Protocol of the Session on July 6, 2016

Vielen Dank, Frau Kollegin Birkhahn. – Für die SPD-Fraktion spricht Frau Kollegin Spanier-Oppermann.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer! Liebe Kollegin Birkhahn, ich habe gerade gedacht: Es ist gut, dass wir uns im Ausschuss noch einmal darüber austauschen. Vieles von dem, was Sie gerade gesagt haben, hat gepasst. Aber bei einigem wäre es wichtig, uns noch einmal im Detail darüber zu unterhalten.

Zunächst einmal möchte ich mich jedoch für den Antrag in Gänze bedanken; denn er gibt mir noch einmal Gelegenheit, auf das Landesprogramm Bezug zu nehmen und, da Sie Ihren Fokus auf die inklusive Berufs- und Studienorientierung legen, deutlich zu machen, dass dieses Konzept genau das auch mitdenkt.

Ihrem Antrag entnehme ich keine direkte Kritik am Konzept, sondern eher – wie von unserer Schulministerin heute Morgen im Ausschuss so passend formuliert – eine Art indirekte Anerkennung unserer Leistung. Das habe ich mir natürlich gemerkt. Ich fand es auch sehr passend und wertschätzend zugleich.

Es geht darum, im ersten Flächenland ein verbindliches, strukturiertes, transparentes, geschlechtersensibles, kultursensibles und nicht zuletzt die Inklusion berücksichtigendes Gesamtsystem einzuführen. Somit ist das Ziel klar – ich denke, das muss man auch noch einmal ganz deutlich benennen –, damit allen jungen Menschen eine Berufs- und Studienwahl zu ermöglichen und eine Begleitung herzustellen.

Das bedeutet: alle Schülerinnen und Schüler ab Klasse 8 und der Sekundarstufe II einschließlich der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf sowie, wie von meiner Kollegin angesprochen, der Zielgruppe STAR.

Vor genau einer Woche wurden in der Sitzung des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales der Umsetzungsstand 2016 und die weitere Ausbauplanung von „Kein Abschluss ohne Anschluss“ vorgestellt. Hier heißt es unter anderem:

Die STAR-Angebote Potenzialanalyse, Berufsfelderkundung, Praktikum und Elternarbeit sollen ohne Mengen- und Qualitätsverluste in KAoA überführt werden. Bewährte Strukturen, zum Beispiel die Organisation und Begleitung durch die Integrationsfachdienste, bleiben bestehen. Eine engere Vernet

zung zwischen den Fachdiensten und den kommunalen Koordinierungsstellen wird notwendig, um ein passgenaues Angebot für jeden Jugendlichen zu erhalten.

Dies zeigt mir, dass Sie in Ihrem Antrag auch etwas anmahnen, was wir aus meiner Sicht längst in Schritten umsetzen.

Sie äußern weiterhin in Ihrem Antrag die Befürchtung, dass das System bestehende und bewährte Konzepte der inklusiven Berufsorientierung nicht aufnehmen kann. Natürlich hat es auch vor KAoA viele Berufs- und Studienorientierungsmaßnahmen gegeben. Viele Schulen haben hier im Laufe der Jahre erfolgreiche und innovative Konzepte entwickelt, wie Sie ja auch betont haben.

Diese Expertise darf natürlich nicht verloren gehen. So ist auch das Landesprogramm angelegt – als ein flexibles, lernendes System, welches sich immer weiterentwickelt.

An dieser Stelle erlaube ich mir, Ihrer Bildsprache in Ihrem Antrag zu widersprechen. KAoA ist aus meiner Sicht genau das nicht. Es ist kein starres Korsett. Erfolgreiche Arbeit mit viel Erfahrung findet sich bei KAoA wieder. Bei der Implementierung von Standardelementen haben die Schulen die Möglichkeit, auf bereits bestehende Konzepte aufzubauen. Denn die Einbindung der Erfahrungen in den einzelnen Schulen ist wichtig und richtig. Sie muss aber systematisch erfolgen, insbesondere im Hinblick auf Qualitätsstandards und Qualitätssicherung.

Mit dem Landesvorhaben KAoA will die Landesregierung gewährleisten, dass jede Schülerin und jeder Schüler – egal, welche Schule sie besuchen, und egal, wo sie herkommen – den gleichen Mindeststandard erhalten und so eine fundierte Berufswahlentscheidung für sich treffen können. Das nenne ich inklusiv.

Ich verweise jetzt auch ein Stück auf das in Sachen STAR Gesagte. Aus meiner Sicht ist es so, dass sich STAR als inklusiver Baustein in KAoA wunderbar einfügen wird. Auch unter diesen Gesichtspunkten sollten wir alle gemeinsam anerkennen, dass wir mit KAoA – diesen Kraftakt sollten wir doch nicht vergessen – eine Erfolgsgeschichte in Nordrhein-Westfalen geschrieben haben und noch weiter schreiben werden. Schließlich handelt es sich um ein lebendiges System, das ein ständiges Justieren an den Stellschrauben erforderlich macht.

Ich freue mich auf die Beratungen im Ausschuss. Dort können wir noch detaillierter darüber sprechen. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Spanier-Oppermann. – Für die Fraktion

Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Maaßen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! „KAoA – Kein Abschluss ohne Anschluss“ ist mittlerweile ein flächendeckendes System in NRW zur Berufsorientierung, Berufsvorbereitung und Gestaltung des Übergangs zwischen Schule und Beruf. Es ist in dieser Form einzigartig in Deutschland. Unser Land kann als erstes Bundesland ein flächendeckendes System im Übergangsmanagement vorweisen. Darauf können wir alle gemeinsam stolz sein. Und: Es ist ein lernendes System, ein System, das einen Paradigmenwechsel hervorruft und tief in die bisherigen Strukturen von Schule und Betrieb eingreift.

Seit dem Schuljahr 2012/13 wird KAoA umgesetzt und wellenförmig ausgebaut. Ausgehend von sieben Referenzkommunen sind nun in allen 53 Kreisen alle weiterführenden Schulen mit Potenzialanalysen, Berufsfelderkundungen und Berufspraktika befasst. Diese Standardelemente kommen in allen weiterführenden Schulformen, auch in den Förderschulen, zum Einsatz. Dies ist zu begrüßen, weil hierdurch in allen Regionen die gleichen Angebote zum Tragen kommen, unabhängig von regionalen oder gar sozialen Besonderheiten.

Im aktuellen Bericht des Arbeitsministeriums zum Umsetzungsstand und den anstehenden Ausbauplanungen sowie im Monitoring-Bericht der G.I.B wird deutlich, dass die Förderschulen intensiv in das schon jetzt bestehende System eingebunden sind. Im Schuljahr 2014/15 machten bereits 349 Förderschulen bei KAoA mit. 78 davon verfügen über ein schuleigenes Curriculum zur Berufs- und Studienorientierung. Fast alle haben Kooperationsvereinbarungen mit der Agentur für Arbeit.

Was jedoch auch klar ist: Jugendliche aus Förderschulen benötigen mehr Zeit und andere Rahmenbedingungen. Deshalb wird nun das bewährte Programm „STAR – Schule trifft Arbeitswelt“ in das Programm KAoA mit einbezogen. Die STAR-Angebote – Potenzialanalyse, Berufsfelderkundung, Praktika – und die wichtige Elternarbeit werden ohne Mengen- und Qualitätsverluste in das Programm Kein Abschluss ohne Anschluss überführt. Die bewährten Strukturen, die Organisation und die Begleitung durch die Integrationsfachdienste bleiben bestehen.

Die rot-grünen Landtagsfraktionen und die Landesregierung tragen dem Gedanken Rechnung, dass die Gleichbehandlung von Ungleichen die Ungleichheit verschärft. Wir schaffen auch in einem standardisierten System Möglichkeiten der individuellen Förderung. Hier möchte ich nur auf die Praxiskurse für benachteiligte Jugendliche hinweisen oder die Mög

lichkeit erwähnen, an drei Tagen Berufsfelderkundungen in einer außerbetrieblichen Einrichtung absolvieren zu können.

Darüber hinaus können natürlich eigene Projekte der Schulen weitergeführt werden. KAoA beschreibt die Mindestanforderungen. Weitergehende Initiativen liegen in der Eigenverantwortung der Schulen. Netzwerkarbeit vor Ort oder individuelle Lösungen sind möglich und ausdrücklich erwünscht.

Sie sehen, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU: Vieles von dem, was Sie in Ihrem Antrag fordern, wird bereits umgesetzt. Nichtsdestotrotz macht es Sinn, im Ausschuss weiter darüber nachzudenken, wie wir Schülerinnen und Schülern mit Förderbedarf die größtmögliche Unterstützung bei KAoA zukommen lassen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Maaßen. – Für die FDP-Fraktion spricht Frau Kollegin Schmitz.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist richtig – Frau Kollegin Birkhahn hat es zu Beginn ihrer Rede bereits gesagt –, für alle Schülerinnen und Schüler frühzeitig eine qualitativ hochwertige Berufs- und Studienorientierung verbindlich zu machen. Das gilt selbstverständlich für alle Jugendlichen, unabhängig davon, ob er oder sie einer sonderpädagogischen Förderung bedarf oder nicht.

Wenngleich wir das Grundprinzip von KAoA teilen, so hakt es dennoch vielfach bei dessen Umsetzung, an manchen Stellen ganz besonders bei der Konzeption. Natürlich ist es bei einem für alle verbindlichen Programm sinnvoll, vergleichbare Standardelemente als Grundgerüst zu verankern. Eine solche Ausgestaltung sollte aber nicht bereits erfolgreich arbeitenden Schulen starr übergestülpt werden. Gerade bei einem so wichtigen Programm müsste die bestmögliche Einbindung von Erfahrungen im Zentrum stehen – und nicht das schematische Abhandeln einer Liste.

Es ist problematisch, wenn eine Umsetzung so unflexibel erfolgt, dass von Schulen jahrelang erprobte Maßnahmen oder Finanzierungen einfach wegbrechen.

Exemplarisch muss man noch einmal ein sehr bezeichnendes Zitat wiederholen. Der Westdeutsche Handwerkskammertag als dem Gesamtvorhaben positiv gegenüberstehender Verband hat in einer Stellungnahme gesagt – ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten –:

„Vor dem Beschluss zur Einführung von ‚Kein Abschluss ohne Anschluss‘, an dem wir selbst maßgeblich beteiligt waren, hatte die Landesregierung uns mehrfach bestätigt, dass etablierte Berufsorientierungselemente natürlich von den Schulen fortgeführt werden können.... Im Rückblick ist das Problem, dass die Landesregierung alle Finanzierungsquellen für solche Maßnahmen Stück für Stück ,ausgetrocknet‘ hat und die Umsetzung für die Schulen mangels Finanzierung nicht mehr stattfinden können.“

Wir haben im Rahmen unserer FDP-Schultour im letzten Jahr die preisgekrönte Gesamtschule Nettetal besucht, also eine Schulform, die Sie als inklusives Vorbild preisen. Diese Schule beklagte, dass sie in der Vergangenheit eine 100%ige Anschlussquote hatte, ihr jetzt aber die bisherige Finanzierung wegbreche. Das kann doch eigentlich niemandes Ziel sein, oder?

Gerade langjährig inklusiv arbeitende Schulen und übrigens auch Förderschulen haben einen großen Erfahrungsschatz gesammelt. Diesen gilt es bestmöglich zu nutzen.

In einem Bericht an den Sozialausschuss zu KAoA heißt es dann aber vorrangig, dass Schulen und Eltern bei der Überführung des STAR-Angebots für behinderte Jugendliche aus bisherigen Standardelementen und KAoA-Elementen wählen können.

Auch hier sollte man darüber sprechen, wie neben Standardelementen der bestehende Erfahrungsschatz besser eingebunden werden kann. Die individuell ausgerichtete Unterstützung des STARAngebots darf bei Überführung in KAoA nicht verloren gehen.

Wir freuen uns auf die intensive Diskussion im Ausschuss. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Vielen Dank, Frau Kollegin Schmitz. – Für die Fraktion der Piraten spricht Frau Kollegin Pieper.

Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist gerade gesagt worden: Wir sprechen heute über das Übergangssystem Kein Abschluss ohne Anschluss, abgekürzt KAoA.

Zunächst finde ich es sehr schön, dass wir dieses Thema hier auf der Tagesordnung haben, weil Berufsorientierung ein sehr wichtiges Thema ist. Insofern begrüße ich zunächst einmal den Antrag der CDU-Fraktion dazu.

Ich möchte das gerne einmal rückblickend betrachten. Berufsorientierung hat viele Jahrzehnte an den Schulen nur eine untergeordnete Rolle gespielt. In

den letzten Jahren ist einiges passiert. Es sind wichtige Dinge passiert. Das möchte ich sehr positiv anerkennen.

Die Entwicklung der einzelnen Schulen beim Aufbau von Konzepten zur Berufsorientierung war meiner Meinung nach sehr unterschiedlich. Während viele Haupt- und Förderschulen, aber auch Klassen, die integrativen Unterricht gemacht haben, sehr früh angefangen haben, sich mit dem Thema zu beschäftigen – einfach aus der Not heraus, wirklich eine Perspektive für ihre Schüler zu entwickeln –, ist das Thema „Berufsorientierung“ lange Zeit an anderen Schulen – hier möchte ich die Gymnasien nennen –, ich sage einmal, verpennt worden. Weil man davon ausging, dass die Schüler sowieso ein Studium aufnehmen, hat das Thema „Berufsorientierung“ da keine große Rolle gespielt.

Das führt dazu, dass es heute in dem KAoA-System ganz unterschiedliche Voraussetzungen an den Schulen gibt, die wir jetzt in diesem einen System haben.

Grundsätzlich möchte ich sagen – das sage ich für mich oder auch für die anderen Oppositionsfraktionen –: Wir fordern immer Standards bei der Inklusion. Hier haben wir sie. Hier sind sie auch gut. Erst einmal ist es ja gut, dass wir einen Standard haben, den ich an dieser Stelle einmal als Mindeststandard definieren möchte.

Gleichzeitig muss man feststellen – das sagte Frau Schmitz gerade –, dass sich die Bedingungen an den Schulen verändert haben. Das haben sie; denn für die einzelne Schule war das Programm Zukunft fördern sicherlich viel interessanter, weil es sehr viel mehr Möglichkeiten gab. Es gab mehr Flexibilität, aber auch mehr Gelder. Dass das gescheitert ist, hat verschiedene Ursachen gehabt. Das wissen wir alle.

Der Vorteil jetzt ist, dass alle Schulen beteiligt sind, während es vorher bei dem Programm Zukunft fördern nur die Schulen waren, die sich aktiv an diesem Prozess beteiligen wollten. Da waren viele Schulen gar nicht dabei.

Zum Thema selber: Ja, KAoA beinhaltet viele gute Dinge. Es gibt aber auch Kritik. Ich habe mich bei Trägern und Kollegen umgehört. Es ist so, dass diese Flexibilität tatsächlich nicht gegeben ist. Zum Beispiel bemängeln viele, dass die Potenzialanalyse in der 8. Klasse für manche Schüler einfach zu früh stattfindet. Viele haben sich wenig mit Berufsorientierung auseinandergesetzt und gehen relativ unmotiviert an die Aufgaben heran. Das haben ich mir so sagen lassen.

Was heißt das? Wir müssen Berufsorientierung nicht nur durch diese Träger und dieses Programm laufen lassen. Wir brauchen eine Berufsorientierung, die noch sehr viel mehr auch fest im Unterricht implementiert ist.