„Der Gesetzgeber muss eine Neuregelung vornehmen, die den verfassungsrechtlichen Anforderungen Rechnung trägt.“
„Da auch länderübergreifende Abstimmungsprozesse anstehen, ist dafür ein ausreichender Zeitraum erforderlich.“
Wir sind deshalb gerade nicht im rechtsfreien Raum, und auch hier gilt: Wer lesen kann, ist klar im Vorteil.
Verehrter Herr Kollege Haardt, natürlich geht so etwas nicht von heute auf morgen. Da stimme ich Ihnen zu. Aber sind Sie bereit zur Kenntnis zu nehmen, dass bereits am Verwaltungsgericht Arnsberg 2010 der Fall geschaffen wurde, der nachher vor dem Bundesverfassungsgericht verhandelt wurde? Man hätte also seitens RotGrün gewarnt sein können, dass das nicht mehr so okay ist, und im Gesetzgebungsprozess nachsteuern können.
Sind Sie der Meinung – ich muss ja eine Frage formulieren –, dass Sie uns jetzt vorwerfen können, dass wir dieses Thema, was durchaus Aktualität hat, jetzt in den Wissenschaftsausschuss bringen? – Ich denke, die Zeit ist reif. Danke.
Also, Herr Dr. Paul, nicht jede Vorlage eines Gerichts zum Bundesverfassungsgericht führt auch zur Aufhebung der Norm. Das wäre natürlich dann sicher ein Anlass gewesen. Aber auch da gilt: Das Bundesverfassungsgericht entscheidet am Ende und nicht die Einschätzung irgendeines Instanzgerichts.
Im Übrigen erwarten auch wir von der Ministerin ein zügiges Vorgehen und sind auch schon gespannt, uns anzuhören, welche Schritte regierungsseitig seit dem Beschluss unternommen wurden, ob es bereits einen Zeitplan hinsichtlich des weiteren Vorgehens gibt und wie man sich den Abstimmungsprozess vorstellt.
Allerdings, Herr Dr. Paul, gilt für uns in diesem Falle: Sorgfältige Abstimmung vor allem innerhalb der Kultusministerkonferenz ist operativer Hektik, wie Sie sie an den Tag legen, eindeutig vorzuziehen.
Dass Sie hier eher für operative Hektik votieren, verstehe ich allerdings. Eine gesetzliche Regelung in der zweiten Hälfte des nächsten Jahres, im Lichte der notwendigen Abstimmungen durchaus als Zeithorizont realistisch, würde schließlich ohne Showanträge der Piraten beraten werden. Zukunft, Herr Dr. Paul, sieht anders aus, nämlich ohne Piraten hier im Landtag. Ich würde Sie ansonsten hier gern noch auffordern, sich endlich mit den wirklichen Problemen an unseren Universitäten zu beschäftigen. Aber das ist erfahrungsgemäß vergeblich.
Wir werden, da Sie keine direkte Abstimmung beantragt haben, uns mit dem Antrag auch noch im Ausschuss befassen müssen. Darauf freue ich mich schon. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ausnahmsweise muss ich in der heutigen Debatte Herrn Haardt einmal ausdrücklich zustimmen, was in unseren Auseinandersetzungen nicht immer der Fall ist.
Aber das, was die Piratenfraktion mit ihrem Antrag hier vorgelegt hat, ist vollkommen an den Haaren herbeigezogen
Fakt ist doch – das ist auch mehrfach gesagt worden –, dass das Bundesverfassungsgericht am 17. Februar 2016 festgestellt hat, dass sowohl im Hochschulgesetz von 2006 wie auch im Hochschulgesetz von 2014 die Regelungen zur Akkreditierung von Studiengängen mit dem Grundgesetz nicht vereinbar sind. Das betrifft aber nicht nur NRW, sondern auch die Akkreditierungsregeln in den Hochschulgesetzen der anderen Bundesländer sowie das Gesetz über eine Stiftung zur Akkreditierung von Studiengängen in Deutschland.
Damit steht das gesamte Akkreditierungssystem in Deutschland auf dem Prüfstand. Das war sicher eine Überraschung für alle Bundesländer. Denn die Akkreditierung ist ein wesentlicher Baustein des Bologna-Prozesses, und es wurde möglicherweise versäumt, ein Modell aus dem angloamerikanischen Raum angemessen an das deutsche Rechtsverständnis deutschlandweit anzupassen.
Das Bundesverfassungsgericht legt erneut dar, dass in Deutschland der Staat eine größere Rolle einnehmen muss, um die Wissenschaftsfreiheit zu garantieren. Dass ein Richterspruch logischerweise nicht umgesetzt werden kann, bevor er überhaupt stattgefunden hat, müsste aber selbst den Kolleginnen und Kollegen von der Piratenfraktion bekannt sein. Denn als das Hochschulgesetz 2014 die Regelungen zur Akkreditierung von Studiengängen überarbeitet hat, konnte der Gesetzgeber – vor mehr als anderthalb Jahren – noch nicht auf die vielen Details, die jetzt hier vorliegen, der aktuellen Entscheidung eingehen.
Während in Nordrhein-Westfalen also ursprünglich eine Regelung des Hochschulfreiheitsgesetzes beklagt wurde, hat der Gesetzgeber mit dem Hochschulzukunftsgesetz auf bestehende und sich abzeichnende rechtliche Anforderungen bereits reagiert. Das haben die Piraten offensichtlich an dieser Stelle nicht verstanden. Aber Tatsache ist, dass auch Nordrhein-Westfalen im Verbund mit den anderen Ländern jetzt hier nachbessern muss.
Das Bundesverfassungsgericht sagt nun Folgendes: Wesentliche Entscheidungen zur Akkreditierung von Studiengängen darf der Gesetzgeber nicht anderen Akteuren überlassen. Er muss in den Hochschulen auch für die Qualitätssicherung ein Gesamtgefüge schaffen, in dem Entscheidungsbefugnisse und Mitwirkungsrechte, Einflussnahme, Information und Kontrolle so ausgestaltet sind, dass Gefahren für die Freiheit der Lehre vermieden werden. Hierfür wird dem Gesetzgeber bis zum 1. Januar 2018 Zeit gegeben, neue Regeln in Kraft treten zu lassen, was die Piraten ja selbst in ihrem Antrag erwähnen. Denn es sind schließlich länderübergreifende Abstimmungsprozesse notwendig, da alle Bundesländer nun ihr Akkreditierungswesen neu gestalten müssen.
Genau aus diesem Grund zeugt Ihre Forderung, Herr Paul, unverzüglich eine Gesetzesnovelle vorzulegen, eigentlich von Unkenntnis. Ich meine, es ist auch transportiert worden, dass das nicht nur NRW angeht und man hier keine Schnellschüsse machen kann. Wir brauchen keinen Schnellschuss, wir brauchen eine wohlüberlegte Reform.
Was aber gar nicht geht – auch das ist eben schon angeklungen –, Herr Paul, ist der zweite Teil Ihres Antrags, die Verknüpfung dieses Urteils mit der Rolle der Hochschulräte. Es ist schon eine sehr eigenwillige Interpretation, hier eine Parallele zu ziehen.
Der Landtag hat 2014 nach einem langen Beratungsprozess – wir haben viel darüber diskutiert – die Governance an den Hochschulen neu aufgestellt, und mit dem Hochschulzukunftsgesetz wurden Studierende, Mittelbau, Hochschullehrerinnen und
Hochschullehrer in ihren Mitwirkungsrechten, also auch in der Wissenschaftsfreiheit, deutlich gestärkt. Das erfüllt noch bis heute alle Anforderungen der grundgesetzlich gesicherten Wissenschaftsfreiheit. Im Gegensatz zu den Akkreditierungsagenturen sind die Hochschulräte im Übrigen feste Bestandteile der Hochschulen selbst.
Also, liebe Piratenfraktion, Sie sind nun schon richtig lange im Landtag vertreten und müssten das eigentlich alles wissen. Ihr Antrag ist nicht nur von der Tonalität her an einigen Stellen irritierend, er zieht auch sachlich falsche Rückschlüsse, und er schafft vermeintliche Zusammenhänge da, wo keine sind. Deswegen – das sage ich jetzt schon mal – können wir in der Sache keineswegs zustimmen.
Wir werden den Antrag in den Ausschuss überweisen. Das ist klar. Aber eine ernsthafte Debatte macht aus unserer Sicht erst dann Sinn, wenn die länderübergreifende Abstimmung in die Konkretisierung geht. Erst dann kann man über die gemeinsamen Facts auch wirklich vernünftig diskutieren. – Vielen Dank.
Guten Abend, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Bundesverfassungsgericht hat uns als Landesgesetzgeber tatsächlich vor eine knifflige Aufgabe gestellt, und zwar das Parlament als Gesetzgeber, nicht in erster Linie die Regierung. Deswegen befassen wir uns gerne mit dem Antrag in den Ausschussberatungen, auch mit der notwendigen Gründlichkeit, Herr Kollege Paul.
Ich will Ihnen nur mit auf den Weg geben: Als Bestandteil des Gesetzgebers hätte es Ihnen zum Beispiel freigestanden, mit substanziellen Vorschlägen die Debatte hier zu bereichern.
Meine Damen und Herren, im Kern geht es um die Frage, wie die Qualität von Studienangeboten sichergestellt werden kann, ohne in die Freiheit von Lehre und Forschung einzugreifen. Denn beides ist für uns Freie Demokraten Grundvoraussetzung, damit wir beste Bildung an den Hochschulen ermöglichen.
Lehre muss frei sein, um gut zu sein. Dennoch muss auch die beste Lehre überprüfbar sein – nicht nach ihren Inhalten, sondern in Fragen der Struktur, Qualität, Professionalität und Wissenschaftlichkeit. Diese Qualitätskontrolle kann sinnvollerweise in erster Linie durch die Wissenschaft und die Hochschulen erfolgen.
Die bisherigen Bestimmungen, wie die Qualitätskontrolle durch die Akkreditierungsagenturen ausgestaltet werden muss, sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht ausreichend präzisiert. Hier bedarf es also einer Präzisierung durch einen gesetzlichen Rahmen. Es ist gerade auch schon darauf hingewiesen worden, dass wir auch dort mit den anderen Bundesländern – auch wenn hier nur die nordrhein-westfälische gesetzliche Lage zur Entscheidung anstand – eine gemeinsame Linie finden müssen. Daher ist also auch die Landesregierung
wieder mit im Boot, die die Ideen des Landesgesetzgebers in die Verhandlungen mit den anderen Bundesländern einbringen kann.
Zu der Frage, wie wir den gesetzlichen Rahmen für diese Qualitätssicherung schaffen können, gibt es unterschiedliche Vorschläge. Denkbar wäre zum Beispiel, dass die Hochschulen Qualitätssicherungskonzepte für die einzelnen Studiengänge entwickeln. Auch da gibt es die Möglichkeiten, dass wir von der landesgesetzlichen Seite aus vorschreiben, welche Anforderungen an solche Konzepte zu stellen sind. Es gibt wirklich viele unterschiedliche Ansätze abzuwägen.
Was wir definitiv nicht brauchen, sind Detailregelungen zur Gängelung oder Politisierung der Wissenschaft. Wer auch immer jetzt auf die Idee kommen mag, das Urteil zu missbrauchen, indem er sagt, die Politik müsse zukünftig auch inhaltliche Vorgaben setzen, beschreitet definitiv den falschen Weg – ebenso wie im Übrigen all jene, die auch strukturelle Anforderungen als einen Eingriff in die Lehrfreiheit der Professoren ablehnen.
Die Überarbeitung der Qualitätskontrolle ist komplex und wird in der Abwägung verschiedener Verfassungsgüter auch etwas Zeit beanspruchen. Das Bundesverfassungsgericht hat für die erforderlichen Gesetzesänderungen ausdrücklich Zeit bis Ende 2017 Zeit eingeräumt, sprich bis zum 1. Januar 2018. Auch angesichts der verschiedenen Termine in diesem und im Folgejahr ist das sicherlich ein ambitionierter Zeitplan, der uns damit auferlegt wird. Eine sofortige Umsetzung, wie sie im Antrag der Piraten suggeriert wird, schießt allerdings weit über das Ziel hinaus, zumal in ihrem eigenen Antrag keinerlei konkrete Ansätze vorhanden sind.
Nicht zuletzt die Grundrechtsrelevanz einer Qualitätssicherung der Freiheit von Lehre und Forschung verlangt zudem nach Gründlichkeit. Hierbei sehe ich durchaus, dass wir auch die Erfahrungen im bisherigen Akkreditierungsverfahren auswerten und aus Unzulänglichkeiten der Vergangenheit – wie Sie meines Erachtens beispielsweise bei der Umstellung auf Bachelor und Master zu beobachten waren – lernen, um Verbesserungen zu erreichen.
Ich wäre sehr dafür, dass wir in diesem Hohen Hause unter aktiver Einbeziehung auch der Hochschulen unseres Landes ohne Verzögerung gemeinsam an Lösungen arbeiten. Für die FDP-Fraktion biete ich dies ausdrücklich an.
Umso bedauerlicher ist es, dass der Antrag der Piraten hier eben keinerlei konkreten Beitrag zur Lösung bietet, sondern lediglich den Ausruf, dass doch jemand mal etwas tun müsse, und erneut die pauschalen Beschimpfungen der Hochschulräte, die die Arbeit der Hochschulen, breit anerkannt, bereichern. Ich mag einem Irrtum unterliegen, aber meines Wissens haben die Hochschulräte mit der Akkreditierung