Protocol of the Session on March 3, 2016

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Frau Brand, ja, ich finde, dass vier Kategorien wichtig sind. Ganzheitlich und vernetzt sind das eine, systematisch und nachhaltig das andere. Auch da kann, glaube ich, keine Farbe für sich in Anspruch nehmen, zu sagen: Wir hatten da schon immer auf ewig recht; wenn es nur nach uns gegangen wäre, wäre alles richtig gewesen. – Ich glaube, dass die in diesem Hause versammelte Kompetenz dazu beitragen kann, dass dieser Integrationsplan gelingt und dass er mit dem, was wir erarbeiten, Substanz hat.

Wir dürfen keine Zeit verlieren und müssen uns über die wesentlichen Punkte verständigen. Das wäre dann auch ein Beitrag dazu, dass unsere Gesellschaft zusammenbleibt und dass wir die Kräfte, die jetzt zusammenbleiben wollen, stärken. Wir sollten auch daran arbeiten, diejenigen, die sich zurückgesetzt fühlen, für die starke demokratische Kultur zurückzugewinnen, die Nordrhein-Westfalen auch hat und die zumindest mich stolz darauf macht, Nordrhein-Westfälin zu sein. Ich bin stolz darauf, dass wir hier mit vielen Dingen anders umgehen,

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

damit unsere Gesellschaft nicht weiter auseinanderdriftet.

Die Willkommenskultur unserer Zivilgesellschaft muss unser Vorbild sein und bleiben. Wir müssen die Willkommenskultur in eine Willkommensstruktur überführen.

Ich finde es auch immer wieder ermutigend, dass in Bezug auf Integration nicht nur die humanitäre Frage – das ist richtig und wichtig; dies ist das Gebot und der Auftrag unseres Grundgesetzes – betont wird; denn die Integration ist auch ein Gebot der ökonomischen Vernunft. 2016 muss das Jahr der gelingenden Integration werden.

Ich will in dem Zusammenhang den Düsseldorfer IHK-Chef Berghausen zitieren, der gestern in der „WZ“ noch einmal sehr herausgestrichen hat, dass Zuwanderung Chancen eröffnet. Ich zitiere ihn:

„Mit den Zuwanderern kommen jetzt die Kinder zu uns, die wir vor 20 Jahren nicht bekommen haben. Wir sollten aufhören, die Flüchtlinge vor allem als Problem zu sehen. Diese Menschen bieten uns die Chance, den Fachkräftemangel zu lindern. Es lohnt sich, Zeit und Geld in die Migranten zu investieren. Das rentiert sich langfristig für die Betriebe und die Gesellschaft insgesamt.“

Das zeigt doch, dass wir hier auf der einen Seite unsere Zivilgesellschaft, die Kirchen, die Gewerkschaften und die Verbände an unserer Seite haben, auf der anderen Seite aber auch die wirtschaftspolitisch aktiven Kräfte, die deutlich machen, dass wir hier insgesamt eine Zukunftsaufgabe haben, aber auch eine Aufgabe, die sich sehr lohnt.

Meine Damen und Herren, nicht nur Nordrhein-Westfalen, sondern die ganze Republik braucht einen Integrationsplan.

(Beifall von Michele Marsching [PIRATEN])

Deutschland ist – auch darüber sind wir uns hier im Hause einig – Einwanderungsland. Ich danke Herrn Laschet dafür, dass er diese Position immer offensiv vertreten hat. Das haben die anderen Parteien auch getan. Es ist aber bundesweit noch nicht angelegt. Dafür müssen wir weiter werben.

Wir dürfen nicht die Fehler der Vergangenheit wiederholen, sondern wir müssen so schnell wie möglich die zu uns kommenden Menschen integrieren. Minister Schmeltzer hat den Bogen zur Einwanderungspolitik in Nordrhein-Westfalen schon gespannt.

Mich haben viele Debatten der letzten Zeit auch immer wieder an 1993 erinnert, an Solingen. Sie wissen, dass ich aus Solingen komme. Vor einigen Jahren haben wir an dieses Ereignis von vor 20 Jahren erinnert. Wir haben uns damals alle miteinander in die Hände versprochen, dass sich das, was 1993 zu Brandsätzen und zu Übergriffen geführt hatte, nicht wiederholen darf.

Wir sehen jetzt in der ganzen Republik – auch in Nordrhein-Westfalen, aber besonders in ostdeutschen Ländern –, dass sich das wiederholt. Das dürfen wir nicht zulassen.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Eine Aussage passt auch in die heutige Zeit. Max Frisch hat über die damalige Zeit gesagt: Arbeitskräfte wurden gebraucht. Menschen sind gekommen. – Ja, auch jetzt sind Menschen gekommen. Viele wollen, dass aus diesen Menschen gute Arbeitskräfte werden können. Die positive Weiterentwicklung dieses Zitats von Frisch ist unser Auftrag.

Meine Damen und Herren, was sind die Kernpunkte, die jetzt für unseren Integrationsplan anstehen? – Ich will hinzufügen: Er wird ergebnisoffen entwickelt, weil

es natürlich der Wunsch ist, dass man ernst genommen mitgestalten und mitarbeiten kann. Das fordern Herr Dr. Stamp und Frau Brand. Herr Kuper hat das zwar nicht gesagt, aber ich nehme an, dass das auch von der CDU-Fraktion so gedacht war.

Ja, wir brauchen eine effizientere Verwaltung. Verfahren müssen beschleunigt werden, um Perspektiven und Klarheit für die Betroffenen zu schaffen.

Wir brauchen eine ausreichende Anzahl niedrigschwelliger Sprach- und Integrationskurse für alle Flüchtlinge.

Wir brauchen die Anpassung aller Angebote der gesamten Bildungsbiografie. Wir brauchen die Kapazitäten, und wir müssen an der Qualität arbeiten. Wir brauchen umfangreiche Arbeitsmöglichkeiten. Nichts ist schlimmer, als – wie in manchen Fällen passiert – jahrelange Untätigkeit.

Ja, gelingende Integration verhindert Fremdenfeindlichkeit und Rassismus. Es war doch auch eine bemerkenswerte Aussage – nicht nur dass die Umfragen für Nordrhein-Westfalen zeigen, dass hier die Bereitschaft, Migranten aufzunehmen, zum Teil größer als in anderen Bundesländern ist –, dass die Menschen, die konkrete Erfahrungen mit Flüchtlingen haben, der Integration und der Flüchtlingspolitik gegenüber positiver eingestellt sind als diejenigen, die überhaupt keinen Kontakt mit Zugewanderten haben. Auch das sollte uns doch ermutigen.

Ich möchte abschließend an die Bundesratsdebatte am vergangenen Freitag erinnern; auch darauf hat Kollege Schmeltzer schon hingewiesen. Ich war überrascht, wie positiv der von Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und RheinlandPfalz eingebrachte Antrag aufgenommen worden ist, welch breite Mehrheit er gefunden hat und wie er unterstützt worden ist, etwa von Frau Kramp-Karrenbauer aus dem Saarland und auch aus Berlin, also auch aus Ländern, in denen eine Große Koalition arbeitet.

Alle Länder sind sich einig, dass Land und Kommunen gefordert sind, dass es aber auch in der Integration darauf ankommt, dass sich auch der Bund zukünftig stärker an dieser Aufgabe beteiligt. Das ist ganz klar deutlich gemacht worden.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Es ist doch auch bemerkenswert, dass es einen Brief von Herrn Finanzminister Söder und unseres Finanzministers an Herrn Bundesfinanzminister Schäuble gibt, in dem zwei Länder, A- und B-Länder, deutlich machen: Integration können die Länder allein nicht schaffen. Wir in NRW leisten schon jetzt einen Beitrag. Auf einen Bundeseuro kommen schon jetzt zwei Landeseuro.

Die Integrationspolitik, mit der wir jetzt herausgefordert sind, ist nicht durch landesgesetzliche oder kommunale Entscheidungen ausgelöst, sondern sie ist ausgelöst durch bundes- und europapolitische und weltweite Entscheidungen. Deswegen ist hier der Bund auch stärker in der Verantwortung. Das haben wir auch so konstruktiv und nicht absolutistisch formuliert. Wie kämen wir dazu.

(Zuruf von Armin Laschet [CDU])

Ich würde mir wünschen, dass sich auch die Union hier an der Seite der Länder mit dafür einsetzt, dass wir nicht nur eine Flüchtlingspauschale bekommen – auch dafür ist lange gekämpft worden –, sondern dass wir weitere Unterstützung bei der Integration erhalten, damit wir gemeinsam Integration für die Zukunft unseres Landes und der Menschen, die zu uns kommen, gut hinbekommen. – Herzlichen Dank für die Debatte. Ich glaube, es könnte hier heute einen guten Auftakt für einen wichtigen Prozess geben.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Ministerin Löhrmann. – Für die SPD-Fraktion spricht der Kollege Yetim.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich würde gern ganz kurz auf zwei Vorredner eingehen.

Herr Kuper, als Sie mit Ihrer Rede angefangen haben, war ich ein bisschen irritiert, weil ich dachte, dass wir jetzt über das Thema Integration sprechen und nicht über das, was Sie uns über viele Monate hinweg vorgeworfen haben, ohne zu erkennen, wie die Situation im Land ist.

Sie haben wieder von einem Organisationsversagen und über die Kosten der Flüchtlingsaufnahme gesprochen, über all das, was wir eigentlich schon längst abgearbeitet haben.

Herr Minister Schmeltzer hat gerade darauf hingewiesen: Angesichts einer Zahl von über 330.000 Menschen, die nach Nordrhein-Westfalen gekommen sind, von denen wir über 230.000 Menschen noch bei uns im Land haben und die bei uns bleiben werden, angesichts der Anstrengungen, die nötig waren, um diese Menschen unterzubringen, ihnen Schutz zu geben, ihnen etwas zu essen zu geben, ihnen ein Dach über den Kopf zu garantieren, von einem Organisationsversagen zu sprechen, halte ich für komplett falsch.

Eher sehe ich, dass unsere Behörden, dass die Menschen im Land, die Ehrenamtler, die kommunalen Verwaltungen, die Behörden, die Bezirksregierungen und auch das Land einen hervorragenden Job gemacht haben. Denn die Menschen sind alle untergekommen. Keiner musste draußen bleiben. Keiner hat

gehungert. Deswegen ist der Vorwurf, Herr Kuper, heute nicht mehr richtig.

(Beifall von der SPD – Zuruf von Armin La- schet [CDU])

Wenn man das rückblickend betrachtet, stellt man fest: Bei über 330.000 Menschen, die zu uns gekommen sind, war das von uns eine sehr gute gemeinschaftliche Leistung.

Herr Kuper, Sie haben gerade davon gesprochen, dass wir alles tun müssen, um den sozialen Frieden in Nordrhein-Westfalen aufrechtzuerhalten. – Ja, genau. Da sind wir auf einer Linie. Ich war am Montag in Dresden und hatte mir vorgenommen, auf jeden Fall einmal zu den – wenn man sie so nennen will – Demonstranten zu gehen; ich habe mir das angeguckt und hatte nachher das Gefühl, ich müsste mich duschen.

Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Ich bin wirklich heilfroh, dass wir es in Nordrhein-Westfalen bis jetzt geschafft haben, den sozialen Frieden aufrechtzuerhalten. Den werden wir aber nur dann aufrechterhalten, wenn wir uns hier einig sind und wenn wir in der Integrationspolitik versuchen, an einem Strang zu ziehen.

Ich will, Herr Kuper, abschließend zu Ihrem Beitrag aus der „Rheinischen Post“ zitieren – wenn ich darf, Herr Präsident. Die „Rheinische Post“ ist nicht gerade ein sozialdemokratisches Sprachrohr, aber doch eine seriöse Zeitung. Ich zitiere:

„Auch werden die Flüchtlinge in NordrheinWestfalen gut untergebracht. Die Zeltstädte, die andere Länder hilflos errichten, sucht man hier vergebens. Nordrhein-Westfalen zahlt überdurchschnittliche Hilfen an die Kommunen und reagiert vorausschauend mit mehr Lehrern und Fachkräften. Klar, man kann alles immer noch besser machen. Aber im Großen und Ganzen macht Jäger beim Thema Flüchtlinge einen guten Job.“

Ich füge hinzu: Die Landesregierung macht hier einen hervorragenden Job.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Sehr geehrter Herr Kollege Stamp, die Prioritäten, die Sie genannt haben, sind auch unsere: Bildung, Soziales, Gesundheit, Wohnen, Arbeit. Ich denke, Sie haben verfolgt – das haben Frau Löhrmann und Minister Schmeltzer gerade noch einmal dargestellt –, was wir alles schon auf den Weg gebracht haben. Das war auch immer die Diskussion, die wir im Zusammenhang mit den Anträgen, die Sie auf den Tisch gelegt haben, hatten, zu denen ich Ihnen immer gesagt habe: Lassen Sie uns über die Sachen reden, die noch offen sind.

(Serap Güler [CDU]: Haben Sie nie getan!)

Noch bei der letzten Obleuterunde habe ich das getan, Frau Güler. Ich kann mich sehr gut daran erinnern. – Wir haben immer gesagt, Herr Stamp: Lassen Sie uns über die Sachen reden, die noch offen sind.

Jetzt sind wir, glaube ich, an einem Punkt angelangt, wo wir das wirklich durchziehen können. Es gibt bei den unterschiedlichen Anträgen, die hier vorliegen, viele Gemeinsamkeiten. Es gibt ein paar Vorschläge, die ich gut finde, Frau Güler. Das heißt, was Sie über die Antragsfristen für die Kitaplätze sagen, finde ich gut; darüber können wir reden. Das finde ich vernünftig; das sollten wir tun. Es gibt bei der FDP den Vorschlag, niedrigschwellige Spielgruppenangebote zu machen, aber auch den Vorschlag – das finde ich auch sehr gut, Herr Stamp –, Nachverhandlungen mit den Krankenkassen zur Gesundheitskarte zu führen. All das ist völlig okay. Lassen Sie uns darüber reden. Vielleicht schaffen wir es ja, an der Stelle zu einer gemeinsamen Offensive zu kommen.