Protocol of the Session on June 9, 2016

In Anbetracht der Abgrenzungsschwierigkeiten der drei Förderschwerpunkte Lernen, emotionale und soziale Entwicklung sowie Sprache als Teil der Lern- und Entwicklungsstörung ist es aus meiner Sicht doch nur folgerichtig, in der Gesamtbetrachtung einen einheitlichen Wert anzusetzen. So tritt insbesondere in Summe für diese Förderschulen, die im Verbund diese drei Schwerpunkte unterrichten, aus unserer Sicht, aus meiner Sicht keine Verschlechterung ein.

Weiterhin fordern Sie in Ihrem Antrag eine Erweiterung der sonderpädagogischen Förderung in der Sekundarstufe II. Da sollten wir uns meines Erachtens noch einmal vor Augen halten, welchen Zweck die sonderpädagogische Förderung überhaupt haben soll. Die Förderung soll Schülerinnen und Schülern dabei helfen, mit ihren Einschränkungen umgehen zu können, und soll einen Weg aufzeigen, wie sie erfolgreich am Unterricht teilnehmen und lernen können. Die Förderung kann nicht eine Behinderung heilen.

Die Schülerinnen und Schüler, die ihren Schulabschluss geschafft haben, sind mithilfe der erlernten Strategien in der Lage, erfolgreich zu lernen. Sollten sich bis in die Sekundarstufe II die Probleme nicht mittels der Förderung kompensieren lassen, sprechen wir unter Umständen auch über ein medizinisches Problem, welches andere Unterstützung erfordert und nicht durch den Förderunterricht behoben werden kann.

Diese Rückmeldung habe ich mir bewusst, nachdem wir Ihren Antrag gelesen haben, noch einmal von den Förderschulleitern aus der Praxis vor Ort geholt.

Letzter Punkt zum Thema „Nachteilsausgleich“ – auch da besteht noch einmal der Bezug zu Sekundarstufe II –: Nachteilsausgleich setzt zunächst einmal zielgleiches Lernen voraus; da wird er gewährt und ist beim Förderschwerpunkt Sprache, wenn wir uns unser Schulgesetz ansehen, rechtlich an den zehnjährigen Bildungsgang gekoppelt.

Darüber hinaus muss man, wenn man tief in der Praxis verwurzelt ist, auch sagen: Das kommt doch nur sehr selten vor. Wenn man unsere gesetzlichen Grundlagen betrachtet, ist es rechtlich auch nicht ausgeschlossen, dass aufgrund einer Behinderung, die auch eine sprachliche Behinderung sein kann, ein individueller Nachteilsausgleich gewährt wird.

Kurzum, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP: Ich vermute einmal, dass der uns allen vor Kurzem zugegangene Brief eines Verbandes Grundlage Ihres Antrages war. Sicher ist es gut, auf Schreiben der Verbände zu reagieren. Doch manches Mal denke ich: Statt eines Antrags für die Galerie hätte es vielleicht auch ein Gespräch mit den Verbandsvertretern getan, um noch einmal ganz klar die gesetzlichen Voraussetzungen zu erläutern.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Selbstverständlich stimmen wir der Überweisung zu. Ich freue mich auf die weiteren Beratungen. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Für die CDU-Fraktion erteile ich Frau Kollegin Birkhahn das Wort.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir sprechen heute über diesen Antrag und über einen Personenkreis, der innerhalb der Schulgemeinde, der Schülerinnen und Schüler, einen relativ kleinen Raum einnimmt. Es sind ungefähr 17.000 Schülerinnen und Schüler, die den Förderschwerpunkt Sprache haben. Sie werden beschult im gemeinsamen Unterricht – ungefähr 7.000 –, aber auch in Förderschulen, in Grund- und Hauptschulen.

Von diesen 10.000, die in diesen Förderschulen unterrichtet werden, kommt eine große Rückführungsquote – meine Vorrednerin hat das eben auch schon gesagt – in der Regelschule wieder an, weil die Förderung in diesem frühen Alter sehr erfolgreich sein kann. Von daher ist das etwas, was sichtbar, hörbar und fühlbar auch als Erfolg gewertet werden kann.

Die Schulen sind von Eltern sehr nachgefragt, weil sie diese Erfahrungen haben und weil sie wissen: Das ist keine Einbahnstraße.

Diejenigen, die über die Grundschulzeit hinaus an einer Förderschule bleiben und eine weitere Förderung brauchen, sind wirklich eine verschwindend kleine Gruppe. Aber ich denke doch, dass es sinnvoll ist, mit der FDP den Blick auf die gegenwärtigen Defizite innerhalb der Förderung dieser Gruppe zu lenken.

Ich möchte aus dem Antrag zwei Bereiche herausgreifen – meine Vorrednerin hat das eben auch schon deutlich gemacht –:

Erstens. Die Förderung wird nur bis zum Ende der Vollzeitschulpflicht durchgeführt, also bis zum Ende der Sekundarstufe I. Das ist bisher die geltende rechtliche Regelung; auch das ist gesagt worden. Dennoch stellt es einen Bruch dar, dass nach der 10. Klasse keine weitere Förderung stattfinden wird.

Man kann sagen: Das war immer so. – Nichtsdestotrotz müssen wir konstatieren, dass unsere Gesellschaft hinsichtlich der Inklusion, hinsichtlich der Prozesse, die zur Inklusion führen, umdenken muss und dass sie auch bereit ist umzudenken. Ich möchte fordern: Auch die Bürokratie muss umdenken, und sie muss sich überlegen: Wie können wir die bisherigen Gesetzeslagen entsprechend angleichen?

Den Förderbedarf zu negieren, ist nicht hilfreich für die Betroffenen. Man müsste wohl weitere Überlegungen anstellen, wie ich diese Menschen begleiten und letztlich beratend unterstützen kann. Zunächst einmal: Welcher Bedarf ist notwendig, ein sonderpädagogischer oder ein medizinischer? Das muss letztlich im Einzelfall begleitend unterstützt und hinterfragt werden.

Die nächste Frage ist: Wie und wo kann dieser Bedarf bedeckt werden? Er ist vorhanden. Wir können nicht sagen: Dafür sind wir nicht zuständig. – Eltern, die bisher in der Rolle der von den Institutionen unterstützten Erziehungsberechtigten waren, sollen jetzt selbst aktiv werden. Sie müssen da zu Anfang deutlich begleitet werden.

Ich finde auch, dass die Jugendlichen und jungen Erwachsenen auch notwendige Unterstützung erhalten müssen.

Alle diese Fragen wegzuschieben, führt nicht dazu, dass den Betroffenen geholfen wird. Wir haben uns in Bezug auf die Verfolgung der inklusiven Ziele vorgenommen, dass niemand schlechter gefördert und schlechter unterstützt werden soll als bisher. Ich muss ganz deutlich machen: Diese Perspektive ist nicht zufriedenstellend.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Zweitens. Die Gewährung von Nachteilausgleichen ist von Ihnen, Frau Spanier-Oppermann, auch angesprochen worden. Wir haben in einer breiten Initiative hier im Hause darauf hingewirkt, dass dieses Verfahren deutlich erleichtert wird und direkter gehandhabt werden kann.

Der Förderschwerpunkt „Sprache“ ist aber explizit ausgenommen worden. Auch hier müssen wir uns Gedanken machen, ob das sinnvoll ist und ob es nicht im Einzelfall eines besonderen Ausgleichs bedarf. Man kann nicht einfach sagen, der Förderschwerpunkt sei ausgenommen. Da müssen wir entsprechend aktiv werden. Wenn wir das nicht tun, konterkarieren wir die Maxime „Kein Kind zurücklassen!“ Bisher wird zwar kein Kind zurückgelassen. Aber wehe, wenn du älter bist! Dann stehst du alleine da.

Meine Herren, meine Damen, ich setze große Hoffnung auf die Diskussion im Ausschuss, weil ich denke, dass es uns um die Hilfe für die Betroffenen gehen wird. Wir wollen Teilhabe in unserer kommu

nikationsorientierten Welt ermöglichen, und wir wollen gemeinsam Schritte zu einer inklusiven Gesellschaft gehen. – Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin Birkhahn. – Für Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Beer.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will gleich zu Beginn sagen, dass ich es richtig und gut finde, im Ausschuss noch einmal darüber zu diskutieren. Das brauchen wir auch dringend, um Begrifflichkeiten miteinander zu klären: Worüber reden wir?

Reden wir über Sprachentwicklungsstörungen, über Sprachstörungen, über Sprachbehinderung? – Das sind ganz unterschiedliche Kategorien. Das wird auch an den Aussagen der Kollegin Birkhahn deutlich.

Wir müssen auch wissen: Reden wir über die sonderpädagogische Förderung? Oder reden wir über Nachteilsausgleich beim zielgleichen Lernen? Auch das sind unterschiedliche Paar Schuhe.

Frau Kollegin Birkhahn, da kann ich Sie beruhigen: Nein, auch die Kinder mit Sprachbehinderung sind beim zielgleichen Lernen nicht ausgeschlossen, was den Nachteilsausgleich angeht. Aber es muss individuell geschaut werden, wie das testiert wird, um dann in der Lage zu sein, eine Zumessung vorzunehmen. Wenn zum Beispiel eine Sprachbehinderung im Redefluss vorliegt, ist überhaupt keine Frage, dass dann in der mündlichen Abiturprüfung mehr Zeit gewährt wird. Das muss gar nicht infrage gestellt werden. Aber das werden wir im Ausschuss noch ausführlich behandeln.

Am Anfang will auch auf das reagieren, was Frau Kollegin Gebauer eingeführt hat. Wir haben auch im Ausschuss schon mehrfach gesagt, dass wir uns natürlich den Prozess anschauen. Ich sage auch immer: Inklusion ist kein Zustand, sondern ein Prozess.

Eigentlich müssten Sie heute wahrgenommen haben – der Nachtragshaushalt ist eingebracht –, dass wir in der Tat nachsteuern. Es gibt 300 Stellen mehr für den Bereich Lern- und Entwicklungsstörungen. Das ist heute hier eingebracht worden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich sage es einfach noch einmal, damit es im Protokoll steht und damit Sie es auch wahrnehmen und sehen, dass das, was wir miteinander besprechen, auch umgesetzt wird.

Es ist nicht richtig – das sieht man auch –, dass der Inklusionsprozess übers Knie gebrochen wird, weil wir die Förderschulen viel länger im Bestand haben

und sie in der Fläche vorhanden sind. Deswegen steuern wir ja nach, weil dann auch in diesem Bereich mehr Ressourcen notwendig sind. Das haben wir mehrfach betont, und das machen wir jetzt auch so.

Lassen Sie uns also darangehen, uns intensiv mit diesem Thema auseinandersetzen – auch mit der Frage der Sprachstörungen bzw. der Sprachentwicklungsstörungen. Es ist ja nicht richtig, dass RotGrün – auch daran darf ich erinnern, Frau Gebauer – diese Zusammenfassung der Lern- und Entwicklungsstörungen jetzt das erste Mal eingeführt hat. Schon seit 1995 haben wir die Definitionen zusammengeführt. Auch daran will ich erinnern.

Im Ausschuss werden wir sicherlich eine kleine Fachdebatte miteinander führen. Das begrüße ich sehr. Dabei kann man viel stärker verdeutlichen und klar machen, dass wir uns dieser Frage stellen. Der Förderbereich „Sprache“ – das kann ich Ihnen versichern – wird auch nicht stiefmütterlich oder stiefväterlich behandelt.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Beer. – Für die Piratenfraktion erteile ich Frau Kollegin Pieper das Wort.

Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Einiges ist gesagt worden. Es geht hier um eine relativ kleine Schülergruppe. Der Antrag der FDP kümmert sich um ganz spezielle Probleme dieser Gruppe. Aber eigentlich enthält der Antrag manches, das für alle LESFörderschwerpunkte zutrifft. Er zeigt an vielen Stellen Fehlentwicklungen in der Inklusion auf, die auch für andere Unterstützungsbedarfe zutreffen, geht aber auch auf ganz spezielle Schwierigkeiten ein.

Es ist gerade schon an einer Stelle gesagt worden: Inklusion bedeutet Teilhabe an der Gesellschaft. Ich glaube, Frau Birkhahn hat gesagt, dass man die durchgehende Förderung braucht, um tatsächlich Teilhabe garantieren zu können.

Ich glaube auch, dass hier einige Dinge durcheinandergegangen sind. Frau Spanier-Oppermann, zum einen haben Sie gerade gesagt, dass die Förderschulen sehr gute Arbeit leisten, gerade die Förderschulen für sprachliche Entwicklung, und dass viele Schülerinnen und Schüler zurück zur allgemeinen Schule gehen können. – Das ist gut und richtig. Da haben wir gute Erfolge.

Das passt aber nicht dazu, wenn Sie auf der anderen Seite sagen, dass die Förderschullehrer nicht dafür da wären, ein Handicap zu verbessern oder auszumerzen, sondern dafür da wären, dass die Schüler

befähigt werden, am Unterricht teilzunehmen. – Das sehe ich komplett anders. Als Kollegin oder Kollege muss ich durchaus in der Lage sein – und das gilt ganz besonders für Schüler mit einem Handicap im Bereich Sprache –, dafür zu sorgen, dass wirklich Sprachförderung stattfindet, mit der auch Handicaps behoben werden. Da geht es nicht darum, dafür zu sorgen, dass ein Schüler am Unterricht teilnehmen kann. Da würde ich einmal sehr gut aufpassen.

In dem Antrag wird zu Recht beklagt, dass die Landesregierung die Schüler-Lehrer-Relation an den Förderschulen verschlechtert hat. Wir haben eine andere Schüler-Lehrer-Relation. Das führt dazu, dass wir größere Klassen in den Förderschulen haben. Das ist aber nicht nur im Bereich Sprache so; das ist im Bereich emotionale und soziale Entwicklung und im Bereich Lernen ganz genauso.

Wenn ich weniger Lehrer für mehr Kinder habe, ist eine logische Folge, dass die Qualität nicht so bleiben kann, sondern schlechter wird, weil die Zeit pro Schüler – dafür muss ich kein Rechenkünstler sein – einfach nicht mehr da ist.

In dem Antrag geht es zudem um die Fortführung der sonderpädagogischen Unterstützung in der Sekundarstufe II, für die es im Bereich Sprache keinen Anspruch auf Unterstützung gibt. Wir müssen uns die Frage stellen, wie ernst es uns mit „Kein Abschluss ohne Anschluss“ ist. Wenn ich für diese Schüler einen Anschluss haben möchte – dann sind wir wieder bei dem Stichwort „Teilhabe“ –, muss ich auch in der Sekundarstufe II darauf achten, dass die Schülerinnen und Schüler die notwendige Unterstützung erhalten.