Protocol of the Session on March 2, 2016

Sie haben selber gesagt, dass die Zahlen eindeutig zu hoch sind. Wenn ich das analysiere und nach sechs Jahren Regierung zurückschaue, muss ich doch feststellen, dass keine einzige Ihrer Maßnahmen irgendetwas gebracht hat. Im Gegenteil! Die Situation in diesem Land ist doch noch schlimmer geworden. Wir haben den höchsten Unterrichtsausfall überhaupt. Was macht diese Landesregierung dagegen?

(Ministerin Sylvia Löhrmann: Das stimmt über- haupt nicht!)

Natürlich haben wir einen riesigen Unterrichtsausfall in diesem Land. Oder wollen Sie das jetzt auch noch leugnen? Natürlich ist die Situation hier ganz schlimm.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Wenn wir über beste Bildung sprechen, die der Anspruch aller in diesem Hause ist, muss ich doch feststellen, dass Nordrhein-Westfalen nicht auf dem Weg zur besten Bildung ist. Wir haben keinen guten und flächendeckenden Ganztag im ganzen Land an allen Schulformen. Der Bildungserfolg hängt immer noch enorm vom Geldbeutel der Eltern ab.

(Minister Rainer Schmeltzer: Ach!)

Da können Sie sich doch hier nicht hinstellen und sagen, was Sie in dieser Regierung gemacht haben, sei ein Erfolgsprojekt.

Wenn wir über Kindergarten, über U3 und über Vereinbarkeit von Familie und Beruf sprechen, schaue ich auch einmal meine Kollegen, die mit mir im Ausschuss sitzen, und die Frau Ministerin an. Das Land Nordrhein-Westfalen hat die schlechteste Quote bei der U3-Versorgung.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Wir messen uns mit Bremen. Das kann doch nicht wahr sein. Darauf kann man sich doch nicht ausruhen.

Im aktuellen Haushalt sind keine zusätzlichen Mittel eingestellt worden, um die Situation zu verbessern.

(Zuruf von Nadja Lüders [SPD])

Seit sechs Jahren ist eine KiBiz-Reform angekündigt. Seit sechs Jahren höre ich in jedem Ausschuss: Das wird evaluiert. Das wird neu auf den Weg gebracht. Es wird verändert.

(Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)

Nichts ist passiert. In dieser Legislaturperiode wird sich nichts verändern.

(Vereinzelt Beifall von der CDU – Zurufe von der SPD)

Die Situation ist leider so, wie sie ist. Da können Sie sich aufregen, wie Sie wollen.

(Dr. Dennis Maelzer [SPD]: Das ist doch unter Ihrem intellektuellen Niveau!)

In diesem Land gibt es so gut wie keine 24-StundenKita. Da mögen Sie aus ideologischen Gründen aufschreien.

(Zuruf von der SPD: Zu Recht!)

Nein, nicht zu Recht; denn gerade alleinerziehende Mütter brauchen eine 24-Stunden-Kita,

(Karin Schmitt-Promny [GRÜNE]: Nein!)

damit sie arbeiten können.

(Beifall von der FDP – Daniel Düngel [PIRATEN]: Zur Sache!)

Ihre Kollegin Andrea Asch hat doch eben gesagt, einer der wichtigsten Punkte, um Kinderarmut zu verhindern, sei, Eltern in Arbeit zu bringen.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Dafür brauchen sie eine gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Denn das größte Armutsrisiko in diesem Land ist es, alleinerziehend zu sein. Dafür brauchen sie eine gute Kindertageseinrichtung.

(Zuruf von Karin Schmitt-Promny [GRÜNE] – Gegenruf von der CDU)

Sie wissen ja: Wer schreit, hat sowieso nicht recht. – Sie könnten einfach einmal die Fakten zur Kenntnis nehmen. In anderen Ländern wird das gemacht.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend sagen: Der Punkt ist – ich bin der CDU auch dankbar dafür, dass wir das heute hier diskutieren –, dass diese Ministerpräsidentin und diese Landesregierung damit angetreten sind und gesagt haben: Das ist unser Ziel, an dem wir uns messen lassen wollen. Wir wollen uns daran messen lassen, wie sich die Kinderarmut in diesem Land entwickelt.

Unter dem Strich kann man festhalten, dass dort nichts passiert ist. Außer großen medialen Ankündigungen hat sich die Situation im Land nicht verändert. Daran werden Sie sich auch nächstes Jahr messen lassen müssen.

Ich hoffe, dass Sie jetzt diese Debatte als Anstoß nehmen, tatsächlich Veränderungen im Land herbeizuführen. Schließlich hat keiner in diesem Haus Interesse daran, dass Kinder arm aufwachsen. Aber sich nur hinzustellen, sich auszuruhen und mit dem Finger auf andere zu zeigen, ist einfach traurig und feige.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Hafke. – Für die Fraktion der Grünen spricht Frau Kollegin Grochowiak-Schmieding.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Selbst wenn keine einzige Stunde Unterricht mehr ausfallen würde, würde das nichts an der Tatsache ändern, dass Eltern in prekären Lebenssituationen ihren Kindern die Schulausstattung nicht kaufen können.

(Lebhafter Beifall von den GRÜNEN)

Materielle Armut hat eine einzige Ursache: Es fehlt schlicht das Geld.

(Zuruf von der CDU: Aha!)

Dem folgen Armut an Gesundheit, Bildungsarmut, Armut an sozialem Ansehen sowie Armut bei Teilhabe und Selbstbestimmung

Wenn die Opposition in Person von Herrn Laschet daherkommt und spricht: „Arbeit, Arbeit, Arbeit!“, stimmt das zwar. Das ist richtig. Aber wenn ich dann höre, wie Sie den Arbeitsmarkt gestalten wollen, wie Sie glauben, Arbeit und Arbeitsstellen beschaffen zu können, nämlich nach dem Motto „Regulierung weg“, wird mir ganz anders zumute.

Was heißt das denn? Das heißt: Arbeitsverhältnisse schaffen zulasten von Umwelt und Natur. Das heißt: Weg mit Mindestlohn und Tariftreuegesetz. Und das heißt, dass Sie eines befördern wollen, nämlich prekäre Arbeitsverhältnisse, und nichts anders.

(Beifall von den GRÜNEN und Dr. Dennis Mael- zer [SPD] – Henning Rehbaum [CDU]: Ver- schwörungstheorie!)

Was haben wir damit? Wir haben noch mehr Aufstocker, also noch mehr Menschen, die unter Umständen vollzeitbeschäftigt sind und trotzdem nicht genug Geld bekommen, um ihren Lebensunterhalt zu gestalten. Und was ist die Folge von prekären Arbeitsverhältnissen, von geringen Löhnen? Die Folge ist auch Altersarmut.

Das ist ein Arbeitsmarkt, den Sie offensichtlich befördern wollen. Wir werden dann fehlende Einnahmen im Sozialversicherungssystem haben.

Herr Tenhumberg, Sie beklagen, dass die Ausbildungszahlen schlecht seien, ganz besonders in NRW. Stimmen Sie uns einfach zu. Wir richten eine Ausbildungsumlage ein. Dann schauen wir einmal, wie sich der Ausbildungsmarkt entwickelt. Im Altenpflegebereich hat sich das bestens bewährt.

(Lothar Hegemann [CDU]: Unverschämtheit! – Weitere Zurufe)

Dann haben Sie davon gesprochen, dass die Beitragsbefreiung im letzten Kindergartenjahr nur etwas für Reiche sei. Ganz ehrlich: Dann müssen wir auch noch weiter gucken. Kinder- oder Betreuungsgeld ist auch nur etwas für Reiche; denn den Menschen, die im SGB-II-Bezug sind, also Hartz IV bekommen, wird das angerechnet. Andersherum ausgedrückt: Diesen Menschen wird das Kindergeld abgezogen. – Wo wollen Sie denn eigentlich hin?

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Herr Hafke, Sie haben vollmundig betont: Armutsbekämpfung, Perspektiven schaffen. – Die Richtlinie der FDP ist nach wie vor eher: Hilf dir selbst; sonst

hilft dir keiner. – Damit kommen wir natürlich auch nicht weiter.