfangreich erklärt, dass sich die Innenminister von Bund und Ländern auf eine Saarbrücker Agenda zur Digitalisierung der inneren Sicherheit geeinigt haben. Darin ist alles aufgeführt, was Sie unter Ziffer 4 sieben Tage später einfordern.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen der CDU, ich stelle nicht zum ersten Mal fest, dass Sie den Entwicklungen bei der Polizei und in der inneren Sicherheit hinterherlaufen.
Auf einen Punkt Ihres Antrages möchte ich kurz zum Schluss noch eingehen, und der hat etwas mit täglicher Polizeipraxis zu tun. Sie schreiben, dass es wünschenswert wäre, wenn Opfer eine Auflistung ihrer entwendeten Wertgegenstände der Polizei digital übersenden könnten. – Das ist sicherlich gut gemeint. Aber wissen Sie, was das eigentliche Problem eines Wertgegenstandsverzeichnisses ist? – Dass viele Geschädigte weder Hersteller, Marke, Typbezeichnung geschweige denn Individualnummern ihrer entwendeten Sachen kennen, die aber das A und O für eine erfolgreiche Sachfahndung sind. Die Notwendigkeit, solche Informationen vorzuhalten, ist deshalb genau fester Bestandteil der Präventionsstrategie von „Riegel vor“.
Aber darüber können wir uns gerne im Innenausschuss unterhalten. Der Überweisung des Antrags an den Innenausschuss stimmt die SPD-Fraktion zu. – Vielen Dank und frohe Weihnachten.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Herr Stein, der Kollege Kossiski hat schon sehr viel zu den inhaltlichen Forderungen Ihres Antrags gesagt. Deswegen kann ich mich auf einige Ergänzungen beschränken.
Ich habe mich beim Lesen zunächst einmal gefragt. Was haben Sie eigentlich für ein Bild von der Polizei in Nordrhein-Westfalen? – Denn dieses Bild, was Sie am Anfang aufzeichnen, beinhaltet die Überschriften, die Sie irgendwo aufgeschnappt haben. Aber es ist nicht das, was die Polizei in Nordrhein-Westfalen tatsächlich bewegt.
Sie sind, lieber Kollege Stein, selber im Untersuchungsausschuss, der sich in den letzten Wochen intensiv mit der Suche nach No-go-Areas beschäftigt hat. Ohne eine unzulässige Beweiswürdigung vorwegzunehmen, müssen Sie mir doch zustimmen, dass Sie niemanden gefunden haben – weder auf der Ebene der Polizeipräsidentinnen und Polizeipräsidenten noch auf Ebene derjenigen, die täglich auf der Straße sind – der gesagt hat: Bei mir vor Ort ist ein Gebiet, in das sich die Polizei nicht mehr hineintraut.
Man muss einfach festhalten, was Sie da für ein Bild von Polizei zeichnen. Das geht an der Realität vorbei. Es geht auch an der Realität vorbei, zu sagen: Polizei hat so furchtbar knappe Ressourcen.
Ja, das steht unter Punkt I, Kollege Lürbke. – Wir haben mit Rot-Grün doppelt so viel Polizei eingestellt. Die Ressourcenknappheit gab es unter Schwarz-Gelb.
In einem der weiteren Punkte bemühen Sie Herrn Münch vom BKA mit diesem Zitat der „cyberfähigen Polizei“. Herr Kollege Herrmann würde sich wahrscheinlich genauso an diesem seltsamen Begriff gestoßen haben, wie ich das tue. Ich finde es zumindest gewöhnungsbedürftig, etwas als „cyberfähig“ zu deklarieren. Natürlich stellt sich Polizei den Fragen des digitalen Zeitalters, aber der Begriff „cyberfähig“ ist viel zu kurz gesprungen.
Die Bandbreite von einem kriminologisch relativ einfachen Betrug bei Ebay hin zu koordinierten Hackerattacken ist riesengroß. Die beschäftigt die Sicherheitsbehörden, die sich damit auch in angemessener Weise auseinandersetzen. Das zeigt auch
Dann möchten Sie gerne – das fand ich besonders spannend – „noch zu schaffende Datenbanken“ vernetzen. Das heißt, Sie wissen eigentlich noch gar nicht so genau, was Sie an Daten gerne hätten,
Ich gebe ohne Weiteres zu, lieber Kollege: Datenaustausch zwischen Behörden ist an vielen Stellen sinnvoll, wenn er verhältnismäßig ist und sich auf klaren rechtlichen Grundlagen bewegt. Aber nicht alle Daten, die es gibt oder die es geben könnte, müssen pausenlos durch alle Sicherheitsbehörden kursieren. Rechtsgrundlagen fehlen für einiges von dem, was Sie sich da ausgedacht haben, auch. Und der wesentliche Unterschied ist, dass man die Daten, die noch nicht erhoben werden, auch nicht „auf Teufel komm raus“ erheben muss. Das gilt natürlich auch – das kennen Sie aus den Debatten – für Themen wie Vorratsdatenspeicherung; deren Ausweitung beispielweise auf Messenger-Dienste brauchen wir an dieser Stelle auch nicht.
Jetzt geht es zur Unterüberschrift „Digitalisierung der Polizeiarbeit“. Sie haben das so ein bisschen in technischer Hinsicht skizziert nach dem Motto: Jetzt geben wir jedem Polizisten ein Tablet in die Hand, und dann wird alles gut. – Diese technische Hinsicht ist, so wie Sie das sehen, deutlich verkürzt. Es wird aber natürlich niemand etwas dagegen haben, gute technische Rahmenbedingungen für eine digitale Polizeiarbeit zu schaffen. Kollege Kossiski hat eben schon angesprochen, dass das auch Thema auf der letzten IMK war, weil es ein wichtiges Thema für die Polizei in Deutschland insgesamt und natürlich auch für die nordrhein-westfälische Polizei ist.