Protocol of the Session on September 17, 2010

(Beifall von den GRÜNEN – Prof. Dr. Andreas Pinkwart [FDP]: Das stimmt doch gar nicht!)

Man steht doch staunend davor, und zu dieser zentralen Frage …

(Zuruf von Prof. Dr. Andreas Pinkwart [FDP])

Zu Endlager habe ich nichts gehört, keine einzige Aussage der Bundesregierung, wie es mit der Endlagerfrage weitergeht,

(Beifall von den GRÜNEN)

keine Zielführung, sondern stattdessen Laufzeitverlängerung auf Kosten der Sicherheit und der Bevölkerung!

Herr Prof. Pinkwart, es war schon imposant, wie Sie und Herr Lienenkämper eben quasi sirenengleich das Hohelied auf die Zukunft der erneuerbaren Energien gesungen haben. Sirenengleich aufzutreten passt nur in keiner Weise mit der Politik zusammen, die Sie hier fünf Jahre vertreten haben.

(Beifall von den GRÜNEN und von der SPD)

Das macht mich schon misstrauisch, was das der Bevölkerung sagen soll: erst fünf Jahre eine Politik in eine andere Richtung betreiben und dann verkaufen, da liege die Zukunft. Das geht nicht zusammen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Aber lassen Sie uns einen Moment annehmen, wir wären uns einig in der Meinung: Umwelttechnologien, erneuerbare Energien, Effizienztechnologien, Energieeinsparungen, das sind die Leitmärkte der Zukunft. Im Übrigen ist im Erneuerbaren-EnergienGesetz auch ein Vorrang für erneuerbare Energien festgelegt. Lassen Sie uns das mal einen Moment annehmen.

Dann können wir uns vielleicht auch auf eine Zahl der Bundesregierung verständigen. Das ist nicht unsere Zahl, das ist nicht unsere Prognose, auch keine rot-grüne Prognose, sondern die Bundesregierung selbst geht im Nationalen Aktionsplan für erneuerbare Energien, der nach Brüssel gemeldet worden ist, davon aus, dass 2020 38,6 % des Stroms aus erneuerbaren Energien stammt. Lassen Sie uns von dieser Zahl ausgehen: 2020 gut 40 % Strom aus erneuerbaren Energien.

Was heißt denn das für die Netzstruktur? Was heißt denn das für Speicher? Sie haben es selbst angesprochen.

Wir werden im Jahre 2020 – ich glaube, wir können das noch steigern – Tage, Stunden am Tag, vielleicht ganze Tage, Wochen, vielleicht sogar Monate haben, wo nur erneuerbare Energien im Netz sind. Wir hatten diese Situation übrigens im letzten Jahr schon.

Was heißt das denn für eine entsprechende Struktur, die darauf aufgesetzt werden muss? Wir brauchen dann andere Netze, neue Netze. Wir brauchen Smart Grids. Wir brauchen neue Netztechnologien. Wir brauchen aber auch andere Kraftwerke, eine andere Kraftwerksstruktur – klein, dezentral –, die genau daran angepasst ist.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das ist die Zukunfts- und Gestaltungsaufgabe, der wir uns stellen müssen. Das ist die zentrale Frage – auch für Nordrhein-Westfalen. Darauf geben Sie keine Antwort. Die großen Kraftwerke, die großen Kohlekraftwerke und die großen Atomkraftwerke, passen nicht in diese Struktur.

(Beifall von den GRÜNEN und von Michael Aggelidis [LINKE])

Deshalb ist das nicht nur eine Frage zwischen Ökologie und Ökonomie. Für mich ist das eine Frage der industriepolitischen Zukunft von NordrheinWestfalen.

(Ralf Witzel [FDP]: So ist es!)

Und es ist eine Frage des Standorts und der Standortinteressen. Da, liebe Kolleginnen und Kollegen, vernachlässigen Sie völlig, welche Entwicklung Nordrhein-Westfalen in den letzten Jahren genommen hat – trotz Ihrer Politik, die sich eigentlich gegen eine solche Entwicklung gerichtet hat.

Was ist denn mit den kleinen und mittleren Unternehmen? Was ist denn mit den Stadtwerken? Was ist denn mit kleiner, dezentraler, in NordrheinWestfalen entwickelter Kraftwerkstechnik? Was ist mit unserer Bauwirtschaft? Was ist mit den Wohnungsunternehmen? Was ist mit dem Anlagen- und Maschinenbau? Was ist mit der nordrheinwestfälischen Zuliefererindustrie für erneuerbare Energien? Es sind originäre Standortinteressen, die mit der Frage nach der Zukunft der Energieversorgung verbunden sind,

(Beifall von den GRÜNEN und von der SPD)

und da sind Sie nicht auf der Seite der Zukunft in Nordrhein-Westfalen, sondern auf der Seite der Vergangenheit.

(Prof. Dr. Andreas Pinkwart [FDP]: Warum spielen Sie die Sachen gegeneinander aus?)

Es geht nicht ums Ausspielen; es geht um eine Richtungsentscheidung, Herr Pinkwart. Es geht um eine klare Richtungsentscheidung,

(Beifall von den GRÜNEN)

wohin die Entwicklung weisen wird: in die Zukunft oder in die Vergangenheit. Diese Frage beantworten Sie in Richtung Vergangenheit. Das ist der entscheidende Punkt.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich komme zu einem weiteren Punkt, der für die demokratische Verfasstheit unseres Landes von entscheidender Bedeutung ist. Wir leben in einem föderalen Land. Was passiert zurzeit? Zurzeit passiert ein kalter Staatsstreich. Es wird versucht, die Bundesländer aus diesem Verfahren herauszuhalten.

(Ralf Witzel [FDP]: Es ist dasselbe Verfah- ren wie bei Ihrem Atomausstieg! – Weitere Zurufe von Prof. Dr. Andreas Pinkwart [FDP] und Dietmar Brockes [FDP])

Da erwarte ich von Ihnen, dass sie an dieser Stelle die Interessen der Bundesländer vertreten. Herr Kubicki in Schleswig-Holstein ist da etwas anders

sortiert als Sie. Ich würde mir an dieser Stelle mehr Kubicki und weniger Pinkwart wünschen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Denn es geht jenseits der Rechtsfrage auch um die Interessen der Bundesländer.

(Zuruf von Prof. Dr. Andreas Pinkwart [FDP])

Ja. Herr Pinkwart, ich will das bitte ausführen. Es geht an dieser Stelle um die Interessen der Bundesländer.

(Prof. Dr. Andreas Pinkwart [FDP]: Dann bringen Sie sich doch mehr ein!)

Lassen Sie uns doch einmal gemeinsam die Frage beantworten: Where is the beef? Wo liegt der Mehrwert? Die norddeutschen Länder Schleswig-Holstein und Niedersachsen haben – deshalb sind die, was diese Frage angeht, auch ganz schön still – ein Interesse am weiteren Ausbau der Windenergie. Da haben wir die ostdeutschen Länder; die haben ein weiteres Interesse am Ausbau der Fotovoltaik. Da haben wir Bayern und Baden-Württemberg, die weiterhin kräftig in Richtung Atomkraft marschieren. Und wir in Nordrhein-Westfalen müssen doch unsere Interessen formulieren:

(Beifall von den GRÜNEN)

aus dem Maschinenbau, aus dem Anlagenbau, aus der Sicht der Kommunen, aus der Sicht der Gebäudewirtschaft.

(Beifall von den GRÜNEN)

Da erwarte ich, dass Sie unsere Interessen entsprechend vertreten.

(Prof. Dr. Andreas Pinkwart [FDP]: Aber brin- gen sie die doch mal ein!)

Also, es geht am Ende des Tages auch um die Frage der rechtlichen Absicherung des Föderalismus. Es kann nicht angehen, dass die Bundesregierung die Bundesländer außen vor hält.

Wir haben deshalb mit anderen Landesregierungen gemeinsam – das ist die Mehrheit im Bundesrat – die Initiative ergriffen, und wir werden alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, zu verhindern,

(Dietmar Brockes [FDP]: Sie haben zusam- men weniger als wir!)

dass die Rechte der Bundesländer – ich erwarte Sie zu der Frage an unserer Seite – eingeschränkt werden. Um diesen Weg der Bundesregierung zu verhindern, werden wir alle rechtlichen Möglichkeiten bis hin zum Verfassungsgericht ausschöpfen. Ich glaube, am Ende des Tages können wir festhalten, dass man sieht, von was so was kommt.

Die Landtagswahl in diesem Jahr in NordrheinWestfalen war der Anfang vom Ende von SchwarzGelb in Berlin. Aber das kann man auch mit der Debatte um die Atomzukunft zusammenbringen.

(Zurufe von Prof. Dr. Andreas Pinkwart [FDP] und Dietmar Brockes [FDP])

Seitdem ist klar, dass die Bundesregierung im Bundesrat in dieser zentralen Frage für die Entwicklung unserer industriepolitischen Zukunft keine Mehrheit hat. An dieser Frage werden sich auch in Zukunft Mehrheit und Minderheit in diesem Land zu messen haben. Darum werden wir streiten. – Vielen Dank.