Protocol of the Session on April 20, 2016

gaben über die Anerkennung von ausländischen Berufsqualifikationen in NordrheinWestfalen

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 16/10308

Änderungsantrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/11769

Änderungsantrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP Drucksache 16/11790

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales Drucksache 16/11716

zweite Lesung

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die SPDFraktion Frau Kollegin Jansen das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir in Nordrhein-Westfalen haben eine große kulturelle Vielfalt – auch durch die zugewanderten Menschen. Es gibt allerdings auch Konflikte, zum Beispiel ob man helles Bier in schmalen hohen Gläsern trinkt oder ob dunkles Bier in kurzen breiten Gläsern ausgeschenkt wird. Es gibt aber eine Gemeinsamkeit: Beide Biere sind obergärig.

Zur Vielfalt der Biere gesellt sich die Pluralität unserer einheimischen Bevölkerung und der Zugereisten. Auch hier gibt es eine Gemeinsamkeit, denn alle wollen gemäß ihrer Berufsqualifikation bei uns arbeiten, ob im Krankenhaus, auf dem Bau oder in der Pflege.

Zur Sache: Die Landesregierung will bei der Anerkennung ausländischer Qualifikationen den EURichtlinien nachkommen. Das heißt: Eine Umsetzung in Landesrecht ist zwingend vorgeschrieben. Der Kernpunkt dieser Umsetzung ist der einheitliche Ansprechpartner in der Verwaltung bei der Bezirksregierung. Außerdem geht es um weitere Vereinfachungen vor allem in Verfahrensfragen. Die formell korrekte Bezeichnung lautet: Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz.

Ein weiterer wichtiger Punkt neben dem einheitlichen Ansprechpartner – das ist auch in der Anhörung diskutiert worden – ist die Vorlage von Unterlagen entweder in Kopien oder Originalen. Nachdem zuerst massive Bedenken vor allem seitens der Ärztekammer aufgrund der Befürchtung von gefälschten Unterlagen oder Zeugnissen vorgebracht wurden, wurde allerdings auf Nachfragen deutlich, dass es sich hier um Einzelfälle handelt, also die Befürchtung unbegründet ist.

Im Gesetz steht: Unterlagen sind in Form von Originalen oder Kopien zu übermitteln, wobei die vorgenannten Kopien grundsätzlich in beglaubigter Form vorzulegen sind. Für uns als SPD-Fraktion ist das völlig ausreichend, da verständlicherweise aus der Universität in Aleppo keine Originalunterlagen mehr beizubringen sind.

Ein weiterer Punkt, der jetzt nicht im Gesetz enthalten ist, den wir in Form eines Änderungsantrages einbringen werden, ist, dass gleiches Recht für alle gilt. Das heißt: Falls es Verstöße gegen die Berufsausübung gibt, sollten diese nicht nur von den Nachbarländern an uns, sondern auch von uns an die anderen Länder übermittelt werden: eine Information über Verstöße oder Verbote an die Nachbarländer von hier bei uns in Nordrhein-Westfalen oder in Deutschland erworbenen Abschlüssen. Das ist der sogenannte Vorwarnmechanismus.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von CDU und FDP: Ich würde gern noch auf den Änderungsantrag eingehen wollen, den Sie eingebracht haben.

Wir lehnen es ab, dass Sie hier versuchen, eine Art von Panik zu schüren, wie wir meinen. Nach Angaben der Bezirksregierung – da darf ich aus der Anhörungsunterlage zitieren – sind es tatsächlich Einzelfälle. Es gibt jedes Jahr mehrere Fälle, in denen offenkundig Anträge auf der Grundlage von gefälschten Papieren gestellt werden. Jetzt kommt das entscheidende Zitat, meine Damen und Herren: Es sind auf jeden Fall weniger als 5 %.

Ich möchte auf die Pluralität zurückkommen, die ich anfangs erwähnte. Wenn das Gesetz beschlossen ist, können wir uns allenfalls noch über die Wahl des Bieres unterhalten. Aber in der Sache der Anerkennung der ausländischen Berufsqualifikationen darf es keine Zweifel geben. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Danke schön, Frau Jansen. – Für die CDU-Fraktion spricht nun Herr Burkert.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben in der Anhörung sehr viele Fragen im Hinblick auf die Berufsqualifikation behandelt, die anerkannt werden soll, und zur direkten Auswirkung auf die Sicherheit der Menschen, insbesondere dann, wenn es sich um medizinische und gesundheitliche Berufstätigkeiten dreht. Hier muss die Patientensicherheit eindeutig Vorrang haben. Diskriminierungen müssen dabei eindeutig zurücktreten.

Die Anhörung hat erhebliche Unschärfen und Unklarheiten in diesem Gesetzentwurf zutage gebracht. Die größten Bedenken ergaben sich im Hinblick auf die fachliche Eignung, die eine papiergestützte Prüfung nicht gewährleisten kann. Die Möglichkeit, im Zweifel Nachfragen im Heimatland zu stellen, sichert im Zeitalter digitaler Kopien nicht die Sicherheit bzw. die Echtheit der vorgelegten Unterlagen.

Die Gleichwertigkeitsprüfung anhand überprüfter Listen der Stundentafeln lässt erhebliche Defizite im Rahmen der Fachlichkeit und Qualität der Berufsausübung befürchten. Dies gilt allerdings nicht nur für Gesundheitsberufe, sondern für weitere Berufsgruppen wie die Architekten.

Es wurde auf Nachfrage auch gesagt, wie hoch die Täuschungsquote ist: Ja, sie wurde mit ca. 5 % angegeben. Aber die Dunkelziffer wäre weitaus höher.

Die Sicherstellung der Qualität der anzuerkennenden Berufe ist durch den vorgelegten Gesetzentwurf nicht gewährleistet, was zu einer Gefährdung der Bevölkerung führen kann.

Es kann nicht zugelassen werden, dass nur die Echtheit der Urkunde und nicht die inhaltliche Richtigkeit geprüft werden kann. Die Ärztekammer hat darauf hingewiesen. Mit Erlass vom 15. Oktober 2015 darf die Ärztekammer die Sprachprüfung durchführen. Die dabei eventuell gewonnenen Erkenntnisse, dass es erhebliche fachliche Defizite gibt, darf sie zur Approbationsstelle des Regierungspräsidenten nicht weitergeben.

Die fachliche medizinische Aufsicht darf ihre gewonnenen fachlichen Kenntnisse nicht weitergeben!

Dies hat auch dazu geführt, dass selbst der Ausschussvorsitzende Herr Garbrecht die Ärztekammer aufgefordert hat, einen Lösungsvorschlag zu unterbreiten. Dieser Vorschlag ist gekommen, aber RotGrün hat ihn offensichtlich verworfen.

Meine Damen und Herren, wir haben einen Änderungsantrag eingebracht, um die Sicherheit, die Gesundheit und das Leben – in den Anhängen konnte man das zu den fachlichen Auskünften der Ärztekammer nachlesen – der Bürger in NRW nicht zu gefährden. Deshalb bitte ich um die Zustimmung zu unserem Ergänzungsantrag.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Burkert. – Für die Grüne-Fraktion erhält nun das Wort Frau Kollegin Maaßen.

Herr Vorsitzender! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Kollegin, Frau Jansen, hat schon sehr viel zu den Rahmenbedingungen dieses Gesetzes gesagt. Sie stellte fest, dass es sich um eine EU-Richtlinie handelt, die wir hier in Landesgesetzform gießen müssen. Des Weiteren hat sie gesagt, dass vorwiegend ein Ansprechpartner bei der Bezirksregierung eingerichtet wird und dass es um weitere Vereinfachungen bei Verfahrensfragen geht.

Ich möchte doch darauf eingehen, was Herr Burkert bezüglich der Dunkelziffer gesagt hat. – Das sind reine Vermutungen. Wir haben in der Anhörung mehrfach nachgefragt und darum gebeten, uns Zahlen zu nennen. Es wurde von einer hohen Zahl berichtet. Der Begriff „Überschwemmung“ stand schon fast im Raum. Es war von Anträgen, die nicht stimmen würden, sowie von Urkundenfälschungen etc. die Rede. Wir haben wirklich drei, vier Fragerunden gebraucht, um den Experten einmal eine konkrete Zahl aus der Nase zu ziehen. Es kam heraus, dass es sich um annähernd 5 % handelt.

Die Behauptung, es gebe eine Dunkelziffer, steht im Raum. Die kann letztendlich niemand von uns benennen und auch nicht entkräften. Das ist aus meiner Sicht ein Totschlagargument, mit dem Sie jetzt hier

argumentieren. Und darauf gründen Sie auch Ihren Änderungsantrag.

Wir halten das für nicht zielführend …

(Beifall von der CDU)

… und sind weiterhin der Meinung, dass die papiergestützte Ausweisung der Qualifikationen durchaus reicht. Wir glauben, dass das kein großes Problem ist. Von daher bleiben wir bei unserer Auffassung.

Auch findet der Vorschlag der Ärztekammer Westfalen-Lippe, dass in jedem Fall bei Anerkennung aus einem Nicht-EU-Ausland eine mündliche oder praktische Prüfung durch die Kammer vorzunehmen ist, bei uns keine Zustimmung. Wir wollen hier keinen generellen Verdacht gegenüber Menschen aussprechen, die mit ihren Zertifikaten aus Nicht-EU-Ländern zu uns kommen. Wir akzeptieren das und nehmen erst einmal das, was sie vorbringen, ernst und gehen nicht direkt davon aus, dass sie gefälschte Unterlagen vorlegen.

Ich komme zum rot-grünen Antrag und damit auch schon zum Schluss. Hiermit stellen wir sicher, dass Mitteilungen über Berufsverbote sowohl für ausländische wie auch für inländische Inhaber von Berufsqualifikationen an die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union versandt werden. Das ist noch eine entscheidende Änderung, die wir einbringen wollen. Ansonsten ist das Gesetz, denke ich, so, wie es ist, in Ordnung. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Frau Maaßen. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Alda.

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen ist ein wesentliches Instrument zur Integration von Migranten. Mit ihr ist die Botschaft verbunden, dass die Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnisse dieser Menschen auch in unserer Gesellschaft wertvoll sind. Anerkannte Qualifikationen bieten Chancen zum Einstieg in den deutschen Arbeitsmarkt und damit zum sozialen Aufstieg durch eigene Leistung.

Ebenso leistet die Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen einen Beitrag zur Fachkräftesicherung. Allein die Liste der 17 Mangelberufe umfasst 17 Berufsgruppen. Dabei geht es um Mechatroniker, um Beschäftigte im Sanitär- und Heizungsgewerbe, im Informatikwesen sowie in der Kranken- und Altenpflege – ja bis hin zu solchen in Orthopädie und Reha. Gerade in diesen Berufen brauchen wir Bewerber, die entsprechende Qualifikationen mitbringen. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels wird der Bedarf an qualifizierten Bewerbern

mit ausländischen Abschlüssen voraussichtlich weiter zunehmen.

Auf Bundesebene wurde 2011 ein Anerkennungsgesetz gerade auch auf Betreiben des liberalen Koalitionspartners beschlossen. In NRW folgte ein Anerkennungsgesetz für die landesrechtlich geregelten Berufe allerdings erst 2013. Insgesamt sind die Anerkennungsgesetze in Bund und Ländern ein Erfolg für unser Land.

Allerdings haben sich in der Umsetzung auch etliche Probleme gezeigt. Dabei geht es um die Verfahrensdauer, die Manpower beim Landesprüfungsamt für Gesundheit, die Bekanntheit des Verfahrens bei den Bewerbern und die Verbesserung der Bedingungen.

Heute behandeln wir die Änderungen der gesetzlichen Regelungen auf Landesebene. Dabei geht es vorrangig um die erforderliche gesetzliche Umsetzung von europarechtlichen Vorgaben. Ich nenne in diesem Zusammenhang den europäischen Berufsausweis und ein einheitliches Anerkennungsverfahren, meine Damen und Herren. Sie von Rot-Grün nutzen diese Gelegenheit leider nicht, um sinnvolle Korrekturen vorzunehmen.

(Beifall von der FDP)

Dabei hat gerade die Anhörung im Ausschuss gezeigt – Kollege Burkert hat es ja auch schon erwähnt –, dass durchaus weiterer Änderungsbedarf besteht. Die Koalitionsfraktionen haben jedoch zum Gesetzentwurf der Landesregierung nur redaktionelle Änderungen eingebracht. Ich hatte das im Ausschuss auch schon einmal kurz angedeutet.

Sie waren nicht bereit, auf die Anregung unter anderem vonseiten der Kammern einzugehen. Gerade in den Fällen, in denen in reglementierten Berufen Zweifel an den vorgelegten Bescheinigungen bestehen, sehen wir Handlungsbedarf. Hier brauchen wir die Möglichkeit, zum Beispiel durch Fachgespräche eine Überprüfung der maßgeblichen beruflichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten vorzunehmen.

(Beifall von der FDP)

Aus unserer Sicht ist zwar einerseits eine möglichst einfache Anerkennung von ausländischen Berufsabschlüssen gerade angesichts der aktuellen Zuwanderung wünschenswert. Dies darf aber andererseits zum Beispiel im Gesundheitswesen nicht die Qualität und die Patientensicherheit gefährden.